Читать книгу Die verrückte Viererbande - Wolfram Hanel - Страница 7

2. Kapitel

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Die Gelegenheit ist günstig. Der Bauer hat sich schon wieder auf den Daumen gehauen und hüpft schimpfend über den Hof. Jetzt ist er gleich im Stall, wo der Kasten mit den Pflastern an der Wand hängt. Müsli hat den Kasten neulich erst aufgemacht, weil sie dachte, dass der Bauer da vielleicht ein paar Hustenbonbons versteckt hätte. Aber es war nichts weiter drin als die Pflaster und eine Rolle Stoff, den man abwickeln konnte. Rübe hat erst schnell ein paar Pflaster gefressen und dann den Stoff in sein Matschloch geschleppt und so verbuddelt, dass nur noch ein ganz kleines Stückchen rausguckte. Dann haben wir Adler gerufen und ihm erzählt, dass wir gerade einen fetten, weißen Wurm entdeckt hätten. Und Adler hat den Rest des Vormittags gebraucht, um den Stoff wieder aus dem Matsch zu zerren! Bis er endlich kapiert hat, dass es gar kein Wurm war …

Wir warten, bis der Bauer im Stall verschwunden ist. Dann geht es los. Rübe steht Schmiere und soll laut quieken, wenn der Bauer wieder auftaucht. Die Tür zum Haus ist offen, ich komme also ohne Probleme in die Küche. Müsli steht draußen vor dem Fenster und ruft mir zu, wo die Flasche mit dem Parfüm ist. Und Fussel blökt ein bisschen, weil es auch helfen will, aber leider zu klein ist, um durchs Fenster zu gucken.

„Kalt!“, wiehert Müsli, als ich am Küchentisch bin. „Ganz kalt. Du musst mehr nach links, ja, schon wärmer, und noch ein Stück weiter! Siehst du das Regal? Ja, genau, warm, sehr warm sogar. Und heiß, ganz heiß, du hast es gleich! Nein, nicht da, das ist schon wieder kalt, das sind nur Suppendosen. Aber gleich daneben!“

„Hä?“, mache ich und verrenke mir den Kopf, um auf das Regalbrett schielen zu können. „Ich sehe nur …“

„Ja!“, wiehert Müsli. „Genau. Schnapp dir die Tüte und bring sie schnell her!“

Ich glaub’s ja wohl nicht mehr! Müsli hat mich nicht zu der Parfümflasche geführt, sondern zu einer Tüte Hustenbonbons. Und ich will gerade anfangen, mich aufzuregen, als ich die Flasche selber entdecke. Hinter den Suppendosen, wo ich gerade eben schon gesucht hatte. Aber ich komme nicht ran, weil die Dosen im Weg sind …

„Erst die Hustenbonbons!“, wiehert Müsli aufgeregt. „Los, jetzt mach schon. Die Flasche kannst du dann immer noch holen. Die Hustenbonbons sind wichtiger!“

„Sind sie nicht!“, knurre ich und springe auf den Stuhl, um die Dosen mit der Schnauze beiseitezuräumen. Anders geht es nicht, sonst komme ich nie an die Parfümflasche.


Die erste Dose knallt scheppernd auf den Boden und rollt bis zur Türschwelle. Die zweite Dose rollt unter den Küchentisch. Aber egal wie sehr ich mich anstrenge, ich komme nicht weit genug an die Flasche heran. Erst als ich die Vorderpfoten auf das Regalbrett stelle, geht es besser. Nur dass im gleichen Moment der Stuhl anfängt zu kippeln, und plötzlich kippelt auch das Regalbrett, und die restlichen Dosen kommen genau auf mich zugerutscht!

Ich schaffe es gerade noch, die Parfümflasche mit den Zähnen zu greifen und vom Stuhl zu springen, bevor hinter mir alles zu Boden knallt. Das Getöse ist so laut, dass ich kaum höre, wie Müsli aufgeregt wiehert. So schrill, dass es fast klingt, als ob sie quieken würde. Nein, falsch, das ist ja gar nicht Müsli, die da quiekt, sondern Rübe!

