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III.
Gurnemans.
ОглавлениеDas Vorwort, nicht das Vorwort des ganzen Gedichts, denn die zwei ersten Bücher scheinen später hinzugedichtet (s. Anm. zu 744, 19), enthält einen beschönigenden Widerruf dessen, was der Dichter in der Erbitterung wider Eine von den Frauen überhaupt zu Anfange dieses Abschnittes gesagt hatte: es lebe nun kein Weib mehr, die wie Herzeleide die weltlichen Freuden um der himmlischen willen hingeben würde. Herzeleide hat sich, ihren Kronen entsagend, mit wenigen Leuten in die Wüste von Soltane zurückgezogen, wo sie ihren Knaben in bäurischer Einfalt erzieht und ihn sorgfältig vor aller Kunde des Rittertums zu bewahren sucht. Doch schnitzt er sich Bogen und Bolzen und schießt nach den Vögeln, deren Tod er gleichwohl beweint, weil ihr Gesang ihm die Brust schwellt. Da will die Mutter alle Vögel fangen und tödten laßen; er aber bittet für sie, und sie gedenkt, daß es auch Gottes Geschöpfe sind. Er fragt sie nach Gott, und sie beschreibt ihn lichter als der Tag, und er sollte ihn anflehen, dagegen den schwarzen Höllenwirth so wie den Zweifel meiden. Er übt sich auch mit dem Wurfspieß und erlegt viel Wild. Einst begegnen ihm auf seiner Jagd vier Ritter in glänzenden Rüstungen, welche den Jungfernräuber Meljakanz (vgl. 343, 25 ff.) verfolgen. Er hält sie für Engel; sie bescheiden ihn aber, daß sie nur Ritter seien, und weisen ihn, da er auch Ritter zu werden verlangt, zu König Artus. Seinem Verlangen dahin kann die Mutter nicht widerstehen; sie giebt ihm aber Thorenkleider und Lehren auf den Weg, die er allzuwörtlich befolgt. Sein Abschied bringt ihr den Tod. Im Walde Briziljan kommt er zu Orilus prächtigem Gezelte, dessen Gemahlin Jeschute er, nach der Mutter Rath, Fingerring und Fürspann (Halsschmuck) raubt. Er findet Sigunen mit dem eben von Orilus (von dem auch Galoes gefallen ist) erschlagenen Schionatulander. Sie sagt ihm seinen Namen und weist ihn gen Bretagne. Ein Fischer, dem er den Fürspann schenkt, geleitet ihn bis in die Nähe von Nantes, der Hauptstadt des Artus. Hier begegnet ihm Ither, der rothe Ritter, der auf Artus Krone Anspruch erhebt und mit seinen Rittern zu kämpfen draußen hält. Mit dessen Aufträgen kommt er an den Hof, wo sein Aufzug wie seine Schönheit Alles in Verwunderung setzt. Kunneware, des Orilus Schwester, die nicht eher lachen wollte, bis sie den Ritter des höchsten Preises ersähe, lacht, und Antanor, der nicht eher reden wollte, bis sie lachte, bricht sein Schweigen. Beide werden von Keien gezüchtigt, welche Misshandlung Parzival zu rächen gedenkt. Mit dem Wurfspieß erschlägt er Itheren und bemächtigt sich seiner Rüstung, die ihm Artus auf seine Bitte geschenkt hatte. So kommt er zu Gurnemans, dem Hauptmann der wahren Zucht (feinen höfischen Sitte), wo er seine kindische Einfalt ablegt. Gurnemans wünscht ihm seine Tochter zu vermählen und entläßt ihn so ungern, als verlöre er in ihm den vierten seiner Söhne.
5Wer nun von Frauen beßer spricht,
Fürwahr, ich haß ihn darum nicht;
Ich vernehme gern, was sie erfreut.
Nur Einer bin ich unbereit
Hinfort zu dienstlicher Treu,
10Ihr ist mein Zorn immer neu;
Ihr Fehltritt schafft mir Ungemach.
Ich bin Wolfram von Eschenbach,
Nicht unerfahren im Gesange,
Und halte fest wie eine Zange
15Meinen Zorn wider ein Weib,
Denn sie hat mir Seel und Leib
Betrübt durch solche Missethat,
Sie zu haßen, anders ist kein Rath.
Trifft mich darum der Andern Haß,
20O weh, warum denn thun sie das?
Sei mir auch ihr Haßen leid,
Es beweist doch ihre Weiblichkeit,
Da sich mein Mund versprochen hat
Und mir selber Schaden that;
25Es geschieht auch wohl so leicht nicht mehr.
Doch mögen sie sich nicht zu sehr
Beeilen, mir das Haus zu stürmen:
Ich weiß mich wehrlich zu schirmen.
Auch hab ichs nicht vergeßen,
Ich kann noch wohl ermeßen,
[115]Wie ihre Zucht und Sitte sei:
Wohnt einem Weibe Reinheit bei,
Deren Kämpe will ich sein,
Mich jammert herzlich ihre Pein.
5An der Krücke hinkt sein Ruhm,
Der das ganze Frauentum
Schmäht um seiner Frauen Schmach.
Die mich recht beachten mag,
Zugleich mit Schaun und Hören,
10Die werd ich nicht bethören.
Zum Schildesamt bin ich geboren:
Sind Kraft und Muth an mir verloren
Die mich um Sang will minnen,
Dünkt mich nicht kluger Sinnen.
15Trag ich edler Frau Begehr,
Mag ich nicht mit Schild und Sper
Erwerben ihrer Minne Sold,
So sei sie mir mit Nichten hold.
Es ist doch hoch genug gespielt,
20Wer mit Ritterschaft nach Minne zielt.
Schiens Schmeicheln nicht den Frauen,
Ich ließ euch ferner schauen
An dieser Märe Neues viel
Bis an der Aventüre Ziel.
25Wer deren Kunde will empfahn,
Der rechn es für kein Buch mir an:
Ich kenne keinen Buchstaben.
An Büchern mag, wer will sich laben:
Diesen Abenteuern
Sollen Bücher nicht steuern.
[116]Eh man sie hielte für ein Buch,
Lieber wär ich ohne Tuch35
Nackt, wenn ich im Bade säße,
Des Büschels freilich nicht vergäße.
———
5Es betrübt mir Seel und Leib,36
Daß so Manche heißet Weib.
Die Stimme lautet Allen hell,
Doch Viele sind zum Falle schnell,
Andre frei von falschem Wandel:
10So theilt sich dieser Handel.
Daß die mit gleichem Namen prangen,
Das hat mein Herz mit Scham befangen.
Weibheit, dein ordentlicher Brauch,
Treue hielt und hält der auch.
15Viele sprechen, Armut
Sei zu keinem Dinge gut;
Wer sie um Treu will leiden,
Mag doch die Hölle meiden.
Die trug ein Weib um Treue.
20Da ward ihr stäts aufs Neue
Im Himmelreich gegeben.
Nun werden Wenge leben,
Die jung der Erde Reichtum
Ließen um des Himmels Ruhm.
25Ich kenne keinen, der das will,
Mann und Weib sind mir gleichviel,
Sie gleichen Alle sich darin.
Frau Herzeleid die Königin
Floh ihren dreien Landen fern:
Sie trug der Freuden Mangel gern.
[117]Aller Fehl so ganz an ihr verschwand,
Daß ihn nicht Ohr noch Auge fand.
Ein Nebel war ihr die Sonne;
Sie mied die weltliche Wonne.
5Auch war die Nacht ihr wie der Tag,
Ihr Herz nur stäten Jammers pflag.
Sie zog sich vor des Grams Gewalt
Aus ihrem Land in einen Wald
In der Wildniss von Soltane:
10Nicht um Blumen auf dem Plane:
Ihr Herz erfüllte Leid so ganz,
Sie kehrte sich an keinen Kranz,
Ob er roth war oder fahl.
Sie flüchtete dahin zumal
15Des werthen Gachmuretes Kind.
Leute, die da bei ihr sind,
Müßen reuten und pflügen.
Ihre Pflege konnte wohl genügen
Dem Sohn. Eh der Verstand gewann,
20Rief sie ihr Volk zu sich heran,
Wo sie Mann und Weib zumal
Bei Leib und Leben anbefahl,
Daß von Rittern schwieg' ihr Mund:
»Denn würd es meinem Herzlieb kund,
25Was ritterliches Leben wär,
So hätt ich Kummer und Beschwer.
Nun legt die Zunge klug in Haft
Und hehlt ihm alle Ritterschaft.«
Das schuf den Leuten Sorgen.
Der Knabe ward verborgen
[118]In der Wüste von Soltan erzogen,
Um königlichen Brauch betrogen
Außer in dem Einen Spiel:
Bogen und Bolzen viel
5Schnitt er sich mit eigner Hand
Und schoß die Vögel, die er fand.
Wenn er jedoch das Vöglein schoß,
Dem erst Gesang so hold entfloß,
So weint' er laut und strafte gar
10Mit Raufen sein unschuldig Haar.
Sein Leib war klar und helle:
Aus dem Plan an der Quelle
Wusch er sich alle Morgen.
Ihm schuf nichts anders Sorgen
15Als über ihm der Vöglein Sang,
Der ihm das Herz so süß durchdrang:
Das dehnt' ihm seine Brüstlein aus.
Mit Weinen lief er in das Haus.
Die Köngin sprach: Wer that dirs an?
20Du warst ja draußen auf dem Plan.«
Da wust er ihr kein Wort zu sagen.
So gehts Kindern noch in unsern Tagen.
Das macht' ihr viel zu schaffen.
Da sah sie einst ihn gaffen
25Nach einem Baum, von dem es scholl.
Sie ward wohl inne, wie ihm schwoll
Von dem Gesang die junge Brust;
In seiner Art lag solch Gelust.
Frau Herzleid trug den Vögeln Haß
Seitdem, sie wuste nicht um was:
[119]Sie sandte Knecht und Enken
Ihr Singen zu beschränken,
Vöglein mit Netz und Stangen
Zu würgen und zu fangen.
5Die Vöglein waren gut beritten,
Daß sie den Tod nicht all' erlitten:
Etliche blieben wohl am Leben,
Die hört man neuen Sang erheben.
Der Knabe sprach: »Bei eurer Huld,
10Was giebt man doch den Vöglein Schuld?«
Er erbat ihnen Frieden gleich zur Stund.
Seine Mutter küsst' ihn auf den Mund.
Sie sprach: »Was brech ich sein Gebot,
Der doch ist der höchste Gott?
15Sollen Vöglein trauern meinethalb?«
Der Knappe sprach zur Mutter bald:
»Höre Mutter, was ist Gott?«
»Das sag ich, Sohn, dir ohne Spott:
Er ist noch lichter denn der Tag,
20Der einst Angesichtes pflag
Nach der Menschen Angesicht.
Sohn, vergiß der Lehre nicht
Und fleh ihn an in deiner Noth,
Dessen Treu uns immer Hülfe bot.
