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Winterzeit – Holzschlagzeit
ОглавлениеIn Deutschland besuchte ich außer den Verwandten auch Norbert, den Freund, der sich um Problemkinder und -jugendliche kümmerte. Da viele von ihnen mich von Besuchen bei uns in Frankreich kannten, war das natürlich ein großes Hallo und ein ganzer Käse verschwand in kürzester Zeit in den Mägen der Kinder. Inzwischen waren einige von ihnen schon in der Lehre und zeigten mir stolz ihre Berichtshefte. Einer machte eine Zimmermanns-Lehre. Seine Berichte und Zeichnungen faszinierten mich, hatte ich doch für den Holzaufbau des Stalles bisher nur vage Ideen. Ich hatte zwar in Frankreich ein sehr ausführliches Buch über Dachstühle gekauft, darin aber nicht das gefunden, was ich suchte. Der Junge zeigte mir seine Schulbücher. Wir blätterten sie gemeinsam durch. Und da fand ich das, was ich suchte! Genau die Art von Bindern, die wir brauchten! Ich schrieb mir die Buchtitel auf und bat meinen Vater, sie zu besorgen. Der hatte von seiner Zeit als Versicherer noch Kontakt zu früheren Kunden, unter anderem einem Berufschullehrer, der ihm diese Bücher überließ.
Daheim angekommen, wollte ich mit dem Lehrling zur Belohnung seiner treuen Arbeit etwas rauchen und griff nach dem Gurkenglas. Es war leer! Der Jahresvorrat verschwunden, innerhalb von 14 Tagen! Ich rief Jeremy. „Du hast mir doch gesagt, du hast ein Glas für mich in die Werkstatt gestellt. Da war so viel drin, dass ich den Freunden auch etwas geschenkt habe. Alleine hätte ich das nie geschafft!“, erwiderte er auf meine Frage. „Aber ich hatte dir doch ein kleineres an deinen Platz gestellt! Hast du das auch noch verraucht?“, fragte ich. „Hab ich nie gesehen! Wo hast du es denn hingetan?“, wollte er wissen. „Dort!“, sagte ich und zeigte auf die Werkbank. Und da stand es noch! „Das hab ich gar nicht gesehen!“, beteuerte er. Somit blieb uns wenigstens ein bisschen, um meine Rückkehr zu feiern.
Das war gerade recht. Somit hatten wir wenigstens klarere Köpfe. Und solange meiner noch klar war, machte ich mich an das Abändern der Pläne im Buch. Es ging vor allem darum, genügend freien Raum nach oben zu gewinnen und die Seitenpfosten mit dem Fußbodenbalken, dem Bundbalken, der quer über das ganze Gebäude ging, zu verbinden. Denn im Lehrbuch war das besagte Gebäude auf Fundamenten errichtet, bei uns würden die beiden Stützpfeiler und der Binder unten zusätzlich miteinander verbunden sein. Wichtig war zu wissen, dass das von mir im Groben entworfene Binder-System existierte und sich bewährt hatte. Das gab mir genügend Zuversicht. Denn, selbst wenn ich nicht ganz ungeschickt war, fehlten mir die Grundlagen, eine Statik zu berechnen. Meine Faustregel war: Lieber etwas dicker, dann wird es auch besser halten! Oder ich fragte Leute vom Fach.
*
Jetzt kam der Winter mit all seiner Macht und Schönheit! Dachten wir zuerst, er würde uns das Schlagen der Bäume für das Gebäude erschweren, so war gerade er es, der uns die Zufahrt zu den Waldparzellen ermöglichte, indem er den aufgeweichten Boden erstarren ließ. Wir hängten die Seilwinde hinten an den Traktor, beluden die Schaufel des Frontladers mit den Motorsägen und nötigem Werkzeug nebst Benzin. Dazu den Fällheber, das Sapine, Fällkeile, Axt, Ketten, Seile, Umlenk-Rollen, Markierungsspray, Verbandskasten, Metermaß, Thermosflasche mit heißem Tee. Ausgestattet mit Schnitthosen, Sicherheitsstiefeln, Helmen und Handschuhen machte ich mich mit dem Lehrling und Emanuel auf den Weg oberhalb der Schafstall-Ruine, wo genügend gute Bäume standen.
