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Anonymität der frühen Jahre

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Die Prognosen lauteten auf eine mittlere Laufbahn. Mit etwas Glück würde es der junge Caesar zum Prätor bringen. Vielleicht reichte es auch nur zum Quästor. Der angeheiratete Onkel aus Arpinum war zwar schon fünfmal zum Konsul gewählt worden – zwei weitere Male sollten folgen –, aber er war ein homo novus, den die Kriegswirren nach oben gespült hatten. Sehr bald würde diese Verwandtschaft für Caesar keinerlei Nutzen mehr haben, ja ihn gar in Lebensgefahr bringen.

Der Vater saß im Senat und war Quästor gewesen, doch in ihrer langen Geschichte waren nur zwei Ahnen aus der patrizischen Familie bis zum Konsulat aufgestiegen. Das war im Jahre 267 und einmal im Jahre 157 gewesen, und damit zu lange her, um Glanz zu verbreiten. Wenn die Tante außerhalb der Nobilität heiratete, kann dies auch darauf schließen lassen, dass das Vermögen die Ausgaben nicht zuließ, die für das Erreichen des Konsulats erforderlich waren. Caesars Mutter Aurelia stammte aus einer Familie, die immerhin schon die doppelte Anzahl an Konsuln vorzuweisen hatte, der letzte von ihnen hieß Lucius Aurelius Cotta und war Caesars Großvater. Das aber half auch nicht. Besser war es da schon, den eigenen Stammbaum etymologisch etwas aufzurüsten. Die Gens der Julier führte ihre Sippe auf Julus zurück, den einzigen Sohn des Aeneas, der mit seinem Vater nach der Zerstörung Trojas nach Italien gekommen war.3 Da Aeneas wiederum Sohn der Aphrodite oder Venus war, durfte Caesar diese als seine Ahnfrau betrachten und gelangte damit zu Vorfahren, die um einiges illustrer waren als die Alexanders des Großen. Dieser konnte seine Ahnenreihe nur bis Herakles zurückführen.

Über Caesars Kindheit wissen wir nichts. Bei Plutarch finden sich oft Anekdoten aus den frühen Jahren des Helden, die vorausweisend dessen Charakter erhellen sollen. Der Anfang der Caesar-Biographie ist jedoch verloren. Angeblich prophezeite der Diktator Sulla, in Caesar steckten viele Marii.4 Doch diese Geschichte ist erfunden und das obendrein schlecht. In Caesar steckte allenfalls ein Sulla. So verwundert es nicht, wenn Plutarch behauptet, Sulla habe das Kind Caesar präventiv ermorden lassen wollen.5 Der Diktator war aber weder Herodes noch Augustus.

So wuchs Caesar heran wie jeder andere Aristokratensohn dieser Zeit. Die ersten Lebensjahre verbrachte er unter der Obhut der Mutter und ihrer Bedienerinnen. Im Alter von etwa sieben Jahren besuchte er den Elementar- und von etwa zehn bis fünfzehn den Grammatikunterricht. Auf dem Programm standen griechische und lateinische Literatur, ein grammaticus lehrte Grundlagen der Rhetorik. Im Alter von fünfzehn oder sechzehn Jahren erhielt der junge Caesar die Männertoga, das heißt er wurde mündig. Unter der Anleitung einer mit der Familie befreundeten Persönlichkeit begann er dann eine ungefähr einjährige „politische Lehrzeit“, die ihn mit den staatlichen Institutionen vertraut machte. Die Römer nannten dieses Lehrjahr bei einflussreichen Rednern, Juristen und Politikern tirocinium fori, „Rekrutenzeit auf dem Forum“, und dehnten damit einen militärischen Begriff auf eine zivile Ausbildung aus. Der „richtige“ Kriegsdienst schloss sich daran im allgemeinen an.6