25Ein Andrer heißt der Hölle Wirth,
Der schwarz Untreu nicht meiden wird:
Von dem kehr die Gedanken
Und auch von Zweifels Wanken.«
Seine Mutter unterschied ihm gar,
Was finster ist, was licht und klar.
[120]Dann eilt' er wohl waldein zu springen,
Das Gabilot37 auch lernt' er schwingen,
Womit er manchen Hirsch erschoß,
Davon der Mutter Volk genoß.
5Ob man Grund sah oder Schnee,
Dem Wilde thät sein Schießen weh.
Hört aber fremde Märe:
Wenn er erschoß das schwere,
Einem Maulthier wär die Last genug,
10Die er unzerlegt nach Hause trug.
Er kam auf seinem Waidegang
Eines Tages einer Hald entlang
Und brach zum Blatten manchen Zweig.
In seiner Nähe ging ein Steig:
15Da vernahm er Schall von Hufschlägen:
Er begann sein Gabilot zu wägen.
»Was hab ich da vernommen?
Daß nun der Teufel kommen
Wollte grimm und zorniglich!
20Ich bestünd ihn sicherlich.
Meine Mutter Schrecken von ihm sagt;
Mich dünkt, sie ist auch zu verzagt.«
So stand er da in Streits Begehr.
Seht, da traben dortenher
25Drei Ritter in der Rüstung Glanz
Von Haupt zu Fuß gewappnet ganz.
Der Knappe wähnte sonder Spott,
Jeglicher wär ein Herregott.
Wohl stand er auch nicht länger hie,
Er warf sich in den Pfad aufs Knie;
[121]Mit lauter Stimme rief er gleich:
»Hilf Gott, Du bist wohl hilfereich!«
Der Vordre zürnte drum und sprach,
Als ihm der Knapp im Wege lag:
5»Dieser täppische Waleise
Wehrt uns schnelle Weiterreise.«
Ein Lob, das wir Baiern tragen,
Muß ich von Waleisen sagen:
Sie sind täppischer als Bairisch Heer
10Und leisten doch gleich tapfre Wehr.
Wen dieser Länder Eins gebar,
Wird der gefüg, ists wunderbar.
Da kam einher galoppiert,
An Helm und Harnisch wohl geziert
15Ein Ritter, welchem Zeit gebrach:
Streitgierig ritt er jenen nach,
Die ihm schon voraus gekommen.
Zwei Ritter hatten ihm genommen
Eine Frau aus seinem Lande:
20Das dauchte diesen Schande.
Der Jungfrau Leid betrübt' ihn schwer,
Die erbärmlich ritt vor ihnen her.
Die Dreie sind ihm unterthan.
Er ritt ein schönes Kastilian;
25An seinem Schild war wenig ganz.
Er hieß Karnachkarnanz,
Le Comte Ulterleg.38
Er sprach: »Wer sperrt uns hier den Weg?«
So fuhr er diesen Knappen an;
Dem schien er wie ein Gott gethan:
[122]Er sah noch niemals lichtre Schau.
Sein Wappenrock benahm den Thau.
Mit goldrothen Schellen klein
Waren an jedwedem Bein
5Ihm die Stegereif' in Klang gebracht
Und zu rechtem Maße lang gemacht.
Sein rechter Arm von Schellen klang,
Wenn er ihn rührt' oder schwang;
Er war von Schwertschlägen hell.
10Der Degen war zur Kühnheit schnell.
Also diesen Wald durchstrich
Der Fürst gerüstet wonniglich.
Aller Mannesschöne Blumenkranz,
Den fragte da Karnachkarnanz:
15»Knapp, saht ihr hier vorüberfahren
Zwei Ritter, die nicht können wahren
Das Gesetz der Rittergilde?
Sie tragen Raub im Schilde
Und sind an Würdigkeit verzagt:
20Sie entführten eine Magd.«
Was er auch sprach, doch hielt ihn noch
Der Knapp für Gott: so malt' ihn doch
Die Königin Frau Herzeleid,
Die vom lichten Schein ihm gab Bescheid.
25Da rief er laut sonder Spott:
»Nun hilf mir, hilfreicher Gott.«
Niederwarf sich zum Gebet
Le Fils dü Roi Gachmuret.
Da sprach der Fürst: »Ich bin nicht Gott;
Doch leist ich gerne sein Gebot.
[123]Vier Ritter möchtest du hier sehn,
Wenn du beßer könntest spähn.«
Der Knappe fragte fürbaß:
»Du nennest Ritter: was ist das?
5Hast du selbst nicht Gotteskraft,
So sage, wer giebt Ritterschaft?«
»Die theilt der König Artus aus.
Junker, kommt ihr in sein Haus,
So mögt ihr Ritters Namen nehmen,
10Daß ihrs euch nimmer habt zu schämen.
Ihr seid wohl ritterlicher Art.«
Von den Helden er beschauet ward:
Da sahn sie Gottes Kunst und Fleiß.
Von der Aventür ich weiß,
15Die mich mit Wahrheit des beschied,
Daß Mannesantlitz nie gerieth
So schön wie seins von Adams Zeit:
Drum lobten Fraun ihn weit und breit.
Da hub der Knappe wieder an,
20Daß sein zu lachen der begann:
»Ei Ritter gut, was soll dies sein?
Du hast so manches Ringelein
An den Leib gebunden dir,
Dort oben und auch unten hier.«
25Der Knapp befühlte mit der Hand,
Was er eisern an dem Fürsten fand.
»Laßt mich den Panzer schauen:
Meiner Mutter Jungfrauen
Wohl an Schnüren Ringlein tragen,
Die nicht so aneinander ragen.«
[124]Noch sprach der Knappe wohlgemuth
Zum Fürsten: »Wozu ist dieß gut,
Was sich so wohl will schicken?
Kanns nicht herunterzwicken.«
5Da wies der Fürst ihm sein Schwert:
»Nun sieh, wer Streit mit mir begehrt,
Des erwehr ich mich mit Schlägen;
Gegen seine muß ichs an mich legen:
Dieß und der Schild behütet mich
10Vor dem Schuß und vor dem Stich.«
Wieder sprach der Knappe schnell:
Trügen die Hirsche solches Fell,
Sie versehrte nicht mein Gabilot;
So fällt doch mancher vor mir todt.«
15Die Ritter zürnten, daß er sprach
Mit dem Knappen, welchem Sinn gebrach.
Da sprach der Fürst: »Gott hüte dein!
O wäre deine Schönheit mein!
Dir hätte Gott genug gegeben,
20Besäßest du Verstand daneben;
Nun halte Gott dir Kummer fern.«
Da ritt er weiter mit den Herrn.
Sie gelangten alle bald
Zu einem Feld im tiefen Wald.
25Da fand er an der Pflugschar
Frau Herzeleidens Bauernschar.
Dem Volke nie so leid geschah.
Die man künftig ernten sah,
Sie mußten sän und egen,
Starken Ochsen dräun mit Schlägen.
[125]Der Fürst ihnen guten Morgen bot
Und frug sie: »Sahet ihr nicht Noth
Eine Jungfrau leiden?«
Da konnten sie's nicht meiden,
5Sie sagten ihm, was er gefragt:
»Zwei Ritter und eine Magd
Sahn wir reiten heute Morgen.
Das Fräulein schien in Sorgen.
Kräftig mit den Sporen rührte
10Die Pferde, der die Jungfrau führte.«
Es war Meliakanz,39
Dem nachritt Karnachkarnanz
Und ihm im Kampf die Jungfrau nahm:
Sie war an aller Freude lahm.
15Sie hieß Imäne
Von der Bellefontäne.
Die Bauern waren sehr verzagt,
Da diese Helden sie befragt.
Sie sprachen: »Wie ist uns geschehn!
20Hat unser Junker ersehn
An diesen Rittern schartges Eisen,
So dürfen wir das Glück nicht preisen.
Uns trifft darum mit Recht fürwahr
Der Zorn der Königin immerdar,
25Weil er mit uns zu Walde lief
Heute früh, da sie noch schlief.«
Gleich galts dem Knappen, wer nun schoß
Im Wald die Hirsche klein und groß;
Heim zur Mutter lief er wieder
Und sagt' es ihr. Da fiel sie nieder,
[126]Seiner Worte sie so sehr erschrak,
Daß sie bewußtlos vor ihm lag.
Als darauf die Königin
Bewußtsein wieder fand und Sinn,
5Wie sie zuvor auch war verzagt,
Doch sprach sie: »Sohn, wer hat gesagt
Dir von ritterlichem Orden?
Wie bist dus inne geworden?«
»Mutter, ich sah vier Männer licht,
10Lichter ist Gott selber nicht:
Die sagten mir von Ritterschaft.
Artusens königliche Kraft
Soll nach ritterlichen Ehren
Mich Schildespflichten lehren.«
15Das war ihr neuen Leids Beginn.
Die Königin sann her und hin,
Wie sie eine List erdächte
Und ihn von solchem Willen brächte.
Der einfältge Knappe werth
20Bat die Mutter um ein Pferd.
Das begann sie heimlich zu beklagen.
Sie gedacht: »Ich will ihm nichts versagen;
Aber grundschlecht muß es sein.
Es giebt noch Leute,« fiel ihr ein,
25»Die gar lose Spötter sind.
Thorenkleider soll mein Kind
An seinem lichten Leibe tragen:
Wird er gerauft und geschlagen,
So kehrt er wohl in kurzer Frist.«
O weh der jammervollen List!
[127]Sie wählt' ein grobes Sacktuch aus
Und schuf ihm Hemd und Hosen draus,
Aus Einem Stück geschnitten
Zu des blanken Beines Mitten;
5Eine Kappe dran für Haupt und Ohren:
So trugen damals sich die Thoren.
Zwei Ribbalein statt Strümpfen auch
Aus Kalbshäuten frisch und rauch
Maß man seinen Beinen an.
10Da weinten Alle, die es sahn.
Die Königin mit Wohlbedacht
Bat ihn zu bleiben noch die Nacht:
»Du darfst dich nicht von hinnen heben,
Ich muß dir erst noch Lehren geben:
15Du sollst auf ungebahnten Straßen
Dich nicht auf dunkle Furt verlaßen;
Ist sie aber seicht und klar,
So hat der Durchritt nicht Gefahr.
Du sollst auch Sitte pflegen,
20Jeden grüßen auf den Wegen.
Will dich ein grauweiser Mann
Zucht lehren, wie ein Solcher kann,
So folg ihm gerne mit der That
Und zürn ihm nicht, das ist mein Rath.
25Eins laß dir, Sohn, befohlen sein:
Wo du guter Frauen Ringelein
Erwerben mögest und ihr Grüßen,
Da nimms: es kann dir Leid versüßen.
Magst du ihren Kuss erlangen
Und herzend ihren Leib umfangen,
[128]Das giebt dir Glück und hohen Muth,
Wenn sie keusch ist und gut.
»Deinen Fürsten, wiße, Sohn mein,
Hat der stolze kühne Lähelein
5Zwei Länder abgefochten,
Die dir sonst nun zinsen mochten:
Waleis und Norgals.