Eigentlich hatte ich diese Bäume bei unserem Herkommen damals für ein neues Dach der danebenliegenden Ruine vorgesehen gehabt. Doch die Zeit verging, ich hatte nie wirklich Bedarf für dieses Gebäude gehabt und nicht die überflüssige Zeit, es wieder aufzubauen. Ich hatte mich darauf beschränkt, die mit schmiedeeisernen Nägeln gespickten morschen Balken zu entfernen, damit sich kein Tier verletzen konnte. Die 10 bis 15 Jahre alten Bäumchen waren weitergewachsen und schauten jetzt aus ihrer beachtlichen Höhe auf uns herab. 30 weitere Jahre waren vergangen, und die Bäume hatten die perfekte Größe und Stärke für unser Vorhaben. Wir bräuchten, laut meinen Plänen, rund 30 Stämme von 10 Meter, mit einem dünnen Ende von mindestens 20 cm, die die befahrbare Decke des Stalles ergeben sollen. Das heisst, der dazu in Frage kommende Baum muss eine Höhe von fast 20 Metern haben.
Und da standen sie, die Bauholzspender und wir mitten drin auf dem steilen Hang. Früher muss hier auch eine Wiese gewesen sein, wie wir an den Böschungen sahen, sogar mal ein Feld. Doch war diese Parzelle, wie so viele andere, wahrscheinlich, weil zu steil schon lange vor unserer Ankunft aufgegeben worden und wieder zugewachsen, um, so kam es mir vor, das Bauholz für das ‚Generationenprojekt‘ zu liefern. Ich ließ die Hand über die raue Rinde der Bäume gleiten, versuchte, ihnen den Grund unseres Hierseins zu erklären, sie zu bitten, uns zu verzeihen, wenn wir sie ‚töteten‘. Denn wir nahmen ihnen zwar das Leben, gaben ihnen aber dadurch eine längere Existenz und führten sie vielleicht ihrer wahren Bestimmung zu, Stallung zu werden. Zugleich schaute ich nach, wie sie standen, nach wo sie geneigt waren, um herauszufinden, wie sie fallen würden und wie wir sie am leichtesten und ungefährlichsten herausziehen könnten. Die Parzelle war weitgehend von Eichen und Kastanien bewachsen, ein paar wenige Eschen am Rand. Also ideales Bauholz! Klar, mancher Stamm gabelte sich, war nicht so ideal wie ein Balken, der aus dem Sägewerk kommt. Doch früher, wie wir in den alten Gebäuden gesehen hatten, hatte es auch schon krumme Bäume gegeben, und man hatte sie trotzdem verarbeitet. Oft reichte dazu, dass man sie etwas drehte um eine gerade Auflage zu bekommen. Auch sahen wir, dass ein Kastanienstamm sich schneller verjüngt als eine Eiche oder Esche. Kastanien eigneten sich deshalb mehr zu Pfeilern und anderen kürzeren Sektionen.
Wir machten uns also ans Werk. Wir fingen mit dem Fällen am unteren Rand der Parzelle an, da wir das Holz ja nach oben hinausziehen würden. Der Mond war für ein paar Tage in Erdferne, die Säfte der Bäume durch den Winter in Ruhe. Ich schnitt die ersten Bäume um. Zuerst die Fällkerbe, dann, etwas höher der Fällschnitt, darauf bedacht, eine Bruchleiste, ein ‚Scharnier‘, zu lassen, welches den Baum in der Fallrichtung halten soll. Manchmal brauchte man einen Keil, den man in den Fällschnitt trieb, um dem Baum die nötige Neigung zu geben. Erst ächzend, fast seufzend löste er sich vom Stumpf, um dann krachend mit splitternden Ästen seinen Fall zu beenden. War ein Baum gefallen, war mir immer, als herrschte für ein paar Sekunden tosende Stille. Es roch nach frischem Holz. Und jede Holzart hat einen anderen Geruch. Irgendwer zählte die Jahresringe und unbewusst dachte man dabei an sich selber. Ja einmal geht es auch an mich…
Waren mehrere Stämme am Boden, machten wir uns ans Entasten, eine nicht ungefährliche Arbeit, denn das Holz steht dann unter Spannung. Dabei ist eine gute Beobachtung des zu schneidenden Astes notwendig, um zu sehen, wo man sägen muss, um nicht das Sägen-Schwert einzuklemmen oder damit der wegschnellende Ast einen nicht verletzt. Nicht direkt am Stamm entasten, lieber einen längeren Stummel lassen, von der Länge eines Brennholzscheites. Denn das war die Bestimmung alles anfallenden Abfallholzes. Auch ist es praktisch, zur Mitte hin einen längeren Ast am Stamm zu lassen, da dieser verhindert, dass der Baum beim Rücken, beim Wegziehen an den Hängen ins Rollen kommt. Nicht nur, weil das gefährlich sein kann, sondern auch, weil es die Ketten oder das Seil verwurschtelt.
