Читать книгу Die verrückte Viererbande - Wolfram Hanel - Страница 6
1. Kapitel
ОглавлениеIch habe den Kopf auf die Pfoten gelegt und blinzle müde in die Sonne. Irgendwo hinter mir auf der Wiese stehen Müsli und Fussel und fressen Gras. Und der dicke Rübe liegt in seinem Matschloch und pennt. Vorne guckt der Rüssel aus dem Schlamm und hinten das Ringelschwänzchen, sonst ist nicht viel Rübe zu sehen.
Frau Schmidt hat sich hinter dem Zaun versteckt und wartet darauf, dass der Briefträger kommt. Adler sitzt auf dem Misthaufen und wartet auch. Darauf, dass er endlich den Regenwurm erwischt, von dem er schon seit Tagen redet. Und der Bauer wartet darauf, dass irgendjemand kommt und die Haustür repariert. Aber es kommt keiner, weshalb er jetzt Hammer und Nägel holt und selber anfängt. Und sich natürlich prompt auf den Daumen haut und laut schimpfend um seinen Trecker herumhüpft. Dem es aber völlig egal ist, ob der Bauer hüpft und schimpft oder nicht.
Man könnte also auch sagen, dass eigentlich alles wie immer ist. Und am liebsten würde ich auch einfach die Augen zumachen und von irgendwas Schönem träumen. Genau wie Rübe. Obwohl der wahrscheinlich von irgendwelchen Käfern träumt, die er gerade aus dem Matsch buddelt. Ich würde stattdessen natürlich von hoppelnden Kaninchen träumen! Oder vielleicht auch von Madonna, der einhörnigen Ziege, die zwar manchmal komisches Zeug redet, aber sonst echt nett ist. Und ziemlich gut aussieht, falls ihr’s genau wissen wollt.
Aber das geht leider nicht. Von Madonna träumen, meine ich. Und wie wir glücklich hinter den Kaninchen herhoppeln, äh, hüpfen … Nein, auch nicht. Mit dem Trecker über die Wiese brettern? Mit dem Bauern Gras fressen? Quatsch! Alter Hundefloh, jetzt muss ich doch tatsächlich kurz eingeschlafen sein. Aber das geht ja auf gar keinen Fall, weil … weil …
Ich gähne und strecke mich und überlege, warum ich nicht einschlafen darf. Jetzt hab ich’s wieder. Weil ich nachdenken muss! Weil nämlich gar nichts ist wie immer. Weil wir ein Problem haben! Und deshalb brauchen wir dringend einen Plan, was wir jetzt machen. Aber der Einzige hier, dem das klar zu sein scheint, bin offensichtlich ich. Auf meine Kumpels kann ich jedenfalls gerade nicht zählen. Sieht man ja! Entweder sie schnorcheln im Matsch rum, oder sie fressen Gras. Und das hilft uns nicht weiter!
Das Dumme ist nur, dass auch mir nichts Vernünftiges einfallen will. Egal wie sehr ich mich anstrenge. Ich habe null Ideen, was wir machen sollen. Null. Niente. Nada. Und jedes Mal, wenn ich kurz davor bin, doch eine Idee zu haben, kommt garantiert eins von den kleinen Katzendingern angetorkelt und versucht, auf mir rumzuklettern. Vier Stück von den kleinen Pelzknäueln hat die Kater-Katze da oben unter der Dachluke zur Welt gebracht. Heimlich natürlich, was mal wieder typisch war! Genauso wie die ganze Zeit so zu tun, als ob sie nur ein buckliger Kater wäre. Aber nein, sie hat nichts Besseres zu tun gehabt, als uns alle Mann reinzulegen. Aber so was von! Und jetzt müssen wir ständig aufpassen, dass wir nicht aus Versehen auf so einen kleinen Mäusefänger drauftreten! Während die bucklige Kater-Katze schön gemütlich auf der Dachrinne hockt und sich putzt. Als wäre alles in bester Ordnung …
Das war das Stichwort! Nichts ist in Ordnung, wir haben ein Problem. Als das Schaf nämlich in der Hütte im Wald eingesperrt war, hat es etwas gehört. Etwas, was gar nicht gut war. Nur kann sich Löckchen leider an nichts weiter erinnern, als dass es GEFÄHRLICH für uns alle sein soll.
Ich fürchte, ich komme da alleine nicht weiter. Ich muss mit meinen Kumpels reden, auch wenn es ihnen nicht passt, weil sie lieber pennen wollen oder Grashalme abrupfen.
Vorsichtig schiebe ich mit der Pfote das schnurrende Katzending zur Seite, das gerade mein Ohr ableckt, und springe auf.
„Müsli!“, belle ich. „Rübe! Fussel, wir müssen reden, und zwar jetzt, sofort!“
Es dauert eine Weile, bis sich Rübe aus dem Matsch gebuddelt hat und über die Wiese angeschwabbelt kommt. Und Müsli rupft erst noch ein paar Blätter von den Apfelbaumzweigen, bevor sie sich auch in Bewegung setzt. Fussel stakst blökend hinter ihr her. Als Müsli zur Begrüßung wiehert, wirft es ebenfalls seinen Kopf in den Nacken und blökt noch lauter. Manchmal habe ich den schlimmen Verdacht, dass das Schaf sich inzwischen selber für ein Pony hält!
