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I – Mai 1942
ОглавлениеDie Klarheit des Winters, die an manchen Tagen die Berge im Norden und das Meer im Süden unmittelbar und in kleinste Details aufgelöst vor den Betrachter stellte, war zum ersten Mal in diesem Jahr dem sommerlichen Dunst gewichen, der alles Ferne verhüllte und die Tempelruine von der restlichen Welt löste und allein stehen ließ, erhaben und fremd. Die Säulen waren farblos, ganz greller Glanz und graue, mürbe Schatten, und sie flimmerten in der Mittagshitze, als wollten sie sich auflösen wie das Traumbild eines Fiebernden. Die Blätter der staubigen Olivenbäume waren erstarrt; die Sonne verharrte im Zenit; und nicht einmal die Eidechsen verließen ihre Verstecke. Die vier Deutschen hatten die Akropolis ganz für sich.
„Sehr schön!“, fasste der General zusammen, klopfte mit der Reitgerte gegen einen seiner Schaftstiefel und drehte sich noch einmal mit dem Stolz und der Zufriedenheit eines neuen Besitzers um. „Auch wenn das alles ziemlich heruntergekommen wirkt. Ich bin zuversichtlich, dass unser Tausendjähriges Reich die Zeiten besser überdauern wird.“
Der ihn begleitende Oberst der Luftwaffe lachte ebenso wie der Herr im leichten grauen Anzug, der gerade erst aus Berlin eingetroffen war und sich im letzten Augenblick der von der deutschen Botschaft organisierten Führung angeschlossen hatte. Nur Dr. Reinders von der Athener Abteilung des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches wandte sich mit einem gequälten Lächeln ab. Er hatte sich nicht lange gewehrt, als sein Chef, Institutsleiter Professor Hörbinger, den Auftrag, Offiziere der siegreichen Invasoren mit ein paar der Kulturschätze vertraut zu machen, die sie erobert hatten, an seinen Assistenten weiterreichte. Die Anmaßung aber, mit der die beiden Offiziere über die Ruinen stapften, ihre wohlwollende Herablassung den ihm so heiligen Stätten gegenüber, waren ihm zuwider. Und sie erinnerten ihn unwillkürlich an die Soldaten, die vor ein paar Monaten auf einem Balkon des Hotel Grand Bretagne gestanden waren und sich einen Spaß daraus gemacht hatten, den verhungernden Kindern unten auf der Straße eine Handvoll Rosinen zuzuwerfen, nur um zu beobachten, wie die Kinder sich um diese balgten und stritten und ihr letztes bisschen Kraft vergeudeten im Kampf um die Leckerbissen, die, selbst wenn es den Kindern gelang, einige davon zu ergattern, deren Tod höchstens um ein paar Stunden hinauszögerten. Schnapp schnapp schnapp! hatten die kleinen Mäuler gemacht und in die Luft gebissen wie die erstickender Fische, und sie gingen ihm nicht aus dem Sinn.
„Aber so viel verstaubte Kultur macht durstig!“, fuhr der General fort. „Dürfen wir die Herren Zivilisten zu uns ins Casino einladen? Dort können Sie sich mal so richtig die Ranzen vollschlagen, was hier, wie Herr Schedel als ein frisch aus der Hauptstadt eingetroffener Besucher vielleicht noch nicht weiß, ein nicht zu verachtendes Privileg ist. Oder, Reinders?“
Der dürre Dr. Reinders nickte pflichtschuldig. Ganz Athen hungerte; und von diesem Hunger waren allein die deutschen und italienischen Besatzungstruppen ausgenommen. Selbst die hier ansässigen deutschen Zivilisten blieben nur dank der Bemühungen der Botschaft vom Schlimmsten verschont. Die übrige Bevölkerung, die durch Flüchtlinge aus dem Norden und aus Kleinasien zu allem Überfluss stark angeschwollen war, musste um die immer knapper werdenden Vorräte kämpfen und auf den Märkten und in den Läden für die wenigen Lebensmittel, die die Hauptstadt erreichten, inflationär steigende Preise bezahlen. Überall streunten bettelnde, bis auf den geblähten Bauch stark abgemagerte Kinder herum; Männer, die in einem Sack sämtliche ihnen verbliebene Habe geschultert hatten, schlurften durch die Gassen; und auf dem Gehsteig hockten Frauen mit leerem, glasigem Blick und wussten nicht, wohin. Vor den wenigen Geschäften, die überhaupt noch Lebensmittel verkauften, standen teilweise mehrere Hundert Leute an. Jeden Morgen schoben Männer, die wandelnden Skeletten glichen, schwere Karren durch die Straßen und sammelten die Leichen der Verhungerten ein. Zehntausende waren bereits gestorben; und oft waren es Väter und Mütter, die das letzte ihnen verbliebene Essen den Kindern gegeben hatten, die bald als Waise in unruhigen Rudeln durch die Stadt streiften.
