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Kapitel 3

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Amanda lag die halbe Nacht wach und rollte sich quer durch ihr Bett. Wilde Gedankengänge schossen ihr durch den Kopf. Hätte sie auf die Rettung bestehen sollen, auch wenn es ihr und den anderen zukünftige Aufträge für die Gilde versperrt hätte? Hatte sie richtig gehandelt? Sie musste ja nicht nur an sich selbst, sondern auch an die anderen denken, die von ihren Entscheidungen abhängig waren. Etwas lag schwer auf ihrer Brust und sie atmete schwer und starrte dabei zur Holzdecke. Immer wieder riss sie die Bettdecke zur Seite und sprang aus dem Bett, um in ihrem kleinen Zimmer umherzustreunern. Immer wieder legte sich sich wieder zurück ins Bett, zog die Decke wieder zurecht und schloss demonstrativ die Augen.

Vor ihrem geistigen Auge tauchte die Mutter mit ihren drei Kindern auf. Ihre verheulten Augen brannten sich in Amandas Geist und ihre Worte schnitten tief. „Sie haben meinen Mann entführt!“, konnte Amanda klar und deutlich ihre jämmerliche Stimme glasklar hören. Sie haben ihn entführt und du hast nichts unternommen um ihn zu retten, dachte sich Amanda und riss die Augen wieder auf. Licht trat durch die kleine Spalte des Fensters und an der Tür klopfte es.

Amanda richtete sich auf und sah sich um. Ihr Schwertgurt lag auf dem kleinen Tisch, wo sie ihn letzte Nacht mehrmals hochgenommen und wieder hingelegt hatte.

"Wer ist da?", fragte Amanda. Sie wollte eigentlich gerade niemanden so sehen. Wollte nicht das irgendwer sie so sieht.

"Ich bin es" hörte Amanda eine Stimme, welche sie Fenth zuschrieb.

"Was ist?"

"Kann ich reinkommen?"

"Nein..."

Langsam öffnete sich die Tür und Amanda konnte erst das braune Haar, dann ein Auge des Magiers sehen.

"Was hast du an dem Wort 'Nein' nicht ganz verstanden?"

"Ich hatte eher ein 'Geh-Weg-Nein' gehört und dachte mir, dass du vielleicht meine Gesellschaft brauchen könntest?"

"Ich höre deine Worte Fenth, aber sie ergeben für mich absolut keinen Sinn. Absicht?"

Der Magier lächelte, trat ins Zimmer und schloss hinter sich die Tür. Amanda fixierte ihn mit den Augen, als er sich einen Stuhl nahm und sich vor ihr Bett setzte.

"Dir gehen die Menschen nicht aus dem Kopf, oder?"

Amanda schwieg und sah auf ihre Bettdecke.

"Ich habe eine Nachricht in die nächste Stadt abgeschickt und ihnen von der Gefahr für die Reisenden erzählt."

Amanda sah ihren Magier durchdringend an.

"Wir können vielleicht nicht diejenigen retten, die bisher gefangen genommen worden ist, aber wir können wenigstens verhindern, dass sich so was nochmal wiederholt."

"Können wir das wirklich Fenth? Können wir überhaupt irgendwen retten?"

"Wenn du diesen Pfad weitergehst, dann wirst du irgendwann aufhören es überhaupt zu versuchen Amanda."

Der Magier streckte seine Hand aus, zog sie dann aber auf halber Strecke wieder zurück.

"Ich wollte dir nur sagen, dass wir bald aufbrechen werden.", sagte Fenth und stand auf. An der Tür sah er nochmal zurück zu Amanda. Fenth schloss hinter sich wieder die Tür und ließ Amanda alleine im Raum zurück.

Amanda verließ das Gebäude in Richtung Wehrgang, als sie von jenseits der Palisade mehre Stimmen hörte.