Da in der Parzelle nicht genügend ausreichend gute Bäume vorhanden waren, suchten wir in der Umgebung nach weiteren. Wir brauchten ‚über den Daumen‘ rund 120 Stück! Beim Entasten maßen wir die Bäume aus und bestimmten dabei gleich, wozu sie dienen sollten. Rot waren die längsten und am gleichmäßig dicksten, also 10 bis 11 Meter, für den Boden, blau die Balken für das Dach, die 8 Meter Länge haben mussten, grün die 3,5 Meterstücke, die dicksten, für die Pfeiler des Dachstuhls. Nun längten wir sie ab, maximal auf 11 Meter, um damit um die Kurven des Weges zu kommen.
Nach und nach rückten wir einen Teil von ihnen mit der Winde bis etwas über den oberen Böschungsrand, indem wir die Kette 2 Meter vom Stammende anhängten. Anschließend, nachdem wir die Winde weiter oben in der Wiese platziert hatten, zogen wir sie auf die darüber liegende Parzelle. Daraufhin wieder Umstellen der Winde in Richtung Weg und erneutes Rücken der Stämme. Nun zogen wir die Stämme einzeln oder zu mehreren, je nach Gewicht, bis hinten an den Windenschild, woran wir sie mit den Rücke-Ketten einhängten. Erst ging es seitlich, dann steil nach unten auf den Weg. Zum Glück war die Erde leicht gefroren, sonst wären wir mit dem Traktor samt Holz ‚Schlitten gefahren‘! So griffen die Räder auf dem Boden und auch die Stämme bremsten etwas. Doch dann auf dem Weg wurde es chaotisch. An der ersten Kurve fächerten die angehängten Stämme auseinander und ein Teil rutschte seitlich auf der Böschung weiter. Dort wurden sie stellenweise von den anderen Bäumen aufgehalten. Mit Mühe kamen wir bis unterhalb der Baustelle.
Die Stämme mussten aus dem Weg. Wo könnte man sie lagern? Genau! Auf dem Hang neben der Baustelle! Dort könnten wir sie auch später zurechtschneiden, da die Stämme bergabwärts sicherlich leichter zu bearbeiten wären, als auf dem Flachen! Wir hängten die Ketten vom Rückeschild ab und ich fuhr mit dem Traktor den Hang hinauf, indem ich zugleich das Windenseil abrollen ließ. Oben verankerte ich den Schild gut im Boden und einen nach dem anderen zogen wir die Bäume nach oben, soweit, dass später unterhalb davon noch ein zweites Lager von Stämmen eingerichtet werden konnte, da uns klar war, dass wir 120 Stämme niemals nebeneinander auf der kleinen Wiese ablegen konnten!
Holzlager
So, das Lagerproblem hatte sich schier von selber gelöst. Blieb nur noch das Schleppen der Stämme auf dem kurvigen Weg. Da fiel mir ein, dass ich noch rund 30 Eisenstangen von 25 Millimetern Durchmesser rumliegen hatte, die ich beim Michel, dem Schrotthändler gekauft hatte. Mit diesen verstärkte ich bei Bedarf die Gitterzäune, die außen um unser Gelände gingen, da im Lauf der Zeit die Eichenpfosten abgefault waren. Wir packten also diese fast 2 Meter langen Pfosten in die Ladeschaufel und fuhren wieder den Weg zum Holzschlag hoch. In den Kurven und an all den Stellen, wo die Bäume ausgeschert waren, drückten wir nun Eisenstangen mit dem Frontlader in die untere Wegböschung. Und je frostiger es wurde, umso besser hielten diese! Manche verbogen sich sogar beim Schleppen des Holzes, andere gaben nach und legten sich um.
Nach weiteren zwei Wochen war alles Bauholz aus dem Wald geschafft und das Brennholz auf Kessellänge geschnitten im Wald aufgestapelt. Wir waren heilfroh, denn am Ende hatte sich die Piste in eine Rutschbahn verwandelt, wo alleine das Hinauffahren schon kritisch genug war, gar nicht zu reden von der Talfahrt mit dem Holz hinten dran, das jetzt eher schob als bremste!
Inzwischen hatte ich die genaue Zahl an Balken mit den entsprechenden Längen sortiert und wir machten uns daran, sie endgültig abzulängen und zu kennzeichnen. Denn die 11-Meter-Stücke, so gerade sie im Wald auch ausgesehen hatten, erwiesen sich, wie sie da nebeneinander lagen als gar nicht mehr so gerade! Wir müssten wohl einige der Bodenbalken in zwei Stücken machen, sonst kämen wir nicht hin! Aber, durch den Doppel-T-Träger, der in der Mitte verlief war das kein Problem. Als wir alle Stämme ihrer späteren Bestimmung zugeordnet hatten und als auch deren Zahl stimmte, ging es ans Entrinden, eine gehörige Knochenarbeit, aber notwendig um den Parasitenbefall zu vermindern. Diese Arbeit überließ ich gerne Jeremy und anderen Helfern, um mich stattdessen um den Hof zu kümmern, den ich manchmal etwas vernachlässigt hatte. Dafür schärfte ich die Werkzeuge rasierklingenscharf. Dann konnten wir uns an das Sägen machen.