„Sie sollten das Angebot tatsächlich annehmen,“ riet Dr. Reinders dem blassen Herrn Schedel, der sich während der Besichtigung im Gegensatz zu den beiden Soldaten nicht die Mühe gemacht hatte, kulturgeschichtliches Interesse zu heucheln, und mit den Händen in der Tasche zwischen den Tempeln herumspaziert war und den wissenschaftlichen Erläuterungen nur beiläufig und mit einem ironischen Lächeln zugehört hatte. Gelegentlich trat er gelangweilt einen Trümmerbrocken ins Gebüsch. Er erweckte den Anschein, als versuche er nur, die Zeit tot zu schlagen. Dr. Reinders fragte sich, warum er unbedingt hatte mitkommen wollen, da ihm die antiken Ruinen und ihre Geschichte offensichtlich ganz egal waren.
„Sollte ich das, ja?“ Schedel musterte den Archäologen mit höhnischen Augen und ließ ihn spüren, dass es ihm nicht zustand, dem geheimnisvollen Besucher irgendwas zu empfehlen. „Vielleicht würde ich aber lieber zu Stavros gehen!“
Stavros war der Wirt der Taverne Hypnos, die schon unter dem Diktator Metaxas ein beliebter Treffpunkt der Mächtigen gewesen war und diesen Status auch unter den Invasoren, denen gelegentlich der Sinn nach griechischer Küche und kriecherischer Ehrerbietung stand, beibehalten hatte und deshalb einige Privilegien genoss, zuvorderst das regelmäßiger und reichhaltiger Lebensmittellieferungen.
„Im Augenblick eine der wenigen Alternativen, wenn Sie hier anständig essen wollen, habe ich mir sagen lassen.“ Dr. Reinders zuckte mit den Schultern. Schedel widerte ihn noch mehr an als die Offiziere. „Überall sonst laufen Sie Gefahr, Katzen oder Schlimmeres vorgesetzt zu bekommen, falls es überhaupt was zu essen gibt.“
„Sehr schön!“ Schedel rieb sich die Hände. „Ich habe gehört, es ist das Borchardt Athens. Haben Sie vielleicht Lust, mich dorthin zu begleiten? Unseren Herren Offizieren macht es sicher nichts aus, uns dort abzusetzen.“ Er blickte kurz zu dem General, aber der war in ein Gespräch mit dem Kollegen von der Luftwaffe vertieft. „Und keine Sorge: Ich lade Sie ein. Besser gesagt: Das Reich lädt Sie ein.“ Er genoss schmunzelnd Reinders’ Verwunderung und spürte vielleicht sogar etwas von den Gewissensbissen, die er mit dieser Einladung in seinem Gegenüber hervorrief, denn der Archäologe hatte das Hypnos bisher nicht nur aus Geldmangel gemieden, sondern auch wegen der Klientel, die dort verkehrte: Kollaborateure und Profiteure auf Seiten der Griechen, auf Seiten der Deutschen bräsige, selbstherrliche Offiziere, die vor allem Verachtung empfanden für das Land, in dem sie stationiert waren, und diese durch ihr Gehabe dauernd zum Ausdruck brachten.
„Ich weiß nicht recht. Ich habe viel zu tun.“
„Jetzt, im Krieg? Sind Sie etwa doch Soldat?“
War dies eine versteckte Drohung? Dr. Reinders’ Status als Unabkömmlicher war nur schwer zu begründen und beruhte allein auf den guten Beziehungen seines Chefs zur Botschaft. Ihn zu verlieren war Dr. Reinders’ größte Sorge.