"Wenn ihr kein Gold habt, dann finden wir bestimmt eine andere Möglichkeit, wie ihr eure Schulden begleichen könnt!"

"Bitte! Wir wussten doch nicht wohin..."

"Das hättet ihr euch vorher überlegen müssen, bevor ihr einfach hierherkommt und am Tor übernachtet."

"Wir haben kein Auge mehr zu bekommen, nach dem Überfall."

"Das wird euch auf jeden Fall eine Lehre sein, lieber im Voraus unseren Schutz zu suchen. Jetzt wollen wir aber unsere Bezahlung!"

Amanda stieg inzwischen den Wehrgang rauf, als sie eine Frau schreien hörte.

"Lass mich in Ruhe!"

"Stell dich nicht so an!"

Amanda rannte die letzten Stufen rauf und sah über die Palisade.

Zwei Wachen hatten sich um zwei jüngere Frauen mit ein paar kleineren Kindern gestellt und einer der Wachen zog eine der beiden Frauen an der Hüfte zu sich.

Die Frau schrie und wehrte sich mit ihren Fäusten, aber die Wache war stärker und drückte sie gegen die Holzpalisade.

"Lass die Frau los oder ich hacke dich in Stücke du Schwein!", rief Amanda über die Palisade und zog langsam ihr Schwert.

"Ich finde es schon abartig, dass ihr sie einfach so ihrem Schicksal überlassen habt, aber ich werde nicht zögern euch zu richten, wenn ihr jetzt auch noch die Notsituation ausnutzen wollt."

"Scher dich um deinen eigenen Kram und lass dies unsere Sorge sein!"

Die Frau wand sich immer noch in der Fesselung der Wache und biss ihm in den Oberarm. "Miststück!", schrie er auf. Er schlug mit seiner linken Faust der Frau ins Gesicht, welche nach hinten taumelde. Er zog sein Schwert und setzte ihr nach.

Amanda schätze kurz die Höhe ab, zögerte dann aber nicht weiter und sprang über die Palisade und ging weit in die Knie, als sie unten aufkam. Schmerz durchzog ihre Füße und zog hoch in die Beine und unteren Rücken. Sie richtet sich wieder auf und fixierte die Wache.

"Wage es ihr noch ein Haar zu krümmen und ich schlitze dich komplett auf und lass deine Leiche von der Mauer baumeln", schrie sie die Wache an.

Mit Zornesfalten im Gesicht sah die Wache Amanda an. Die andere Wache im Hintergrund zog ebenfalls sein Schwert. Die Frauen aber nahmen die kleinen Kindern und rannte zur Straße, zu den Trümmern ihres Reisezugs.

"Was denkst du eigentlich wer du bist? Du kommst hier her und glaubst mir Befehle erteilen zu können? Ich glaube dir muss man mal zeigen, wo dein Platz ist!", brüllte die Wache Amanda an und nickte seinem Kumpel hinter sich zu.

Amanda nutze diesen Moment, schoss nach vorne und trat der Wache in den Magen, woraufhin dieser sich krümmte und keuchte. Die andere Wache kam mit erhobenen Schwert auf sie zu.

Sie nahm ihren Schwertknauf und rammte diesen in den Rücken der Wache, welche erst mal zu Boden ging.

"Glaubst du wirklich ihr seit mir gewachsen?"

Die andere Wache zögerte, sah zu seinem Kollegen am Boden und wieder zu Amanda.

"Schnapp dir deinen Freund und bring ihn wieder rein. Wenn ich eure Visagen heute noch einmal sehen muss, dann garantiere ich für nichts mehr!"

Die Wache stand einen Moment dar und wägte die Situation ab. Schließlich steckte er sein Schwert wieder weg und half seinen Kollegen wieder auf die Beine.

"Komm, diese Schlampe ist es nicht wert...", raunte er ihm zu, als er ihm zum Tor half.