Kindheit und Jugend des nachmaligen Diktators verliefen in der Anonymität, die das Desinteresse der antiken Historiker an dieser Altersstufe garantierte. Es gibt nichts, woraus Schlussfolgerungen für die spätere Karriere gezogen werden können; alles, was über Caesars frühe Jahre gesagt wird, sind Gemeinplätze oder Rückprojektionen. Nur eine Nachricht erscheint zuverlässig. Noch im Knabenalter wurde Caesar verlobt. Das Mädchen hieß Cossutia und stammte aus einer Ritterfamilie, von der nur bekannt ist, dass sie reich war. Darin lässt sich auch der Grund der Verlobung sehen. Die Julier zählten zwar zu den Patriziern, aber wenn es darum ging, die vermutlich klamme Hauskasse zu füllen, durfte auch unter dem eigenen Stand und Anspruch geheiratet werden. Es kann die Zeit gewesen sein, in der Caesars Vater für die Prätur kandidierte, und Bewerbungen dieser Art waren teuer. Das Amt selbst wurde unentgeltlich ausgeübt, Einnahmen flossen erst in der Zeit danach. Der Vater wurde gewählt, vielleicht im Jahre 93 oder etwas früher, amtierte als Prätor und ging anschließend als Statthalter nach Kleinasien. Die üblichen Statuen und Ehreninschriften erinnern an diese Zeit.7


Abb. 2: Geburt Caesars durch Kaiserschnitt (sectio caesarea). Holzschnitt, später koloriert. Aus: Sueton, Vitae Caesarum, ed. J. Rubeus, Venedig 1506.

Caesars Vater starb im Jahre 85 in Pisae. Für den damals vierzehnjährigen Sohn begann bald danach die erste große Krise seines Lebens, und es ist keine kleine Überraschung, dass er sie überhaupt lebend überstand. Die Gefahr resultierte nicht aus dem Tod des Vaters, sie hatte mit zwei anderen Verwandten zu tun und nahm ihren Anfang in Vorgängen, die ins Jahr 91 zurückreichten, ohne dass deren Auswirkungen abzusehen waren. Die italischen Bundesgenossen meuterten damals. Es waren die Gemeinden, die sich nicht aus römischen Bürgern oder Latinern rekrutierten, als innenpolitisch autonom galten, aber auf Befehl Roms Truppen für die Kriege aufbieten mussten. Sie trugen militärische Lasten, ohne dafür die Vorteile zu genießen, die das Bürgerrecht bot. Um es zu bekommen, rebellierten sie nun.8 Schwere Kämpfe brachen aus, die vereinzelt bis ins Jahr 87 dauerten, obwohl inzwischen allen Bundesgenossen südlich des Po ein allerdings eingeschränktes Bürgerrecht – sie durften nur in acht der 35 Stimmbezirke (tribus) abstimmen – angeboten worden war. Als Sulla im Jahre 88 sein Amt als Konsul antrat, waren daher große Truppenverbände in Italien konzentriert und damit die Voraussetzungen dafür geschaffen, den Bundesgenossen- in einen Bürgerkrieg münden zu lassen. In Rom wurde bereits eine forensische Schlacht ausgetragen. Der Volkstribun Sulpicius setzte in der Volksversammlung durch, dass die Bundesgenossen in allen Tribus eingeschrieben werden konnten. Als aus Asien die Nachrichten von der Expansion des Mithridates und dem Blutbefehl von Ephesos eintrafen, dem angeblich 80.000 Italiker und Römer zum Opfer fielen, griff er darüber hinaus in die Außenpolitik ein.

Der Senat hatte dem Konsul Sulla den Oberbefehl im nun ausgebrochenen Krieg mit Mithridates übertragen, doch Sulpicius ließ diese Entscheidung kippen. Die Volksversammlung entzog Sulla das Kommando und übergab es dem sechsmaligen Konsul Marius, dem Veteranen der Germanenschlachten von Aquae Sextiae 102 und auf den Raudischen Feldern 101. Sullas Anhänger rieten Marius vergebens, seinen bresthaften, von Gicht und Alter zersetzten Körper in den warmen Bädern von Baiae zu pflegen und auf seinem Luxusgut bei Misenum zu bleiben. Aus armen und engen Verhältnissen zu Reichtum und Macht emporgestiegen, habe aber Marius die Grenzen seines Glückes nicht erkennen können, klagt Plutarch und bleibt im Bild: „So brachen die Schwären auf, an welchen der Staatskörper schon lange krankte. Nichtig und kindisch in Ursache und Anfang, führte diese Feindschaft durch blutige Bürgerkriege und unheilbaren Zwist bis zur Tyrannis und zum allgemeinen Umsturz und brachte mehr Verderben über Rom als alle auswärtigen Feinde.“9

Caesar

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