„Ich bin vielleicht nicht direkt Soldat, aber ich bilde mir ein, als Zivilist immerhin für das Ansehen der deutschen Wissenschaft zu kämpfen.“
„Also wenigstens ein Patriot! Gut zu wissen!“ Schedel schlug den Weg vom Hügel hinab ein, über den die beiden plaudernden Offiziere bereits mit hinter den Rücken verschränkten Armen schlenderten. „Und worin genau besteht Ihr Dienst an der deutschen Wissenschaft?“
„Ich katalogisiere Kapitelle.“ Dr. Reinders errötete leicht. Er hatte mit diesem Bekenntnis noch niemanden beeindrucken können und zweifelte manchmal sogar selbst an der Bedeutung dessen, was er tat. Immerhin hielt Professor Hörbinger, der seit vielen Jahren an einem auf drei Bände angelegten Standardwerk zur antiken Säulenordnung, ihren landschaftlichen Besonderheiten und ihrer historischen Entwicklung arbeitete, seinen Assistenten für unersetzlich.
„Wie nett! Europa steht in Flammen; und Sie katalogisieren Kapitelle. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.“
Dr. Reinders hob den weißen Strohhut, den er trug, und wischte sich mit einem Taschentuch über die darunter verborgene Glatze. Ihn beruhigte das Wissen, dass er viel zu unwichtig war, als dass man extra jemanden aus Berlin geschickt hätte, um ihn einzuberufen und der Wehrmacht zuzuführen. Trotzdem musste er schlucken. Er beschleunigte die Schritte und hoffte, mit Schedel würden auch die Gespenster seiner Paranoia zurückbleiben.
„Sie nehmen also meine Einladung an?“ fragte Schedel, als er zu Dr. Reinders aufschloss. Dieser war anders als die beiden Offiziere noch nicht in den Opel geklettert, der samt griechischem Fahrer von der Botschaft zur Verfügung gestellt worden war, sondern hatte lieber im Schatten der riesigen Platane, die den Parkplatz überwölbte, eine der würzigen griechischen Zigaretten geraucht, die inzwischen vom Genussmittel zu einer Art Ersatzwährung aufgestiegen waren und Reinders seither eigentlich nicht mehr schmeckten.
„Wie gesagt, ich habe leider keine Zeit. Schon dieser Ausflug war für mich nur schwer einzurichten.“ Dr. Reinders warf die Zigarette, die er nur halb geraucht hatte, auf den Boden und trat sie sorgfältig aus. „Dabei komme ich immer wieder gerne hierher!“
„Wohingegen Sie sich von einem Mittagessen in meiner Gesellschaft, noch dazu im verruchten Hypnos, wenig versprechen! Verstehe! Aber ich kann Ihnen versichern, Sie werden es nicht bereuen. Im Gegenteil! Der Besuch des Hypnos wird Ihnen mehr nützen als zehn Besuche dieses Trümmerhaufens hier. Gute Beziehungen haben noch keinem geschadet. Am wenigsten jemandem wie Ihnen!“
Wusste er, was in Syrien passiert war? Dr. Reinders erstarrte; sein Gesicht prickelte. Er gab sich mit einem Nicken geschlagen, beobachtete, wie der zufrieden lächelnde Schedel zu den Offizieren in den Fond kletterte, und setzte sich vorne neben den Fahrer. „Wir fahren erst einmal zur Taverne Hypnos,“ teilte er diesem mit; und der Grieche nahm es stoisch zur Kenntnis.
„Ich muss sagen, das moderne Athen macht einen noch bedauernswerteren Eindruck auf mich als die Ruinen des antiken.“ Schedel strich sich die Falten aus dem Anzug, nachdem er aus dem Opel geklettert war und sich von den Offizieren verabschiedet hatte. „Überall nur Dreck, Verwahrlosung, Gleichgültigkeit, Treibenlassen und Rückständigkeit! Die ganze zeitgenössische griechische Kultur, sofern man sie überhaupt als eine solche bezeichnen will, scheint mir von Nichtstun und Faulheit geprägt.“
„Vieles davon ist sicher auf den Krieg zurückzuführen,“ wandte Dr. Reinders ein, der an sich selbst bereits einen gewissen Hang zum Treibenlassen und Nichtstun festgestellt hatte, ohne davon sonderlich beunruhigt zu werden. „Er hat die Menschen entwurzelt und ihrer Erwerbsmöglichkeiten beraubt.“