Deiner Fürsten Einer, Turkentals,
Den Tod von seiner Hand empfing:
10All dein Volk er schlug und fing.«
»Das räch ich Mutter, will es Gott,
Ihn verwundet noch mein Gabilot.«
Da Morgens schien des Tages Licht,
Der stolze Knappe säumte nicht:
15Artus ihm im Sinne lag.
Sie küsst' ihn oft und lief ihm nach.
Der gröste Jammer da geschah,
Als sie den Sohn nicht länger sah.
Der ritt hinweg: wen mag das freun?
20Da fiel die Fraue Falsches rein
Zur Erde, wo sie Jammer schnitt,
Bis sie den Tod davon erlitt.
Ihr getreulicher Tod
Bewahrt sie vor der Hölle Noth.
25O wohl ihr, daß sie Mutter ward!
So fuhr die lohnergiebge Fahrt
Diese Wurzel aller Güte,
Aus der das Reis der Demuth blühte.
Weh uns, daß uns nicht verblieb
Ihre Sippe bis zum eilften Glied!
[129]Drum muß man so viel Falschheit schaun.
Doch sollten die getreuen Fraun
Heil erwünschen diesem Knaben,
Den sie hier sehen von ihr traben.
5Da fuhr der Knappe wohlgethan
In den Wald von Briziljan.
Er kam an einen Bach geritten,
Den ein Hahn hätt überschritten.
Da stunden Blumen hell und klar;
10Doch weil sein Fluß so dunkel war,
Fiel seiner Mutter Rath ihm bei:
Er ritt tagüber dran vorbei,
Wie es ihm denn im Haupt nicht sonnte.
Die Nacht verbracht er wie er konnte;
15Doch als der lichte Tag erschien,
Hub er zu einer Furt sich hin,
Die lauter war und wohlgethan.
Auf jener Seite war der Plan
Mit herlichem Gezelt geschmückt;
20Viel Reichtum ward daran erblickt.
Das Zelt war hoch und weit dabei,
Der Samt von Farben dreierlei;
Auf den Näten lagen Borten gut.
Von Leder hing dabei ein Hut,
25Den man drüber ziehen sollte,
Immer wenn es regnen wollte.
Dük Orilus de Lalander,
Des Weib darunter fand er
Wonniglich ruhen, wie es schien,
Eine reiche Herzogin,
[130]Ihres Ritters liebstes Pfand;
Jeschute war sie genannt.
Entschlafen ward die Fürstin werth.
Sie trug der Minne schärfstes Schwert:
5Einen Mund durchleuchtig roth,
Verliebten Ritters Herzensnoth.
Während die Schöne schlief,
Der Mund ihr von einander lief:
Das schuf der Minne Glut und Feuer.
10So lag das schönste Abenteuer.
Schneeweiß, wie von Elfenbein,
Zusammen dicht gefügt und klein,
So standen ihr die lichten Zähne.
Mich gewöhnt man nicht, ich wähne,
15An so hochgelobten Mund;
Solch Küssen wird mir selten kund.
Von Zobel eine Decke fein
Sollt ihr verhüllen Hüft und Bein,
Die sie vor Hitze von sich stieß,
20Wenn sie der Wirth alleine ließ.
Sie war geschmückt nach Hofes Art,
An ihr ward keine Kunst gespart:
Gott selber schuf den süßen Leib.
Es trug das minnigliche Weib
25Langen Arm und blanke Hand.
Ein Ringlein dran der Knappe fand,
Das ihn nach dem Bette zwang,
Wo er mit der Fürstin rang.
Ihm rieth ja die Mutter sein
Zu der Frauen Ringelein.
[131]Schnell sprang der Knappe wohlgethan
Von dem Teppich an das Bett heran.
Das reine Weib unsanft erschrak,
Da der Knapp ihr in den Armen lag:
5Sie muste wohl erwachen.
Beschämt und sonder Lachen
Sprach, die man keusche Zucht gelehrt:
»Wer ist es, der mich so entehrt?
Jungherr, es ist euch allzuviel:
10Wählt euch doch ein ander Ziel.«
Wie laut sie sich beklagte,
Er frug nicht, was sie sagte,
Ihren Mund er an den seinen zwang.
Auch bedacht er sich nicht lang,
15Er drückt' an sich die Herzogin,
Ihr ein Ringlein abzuziehn;
Eine Spange sah er ihr am Hemd:
Die brach er nieder ungehemmt.
Die Frau war nur ein Weib zur Wehr,
20Seine Kraft war ihr ein ganzes Heer;
Sie wandt ihn doch mit Ringen ab.
Seinen Hunger klagte jetzt der Knapp:
Da war sie frei der schweren Pflicht.
Sie sprach: »Mich eßen sollt ihr nicht.
25Wärt ihr ein wenig weise,
Ihr nähmt euch andre Speise.
Dahinten steht Brod und Wein
Und zwei Rebhühner obenein,
Die eine Jungfrau brachte,
Nicht euch sie zugedachte.«
[132]Er frug nicht, wo die Wirthin saß:
Einen guten Kropf er aß.
Darnach er schwere Trünke trank.
Die Frau bedauchte gar zu lang
5Sein Weilen in dem Pavillon.
Sie wähnt', er wär ein Garzon,
Dem Verstand und Sinn entkam.
Der Angstschweiß brach ihr aus vor Scham.
Doch sprach zu ihm die Fürstin rein:
10»Jungherr, ihr sollt mein Ringelein
Hier laßen und den Fürspann.
Hebt euch hinweg: denn kommt mein Mann,
So müßt ihr Zorn erleiden,
Den ihr lieber möchtet meiden.«
15Da sprach der Knappe wohlgeborn:
»Was fürcht ich eures Mannes Zorn?
Doch kränkts euch an den Ehren,
So will ich hinnen kehren.«
Da schritt er zu dem Bett heran:
20Ein andrer Kuss war da gethan;
Gar leid war das der Herzogin.
So ritt er ohne Urlaub hin;
Er sprach jedoch: »Gott hüte dein,
Denn also rieth die Mutter mein.«
25Der Knappe war des Raubes froh;
Eine gute Weile ritt er so,
Nicht fehlt' ihm an der Meile viel:
Da kam, von dem ich sprechen will.
Bald erspürt' er an dem Thau
Den Besuch bei seiner Frau;
[133]Der Schnüre hatt ein Theil gelitten:
Da war der Knapp durchs Gras geschritten.
Der werthe Herzog auserkannt
Sein Weib im Zelte traurig fand.
5Da sprach der stolze Orilus:
»Wie hab ich, Frau, um euern Kuss
Meine Dienste schlecht verwendet;
Gelästert und geschändet
Ist all mein ritterlicher Preis:
10Einen Buhlen habt ihr: ich weiß.«
Sie schwur, was mocht ihrs taugen?
Mit waßerreichen Augen
Daß sie unschuldig wäre:
Denn er glaubte nicht der Märe.
15Sie sprach jedoch mit Angst und Pein:
»Es kam ein Thor zu mir herein:
Was jemals meine Augen sahn,
Nie erblickt ich schönern jungen Mann.
Mein Ringlein und den Fürspann hier
20Nahm er wider Willen mir.«
»Ei, wie er euch so wohl gefällt:
Gewiss, ihr habt euch ihm gesellt.«
Da sprach sie: »Das verhüte Gott!
Seine Ribbalein, sein Gabilot
25Sind mir schon zu nah gekommen.
Wie mag die Red euch frommen?
Es missstünde Königinnen,
So niedrig zu minnen.«
Der Herzog wieder begann:
»Frau, nähmt ihr guten Rath nur an,
[134]So ließt ihr Eine Sitte fahren:
Statt der Köngin Namen zu bewahren,
Hießt ihr nach mir nun Herzogin.
Mir bringt der Handel Ungewinn.
5Meine Mannheit ist doch wohl so keck,
Daß euer Bruder Ereck,40
Mein Schwager, Fils dü Roi Lak,41
Euch wohl deswegen haßen mag.
Auch erkennt der Degen weis,
10Wohl ist mein ritterlicher Preis
Von jedem andern Flecken rein,
Als daß er mich vor Prurein
Im Tjoste hat bezwungen.
Doch hab ich an ihm errungen
15Hohen Preis vor Karnant.
In rechter Tjost stach meine Hand
Ihn vom Ross und heischte Fianze.
Durch den Schild hat meine Lanze42
Ihm euer Kleinod gebracht.
20Eure Huld, hätt ich da nicht gedacht,
Käm' Andern je zu Gute,
Meine Herrin Jeschute.
»Ueberzeugt auch seid ihr des,
Frau, daß der stolze Galoes,
25Fils dü Roi Gandein,
Im Tod erlag der Tjoste mein.
Ihr selber hieltet nah dabei,
Wo mir Plihopliherei
Entgegen tiostierend ritt
Und mich im Streite da bestritt.
[135]Hinters Ross mein Sper ihn zückte,
Daß kein Sattel mehr ihn drückte.
So hab ich manchen Preis errungen,
Viel Ritter hinters Ross geschwungen.
5Das kam mir nicht zu Gute hier:
Die höchste Schande wehrt' es mir.
»Sie haßen mich mit Grunde,
Die von der Tafelrunde.
Ihrer achte stach ich nieder da,
10Wo es manche Jungfrau sah,
Bei dem Sperber dort zu Kanedig.43
Ich behielt euch Preis und mir den Sieg,
Wie ihr bei Artus wohl ersaht,
Der meine Schwester bei sich hat,
15Die Süße, Kunnewaren.
Ihr Mund kann nicht gebahren
Mit Lachen, eh sie den ersehn,
Dem den höchsten Preis sie zugestehn.
Ach käm mir doch derselbe Mann!
20So würd ein Streiten hier gethan,
Wie heute Morgen, da ich kämpfte
Und eines Fürsten Hochmuth dämpfte,
Der mir sein Tiostieren bot:
Da gab ihm meine Tjost den Tod.«
25»Ich will von solchem Zorn nichts sagen,
Daß mancher hat sein Weib geschlagen
Um geringere Schuld.
Sollt ich euch verliebte Huld
Im Ritterdienst noch bieten,
So gewännt ihr nur die Nieten.
[136]Ich will nicht mehr erwarmen
In euern blanken Armen,
Wo ich wohl sonst in Minne lag
Manchen wonniglichen Tag.
5Ich mach euch bleich den rothen Mund,
Euern Augen thu ich Röthe kund;
Eurer Freude will ich wehren,
Euer Herze Seufzer lehren.«
Die Fürstin sah den Fürsten an,
10Ihr Mund da jämmerlich begann:
»Nun ehrt an mir die Ritter all.
Weis und getreu seid ihr zumal
Und wohl auch so gewaltig mein,
Ihr könnt mir schaffen hohe Pein;
15Nur geht erst weislich zu Gericht.
Bei allen Fraun, versäumt es nicht!
Verdien ichs, trag ich gern die Noth.
Fänd ich von andrer Hand den Tod,
Daß es euch nicht Schmach erwürbe,
20Wie gern ich dann erstürbe!
Das wär mir eine süße Zeit,
Da ihr mir doch erzürnet seid.«
Wieder brach der Zornge los:
»Frau, euer Hochmuth wird zu groß,
25Dem sei ein Maß beschieden.