Entrinden
Dazu kamen eigentlich nur die Nachmittage in Frage, weil da die Sonne etwas durchkam, was das Arbeiten erleichterte. Auch ist gefrorenes Holz schwer zu sägen. Ich rüstete also die große Stihl mit dem 90-er Schwert von Joey mit dem ‚Scheide-Ansatz‘, der ‚Gruminette‘ aus. Von den Holzfällern wusste ich, dass man für Längsschnitte eine Spezialkette braucht oder aber zumindest den Schärfe-Winkel ändern muss, auf 10°, anders ausgedrückt, fast im rechten Winkel zur Kette. Je härter das Holz, desto näher an die 90°! Wir wollten uns an den Pfeilern von 3,5 Metern Länge einüben, denn das erschien uns einfacher, als sofort die 10 Meter-Stämme anzugehen!
Motorsäge mit Brett-Schneide-Aufsatz
Da wir den Stamm in einen Vierkant verwandeln wollten, musste er an seinem dicken Ende etwas verjüngt werden. Auf das dünne Ende zeichneten wir ein Quadrat, was dem Querschnitt des Balkens entsprechen sollte. Doch das fiel etwas mickerig aus. Also einigten wir uns darauf, die Ecken etwas rund zu lassen, um dadurch insgesamt an Stärke zu gewinnen. Nun schraubten wir ein Brett als Führung der Länge nach mit flachköpfigen Holzschrauben von oben auf den liegenden Stamm, so unterkeilt, dass es später auf der gegenüberliegenden Stammseite ebenfalls einen parallelen Schnitt ergab. Die verwendeten Schrauben dürfen nicht so lang sein, dass sie von der Säge berührt werden! Auch müssen die Schrauben unterm Kopf auf Brettdicke glatt sein, also ohne Gewinde, da man sonst das ‚Schablonenbrett‘ nicht genügend dem Stamm annähern kann. Am besten sind Torx-Schrauben, weil man diese auch leichter wieder herausbekommt. Bei der Schraubmaschine genügend ‚Schlupf‘ einstellen, damit einem die Maschine nicht aus der Hand fliegt!
Schablonen-Brett und Baumstamm
Nun die Sägetiefe am Anbaurahmen der Säge richtig einstellen und einen leichten Probeschnitt machen! Nachmessen, ob es auf der anderen Stammseite auch passt! Ist alles in Ordnung, bei laufender Säge den Rahmen auf der Schablone auflegen und vorsichtig den Schnitt beginnen. Es ist besser zu zweit zu sein, vor allem bei einer schweren Säge und langen Stämmen. Helm, Augengitter, Ohrenschutz, Handschuhe, Sägehose und lange Ärmel tragen! Nach einer Weile kriegt man den Bogen raus, wird mit jedem Meter besser. Vorsicht ist aber immer angebracht! Die Abgase der Säge sind ziemlich störend. Wir stellten deshalb auf vorgemischtes Zweitakt-Benzin um. Stinkt viel weniger ist aber deshalb nicht weniger giftig! Die Späne setzen Nase und Augen zu. Eventuell ein Tuch vor den Mund binden. Nach einem 10 Meter-Schnitt muss man die Tanks (Benzin und Kettenöl) füllen und der Kette wieder etwas Schliff geben. Beim Längssägen lernt man Geduld. Lernt man aber auch das Feilen der Kette, merkt man gleich, wenn etwas am Schwert nicht stimmt. Die Säge darf nicht nach unten wegtauchen. Bei ziemlich vollem Gas arbeiten und die Kette so belasten, dass sie noch schnell genug läuft, man aber hört, dass sie gut zu tun hat!
Zu zweit geht alles besser
Die Pfeiler (Bundpfosten) schnitten wir quadratisch zu. Die Bodenbalken flachten wir nur auf einer Seite ab. Die Dachbalken (Bundsparren) ebenfalls, manchmal aber auch auf drei Seiten. Die zukünftigen Diagonal-Versteifungen (Bundstreben) halbierten wir nur in ihrer ganzen Länge. Anhand der verschiedenen Farbmarkierungen sah man an jedem Stamm sofort, wie er zu schneiden war. So verging der Winter. Ein Joint am Abend half uns, den Dreck des Tages wieder auszuhusten. Gutes Essen und ‚Eigenbräu‘-Bier gab uns Kraft und gute Laune zum Weitermachen. Und dann war es geschafft! Es blieben noch ein paar zusätzliche Stämme zu entrinden und die Abschnitte zum Brennholz zu schaffen, damit der Platz sauber war.
Langsam aber stetig…