„Der Krieg ist keine Entschuldigung“, blaffte Schedel und schritt voran durch den Torbogen der Taverne, der in Dr. Reinders Augen mit seinen aufgemalten Kanneluren und fetten Voluten so schamlos und verlogen wirkte wie das ganze Etablissement. „Im Gegenteil! Am Krieg kann sich der Einzelne wie auch eine ganze Nation aufrichten. Sie müssen sich doch bloß die Häuser hier anschauen: Das ist gebauter Verfall; das ist Verwesung aus Stein; da gibt es nichts, was die nächsten Jahre, noch viel weniger die kommenden Jahrtausende zu überdauern verdiente. Der heutige Grieche ist ein Bastard, ein gründlich balkanisierter Abkömmling der ehemals aus dem Norden eingewanderten Dorer, die noch groben Fels und überhaupt widerständige Materie in Höheres zu verwandeln verstanden. Fallmerayer hat das ganz richtig erkannt: Dieser slawisch degenerierte Saustall schreit förmlich nach einer Blutauffrischung. Ein Krieg ist genau das, was die Griechen gebraucht haben, um aus ihrer tausendjährigen Apathie geweckt zu werden, dieser empörenden Gleichgültigkeit ihrem Erbe und ihrer Zukunft gegenüber, ihrem geschichtlichen Auftrag als einem der wenigen zu höherer Kultur befähigten Völker überhaupt.“ Und schon verdüsterte sich Schedels Blick weiter, weil ihm der kleine, spitzbäuchige Stavros als Inbegriff der griechischen Gastfreundschaft mit buschigem Schnurrbart und weit ausgebreiteten Armen entgegentrat. „Schon gut, schon gut!“, wehrte Schedel die Freundschaftsbekundungen des Wirts in geläufigem Demotiki ab. „Führen Sie uns einfach zu unserem Tisch!“
Die Taverne lag in der Nähe des Markts inmitten eines großen, von Reben überrankten, mit bunten Lampions geschmückten Gartens. Zwei Köche in Schürzen standen vor einem riesigen Grill, auf dem ein ganzes Lamm und ein Schwertfisch lagen; auf einer leicht erhöhten Bühne saßen drei Musiker und spielten griechische, aber auch deutsche und italienische Volksweisen. Das Publikum an den Tischen war bunt; und mindestens die Hälfte trug Uniformen der Achsenmächte, wobei sich die der italienischen Marine mit ihren goldenen Epauletten und Tressen durch besondere Pracht auszeichneten. Die verschiedenen Nationen okkupierten jeweils eigene Tische; und auch Zivilisten und Soldaten mischten sich bis auf wenige Ausnahmen nicht.
„Retsina?“ fragte Stavros, als sich Schedel und Dr. Reinders an einem für zwei gedeckten Tisch niedergelassen hatten.
„Selbstverständlich!“, antwortete Schedel.
Stavros nickte mit einem verbindlichen Lächeln, gab die Bestellung an einen Kellner in einer weißen, im verelendenden Athen geradezu anstößig sauberen Jacke weiter und zog sich zurück.
„Ihr Griechisch ist ausgezeichnet,“ stellte Dr. Reinders neidisch fest, der auch nach Jahren noch immer mit der modernen Umgangssprache zu kämpfen hatte und sich mit der Ilias leichter tat als mit den wenigen Zeitungen, die es überhaupt noch zu lesen gab und die schon vor dem Krieg meist nicht der Lektüre gelohnt hatten, inzwischen aber jeden Wert über den des Zunders oder Schuhputzmittels hinaus verloren hatten.
„Sprachen fallen mir leicht. Wie eigentlich alles!“ Schedel streifte sich eine blonde, fast farblose Tolle aus der hohen Stirn. Es war eine nüchterne Feststellung; und sie wirkte nicht angeberisch, sondern glaubhaft. Dr. Reinders, dem im Gegenteil alles schwer fiel und der bisher nur wenige wirkliche Triumphe in seinem Leben gefeiert hatte - eine Stelle als Assistent des berühmten Professors Hörbinger ergattert zu haben, war einer von diesen, und den hatte er eher seiner Anspruchslosigkeit, was Gehalt und Urlaubstage anging, zu verdanken, als seinen Qualitäten als Wissenschaftler -, Reinders nickte niedergeschlagen und wusste, es mit einem Menschen zu tun zu haben, dem er nichts entgegenzusetzen hatte. Er wunderte sich allerdings, was solch ein Mensch von einem kleinen, mittelmäßigen Akademiker und wenn nicht reuigen, so doch gebrannten, jede Versuchung ängstlich meidenden Sünder wie ihm wollte, und war froh, die Einladung, die auszuschlagen ihm recht betrachtet wohl gar nicht möglich gewesen wäre, angenommen zu haben. Wenigstens seine Neugierde würde befriedigt werden.