Gesellschaft wird vermieden
Mit Trinken und mit Eßen,
Beilagers gar vergeßen.
Euch wird kein anderes Gewand
Als dieß, worin ich heut euch fand.
[137]Sei euer Zaum ein Seil von Bast,
Der Hunger lad eur Pferd zu Gast;
Allen seinen Schmuck verliert
Euer Sattel wohlgeziert.«
5Hurtig zerrt' und riß er da
Den Samt herab. Als das geschah,
Und der Sattel brach, den sie geritten
(Ihre keuschen reinen Sitten
Hatten seinen Haß erfochten):
10Mit dem Strick, von Bast geflochten,
Richtet' er ihn wieder zu;
Sein Haß benahm ihr gar die Ruh.
Der Herzog sprach nach solchem Thun:
»Herrin, laßt uns reiten nun.
15Wie wär ich froh, erreicht ich ihn,
Der eure Minne nahm dahin.
Ich bestünd das Abenteuer,
Gäb auch sein Athem Feuer
Wie eines wilden Drachen.«
20Mit Weinen sonder Lachen
Schied aus dem Zelte trauriglich
Die edle Frau und härmte sich.
Sie hing dem eignen Leid nicht nach,
Nur ihres Mannes Ungemach.
25Sein Trauern schuf ihr solche Noth,
Ihr wäre lieber wohl der Tod.
Nun sollt ihr treulich sie beklagen,
Sie muß nun hohen Kummer tragen.
Wär mir aller Frauen Haß bereit,
Mich härmte doch Jeschutens Leid.
[138]So ritten sie auf seiner Fährte.
Der Knapp sein Ross auch Eile lehrte;
Nur wuste nicht der Unverzagte
Daß man hinterdrein ihm jagte;
5Doch wen sein Auge wahr nahm,
Sobald er ihm so nahe kam,
Der gute Knappe grüßt' ihn fein
Und sprach: »So rieth die Mutter mein.«
Also ritt der täppsche Knab
10Einen Berghang hinab.
Als er vor den Felsen kam,
Eines Weibes Stimm er dort vernahm.
Vor Jammer schrie sie manchen Schrei;
Ihr war die Freude gar entzwei.
15Der Knappe ritt ihr eilends nah:
Nun hört, was that die Jungfrau da?
In ihres Herzleides Drang
Riß die braunen Zöpfe lang
Sigune jammernd aus der Haut.
20Als der Knapp sich umgeschaut,
Schionatulander
In der Tjost erschlagen fand er
Liegen in der Jungfrau Schooß,
Die aller Freuden nun verdroß.
25»Mag er traurig oder fröhlich sein,
Ihn grüßen hieß die Mutter mein:
Gott wahr euch,« sprach des Knappen Mund.
»Ich habe jämmerlichen Fund
In euerm Schooß gefunden;
Wer schlug ihm solche Wunden?«
[139]Der Knapp sprach unverdroßen
Noch: »Wer hat ihn erschoßen?
Geschahs mit einem Gabilot?
Mich dünket, Frau, er liege todt.
5Wollt ihr mir davon nicht sagen
Wer euch den Ritter hat erschlagen?
Kann ich ihn noch erreiten,
Ich will gerne mit ihm streiten.«
Da nahm der preiswerte Knab
10Einen Köcher herab,
Drin er scharfe Gabilote fand.
Er trug auch noch in seiner Hand,
Was er Frau Jeschuten nahm,
Zu der er in der Einfalt kam.
15Wär seines Vaters Brauch ihm kund,
Der doch sein angebornes Pfund,
Er hätte wohl den Schild geschwenkt,
Doch nicht die Herzogin gekränkt,
Die er von aller Freude schied.
20Mehr denn ein ganzes Jahr vermied
Sie mit Gruß und Kuss der Mann;
Unrecht ward der Frau gethan.
Nun hört auch von Sigunen sagen:
Die konnt ihr Leid mit Jammer klagen.
25Sie sprach zum Knappen: »Du hast Tugend;
Geehrt sei deine süße Jugend
Und dein Antlitz minniglich:
Fürwahr, das Glück erwartet dich.
Diesen Ritter mied das Gabilot,
Er empfing von einer Tjost den Tod.
[140]Dir wurzelt Treu im Herzen,
Daß er dich so kann schmerzen.«
Eh die Beiden Abschied nahmen,
Frug sie ihn nach dem Namen
5Und gestand, daß Gott sich an ihm fliß.
»Bon Fils, scher Fils, beau Fils,
Also hat mich stäts genannt,
Der ich daheim bin bekannt.«
Da gesprochen war das Wort,
10Ihn erkannte sie sofort.
Nun hört ihn endlich nennen,
Daß ihr hinfort mögt kennen
Dieser Aventüre Held,
Der dort noch bei der Jungfrau hält.
15Da sprach ihr rother Mund zumal:
»Fürwahr du heißest Parzival.44
Der Name sagt: Inmitten durch.
Die Liebe schnitt wohl solche Furch
In deiner Mutter treues Herz;
20Dein Vater hinterließ ihr Schmerz.
Nicht sag ichs mir zum Ruhme:
Deine Mutter ist mir Muhme.
Vernimm auch ohne falsche List
Die rechte Wahrheit, wer du bist.
25Dein Vater war ein Anschewein;
Ein Waleis von der Mutter dein
Bist du geboren zu Kanvoleiß,
Wie ich mit ganzer Wahrheit weiß.
Du bist auch König zu Norgals:
In der Hauptstadt Kingrivals
[141]Soll dein Haupt die Krone tragen.
Für dich ward dieser Fürst erschlagen,
Der stäts dein Land dir wehrte,
Seine Treue nie versehrte.
5Junger schöner süßer Mann,
Zwei Brüder thaten Leid dir an.
Zwei Länder nahm dir Lähelein;
Diesen Ritter hier, den Oheim dein,
Schlug Orilus im Einzelstreit;
10Der ließ auch mich in diesem Leid.
Mir dient' ohn alle Schande
Dieser Fürst von deinem Lande,
Wo deine Mutter mich erzog.
Lieber Vetter, höre doch,
15Wie ihm solch Ende ward zu Theil;
Ihm schuf solch Leid ein Brackenseil.45
In unsern Diensten46 hat den Tod
Der Held erjagt und Sehnsuchtsnoth
Mir nach seiner Minne.
20Wohl hatt ich kranke Sinne,
Daß ich ihm Minne nicht geschenkt:
Drum hat, der Alles schafft und lenkt,
Jede Freude mir verboten:
Nun minn ich so den Todten.«
25Da sprach er: »Base, mir ist leid
Meine Schande wie dein Herzeleid.
Mag ich das künftig rächen,
Will ich michs nicht entbrechen.«
Da wollt er schon zum Streit hinweg;
Doch wies sie ihn den falschen Weg,
[142]Daß er das Leben nicht verlöre
Und sie noch größern Schaden köre.
Er gerieth auf eine Schneise,
Die führt' ins Land der Bretaneise;
5Sie war gar breit und wohlgebahnt.
Wen er zu Fuß und Ross da fand,
Ritter oder Kaufmann,
Die sprach er alle grüßend an:
Denn das wär seiner Mutter Rath;
10Die gab ihn auch ohn Uebelthat.
Da die Dämmerung begann,
Große Müde fiel ihn an.
Da sah der Einfalt Spielgenoß
Ein Haus, das war nicht eben groß:
15Darinnen saß ein karger Wirth,
Wie der Bauer selten höfisch wird.
Dieser war ein Fischersmann,
Der auf keine Güte sann.
Den Knappen Hunger lehrte,
20Daß er bei ihm einkehrte
Und klagte seines Hungers Noth.
Der sprach: »Ich gäb ein halbes Brot
Euch noch nicht in dreißig Jahren.
Wer meine Milde zu erfahren
25Harren will, wie säumt der sich!
Ich sorg um Niemand als um mich,
Demnächst um meine Kindelein:
Hier kommt ihr heute nicht herein.
Hättet ihr Pfennig oder Pfand,
Ich behielt' euch gleich zu Hand.«
[143]Was bot der Knappe da ihm an?
Frau Jeschutens Fürspann.
Wie der Bauer das ersah,
Lachendes Mundes sprach er da:
5»Willst du bleiben, süßes Kind,
Dich ehren alle, die hier sind.« –
»Kannst du heut Nacht mich speisen,
Den Weg mir morgen weisen
Zu Artus (dem bin ich hold),
10So mag verbleiben dir das Gold.«
»Das thu ich,« sprach der Villan.
»Ich sah nie Kind so wohlgethan:
Ich bring dich als ein Wunder
Vor des Königs Tafelrunder.«
15Die Nacht verblieb der Knappe dort:
Frühmorgens zog er wieder fort.
Er hatte kaum des Tags erharrt;
Der Wirth auch balde fertig ward
Und lief voraus; der Junggesell
20Ritt nach: sie waren beide schnell.
Mein Herr Hartmann von Aue,47
Ginover eurer Fraue
Und Artus euerm König hehr,
Ihnen kommt von mir ein Gast daher.
25Seht, daß man sein nicht spotte.
Er ist Geige nicht noch Rotte,
Laßt sie ein ander Spiel sich nehmen:
So muß sich ihre Zucht nicht schämen.
Sonst wird eure Frau Enide
Und ihre Mutter Karsnafide
[144]Durch die Stampfmühl auch gezückt,
Mit Hohn ihr Lob all überbrückt.
Sollt ich den Mund mit Spott verschleißen,
Meinen Freund wollt ich dem Spott entreißen.
5Da kam mit dem Fischersmann
Unser Knappe wohlgethan
Des Landes Hauptstadt so nah,
Daß man Nantes wohl ersah.
Da sprach er: »Kind, Gott hüte dein.
10Nun sieh, dort must du reiten ein.«
Der Knappe guten Sinnes bar
Sprach: »Weise mich noch näher dar.«
»Das laß ich bleiben, liebes Kind:
So stolz ist all das Hofgesind,
15Käm ihm ein Villan zu nah,
Der fände übeln Lohn allda.«
Da ritt der Knapp allein voran
Auf einen nicht zu breiten Plan
Von bunten Blumen überzogen.
20Kein Kurvenal hatt ihn erzogen.48
Er wuste nichts von Kurtoisie:
Der Ungereiste weiß das nie.
Von Bast geflochten war sein Zaum,
Sein armes Rösslein trug ihn kaum,
25Strauchend thät es manchen Fall.
Auch war sein Sattel überall
Von neuem Leder unbeschlagen.
Von Härmelin und samtnen Kragen
Trug er kein zu schwer Gewicht;
Mantelschnüre braucht er nicht:
[145]Für Sukni und für Sürkot49
Hatt er nur sein Gabilot.
Der nie der reinsten Zucht vergaß,
Sein Vater einst geschmückter saß
5Auf dem Teppich dort vor Kanvoleis.