Der Bauer kommt!

Mit einem Satz bin ich an der Fensterbank und schiebe Müsli die Flasche hin. Sie nimmt sie vorsichtig ins Maul und galoppiert davon.

Fussel blökt.

Rübe quiekt.

Der Bauer kommt durch die Tür gepoltert.

Ich fange sofort an zu bellen, um ihm alles zu erklären.

„Boss!“, belle ich und wedele dabei wie verrückt mit dem Schwanz. „Ein Glück, dass du da bist! Ich wollte hier in der Küche auf dich warten, und ich habe überhaupt nichts weiter gemacht, aber plötzlich hat mich das Regal angegriffen und mit Suppendosen nach mir geworfen. Guck es dir an, wie es hier aussieht! Und du kannst echt froh sein, dass mir nichts passiert ist!“

Ich habe keine Ahnung, ob der Bauer mir glaubt. Er starrt nur entsetzt auf das Chaos um uns herum, und dann macht er einen Schritt nach vorne – und tritt aus Versehen auf die Suppendose, die an der Türschwelle liegt. Jetzt rudert er noch verzweifelt mit den Armen, aber es ist schon zu spät, er kippt nach hinten und schlägt der Länge nach hin. Und im nächsten Moment liegt er wie ein zappelnder Käfer auf dem Rücken!

„Siehst du, Boss!“, belle ich. „Ich hab’s doch gesagt, das ist voll gefährlich hier. Los, komm, steh lieber wieder auf, bevor uns auch noch die Töpfe und Pfannen angreifen.“

Der Bauer rappelt sich auf und starrt mich an, als würde er mich zum ersten Mal sehen. Und dann sagt er ganz leise: „Alles weg.“

„Was?“, belle ich. „Wovon redest du, Boss?“

Er schüttelt nur den Kopf und hebt den Stuhl wieder auf. Aber er setzt sich nicht hin, sondern starrt jetzt den Stuhl an. Ungefähr genauso ratlos wie mich eben. Und ich fange an, mir langsam wirklich Sorgen zu machen! Ich meine, wegen ein paar verbeulter Suppendosen auf dem Boden muss er ja nicht gleich so tun, als ob ihm der Himmel auf den Kopf gefallen wäre.

Jetzt blickt er mir auch noch ganz genau in die Augen.

„Charles Theobald Brösel von der Apfelbaumwiese“, sagt er. „Mitkommen, und zwar sofort! Ohne Diskussion, klar?“

Okay, denke ich, es geht gar nicht um die Dosen. Er hat noch irgendwas anderes. Und es scheint ziemlich ernst zu sein! Ich laufe brav neben ihm her über den Hof. Bis zum Stall. Wo der Bauer stehen bleibt und laut ruft: „Hierher! Alle!“

Es dauert eine Weile, bis sich Rübe hinter dem Trecker hervorwagt und grunzend angeschwabbelt kommt. Als Nächstes erscheinen Müsli und Fussel.

„Die Parfümflasche haben wir gut versteckt!“, blökt Fussel stolz. „Die findet er nie!“

„Ich fürchte, es geht gar nicht um die Flasche“, grunzt Rübe nervös.

„Aber um die Hustenbonbons kann es auch nicht gehen“, grummelt Müsli. „Die hat Charlie ja leider vergessen.“

„Vorsicht! Platz da!“, kräht Adler von irgendwo oben aus der Luft. „Ich kann nicht anhalten. Ich bin zu schnell!“

Flügelschlagend flattert er so dicht über unsere Köpfe hinweg, dass wir uns gerade noch ducken können, bevor er dem Bauern gegen die Schienbeine kracht.

Von der anderen Seite kommt die Kater-Katze und hinter ihr in einer Reihe die kleinen Mäusefänger. Dann schiebt auch Frau Schmidt ihren langen Hals um die Ecke vom Stall.

„Was ist los?“, schnattert Frau Schmidt, während sie mal wieder versucht, in alle Richtungen gleichzeitig zu schielen. „Ich hab keine Zeit. Der Briefträger kommt gleich!“

„Ruhe!“, brüllt der Bauer. „Jetzt rede ich!“

„Ich hab nichts gesagt“, grunzt Rübe.