Der Kellner erschien mit einem Tonkrug voll Wasser und einem voll Wein. Schedel bestellte geübt einen großen Teller Mezedes. Als der Kellner ihn fragte, ob er etwas vom Grill wolle, schüttelte er den Kopf, bat aber Reinders, sich davon nicht den Appetit verderben zu lassen, was dieser sich zu Herzen nahm, denn der Geruch des Lamms war ihm nach all den Monaten, in denen es auch für ihn ein ständiger Kampf gewesen war, genug zum Essen aufzutreiben, unwiderstehlich in die Nase gestiegen.
„Ich bin nämlich Vegetarier“, erläuterte Schedel, als der Kellner auch Dr. Reinders’ Bestellung aufgenommen hatte und wieder verschwunden war. „Interessant, nicht wahr?“
Dr. Reinders schaute tatsächlich überrascht auf, denn er hatte fleischlose Ernährung bisher mit Entsagung, Krankheit und wahnhaftem Sektierertum assoziiert, glaubte aber nicht, dass Schedel von einem dieser Übel betroffen war.
„Diese Diät reinigt den Geist. Sie schärft ihn geradezu, habe ich festgestellt.“
„Ich hätte nicht gedacht, dass Sie da nachhelfen müssen.“ Dr. Reinders erschreckte die Aussicht, dass sein Geist gleich von einer gefüllten Lammhaxe benebelt werden würde, keineswegs. Er hatte den ganzen Winter hindurch aus reiner Not kaum ein Stück Fleisch zu sich genommen und meinte nicht, davon profitiert zu haben. Er plante, sich endlich mal wieder den Bauch bis über die Sättigungsgrenze hinaus voll zu schlagen und danach an Professor Hörbinger vorbei in den Institutskeller zu schleichen, wo er sich zwischen einigen Stelen ein kleines Versteck für gelegentliche Nickerchen eingerichtet hatte. Dort würde er sich wie ein Hund zusammenrollen und sich mit einem wohligen Gefühl ganz der Verdauung widmen und sich darin auch nicht von den antiken Büsten und Kapitellen um ihn herum stören lassen. In dem Winter, als die Athener zu Zehntausenden verhungert und die Toten überall auf den Straßen gelegen waren, war das Essen für ihn immer wichtiger geworden, je weniger er davon konkret zu fassen bekam, was ihm, wenn er philosophisch gestimmt war, wie eine merkwürdige Form von Platonismus vorkam. Als Deutschem war es ihm zwar besser ergangen als den meisten Griechen, von denen nur die wenigsten die Mittel hatten, um auf dem Schwarzmarkt einzukaufen, als Zivilist hatte er aber wie das gesamte Volk unter der enormen Verknappung an Ressourcen und Lebensmitteln zu leiden, die Folge der planmäßigen und rücksichtslosen Ausplünderung des Landes vor allem durch die deutschen Besatzer war. Wehmütig hatte er sich jedes Brotkantens erinnert, den er früher einmal achtlos weggeworfen hatte, und mit ständiger Wachsamkeit hielt er nach Gelegenheiten Ausschau, über einen Kollegen, der Bekannte bei der Wehrmacht hatte, oder mittels zufälliger Kontakte zur Botschaft oder zu griechischen Händlern eine Packung Reis, ein paar Konserven, eine Kanne Olivenöl zu ergattern. Er war zum Krämer geworden, zum Geizhals, zum Spekulanten. Das Essen, ein sinnlicher Genuss, dem er früher eher geringe Aufmerksamkeit geschenkt hatte, wurde zu seiner zentralen Obsession und drohte, sein Interesse für Kapitelle im Speziellen und die antike Kultur im Allgemeinen zu verdrängen.