Dem Furcht nie machte kalt noch heiß,
Einem Ritter, der da kam geritten,
Bot er Gruß nach seinen Sitten:
»Gott wahr euch, rieth die Mutter mir.«
10»Gott lohne, Junker, euch und ihr,«
Sprach Artusens Basensohn,
Den erzogen Utepandragon;
Auch sprach derselbe Weigand
Als Erbtheil an der Britten Land.
15Es war Ither von Gahevieß,
Den man den rothen Ritter hieß.
All seine Rüstung war so roth,
Daß sie den Augen Röthe bot.
Sein Ross war roth aber schnell.
20Allroth war sein Gügerel,50
Seine Kovertür von rothem Samt,
Sein Schild ein Feuer roth entflammt,
Roth sein Korsett, laßt euch melden,
Und wohlgeschnitten an dem Helden,
25Roth war sein Schaft, roth war sein Sper;
Roth auch hatt auf sein Begehr
Sein Schwert der Schmied geröthet,
Doch die Schärfe nicht verlöthet.
Der König von Kukumerland,
Roth von Gold in seiner Hand
[146]Stand ein Becher reich geziert,
Den er der Tafelrund entführt.
Mit blanker Haut, mit rothem Haar
Zum Knappen sprach er, freundlich zwar:
5»Gesegnet sei dein süßer Leib,
Dich trug im Schooß ein reines Weib.
Der Mutter Heil, die dich gebar!
Niemand war je so schön und klar.
Du wirst der Minne Brand und Krieg,
10Ihre Niederlage wie ihr Sieg.
Du wirst der Frauen Wunsch und Lust,
Du wirst ihr Jammer, ihr Verlust.
Lieber Freund, willst du zur Stadt,
So grüße doch, wie ich dich bat,
15Den König Artus und die Seinen
Und sag: nicht flüchtig zu erscheinen
Woll ich hier warten und beschaun,
Wer sich zum Kampfe wird getraun.
»Es nimmt, hoff ich, all nicht Wunder.
20Ich ritt hin vor die Tafelrunder
Und machte Anspruch auf mein Land.51
Diesen Kopf mit ungefüger Hand
Erhob ich, daß der Wein entfloß
Frau Ginoveren in den Schooß.
25Das that ich, Anspruch zu erheben;
Verbrannten Strohwisch übergeben,
Davon wird russig leicht die Haut:
Drum mied ichs,« sprach der Degen laut.
»Auch um Raub bin ich nicht hergefahren,
Meine Krone kann mir das ersparen.
[147]Nun sage, Freund, der Köngin an,
Nicht ihr hab ichs zur Schmach gethan,
Nur den Werthen, die da saßen
Und der rechten Wehr vergaßen.
5Seins Könge, seiens Fürsten,
Soll dort ihr Wirth verdürsten?
Holen sie seinen Goldnapf nicht,
Ihr hoher Preis wird all zunicht.«
Der Knapp sprach: »Ich besteh dir,
10Was du gesprochen hast zu mir.«
Er ritt von ihm zu Nantes ein.
Ihm folgten viel der Junkerlein
Auf den Hof vor den Saal:
Da war ein Leben, war ein Schall!
15Bald entstand Gedräng um ihn
Iwanet sprang zu ihm hin:52
Dieser Knappe Falsches frei
Bot ihm seine Kompanei.
Der Knappe sprach: »Gott wahre dich;
20Meine Mutter lehrte mich,
Eh ich von ihr schied, den Gruß.
Hier seh ich manchen Artus:
Welcher soll mich Ritter machen?«
Iwanet begann zu lachen;
25»Du hast den rechten nicht gesehn;
Doch es soll sogleich geschehn.«
Da trat er mit ihm in den Saal
Zu den Tafelrundern allzumal.
So viel vermocht er in dem Schall,
Er sprach: »Bewahre Gott euch all,
[148]Zumal den König und sein Weib.
Meine Mutter rieth, daß ich beileib
Die begrüßte gleich zur Stunde,
Und wer hier an der Tafelrunde
5Mit Ehren Sitz erworben hat,
Die alle sie mich grüßen bat.
An Einer Kunst mir noch gebricht:
Wer hier der Wirth ist, weiß ich nicht:
Ein Ritter ihm durch mich entbot
10(Den sah ich allenthalben roth),
Er harre seiner vor dem Thor;
Mich dünkt, er soll zum Kampf hervor.
Ihm ist auch leid, daß er den Wein
Verschüttet auf die Köngin rein.
15O hätt ich doch sein Streitgewand
Empfangen von des Königs Hand!
Aller Freuden rühmt' ich mich,
Denn es steht so ritterlich!«
Unser Jungherr unbezwungen
20War von Leuten so umrungen,
Ihn trieb bald hin bald her die Schar.
Sie nahmen seines Aussehns wahr.
Da war es leicht zu schauen:
An Herren noch an Frauen
25Sah man nie holder Angesicht.
In übler Laune war es nicht,
Daß Gott Parzivaln erdachte,
Dem kein Schrecken Schrecken brachte.
So stellte sich Artusen vor,
Den Gott zu einem Wunder kor.
[149]Haßen konnte Niemand ihn.
Da beschaut' ihn auch die Königin,
Eh sie aus dem Saale schied,
Wo ihr Gewand der Wein nicht mied.
5Artus sah den Knappen an;
Zu seiner Einfalt sprach er dann:
»Habt, Junker, eures Grußes Dank;
Ich vergelt ihn gerne lebenslang
Mit Herzen und mit Gute:
10Traun, so ist mir zu Muthe.«
»Wollte Gott, das würde wahr!
Bis dahin dünkt mich wohl ein Jahr.
Daß ich nicht Ritter werden soll,
Das thut mir übler viel als wohl;
15Nun haltet mich nicht länger hin:
Sei Rittersehre mein Gewinn.«
Der Wirth sprach: »Ich bin gern bereit,
Gebricht mir selbst nicht Würdigkeit.
Du bist so edel wohl von Art,
20Mit vollen Händen ungespart
Will ich dir meine Gabe schenken;
Fürwahr, ich darf mich nicht bedenken.
Gedulde dich bis Morgen,
So will ich für dich sorgen.«
25Der wohlgeborne Knappe
Stand gaggernd wie ein Trappe.
Er sprach: »Ich will nicht mehr erbitten:
Der mir entgegen kam geritten,
Kann ich nicht dessen Rüstung haben,
So frag ich nichts nach Königsgaben.
[150]Mir giebt wohl noch die Mutter mein;
Die soll doch eine Köngin sein.«
Artus hub zum Knappen an:
»Die Rüstung trägt ein solcher Mann,
5Ich wag es nicht, sie dir zu geben.
Ich selber muß in Kummer schweben
Sonder alle meine Schuld,
Weil ich darbe seiner Huld.
Es ist Ither von Gahevieß,
10Der Leid mir durch die Freude stieß.«
»Ihr wärt unmilde, König hehr,
Schien euch solch Geschenk zu schwer.
Gebts ihm immer,« sprach Herr Keie,
»Und laßt ihn zu ihm ins Freie.
15Wollt ihr zurück den goldnen Kopf,
Hier ist die Geisel, dort der Topf:53
Gönnts dem Kind, ihn umzutreiben;
Man wird es Fraun mit Ruhm beschreiben.
Er muß noch manchen Stoß ertragen,
20Noch manche Ruthe wird ihn schlagen.
Ich sorg um ihrer Keines Leben:
Man soll Hund' um Eberköpfe geben.«
»Ungern wollt ich ihm versagen,
Ich fürchte nur, er wird erschlagen,
25Den ich zum Ritter machen soll,«
Sprach Artus aller Treue voll.
Der Knapp empfing die Gabe doch.
Wie nahe ging das Manchem noch!
Der Jüngling eilends aufbrach;
Alt und Jung drang ihm nach.
[151]Iwanet zog ihn an der Hand
Vor einer Schaulaube Rand.
Sein Auge vor und rückwärts flog:
Auch war die Laube nicht zu hoch,
5Daß er gar wohl darauf vernahm,
Was bald ihm Kummer schuf und Gram.
Da wollte selbst die Königin
An das Laubenfenster hin
Mit Rittern und mit Frauen.
10Sie wolltens Alle schauen.
Da saß auch Kunneware,54
Die stolze und die klare:
Die lachte weder laut noch leis,
Bis der kam, der den höchsten Preis
15Erworben oder sollt erwerben;
Lieber wollte sie ersterben.
Alles Lachens blieb sie frei;
Doch als der Knappe ritt vorbei,
Da erlacht ihr minniglicher Mund:
20Dafür ward ihr der Rücken wund.
Da faßte Kei der Seneschant
Frau Kunnewaren de Lalant
Bei ihrem lockigen Haar.
Ihre langen Zöpfe klar
25Wand er sich um seine Hand:
Er spängte sie ohne Spängelband.
Ihrem Rücken ward kein Eid gestabt;
Doch ward ein Stab so dran gehabt,
Bis sein Sausen ganz verklang,
Daß es Kleid und Haut durchdrang.
[152]So sprach der Unweise:
»Ihr habt nun euerm Preise
Mit Schmach den Abschied gegeben:
Ich fing ihn im Vorüberschweben
5Und will ihn wieder in euch schmieden,
Daß ihrs empfindet in den Glieden.
Mich dünkt, dem König Artus wär
Zu Haus und Hofe schon bisher
Geritten mancher werthe Mann;
10Doch ihr lachtet ihn nicht an,
Und lacht um jenen Mann so laut,
Der Rittersitte nie geschaut.«
Was auch im Zorn geschehen mag,
Das Reich hätt ihm doch keinen Schlag
15Zuerkannt auf diese Magd,
Die sehr von Freunden ward beklagt.
Dürfte sie den Schildrand tragen,
Sein Unfug würd ihm heim geschlagen.
Ihr fürstlich Blut ist recht und rein:
20Orilus und Lähelein,
Ihre Brüder, hättens die gesehn,
Mancher Schlag wär nicht geschehn.
Der verschwiegne Antanor,55
Der um sein Schweigen daucht ein Thor,
25An gleichen Schicksalsfäden
Hing ihr Lachen und sein Reden:
Er wollte nie ein Wörtlein sagen,
Bis sie gelacht, die Kei geschlagen.
Als ihr Lachen nun geschah,
Sein Mund sprach zu Keien da:
[153]»Gott weiß, Herr Seneschant,
Daß Kunneware de Laland
Um den Knappen ward misshandelt,
Freud in Leid wird euch verwandelt
5Noch dafür von seiner Hand,
Wenn erst sich Zeit und Stunde fand.«
»Da euer erstes Wort mir dräut,
So sorg ich, daß es euch nicht freut.«
Zermürbt ward ihm der Braten,
10Zugeflüstert und gerathen
Viel dem sinnbegabten Thoren
Mit Faustschlägen um die Ohren.
Das that Herr Keie vor dem Saal,
Daß der junge Parzival
15Die Beschimpfung mochte schauen
Antanors wie der Frauen.
Leid war ihm herzlich ihre Noth;
Er griff wohl oft zum Gabilot:
Vor der Königin war solcher Drang,
20Daß er es darum nicht schwang.
Urlaub nahm da Iwanet
Vom Fils dü Roi Gachmuret.