„Ich auch nicht“, grummelt Müsli.

„Ich bin gar nicht da!“, behauptet Adler.

Die Kater-Katze reibt nur wie üblich ihren Kopf an den Gummistiefeln vom Bauern, um sich einzuschleimen.

Aber spätestens als der Bauer sie einfach zur Seite schiebt, wissen wir, dass es wirklich ernst ist.

Der Bauer blickt uns der Reihe nach an.

„So, und jetzt will ich wissen, wer von euch das war. Oder wart ihr es etwa alle zusammen? Na los, raus mit der Sprache!“

Wir haben keine Ahnung, wovon er redet.

Der Bauer guckt uns immer noch an. Ungefähr so, als wollte er jedem Einzelnen von uns am liebsten einen Eimer Wasser über den Kopf gießen. Mindestens! Wenn nicht noch irgendwas Schlimmeres.

Dann dreht er sich plötzlich um und stapft in den Stall. Wir folgen ihm ganz vorsichtig, um zu sehen, was er jetzt vorhat. Das Blöde ist nur, dass wir natürlich nicht alle zusammen durch die Stalltür passen. Weshalb wir auch prompt stecken bleiben! Und schieben und drängeln, bis Rübe sich grunzend befreit und wie ein dicker Korken nach vorne ploppt. Woraufhin wir alle hinter ihm hertorkeln und Frau Schmidt aus Versehen eins der Pelzknäuel mit dem Flügel beiseitewischt. Das kleine Katzending fängt natürlich sofort an zu wimmern. Und die Kater-Katze macht einen Buckel und faucht: „Hast du gerade mein Kind gehauen?“

„Sorry!“, schnattert Frau Schmidt. „Aber vielleicht passt du mal besser auf, wo deine Mäusefängerbande rumtorkelt! Und überhaupt hab ich keine Zeit für den Quatsch hier. Das ist mir alles zu blöd. Ich geh jetzt wieder. Der Briefträger kommt gleich!“

Aber im selben Moment brüllt der Bauer: „Halt! Hiergeblieben. Keiner verlässt den Raum, bevor der Täter überführt ist!“ Er zeigt auf den Verbandskasten an der Wand. „Leer!“, sagt er. „Keine Pflaster mehr. Keine Mullbinde. Nichts.“

„Ach du dicke Schweinebacke“, stöhnt Rübe leise. „Darum geht es also. Dabei haben die dämlichen Pflaster nicht mal gut geschmeckt!“

Aber mein dicker Kumpel Rübe irrt sich. Es geht gar nicht um die Pflaster! Oder jedenfalls nicht nur.

„Und das ist noch nicht alles“, erklärt der Bauer nämlich gerade und stößt die Tür zur Futterkammer auf.

Wenn ich nicht genau wüsste, dass mit meinen Augen alles okay ist, würde ich glatt glauben, dass ich mir das alles nur einbilde.

Und den anderen geht es genauso! Frau Schmidt kriegt den Schnabel nicht mehr zu, die Kater-Katze macht vor Schreck einen Buckel, und Adler fängt nervös an, ein paar Körner vom Fußboden aufzupicken.

„Rostiges Hufeisen!“, wiehert Müsli entsetzt. „Alter Pferdemist, was ist das denn?“

„Ups!“, blökt Fussel. „Das sieht ja aus, als ob Charlie hier gewesen wäre und ein paar Dosen weggeräumt hätte.“

Aber das ist noch deutlich untertrieben! Mal ganz davon abgesehen, dass ich natürlich nicht in der Futterkammer war. Und dass da auch keine Dosen durch die Gegend rollen. Aber dafür liegt die Hafertonne umgekippt auf der Seite – und ist leer! Und auch alle anderen Futterkisten sind aufgebrochen. Und genauso leer. Außerdem ist der Wasserhahn aufgedreht und tropft vor sich hin, und in der Pfütze auf dem Boden schwimmt Müslis Zaumzeug, das eigentlich an den Nagel neben der Tür gehört. Und eigentlich auch nicht zerrissen und halb aufgefressen sein sollte. Ich kann ganz deutlich die Spuren von kleinen, spitzen Zähnen auf dem Leder erkennen. Und ich sehe noch mehr Spuren! Überall zwischen den ausgekippten Körnern.