„Der Geist kann gar nicht scharf genug sein. Gerade in Zeiten des Krieges! Im Frieden darf man Nachsicht üben mit sich und seinen Feinden und diese ein wenig einlullen, damit sie um so überraschter sind, wenn man wieder losschlägt, denn losschlagen müssen wir ja, das ist schließlich unsere Bestimmung und Berufung als Deutsche, und losschlagen tun wir jetzt, und zwar ohne Nachsicht und mit voller Kraft, und soll hinterher bloß keiner sagen, er habe es nicht gewusst, denn wir haben es nie verborgen; und es müsste angesichts unserer Geschichte auch allen bekannt sein, dass Krieg für uns ein Naturbedürfnis ist.“ Schedel holte erschöpft Luft, trank aus dem Wasserglas und lehnte sich mit gerötetem, leicht verschwitztem Gesicht zurück. „Ich empfinde den Krieg als fast so befreiend und reinigend wie die fleischlose Diät.“
„Er bringt zumindest eine weitgehend fleischlose Diät mit sich.“ Dr. Reinders’ Blick wanderte zu einem Tisch in der Nähe, wo unter einer Gruppe italienischer Offiziere große Heiterkeit ausbrach. „Für die Meisten von uns!“
„Was ja kein Nachteil sein muss! Gerade, wenn man auf dem Gebiet der Propaganda kämpft und mit feinem, quasi chirurgischem Gerät auf die Schwächen des Gegners zielt und nicht wie das Militär mit großen Kanonen auf seine Stärken!“ Schedel lachte, als wäre ihm ein Witz gelungen. Er hatte sich wieder erholt und schenkte beiden von dem Wein ein. Er nahm sein Glas und stieß mit Reinders an. „Auf den Krieg und darauf, dass er uns noch lange so jung erhalte wie jetzt!“
Reinders nickte mit einem belanglosen Lächeln und nippte an dem Glas. Auch ihm ging es jetzt besser. Es war erstaunlich, wie rasch man im Garten der Taverne das restliche Athen vergessen konnte. Sogar den Krieg hätte er vergessen, wäre er von seinem Gastgeber nicht ständig daran erinnert worden. Währenddessen ging einer der italienischen Offiziere zu den Musikern, sicherte sich deren Begleitung, baute sich auf der kleinen Bühne auf, wartete, bis auch der Lärm an den deutschen Tischen zurückgegangen war, breitete die Arme theatralisch aus und schmetterte „O sole mio“ in den nachmittäglichen, noch sonnengebleichten Himmel. Der Italiener erntete für seinen Vortrag von seinen Landsleuten enthusiastischen, von den sichtlich um Neutralität bemühten Griechen höflichen und von den Deutschen nur spärlichen Beifall; und in den Reihen Letzterer wurde schon besprochen, wer auf diese Herausforderung mit welcher Waffe antworten solle, bis endlich ein dicker Oberleutnant mit „Am Brunnen vor dem Tore“ ins Feld geschickt wurde.
„So geht es angeblich bis tief in die Nacht.“ Schedel, der kurz zur Bühne hinter sich geblickt hatte, verdrehte an Reinders gewandt die Augen. „Dabei haben beide Nationen auf dem Gebiet der Musik wirklich Großes geleistet! Wie die Deutschen und Italiener ja überhaupt die beiden einzigen wirklich musikalischen Nationen sind! Musikalisch, aber natürlich mit unterschiedlichem Gewicht! Ein Rossini wirkt verglichen mit Wagner ja geradezu albern. Trivialer Klamauk, aber immerhin melodiös, was einem Russen niemals gelingt! Der Engländer hat gar keine Musik, der Franzos’ nur süße Sentimentalität, was etwas ganz anderes und viel Schlimmeres ist als die Leidenschaft der Italiener. Aber an die Tiefe der deutschen Musik reicht nichts heran. Beethoven, Wagner: Das atmet alles Schicksal. Da finden die Vorsehung und die Verpflichtung zu Größe und Herrschaft ihren angemessenen Ausdruck. Denn es ist ja auch eine Last: Das wir nicht ruhen können, bis unser Auftrag erfüllt und die Welt erlöst ist. Noch ist es nicht so weit; und es ist in meinen Augen allen gewaltigen Erfolgen zum Trotz gar nicht sicher, ob es uns diesmal gelingen wird, aber das ist auch gar nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist viel mehr, dass wir es immer wieder versuchen werden, weil es uns im Blut liegt, und dass wir keine Ruhe geben werden, bis wir endlich die Welt beherrschen zum Wohle aller, denn es kann ja gar kein Zweifel mehr daran bestehen, dass wir vom Schicksal dazu ausersehen und als einzige bereit und befähigt sind, diese schwere Aufgabe zu übernehmen.“
Inzwischen war auch die Platte mit den Mezedes serviert worden; und Schedel tat davon die meisten auf seinen Teller und schob den Rest - mit Hackfleisch gefüllte Dolmades und ein paar Scheiben Salami - Dr. Reinders zu, der beherzt und um die Schärfe seines ohnehin begrenzten Geistes unbekümmert zugriff. Der Nachmittag gefiel ihm immer besser. Vor allem, weil von ihm offenbar nicht erwartet wurde, dass er zur Konversation beitrug.
„Kreta ist Ihnen ein Begriff?“ fragte Schedel unvermittelt.
„Die Insel?“ fragte Dr. Reinders zurück, als wolle er die schädliche Wirkung von jahrelangem Fleischkonsum veranschaulichen.