„Was geht?“, grunzt Rübe verschlafen. „Ich hoffe nur für dich, dass es wichtig genug ist, um mich zu wecken!“
„Ist es“, knurre ich. „Vielleicht erinnerst du dich daran, dass wir ein Problem haben.“
„Stimmt. Da war was. Und, hast du schon eine Lösung?“
„Eben nicht. Aber alleine komme ich nicht weiter. Und ich weiß überhaupt nicht, warum eigentlich immer nur ich nachdenken soll. Das geht uns schließlich alle was an!“
Müsli grummelt irgendetwas vor sich hin. Wenn mich nicht alles täuscht, kommt das Wort „Hustenbonbons“ drin vor.
„Was?“, belle ich. „Was hast du gerade gegrummelt?“
„Solange ich dem Bauern jeden Tag ein Hustenbonbon klauen kann, ist mir alles andere egal.“
Erst als Müsli die Zähne bleckt, kapiere ich, dass sie mich gerade auslacht.
Manchmal rauben mir meine Kumpels echt den letzten Nerv!
„Reingelegt!“, wiehert sie jetzt.
„Okay“, grunzt Rübe. „Genug gelacht. Also, Fussel, versuch, dich genau zu erinnern. Du warst in dem Stall und hast Stimmen gehört. Zwei Stimmen, ein Mann und eine Frau. Und die Frau war die alte Freundin vom Bauern, da bist du dir sicher?“
„Ganz sicher. Ich hab sogar ihr Parfüm gerochen. Durch die Mauern durch!“
„Das war die Stöckelschuh-Trulla“, schnaubt Müsli. „Ganz klar!“
„Aber du weißt nicht, wer der Mann war?“, macht Rübe weiter.
„Nein“, blökt Fussel kläglich. „Aber was er gesagt hat, war richtig böse. Ganz schlimm. Und es hatte was mit unserem Hof zu tun.“
„Was Schlimmes mit unserem Hof?“, überlegt Rübe angestrengt. „Was könnte das sein?“
„Erinnert ihr euch noch daran, wie sich der Bauer mit der blonden Parfümflasche gestritten hat?“, fragt Müsli. „Weil sie wollte, dass er alle Tiere verkauft?“
„Du meinst …“, grunzt Rübe. „Du glaubst, es könnte sein, dass …“
„Dass die Stöckelschuh-Trulla gerade dabei ist, uns alle zu verkaufen. Das meine ich.“
„Aber wozu? Was sollte jemand anders mit uns anfangen?“
„Keine Ahnung“, schnaubt Müsli. „Obwohl … also bei dir würde mir schon was einfallen, vor allem wenn ich mir so deine Speckfalten angucke.“
„Nein!“, quiekt Rübe entsetzt.
„Was ist denn mit Rübes Speckfalten?“, fragt Fussel. „Ich finde sie schön. Vor allem, wenn sie so lustig schwabbeln.“
„Eben“, grummelt Müsli. „Aber vielleicht hat sich’s bald für immer ausgeschwabbelt! Und du läufst als Pullover durch die Gegend, und Charlie …“
„Hört auf!“, belle ich schnell. „Das ist doch alles Quatsch. Wenn wir jetzt Panik kriegen, hilft uns das auch nicht weiter. Wir wissen ja überhaupt nicht, worum es wirklich geht, weil sich Fussel nicht mehr erinnern kann.“ Plötzlich habe ich eine Idee. „Aber vielleicht gibt es doch noch eine Möglichkeit, dass Fussel alles wieder einfällt. Wir müssen einfach noch mal zu dieser Hütte im Wald. Und dann sperren wir Fussel wieder ein, kapiert ihr? Es muss alles genauso sein wie beim letzten Mal. Müsli nebelt sich mit Parfüm ein und tut so, als ob sie die Stöckelschuh-Trulla wäre. Und Rübe grunzt irgendwas Gefährliches! Oder noch besser vielleicht, Rübes großer Borstenbruder spielt den fremden Mann. Und zack!, fällt Fussel bestimmt alles wieder ein …“
„Das klappt nie“, grunzt Rübe.
„Und ich will auch nicht wieder in die dunkle Hütte!“, blökt Fussel.
„Du musst!“, wiehert Müsli. „Die Idee ist gut. Und ich weiß auch schon, wie ich an das Parfüm komme. Da steht nämlich noch eine ganze Flasche in der Küche, habe ich genau gesehen, als ich durchs Fenster geguckt habe.“
„Ich besorg die Flasche“, erkläre ich. „Das kriege ich hin. Und dann müssen wir nur noch Rübes großen Bruder überzeugen, dass er mitmacht. Aber unser Leben hängt vielleicht davon ab, denkt daran!“