Alleine hub sich Der sodann
Hinaus zu Ithern auf den Plan.
25Dem bracht er dort die Märe,
Daß in Nantes Niemand wäre,
Der Lust mit ihm zu streiten habe.
»Mich gewährte Artus einer Gabe.
Ich sagt' ihm, wie dein Auftrag war,
Daß es dein Wille ganz und gar
[154]Nicht war, die Köngin zu begießen:
Dich werde Unfug stäts verdrießen.
Sie gelüstet nicht des Streites.
Das Ross gieb, drauf du reitest,
5Und deine Rüstung allzumal:
Ich empfing sie auf dem Saal,
Weil ich drin Ritter werden muß.
Versagt sei dir mein Gruß,
Wenn du mir es ungern giebst:
10Nun gieb mir, wenn du Klugheit liebst.«
Der König von Kukumerland
Sprach: »Hat dir Artusens Hand
Meine Rüstung gegeben?
Er gäbe dir mein Leben,
15Könntest du mirs abgewinnen:
So kann er Freunde minnen.
War er dir schon früher hold?
Dein Dienst erwarb so schnell den Sold.«
»Ich mag erwerben was ich will.
20Wohl ist es wahr, er gab mir viel.
Gieb her und laß dein Landrecht:56
Ich will nicht länger sein ein Knecht,
Ich soll nun Schildesamt bekommen.«
Schon hatt er ihn beim Zaum genommen:
25»Am Ende bist du Lähelein,
Von dem mir klagt die Mutter mein.«
Der Ritter wandte seinen Schaft
Und stieß den Knappen so mit Kraft,
Daß er mit seinem armen Ross
Nieder auf die Blumen schoß.
[155]Ihn schlug der Zornerhitzte,
Daß ihm vom Schafte spritzte
Aus der Haut sein rothes Blut.
Parzival der Knappe gut
5Stand hier zornig auf dem Feld.
Sein Gabilot ergriff der Held:
Wo der Helm und das Visier
Sich scheiden ob dem Härsenier,57
Traf ihn durchs Aug das Gabilot
10Und durch den Nacken, daß er todt
Hinfiel, der Falschheit Gegensatz.
Seufzern, Klagen machte Platz
Ithers Tod von Gahevieß,
Der Frauen naße Augen ließ.
15Die seine Minne je empfand,
Der war die Freude fern gebannt,
Der war verscherzt der heitre Scherz,
Verwandelt in der Trauer Schmerz.
Parzival war noch so dumm,
20Er kehrt' ihn hin und wieder um,
Ihm die Rüstung abzustreifen;
Doch konnt ers nicht begreifen.
Das Helmband und manch Schinnelier58
Mit seinen blanken Händen zier
25Wust er nicht auszustricken,
Noch sonst herab zu zwicken;
Jedoch versucht ers oft genug,
Der weder weise war noch klug.
Das Streitross und das Pferdelein
Huben an zu wiehern und zu schrein.
[156]Da vernimmt es Iwanet,
Der vor der Stadt am Graben steht,
Vetter und Knapp der Königin:
Da er hörte, wie die Pferde schrien,
5Und da er Niemand drauf ersah,
Der Liebe Willen that ers da,
Die er zu Parzivalen trug,
Daß zu ihm lief der Knappe klug.
Da fand er Itheren todt
10Und Parzival in Dümmlingsnoth;
Wie bald er ihm zu Hülfe sprang!
Da sagt' er Parzivalen Dank,
Daß den Preis erworben seine Hand
An dem von Kukumerland.
15»Gott lohns. Doch rathe was ich thu.
Ich kann hier gar nicht recht dazu:
Wie brings ich von ihm und an mich?«
»Sei nur getrost, ich lehr es dich,«
Sprach der stolze Iwanet
20Zum Fils dü Roi Gachmuret.
Entwappnet ward der todte Mann
Da vor Nantes auf dem Plan,
Das Kleid dem Sieger angelegt,
Der noch der Einfalt Zeichen trägt.
25Iwanet sprach: »Die Ribbalein
Dürfen nicht unterm Eisen sein:
Du sollst nun tragen Ritterskleid.«
Das Wort war Parzivalen leid.
Da begann der gute Knab:
»Was mir meine Mutter gab,
[157]Das soll nicht von mir kommen,
Mag es schaden oder frommen.«
Das dauchte wunderlich genug
Iwaneten (der war klug);
5Dennoch folgt' er ihm getrost,
Und war ihm nicht darum erbost.
Er schuht' ihm über die Ribbalein
Zwei Eisenhosen licht von Schein;
Mit edeln Borten ohne Leder
10(Sie gehörten zu jedweder)
Fügt' er ihm Sporen goldesroth.
Eh er ihm den Halsberg bot,
Band er ihm um manch Schinnelier.
Nicht lange mehr, so sah man hier
15Von Haupt zu Fuß in blankem Stahl
Den ungeduldgen Parzival.
Gern hätt der Knappe wohlgethan
Seinen Köcher umgethan.
»Ich reiche dir kein Gabilot,
20Weil dieß die Ritterschaft verbot,«
Sprach Iwanet der Knappe werth;
Er schnallt' ihm um ein scharfes Schwert:
Das lehrt' er ihn vom Leder ziehn
Und widerrieth ihm zages Fliehn.
25Näher zog er dann heran
Des todten Mannes Kastilian;
Es war von Beinen hoch und lang.
Der gewappnet in den Sattel sprang,
Stegreife braucht' er nicht,
Von dessen Raschheit man noch spricht.
[158]Noch ließ Iwanet nicht nach,
Er lehrt' ihn unter Schildesdach
Nach Kunstgebrauch gebahren
Und des Feindes Brust nicht sparen.
5Er gab ihm in die Hand den Sper.
Darnach verlangte den nicht sehr;
Doch fragt' er: »Wozu soll das frommen?«
»Die gegen dich tjostierend kommen,
Auf die sollst du ihn brechen,
10Durch ihren Schild verstechen.
Wer das recht zu treiben weiß,
Der hat vor den Frauen Preis.«
Die Aventüre giebt Bericht,
Nicht zu Köln noch Mastricht
15Könnt ihn ein Maler schöner malen,
Als man ihn sah vom Pferde stralen.
Zu Iwaneten hub er an:
»Lieber Freund und Kumpan,
Ich hab erworben, was ich bat:
20Meinen Dienst nun magst du in der Stadt
Dem König Artus sagen
Und ihm meine Schande klagen.
Bring ihm zurück den Goldnapf hier.
Ein Ritter brach die Zucht an mir,
25Daß er die Jungfrau schlug so sehr,
Die mein gelacht von Ohngefähr.
Mir liegt ihr Jammer stäts im Sinn,
Es rührt mein Herz nicht obenhin:
Wohl muß inmitten drinne sein
Der Jungfrau unverdiente Pein.
[159]Nun thus, weil wir uns gerne sehn,
Und laß den Schimpf dir nahe gehn.
Gott hüte dein; ich will nun fahren:
Der mag uns Beide wohl bewahren.«
5Jämmerlich da liegen ließ
Der Held Ithern von Gahevieß.
Der war im Tod noch minniglich,
Im Leben lebt' er seliglich.
Hätt ihn getödtet Ritterschaft,
10Ein Sperstoß ihn dahingerafft,
Wer klagte dann so seltne Noth?
Er starb von einem Gabilot.
Viel lichte Blumen ihm zum Dach
Iwanet darnieder brach.
15Er stieß des Gabilotes Stiel
In die Erde, wo er fiel;
Dann in Kreuzesform ein Holz
Stach der sinnge Knappe stolz
Durch des Gabilotes Schneide.
20Daß er dieß auch nicht vermeide,
Er macht' es in der Stadt bekannt,
Wo manche Frau verzagend stand,
Und mancher Ritter weinte,
Seine Treue so bescheinte.
25Da ward der Jammer allgemein.
Man holte schön den Todten ein:
Die Königin ritt aus dem Thor;
Man trug das Heiligtum ihr vor.
Ob dem König von Kukumerland,
Gefällt von Parzivalens Hand,
[160]Frau Ginover die Königin
Sprach jammervoller Worte Sinn:
»Weh, o weh und heia hei!
Artusens Würdigkeit entzwei
5Muß brechen dieses Wunder:
Der aller Tafelrunder
Höchsten Preis sollte tragen,
Wo der vor Nantes liegt erschlagen.
Sein Erbtheil nur begehrte,
10Den man hier sterben lehrte.
Er war doch lange Ingesind
Allhier, daß weder Mann noch Kind
Uebles je von ihm vernahm.
Aller Falschheit war er gram,
15Ueber allen Trug erhaben.
Nun muß ich allzufrüh begraben
Des höchsten Preises Siegel.
Sein Herz, der Tugend Spiegel.
Der Treue Grundfeste,
20Rieth immer ihm das Beste,
Wo man nach Frauenminne
Mit festem Muth und Sinne
Sollt erweisen Mannestreu.
Den Frauen wuchert immer neu
25Des hier gesäten Leides Kraut,
Aus deiner Wunde Jammer thaut.
Dir war doch wohl so roth dein Haar,
Daß dein Blut die Blumen klar
Nicht röther konnte machen.
Du verbietest weiblich Lachen.«
[161]Ither der lobesreiche Held
Ward königlich der Gruft gesellt.
Sein Tod die Frauen seufzen lehrte,
Als ihm die Rüstung den bescherte:
5Das Ende gab ihm ja nach ihr
Des blöden Parzivals Begier;
Als er mehr Verstand gewann,
Da hätt ers lieber nicht gethan.
Dieser Sitte pflag das Ross,
10Daß keine Arbeit es verdroß:
Ob es kalt war oder heiß,
Es gerieth vom Laufen nie in Schweiß,
Obs über Stein und Wurzeln ging.
Das Gürten war an ihm gering:
15 Ein Loch schnallt' es nur hinauf,
Wer zwei Tage saß darauf.
Gewappnet ritts der kindsche Mann
Den Tag so weit, ein Kluger kann
Es nicht in zweien reiten,
20Stünd er auch auf bei Zeiten.
Er ließ es rennen, selten traben
Und wust ihm wenig anzuhaben.
Da der Abend anbrach,
Gewahrt' er eines Thurmes Dach.
25Da wähnt' in seinem Sinn der Thor,
Der Thürme wüchsen mehr hervor;
Ihrer stunden viel auf Einem Haus.
Er dachte, Artus säe sie aus.
Das schrieb er ihm für Wunder an
Und dacht, er wär ein heilger Mann.
[162]Also sprach der blöde Held:
»Meiner Mutter Volk baut schlecht ihr Feld:
So hoch ja wächst ihr nie die Saat,
Die sie in dem Walde hat,
5Wo es doch selten trocken wird.«
Gurnemans de Graharz59 hieß der Wirth
In der fern erschauten Veste.
Eine Linde wiegte breite Aeste
Davor auf grüner Wiese.
10Zu breit noch lang war diese,
Nur in dem rechten Maße.
Da trug ihn Ross und Straße
Dahin, wo er ihn sitzen fand,
Dem die Burg war und das Land.