„Richtig geraten: Eine Insel im Mittelmeer!“ Schedel lachte herablassend. „Und die größte Luftlandeunternehmung aller Zeiten!“
Dr. Reinders nickte. Neuzeitliche Militäraktionen bedeuteten ihm nichts. Schon die Römer, ungebildete, zutiefst bäuerliche Emporkömmlinge, fanden kaum mehr sein Interesse. Hätte er nicht unentwegt fürchten müssen, irgendwann selbst darin verwickelt zu werden, und wäre die Lebensqualität in Athen nicht davon abhängig gewesen, er hätte sich kaum um das aktuelle Kriegsgeschehen bekümmert. So aber hoffte er, dass möglichst bald alles vorüber war, damit er sich wieder ohne Sorgen und vor allem ausreichend und ansprechend ernährt ganz der steinernen Hinterlassenschaft der alten Griechen widmen konnte.
„Ein Triumph ohnegleichen! Wenn auch mit dem einen oder anderen Wermutstropfen!“
„Die Verluste sollen recht hoch gewesen sein.“ Dr. Reinders beobachtete voll Vorfreude, wie die Lammkeule vor ihm abgestellt wurde.
Schedel, der von seinen frittierten Auberginenscheiben naschte, machte mit der anderen Hand eine wegwerfende Bewegung. „Das waren alles Märtyrer. Jeder einzelne von ihnen hat sein Leben mit Begeisterung für Führer und Vaterland hingegeben. Der Tod spielt keine Rolle für sie. Sie wissen: Sterben sie, hebt ein anderer ihr Schwert auf und kämpft an ihrer Stelle unser aller Kampf weiter.“
„Dann ist ja gut!“ Dr. Reinders, dessen Speichelfluss bereits deutlich angeregt wurde, war fest entschlossen, sich sein Lamm durch nichts und niemanden verdrießen zu lassen. Ganz bestimmt nicht von einem größenwahnsinnigen Vegetarier!
„Nicht ganz! Die Art und Weise, wie einige dieser jungen Männer gestorben sind, ist ein Skandal. Sie wurden noch in den Geschirren ihrer Fallschirme hängend ermordet. Mit Mistgabeln und Küchenmessern abgestochen! Von Zivilisten! Von Frauen, Kindern und Greisen! Ihre Leichen wurden geschändet! Und daraus ist mit Unterstützung der perfiden Engländer eine richtige Partisanenbewegung geworden, die uns Schwierigkeiten macht und Truppen bindet, die wir lieber anderswo einsetzen würden.“
Dr. Reinders säbelte einen ersten fetttriefenden Fetzen von der vor ihm stehenden Haxe, schob ihn sich mit zitternder Hand in den Mund, schloss die Augen und begann, mit wonnigem Gesichtsausdruck zu kauen.
„Und das überrascht Sie?“ fragte er, als er endlich den ersten Bissen hinuntergeschluckt hatte. Er verstand nicht einmal ansatzweise, worauf Schedel hinaus wollte, machte sich aber deshalb keine Sorgen. Er würde es bald erfahren, egal, ob es ihn interessierte oder nicht. In der Zwischenzeit würde er sich ganz in den Genuss dieses Lamms versenken, der ihm tiefer und leidenschaftlicher vorkam als alles, was Wagner oder Rossini zu bieten hatten. Nicht einmal die im Hintergrund unermüdlich trällernden Soldaten konnten ihn darin noch beirren.
Der bisher so beharrlich redende Schedel geriet ins Stocken.
„Man war davon ausgegangen, dass die deutschen Truppen als Befreier vom britischen Joch gefeiert und von der lokalen Bevölkerung mit offenen Armen empfangen werden würden. Dass dem nicht so ist, das ist … Im Zusammenhang mit den Griechen drängt sich der Begriff des Tragischen förmlich auf. Schließlich liegt hier ein Fall von Verblendung vor; und die Betroffenen handeln ganz offensichtlich wider ihre eigenen Interessen und wider die Interessen ihres Volkes. Sie erkennen die eigenen Brüder nicht und töten sie ihm Wahn.“
„Was für Griechen nicht ungewöhnlich ist!“ Dr. Reinders ließ es sich weiter schmecken. Seine Lammkeule hatte teutonische Ausmaße. Wenigstens in dieser Hinsicht hatte die Okkupation Gutes bewirkt. „Hier kämpft doch seit Generationen jeder gegen jeden und eine Sippe gegen die nächste.“
„Das mag sein.“ Schedel verzog angesichts dieses Einwands, der nicht in sein Argumentationsschema passte, säuerlich das Gesicht. „Aber gelegentlich halten sie doch zusammen!“
„Stimmt! Gegen die Perser und Türken!“
Wieder verzog Schedel unwillig das Gesicht.
