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1Einführung – den Dozenten über die Schulter geschaut


 Worauf achten Prüfer, wenn sie gute Prüfungen erstellen?

 Was sind die Kennzeichen guter Prüfungen?

Natürlich können Sie dieses Kapitel, wenn Sie es sehr eilig haben, prinzipiell auch überspringen. Allerdings vermittelt es Ihnen eine Idee, wie Ihr Professor vorgeht, wenn er gute Prüfungen konzipiert und wie eine gute Prüfung am Schluss aussieht – es ist durchaus nicht verkehrt, das zu wissen. Wenn Sie verstanden haben, worauf aus Prüfersicht gute Prüfungen abzielen bzw. was die Prüflinge abliefern sollen, können Sie sich als Geprüfter gut und gezielt vorbereiten.

1.1Kompetenzorientierung und Relevanz

Gute Prüfungen richten sich nach den Kompetenzen, die im künftigen Berufsfeld eine Rolle spielen, die also „relevant“ sind (entweder als theoretische Grundlagen oder in der berufspraktischen Anwendung oder beides) (Kompetenzorientierung der Prüfungen siehe auch Kap. 4.1 und 7.1). Der Aufwand für die Lernvorbereitung und für die Prüfung selbst soll in einem vernünftigen Maß zur Relevanz und zur Bedeutung des Lernstoffs stehen. Die Bedeutung, die einem bestimmten Lernstoff von den Lehrverantwortlichen beigemessen wird, spiegelt sich – zumindest was die Bachelor-/Master-Studiengänge betrifft – auch in den ECTS-Punkten (Leistungspunkte, Credit Points) wider. In den Regelstudiengängen der Medizin wird in den vorklinischen Semestern vielfach die Bedeutung des jeweiligen Fachs in der ersten ärztlichen Staatsprüfung (Physikum) als Maß für seine Relevanz innerhalb der Vorklinik herangezogen.

1.2Alignment (Passung) von Lernzielen und Prüfungen

Gute Prüfungen passen zu den gesetzten Lernzielen. Diese bekannt zu machen (z. B. in den Modulbeschreibungen oder an entsprechend geeigneter Stelle), ist ein Gebot der Fairness seitens der Lehrenden. Sie dort auch nachzulesen, steht in Ihrem Eigeninteresse; im Zweifelsfall erfragen Sie die Lernziele bzw. den Ort der Veröffentlichung bei Ihren zuständigen Dozenten.

1.3Fairness

Natürlich müssen gute Prüfungen fair ablaufen. Bevorzugung oder Benachteiligung darf keine Rolle spielen. Übrigens, weil es dazu immer mal wieder Beschwerden gibt: Es darf (auch aus rechtlicher Sicht) nicht etwa nur das geprüft werden, was in Vorlesungen oder Seminaren ausdrücklich behandelt wurde, sondern es darf grundsätzlich ALLES geprüft werden, was aus Sicht der Dozenten zum Lernstoff gehört! Den Prüfungsstoff über den reinen Vorlesungsstoff hinaus auszudehnen, ist also weder verboten noch „unfair“ (das muss zur Verteidigung der Prüfer einmal deutlich gesagt werden) – und auch von Studierenden als „schwer“ empfundene Prüfungen sind nicht automatisch „unfair“. Wirklich unfair wäre es allerdings, wenn die prüfungsrelevanten Lernziele den Studierenden entweder nicht bekannt gegeben werden oder die vorgegebenen Lernziele und die tatsächlichen Prüfungsthemen stark voneinander abweichen.

1.4Objektivität

Prüfung und Bewertung finden ohne positive oder negative Voreingenommenheiten statt. Aber natürlich sind manche Prüfungsformate aufgrund ihrer Konzeption „objektiver“ ausgerichtet als andere: Beispielsweise ist die Punktevergabe in Multiple Choice-Prüfungen definitiv objektiver als die Bewertung in mündlichen Prüfungen. Trotzdem haben diese unterschiedlichen Prüfungsformate ihre Berechtigung, weil jedes einzelne Format seine besonderen Stärken hat (siehe Kap. 4). Wichtig ist nur, dass in allen Prüfungsformaten seitens der Prüfer das jeweils bestmögliche Maß an Objektivität angestrebt wird.

1.5Reliabilität

Die Reliabilität ist ein Maß dafür, wie genau und zuverlässig das Prüfungsergebnis zur gezeigten Leistung passt. Ein einfaches Beispiel: Wenn der Prüfling von einem Prüfer die Note „2“ bekommt und von einem anderen Prüfer für die exakt gleiche Leistung die Note „4 minus“, dann ist in diesem Fall keine gute Reliabilität gegeben. Die Bewertungen sind dann eben kein zuverlässiges Maß für die gezeigte Leistung – weil ihre „Messgenauigkeit“ einfach nicht stimmt. Wenn solche groben Verstöße gegen das Gebot guter Reliabilität in einem realen Fall auftreten, kann der Prüfling dagegen Einwände erheben.

1.6Validität

Die Validität ist ein Maß dafür, ob und wie gut die konkrete Prüfungsaufgabe die Kompetenzen misst, die sie überprüfen soll. Hier spielen z. B. die Prüfungsformate eine große Rolle: Wenn es in den Lernzielen darum geht, dass jemand eine praktische Verrichtung beherrschen soll, kommt aus Sicht der Validität eben auch nur eine praktische Prüfung infrage. Mit einer reinen Theorieprüfung kann keine praktische Kompetenz überprüft werden. Insbesondere in der Medizin war das lange Zeit ein Problem; mittlerweile sind eigentlich an allen Standorten praktische Prüfungen feste Bestandteile der Leistungsnachweise für Medizinstudierende.

1.7Zusammenfassung


 Um besser verstehen zu können, was den Prüfling in der Prüfung erwartet, lohnt es sich, einmal die Seite zu wechseln und die Position des Prüfers einzunehmen.

 Gute Prüfungen zeichnen sich durch bestimmte Gütekriterien, wie Kompetenzorientierung und Relevanz, Alignment, Fairness, Objektivität, Reliabilität und Validität, aus. Wenn Sie diese kennen, können Sie sich bereits in der Vorbereitungsphase ein realistisches Bild davon machen, was Sie in Ihrer Prüfung erwarten wird.

1.8Weiterführende Quellen- und Literaturhinweise

Bundesministerium für Bildung und Forschung: Der Bologna-Prozess –

die Europäische Studienreform (https://www.bmbf.de/de/der-bologna-prozess-die-europaeische-studienreform-1038.html).

Ebitsch, S. (2010/2016): Was sind Credit Points? In: Studienanfänger: So geht der Bachelor. ZEIT Studienführer 2010, akt. 2016 (http://www.zeit.de/studium/studienfuehrer-2010/studium-bachelor-leitfaden/komplettansicht).

KMK Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland: Der Bologna-Prozess (https://www.kmk.org/themen/hochschulen/internationale-hochschulangelegenheiten.html).

Statistisches Bundesamt (2016): Prüfungen an Hochschulen (https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Hochschulen/PruefungenHochschulen.html).

[alle Internetquellen: letzter Zugriff Juli 2016]

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