15Ermüdung war es, die ihn zwang,
Daß er den Schild nicht richtig schwang,
Zu sehr vor, zu sehr zurück,
Und nimmer nach der Sitte Schick,
Die da galt für rechtes Maß.
20Fürst Gurnemans alleine saß.
Die Linde gab mit Wonne
Schatten vor der Sonne
Dem Hauptmann aller wahren Zucht.
Des Sitte Tadel zwang zur Flucht,
25Der empfing den Gast: so war es recht;
Nicht Ritter war bei ihm noch Knecht.
Parzival alsbald begann,
In seiner Einfalt hub er an:
»Meine Mutter hieß mich dessen Rath
Erflehn, der graue Locken hat.
[163]Dafür will ich euch dankbar sein,
Da so mir rieth die Mutter mein.«
»Kommt ihr guten Rath zu hören
Hieher, so müßt ihr es verschwören
5Mir zu zürnen um den Rath
Und immer thun, wie ich euch bat.«
Da warf der edle Fürst zuhand
Einen jährgen Sperber von der Hand,
Der gleich sich in die Veste schwang,
10Daß seine goldne Schelle klang.
Das war ein Bote: Jungherrn gleich
Kamen in Kleidern schön und reich.
Die bat er: »Führt hinein den Gast
15Und entledigt ihn der Eisenlast.«
Der sprach: »Meine Mutter sprach wohl wahr,
Altmannes Wort bringt nicht Gefahr.«
Da führten sie ihn ein zuhand,
Wo er viel werthe Ritter fand.
Auf dem Hof war eine Statt,
20Wo man ihn abzusteigen bat.
Der warf in seiner Thorheit ein:
»Mich hieß ein König Ritter sein;
Was mir darauf auch widerfährt,
Ich komme nicht von diesem Pferd.
25Euch zu grüßen rieth die Mutter mir.«
Sie dankten beiden, ihm und ihr.
Da so das Grüßen war gethan
(Das Ross war müd und auch der Mann),
Manches Grundes sie gedachten,
Eh sie vom Ross ihn brachten
[164]Zu einer Kemenaten.
Da hört' er Alle rathen:
»Laßt den Harnisch von euch thun,
Daß sich die müden Glieder ruhn.«
5Sie entwappneten ihn insgemein.
Als sie die rauhen Ribbalein
Und die Thorenkleider sahen,
Da erschraken, die sein pflagen.
Mit Scheu ward es am Hof gesagt;
10Der Wirth war schier vor Scham verzagt.
Ein Ritter sprach mit höfscher Zucht:
»Gleichwohl, so edle Frucht
Ersah nie meiner Augen Licht;
Er hat, was Glück und Heil verspricht,
15In reiner hoher süßer Art.
Wie ist so der Minne Stolz bewahrt?
Mich jammert immer, daß ich fand
An der Lust der Welt so schlecht Gewand.
Wohl doch der Mutter, die ihn trug,
20Der aller Gaben hat genug.
Sein Helmschmuck ist wohlgethan,
Die Rüstung stand ihm herlich an,
Eh wir sie niederbanden,
Und von Quetschungen fanden
25Manche Schramme roth von Blut,
Die an sich trug der Knappe gut.«
Zu dem Ritter sprach der Wirth: »Gieb Acht,
Ein Weib gebot ihm diese Tracht.«
»Nein Herr, er hat noch solche Sitten,
Er wüste wohl kein Weib zu bitten,
[165]Ihn zum Diener zu erwählen;
Sonst möcht ihm nichts zur Minne fehlen.«
Der Wirth sprach: »Laßt uns zu ihm gehn,
Und seine fremde Tracht besehn.«
5Die Herren gingen hin zu Stund
Und fanden Parzivalen wund
Von einem Sper; der blieb doch ganz.
Sein unterwand sich Gurnemans.
Der war solch ein Unterwinder,
10Daß ein Vater seine Kinder,
An Treue Theil zu haben,
Nicht beßer könnte laben.
Seine Wunden wusch und band
Ihm der Wirth mit eigner Hand.
15Nun war auch aufgelegt das Brot.
Des war dem jungen Gaste Noth:
Hungrig war er überaus.
Nüchtern war er Morgens aus
Geritten von dem Fischersmann.
20Die er vor Nantes dann gewann,
Die Wunde, und der Harnisch schwer,
Macht' ihn müd und hungrig noch viel mehr,
Dazu die weite Tagereise
Von Artus dem Bretaneise,
25Wo man ihn allwärts fasten ließ.
Der Wirth ihn mit sich eßen hieß;
Da mocht erlaben sich der Gast:
In den Gaumen schob er solche Last,
Viel Speise ward zu nicht gemacht.
Des hatte doch der Wirth nicht Acht:
[166]Ihn ermahnte stäts aufs Neue
Gurnemans der Vielgetreue,
Daß er wacker äße
Und der Müdigkeit vergäße.
5Man hob den Tisch hinweg zur Zeit.
»Ich wette, daß ihr schläfrig seid;
Ihr wart früh auf am Morgen doch.«
»Meine Mutter, Gott weiß, schlief wohl noch,
Sie pflegt nicht früh zu wachen.«
10Der Wirth begann zu lachen
Und führt' ihn zu der Schlafstatt hin:
Da bat er ihn sich auszuziehn;
Er thats nicht gern, doch must es sein.
Von Härmelin ein Laken fein
15Bedeckte seinen bloßen Leib;
Nie gebar so werthe Frucht ein Weib.
Wie ihn Schlaf und Müde lehrte,
Auf die andre Seite kehrte
Sich der Held nicht manches Mal;
20So lag er bis zum Morgenstral.
Der edle Fürst gebot bei Zeit,
Daß ein Bad ihm wär bereit
Vor dem Teppich, wo er lag,
Eh höher stiege der Tag.
25Also must es Morgens sein;
Viel Rosen warf man ihm hinein.
Ob Niemand ihn bei Namen rief,
Der Gast erwachte, der da schlief:
Der werthe, süße Jüngling
In die Kufe sitzen ging.
[167]Ich weiß nicht, wer sie darum bat:
Jungfraun in reichem Staat
Und von Ansehn minniglich
Kamen zu ihm sittsamlich:
5Die wuschen ihm und strichen sanft
Seiner Quetschungen Ranft
Mit blanken linden Händen.
Das durft ihn nicht befremden,
Dem Witz noch wenig Hülfe bot.
10Also trug er Freud und Noth
Und entgalt der Einfalt nicht bei ihnen,
Da ihn mit holden Mienen
Jungfrauen so hantierten.
Wovon sie parlierten,
15Zu Allem schwieg er stille fein,
Es dürft ihm doch zu früh nicht sein:
Denn sie schienen wie ein zweiter Tag.
Als so ihr Schein im Wettstreit lag,
Da löscht' er selbst das Doppellicht:
20Versäumt an Weiße war er nicht.
Sie boten ihm ein Laken dar;
Doch nahm er des mit Nichten wahr.
So konnt er sich vor Frauen schämen:
Er wollt es nicht vor ihnen nehmen.
25Die Jungfrauen musten gehn,
Sie durften da nicht länger stehn.
Sie hätten gern vielleicht gesehn,
Ob tiefer ihm was wär geschehn.
So getreu ist Weiblichkeit,
Des Freundes Schaden ist ihr leid.
[168]Da schritt der Gast ans Bett und fand
Für sich bereit schön weiß Gewand.
Von Gold und edler Seide fein
Einen Hosengürtel zog man drein.
5Auch gab man roth scharlachne Hosen
Dem nimmer Kraft- noch Muthlosen.
Avoi! wie seine Beine standen!
Da war der rechte Schick vorhanden.
Scharlachbraun von schönem Schnitte
10Und wohlgefüttert nach der Sitte
Waren Rock und Mantel lang,
Von Härmelin inwendig blank.
Schwarz- und grauer Zobel stand
Als Besatz vor jedem Rand;
15Die warf er über sogleich.
Mit einem Gürtel schön und reich
Must er den Leib verzieren,
Und dazu sich affischieren
Einen theuern Fürspann;
20Sein Mund dabei vor Röthe brann.
Da kam der treue Wirth daher,
Ihm folgten Ritter stolz und hehr.
Der empfing den Gast. Als das geschehn,
Die Ritter musten all gestehn,
25Sie sahen niemals schönern Leib.
Getreulich priesen sie das Weib,
Die solche Frucht der Welt gebar.
Aus höfscher Zucht, und weil es wahr,
Sprachen sie: »Ihm wird gewährt,
Wohin um Huld den Dienst er kehrt.
[169]Minn und Gruß sind ihm bereit,
Ergehts nach seiner Würdigkeit.«
Das gestanden Alle da
Und Jeder, der ihn künftig sah.
5Der Wirth ergriff ihn bei der Hand
Und führt' ihn mit sich unverwandt.
Unterwegs fragt' ihn der,
Wie seine Ruhe wär
Bei ihm gewesen diese Nacht?
10»Herr, lebend wär ich nicht erwacht!
Ein Glück, daß mir die Mutter rieth,
Euch zu besuchen, als ich schied.«
»Nun Gott lohn es euch und ihr;
Herr, zu gütig seid ihr mir.«
15Hin ging der Held, an Witz noch krank,
Wo man dem Wirth und Gotte sang.
Der Wirth ihn bei der Messe lehrte,
Was der Seele Heil ihm mehrte:
Opfern, und segnen sich
20Und rüsten vor des Teufels Schlich.
Sie gingen wieder auf den Saal:
Da stand der Tisch gedeckt zum Mal.
Der Wirth bei seinem Gaste saß,
Der ungeschmäht die Speisen aß.
25Da sprach der Wirth mit Höflichkeit:
»Wär euch die Frage, Herr, nicht leid,
So hätt ich gern vernommen,
Wannen ihr wärt gekommen?«
Er sagt' ihm Alles ungelogen,
Wie er von der Mutter war gezogen,
[170]Vom Ringlein und vom Fürspann,
Und wie er Harnisch gewann.
Der Wirth erkannte den Ritter roth:
Er seufzte: denn es schuf ihm Noth.
5Dem Gast er nun den Namen ließ
Und ihn den rothen Ritter hieß.
Da man hinweg die Tafel nahm,
Da wurde wilde Sitte zahm.
Der Wirth sprach zu dem Gaste sein:
10»Ihr redet wie die Kindelein:
Was geschweigt ihr eurer Mutter nicht
Und gebt uns anderlei Bericht?
Haltet euch an meinen Rath,
Der scheidet euch von falschem Pfad.
15»So heb ich an: »Legt nimmer hin
Die Scham, die aller Zucht Beginn.
Schamloser Mann, wie taugte Der?
Als ob er in der Mauße wär,
So rieselt von ihm Würdigkeit
20Und weist ihn zu der Hölle Leid.
»Ihr tragt so edeln Schickes Schein,
Wohl mögt ihr Volkes Herre sein.
Ist hoch und höht sich eure Art,
Seht, daß ihr stäts im Herzen wahrt
25Erbarmung gegen dürftgen Mann;
Wider dessen Kummer kämpfet an
Mit Gut und milden Gaben:
Solche Demuth sollt ihr haben.