„Wer von euch war das?“, brüllt der Bauer wieder.

Aber da habe ich schon entdeckt, dass das Fenster offen steht. Ich belle also laut und springe an der Wand hoch, um dem Bauern zu zeigen, woher die Diebe gekommen sind.


„Aha“, sagt der Bauer nur und betrachtet verblüfft das Fenster. Und dann uns. Und wieder das Fenster.

„Gut gemacht, Charlie“, erklärt er dann. „Wir suchen also jemanden, der durchs Fenster reingekommen ist. Und das Fenster ist nicht besonders groß. Es muss also jemand sein, der klein genug ist, um da durchzupassen. So viele von euch bleiben da nicht übrig, würde ich sagen.“

Müsli wiehert und schüttelt die Mähne.

Rübe quiekt und schlackert mit den Ohren.

Frau Schmidt plustert sich auf, um größer zu wirken.

Fussel versteckt sich hinter Rübe und zittert.

Und Adler rennt aufgeregt im Kreis und kräht: „Ich war’s nicht! Ich war’s nicht!“

Jetzt blicken alle zu der Kater-Katze. Aber die setzt sich nur auf ihren Hintern und fängt wieder an, sich zu putzen. Als würde sie das Ganze nichts angehen.

Eigentlich warte ich schon lange darauf, dass der alte Nervbolzen endlich mal richtig Ärger kriegt. Ich meine, wer schleicht sich denn immer heimlich ins Haus und leckt die Kakaoschüssel vom Bauern leer? Wer tut so, als wäre er was Besseres? Wer hat uns alle reingelegt und ist gar kein Kater, sondern eine Katze? Eben, der Schnurrbart-Tiger!

Aber andererseits weiß ich genau, dass die Katze viel zu schlau ist, um so ein Chaos anzurichten. Und sie frisst auch keinen Hafer!

Weshalb der Übeltäter vielleicht doch Adler war. Auch wenn er bei der Menge Haferkörner, die hier fehlen, längst geplatzt sein müsste.

Aber plötzlich habe ich eine Idee. Und wenn ich mich nicht täusche, dann ist alles noch viel schlimmer, als wir bisher geglaubt haben!

„Was ist los, Charlie?“, ruft der Bauer, als ich nur kurz belle und mich an ihm vorbeidränge. „Was hast du? Wo willst du hin?“

Ich renne aus dem Stall, ohne mich weiter um die verblüfften Gesichter meiner Kumpels zu kümmern. Und ich bin kaum um die Ecke, als ich weiß, dass ich mich nicht geirrt habe. Da lehnt die alte Leiter an der Stallwand, direkt unter dem Fenster! Und gleich darauf entdecke ich auch die Spuren auf dem Boden. Von Pfoten mit langen Krallen! Nur dass die Krallen noch viel länger als Katzenkrallen sind. Und die Spuren riechen auch anders. Aber es ist ein Geruch, den ich nicht kenne …

Inzwischen sind auch die anderen aus dem Stall gekommen.

„Was macht denn die Leiter da?“, fragt der Bauer verblüfft.

„Ich brauche keine Leiter, ich kann fliegen!“, kräht Adler.

„Was sind das für komische Spuren auf dem Boden?“, schnaubt Müsli. „Wer war das?“

„Wer war das?“, blökt Fussel. „Wer hat komische Spuren gemacht und unseren schönen Hafer aufgefressen?“

Rübe fängt an zu schnaufen und zu grunzen, als würde er im nächsten Moment in Ohnmacht fallen.

„Denkst du dasselbe wie ich?“, frage ich.

„DIE ANDEREN!“, stöhnt Rübe nur leise. „Es gibt sie also doch. Die Ziegen hatten recht!“

Die verrückte Viererbande

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