Amanda sah den beiden noch hinterher, dann hoch zur Brüstung, wo sich zwei Wachen mit Armbrüsten bewaffnet hatten und auf sie angelegt hatten. Amanda lächelte kurz und wand ihnen den Rücken zu und ging zum zerstörten Lager.

Etwas lag schwer auf ihrem Herzen, als sie durch das zerstörte Lager ging. Sie hob eine halbfertige Schnitzerei von Boden auf, welche leichte Brandspuren aufwies. Ein leises Wimmern von einem der Holzwagen weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie ging darauf zu und sah von hinten in den Wagen. Die beiden Frauen mit den Kindern waren dort und versteckten sich in einer Ecke. Die Kinder schwiegen, das Wimmern kam von der älteren von den beiden jungen Frauen.

"Hat er dir weh getan?", fragte Amanda.

Die Frauen sahen zu Amanda und schüttelten den Kopf.

"S.S.Sie haben unsere Eltern entführt!", stotterte sie.

Amanda fühlte einen Schlag in der Magengegend und ihr wurde sofort flau. Sie kletterte in den Wagen und hockte sich zu den Kindern und nahm sie feste in den Arm.

"Wohin wolltet ihr reisen? Riverfoyd?"

Die Frauen nickten mit dem Kopf, Tränen schossen wieder in die roten gequollenen Augen und sie schluchzten.

"Ihr könnt mit mir reisen, wir brechen demnächst dorthin auf."

Amanda sah die beiden an und schluckte schwer. Sie kämpfte gegen die eigenen Tränen mit Willenskraft an und zwang sich ein Lächeln ab.

"Packt zusammen was ihr am Leibe tragen könnt. Sorgt dafür, dass jeder komplett gekleidet ist und etwas hat um sich vor der Kälte der Nacht zu schützen. Wenn ihr noch habt, dann sammelt die restlichen Nahrungsmittel zusammen und wartet hier dann auf mich. Ich hole euch ab sobald wir aufbrechen."

Die Kinder nickten und schwiegen Amanda an. Sie lockerte die Umarmung und richtete sich wieder auf und strich sich mit ihrer Hand die Tränen aus den Augen, bevor sie den Wagen verließ.

Draußen traf sie auf Kynarus und Quania und sah die beiden fragend an.

"Sylvia ist weg.", sagte Quania trocken.

"Was soll das heißen 'weg?", frage Amanda.

"Sie ist verschwunden. Sie kam heute nicht zum Frühstück und hatte auch ihr gebrachtes nicht rein geholt. Ihr Zimmer war abgesperrt, daher konnte niemand rein, doch ihr Vater hat gerade das Zimmer geöffnet und da war das Zimmer leer und das Fenster auf.", erklärte Quania.

Amanda rieb sich den Kopf und sah zurück zum Lager. Sie rollte ihre Augen und seufzte laut aus.

"Ich hab gestern Nacht noch mit ihr gesprochen und sie ahnte nicht, dass ihr Vater den Überfallenden nicht helfen wollte. Ich glaube sie ist auf eigene Faust losgezogen um sie zu retten."

"Mutiges Mädchen...", meinte Quania.

"Oder eher dummes Mädchen...", ergänzte Kynarus.

"Oder ein wenig von beiden.", sagte Amanda. "Jedenfalls wird sie das nicht alleine schaffen, soviel ist sicher. Wir hatten schon zu viert einige Bedenken..."

Sie sah Quania an.

"Was sagt ihr Vater zu der Geschichte?"

"Der ist natürlich außer sich vor Wut, doch wer will ihm das auch verübeln? Ich glaube er gibt auch uns ein klein wenig die Schuld, weil wir nicht gut genug aufgepasst haben oder so."

Amanda schüttelte den Kopf.

"Da ist unser Vertrag recht eindeutig. Wir beschützen die beiden vor äußeren Bedrohungen, aber nicht vor sich selbst. Aber ich würde hier gerne eine Ausnahme machen und dem Mädchen nachgehen. Vielleicht können wir ihr ja dabei helfen die Entführten zu befreien.", sagte sie mit einem Lächeln und sah zu Kynarus.