Der kummervolle werthe Mann,
Der vor Scham nicht betteln kann
[171](Das ist ein unsüßes Leid),
Dem seid zu helfen gern bereit.
Wenn ihr dessen Kummer stillt,
Das ist zu lohnen Gott gewillt.
5Er ist übler dran, als der da geht
Zur Thüre, wo das Fenster steht.
»Ihr sollt verständig überein
Wißen arm und reich zu sein.
Denn wo der Herr zu viel verthut,
10Das ist nicht herlicher Muth,
Und will er Schatz nur mehren,
Das mag ihn auch nicht ehren.
»Das rechte Maß sei euer Orden.
Ich bin wohl inne geworden,
15Daß ihr rathbedürftig seid:
Nun meidet Unfug jederzeit.
»Ihr sollt so viel nicht fragen;
Doch dürft ihr nicht versagen
Bedachte Antwort, die gemeßen
20Ziemet auf die Frage dessen,
Der euch mit Worten will erspähn.
Ihr möget hören, möget sehn,
Erwittern, kosten, merken:
Das wird den Sinn euch stärken.
25»Laßt Erbarmung bei der Kühnheit sein:
Dem Rathe sollt ihr Folge leihn.
Wer im Kampf euch bietet Sicherheit,
That er euch nicht solches Leid,
Das Herzleid müste geben,
Nehmt sie und laßt ihn leben.
[172]»Ihr legt oft Harnisch an euch:
Legt ihr ihn ab, so reinigt gleich
Euch an Händen und Gesicht
Vom Rost des Eisens, das ist Pflicht.
5So schaut ihr wieder hell und klar:
Des nehmen Frauenaugen wahr.
»Seid mannlich und wohlgemuth,
Das ist zu werthem Preise gut.
Die Frauen haltet lieb und werth:
10So wird ein junger Mann geehrt.
Gebt keinem Wankelmuth euch hin:
Das ist rechter Mannessinn.
Wenn ihr sie thören wollt mit Lügen,
Wohl mögt ihr ihrer viel betrügen:
15Lohnt treuer Minne falsche List,
Das bringt euch Lob gar kurze Frist.
Da wird des Schleichers Klage
Das dürre Holz im Hage,
Denn es knistert und kracht,
20Daß der Wächter erwacht.
Strauchweg und verbotner Schlich
Führen übeln Streit mit sich.
Dieß meßet gegen wahre Minne.
Die werthe hat auch kluge Sinne
25Wider Falschheit und Betrug.
Haßte sie euch je mit Fug,
So müstet ihr geschändet sein
Und immer dulden Scham und Pein.
»Dieß sollt ihr nah dem Herzen tragen:
Ich will euch mehr von Frauen sagen.
[173]Mann und Weib, die sind geeint
Wie die Sonne, die heut scheint,
Und der heut genannte Tag,
Die beide Niemand scheiden mag.
5Sie blühn hervor aus Einem Kern:
Das merket und erwäget gern.«
Dem Wirthe dankt' er für das Wort.
Der Mutter schwieg er hinfort
Mit Reden, doch im Herzen nicht;
10Das ist getreuen Mannes Pflicht.
Der Wirth sprach, was ihm Ehre schuf:
»Lernt auch Kunst, euch ists Beruf,
An ritterlichen Sitten.
Wie kamt ihr her geritten!
15Glaubt mir, ich sah schon manche Wand,
Wo der Schild an seinem Band
Beßer hing als euch am Hals.
Es ist wohl Zeit noch allenfalls:
Laßt uns hinaus zu Felde,
20Daß ich von Kunst euch melde.
Bringt sein Ross und mir das meine
Und jedem Ritter das seine.
Auch sollen Junker mit zuhand:
Ein jeder führ' an seiner Hand
25Einen starken Schaft und neu durchaus;
Den bring er uns aufs Feld hinaus.«
So kam der Fürst auf den Plan:
Da ward mit Reiten Kunst gethan.
Er unterwies seinen Gast
Wie er das Ross in voller Hast
[174]Mit des Sporengrußes Pein,
Bei fliegender Schenkel Schein
Auf den Gegner sollte schwenken,
Den Schaft gehörig senken
5Und den Schild tjostierend vor sich halten:
»So müßt ihr Schildesamt verwalten.«
So trieb er Ungeschick ihm aus,
Wie ein schwankes Reis im Saus
Unartgen Kindern gerbt das Fell.
10Dann ließ er kommen Ritter schnell,
Daß er mit ihnen tiostierte.
Seinen Gast er selber führte
Ihnen entgegen in den Ring.
Da brachte dieser Jüngling
15Seinen ersten Tjost durch einen Schild,
Daß es wohl für ein Wunder gilt,
Und daß er hinters Ross verschwang
Einen starken Ritter groß und lang.
Ein andrer Gegner war gekommen.
20Da hatt auch Parzival genommen
Einen starken neuen Schaft.
Seiner Jugend blühte Muth und Kraft.
Den jungen süßen sonder Bart
Lehrte Gachmuretens Art
25Und angeborne Mannheit:
Das Ross ersprengt' er wohl zum Streit
In gestrecktem Laufe, wie man soll,
Und zielt' auf die vier Nägel60 wohl:
Des Wirthes Ritter hielt nicht Bügel,
So daß er fallend maß den Hügel.
[175]Viel kleiner Stücklein wohl zerschellt
Von Splittern sah man auf dem Feld.
Also stach er fünfe nieder.
Da nahm der Wirth ihn zu sich wieder;
5Erhalten hatt er hier den Preis;
Er ward im Streit noch klug und weis.
Die sein Reiten hier gesehn,
Die Kundgen musten all gestehn,
Es wohne Kunst und Kraft ihm bei.
10»Mein Herr wird seines Jammers frei.
Nun verjüngt sich wohl sein Leben.
Er soll zum Weib ihm geben
Seine Tochter, unsre Frauen.
Ist er klug, ihr sollt es schauen,
15So lischt ihm seines Kummers Noth.
Für der dreien Söhne Tod
Ritt ihm nun Ersatz ins Haus:
Nun endlich blieb sein Heil nicht aus.«
So kam der Fürst am Abend heim:
20Gedeckt die Tafel muste sein.
Seine Tochter ließ er kommen
Zu Tisch, so hab ich es vernommen.
Da das Mägdlein kam heran,
Nun höret wie der Wirth begann
25Zu der schönen Liaßen:
»Du sollst dich küssen laßen
Diesen Ritter, biet ihm Ehre;
Ihn beräth des Heiles Lehre.
Euch aber macht ichs zum Beding,
Daß ihr der Magd den Fingerring
[176]Ließet, wenn sie einen hätte;
Sie hat ihn nicht, noch Spang und Kette.
Wer schenkt' ihr einen Fürspann
Wie der Frauen dort im Tann?
5Die hatte Einen, der ihr gab,
Was ihr der Schönen nahmet ab.
Liaßen könnt ihr wenig nehmen!«
Der Gast begann sich des zu schämen;
Er küsste sie doch auf den Mund:
10Dem war wohl Feuerfarbe kund.
Liaße war gar minniglich,
Voll wahrer Keusche sicherlich.
Der Tisch war nieder und lang;
Man sah an ihm nicht großen Drang.
15Am Ende saß der Wirth allein;
Den Gast setzt' er mitten ein
Zwischen sich und sein Kind.
Ihre blanken Hände lind
Musten schneiden, wie der Wirth gebot,
20Den man hieß den Ritter roth,
Was der zu eßen trug Begehren.
Niemand wird es ihnen wehren,
Blickten sie sich heimlich an.
Das züchtige Mädchen wohlgethan
25That gern des Vaters Gebot.
Sie und der Fremdling blühten roth.
Bald ging das Mägdlein hinaus.
So pflegte man den Gast im Haus
Bis an den vierzehnten Tag.
In seinem Herzen Kummer lag,
[177]Um anders nicht, als weil ihm schien,
Ihm müß erst Ruhm im Streite blühn,
Eh er daran würde warm,
Was man da heißet Frauenarm.
5Ihn dauchte, werthe Brautschaft
Sei ein Glück von hoher Kraft
Für dieses Leben wie für dort.
Ungelogen ist das Wort.
Eines Morgens er um Urlaub bat:
10Da räumt er Graharz die Stadt.
Der Wirth gab ihm ins Feld Geleit:
Da hob sich neues Herzeleid.
Da sprach der Fürst aus Treu erkoren:
»Mir geht der vierte Sohn verloren,
15Da ich mich entschädigt glaubte
Dreier, die der Tod mir raubte.
Nur dreifach war bisher mein Schmerz;
Wer mir aber jetzt das Herz
Mit der Hand in Viere schlüge,
20Jedes Stück von dannen trüge,
Das dauchte mich ein Hochgewinn.
Eins für euch (ihr reitet hin);
Für meine Söhne drei, die lieben,
Die muthig sind im Kampf geblieben.
25Doch solchen Lohn giebt Ritterschaft;
Ihr End umstrickt mit Jammers Haft.
»Mir lähmt ein Tod die Freude gar,
Meines Sohnes, der so blühend war;
Er hieß mit Namen Schenteflur.
Da Kondwiramur
[178]Leib und Leben nicht wollt ergeben,
Verlor ihr Helfer, er das Leben
Von Klamide und von Kingraun.
Mir ist durchlöchert wie ein Zaun
5Das Herz von Jammersschnitten.
Nun zu früh seid ihr geritten
Von mir trostlosem Mann.
O weh, daß ich nicht sterben kann,
Da Liaße die schöne Magd
10Und mein Land euch nicht behagt.
»Mein andrer Sohn hieß Komte Laskoit:61
Den hat mir Ider Fils de Noit
Erschlagen eines Sperbers halb:
Davon ist meine Freude falb.
15Mein dritter Sohn hieß Gurzgri,
Dem Mahaute verlieh
Ihren blühenden Leib:
Denn es gab sie ihm zum Weib
Ihr stolzer Bruder Eckunat.
20Gen Brandigan der Hauptstadt
Kam er um Schoidelakurt geritten;
Da hat auch er den Tod erlitten:
Ihn erschlug Mabonagrein.
Mahaute ließ den lichten Schein.
25Seine Mutter auch, mein Weib, ist todt
Vor Leid um ihn und Sehnsuchtsnoth.«
Wohl sah der Gast des Wirthes Qual;
Der unterschied sie ihm zumal.
Da sprach er: »Herr, ich bin nicht weise;
Doch komm ich je zu Ritters Preise,
[179]Daß ich wohl Minne mag begehren,
Liaßen sollt ihr mir gewähren,
Eure Tochter, die schöne Magd.
Ihr habt mir allzuviel geklagt:
5Kann ich des Jammers euch entschlagen.
Des laß ich euch so viel nicht tragen.«
Urlaub nahm der junge Mann
Von dem getreuen Fürsten dann
Und von dem Ingesind zumal.
10Die Dreizahl in des Fürsten Qual
Stieg traurig nun zur Vierzahl auf.
Die vierte Einbuß ist sein Kauf.