"Kannst du die vielleicht die Lage einschätzen. Woher kamen sie und wohin haben sie die Gefangenen verschleppt? Sie haben etliche Stunden Vorsprung, aber wir sind ausgeruht und müssen keine widerwilligen Gefangenen transportieren."

"Nur widerwillige Magier...", kicherte Quania. Amanda strafte sie mit einem Blick und Quania zwinkerte ihr zu. Das Zwinkern ließ ihren Magen etwas verkrampfen, sie schluckte kurz, schüttelte aber den Kopf und sah wieder zu Kynarus.

"Schätzt ihr bitte die Lage ein, ich werde mit Fenth den Onkel aufsuchen."

"Ich könnte vielleicht das Zimmer des Mädels durchsuchen?", sagte Quania. Amanda schüttelte den Kopf.

"Ich möchte niemanden alleine in diesem Wald schicken. Ich weiß, dass ihr beide auf euch aufpassen könnt, aber zu zweit seit ihr schlichtweg unschlagbar...", sagte Amanda und zwinkerte Quania zu.

Die beiden nickten ihr zu und Amanda ging wieder Richtung Fort.

Amanda sah Fenth und den Karawanenführer und ging auf die beiden zu.

"Hat sie irgendwas mitgenommen? Ausrüstung, Nahrungsmittel oder ähnliches?", fragte Amanda und sah den Anführer an.

"Das ist doch absurd, sie wurde offensichtlich entführt von diesem Pack da draußen. Sie waren sauer, dass wir ihnen nicht geholfen haben und haben aus Rache meine Nichte entführt!", sagte er lautstark.

"Machen sie sich doch bitte nicht lächerlich. Da draußen sind ein paar Kinder, niemand der sich ernsthaft gegen ihre Wachen verteidigen kann, wenn diese sie belästigen.", sagte Amanda und sah sich in den Reihen der Wachen um. Sie erkannte einige vom Wehrgang mit ihren Armbrüsten wieder. Dann fixierte sie wieder den Händler.

"Ihre Nichte hat davon erfahren, dass ihr Opfer umsonst war. Das sie sich völlig umsonst in Todesgefahr gebracht hat, weil ihr Onkel sich außer Stande sah denjenigen zu helfen, die seine Hilfe dringend benötigten. So ist ihre Nichte wiedermal aufgebrochen um das zu richten, was hätte ihre Aufgabe sein sollen. Und unsere Aufgabe ist es ihre Nichte da wieder rauszuholen.", sagte Amanda trocken und ohne Mitgefühl. Der Händler starrte sie nur an, seine Lippen zitterten und er ballte seine Hände zu Fäusten.

"Ich habe schon alles in Bewegung gesetzt, um ihre Nichte da wieder rauszuholen. Ihre Aufgabe sollte es nun sein, darüber nachzudenken, warum ihre Nichte mehr Schneid in den Knochen hat, als ihr Onkel und mehr Ehrgefühl, als jede Wache hier im Fort."

Amanda drehte sich auf den Absatz um und wand dem Händler ihren Rücken zu. Sie lächelte und ging ein paar Schritte in Richtung Ausgang, bevor sie sich zu ihrem Magier umsah.

"Kommst du Fenth?"

Der Magier löste sich aus seinem Schockzustand und kam schnellen Schrittes hinter ihr her. Als sie vor den Lager waren fragte er sie.

"Amanda, was war das gerade eben? Ich habe dich noch nie mit jemanden zu sprechen sehen..."

Amanda sah Fenth an und lächelte.

"Das wird auch nicht so oft vorkommen. Kundenbindung ist mir eigentlich sehr wichtig, aber mein Ehrgefühl ist mir dann schlussendlich wichtiger."

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