„Gegen die Italiener auch! Und eben gegen uns! Sogar auf Kreta, das von den Briten besetzt war!“ Es schmerzte Schedel sichtlich, dies zuzugeben. „Und das, obwohl wir mit den Griechen verwandt sind!“
„Sie halten die Griechen für Germanen?“ Dr. Reinders blickte erstaunt auf.
„Bedeutende Rassenforscher wie Hans Günther sind der Ansicht, dass zumindest die hellenische Oberschicht von Einwanderern aus dem Norden abstammte. Vor allem Sparta und Mykene, aber natürlich auch Athen gelten längst als arische Gründungen. Diese gemeinsame arische Wurzel würde nicht zuletzt die besondere Affinität erklären, die wir Deutsche seit langem für die antike griechische Kultur empfinden.“
„Es gibt nur wenige materielle Belege für diese Thesen.“ Dr. Reinders wog skeptisch den Kopf. „Und es ist doch sehr fraglich, ob man eine stammesgeschichtlich begründete Veranlagung braucht, um für die Schönheit antiker Kunst empfänglich zu sein.“
„Es gibt geheime Sympathien, da bin ich mir sicher. Kein Volk versteht die Griechen wie wir, kein Volk hat sich um das antike Erbe der Griechen so verdient gemacht wie wir. Schon allein deshalb sollten die Griechen und vor allem die Kreter in uns und nicht im imperialistischen Albion, diesem neuzeitlichen Nachfolger von Venezianern und Türken, ihre natürlichen Verbündeten sehen.“
„Allein, sie tun, was sie wollen!“ Dr. Reinders schmunzelte. Dass solch absurdes, für Außenstehende und vor allem für einen sturen, methodisch denkenden Deutschen unerklärliches Verhalten für Griechen durchaus typisch war, behielt er lieber für sich. Er wollte die Dinge, die Schedel mit großer Geste vereinfachte, nicht wieder komplizieren.
„Das stimmt; und sie schaden uns und auch sich selbst damit.“ Schedel seufzte und schüttelte traurig den Kopf. „Da gilt es noch Einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten. Wir müssten den Griechen zum Beispiel unsere gemeinsame Abstammung durch handfeste Belege vor Augen führen, wie es Ihr verehrter Kollege Dr. Müller bereits getan hat.“
„Ich verstehe nicht …“
„Na in Mykene! Er hat dort doch sogar mit Hakenkreuzen verzierte Kultgegenstände ausgegraben.“
„Es ist sehr zweifelhaft …“
„Zweifel gibt es immer, und Zweifel sind ein Zeichen der Schwäche. Ein Symptom geradezu!“ Schedel wischte den Einwand beiseite, noch ehe er vorgebracht worden war, und griff zum Wein, wie um sich gegen Zweifel zu immunisieren. „Es heißt, dass die Minoer, also die Vorfahren der heutigen Kreter, mit Mykene in engem Kontakt standen. Wenn es uns gelänge zu beweisen, dass die minoische und die mykenische Kultur verwandt und damit beide arischen Ursprungs sind, wäre das Arsenal, das uns zu Bekämpfung des überraschend starken kretischen Widerstands zur Verfügung steht, um ein gewichtiges Argument reicher. Wir könnten unseren verblendeten Brüdern die Hand zu endgültigen Versöhnung hinstrecken und würden den Partisanen die Rekrutierung von Kämpfern erschweren.“
„Man könnte auf Kreta graben,“ schlug Dr. Reinders vorsichtig vor.
„Bravo!“, jubelte Schedel so laut, dass die Italiener erfreut zu ihm hinüber blickten. Einer der ihren hatte soeben „La donna è mobile“ zum Besten gegeben. „Wir bräuchten jemanden, der auf Kreta leistet, was der bewunderungswürdige Schliemann in Mykene geleistet hat.“
„Das ist eine anspruchsvolle Vorgabe.“ Dr. Reinders lachte geziert. „Wäre da nicht Professor Hörbinger der Richtige?“
„Hören Sie mir mit Hörbinger auf! Der ist alt und verkalkt. Er ist so tief in seinem Depot verschüttet, dass er von den neuen Zeitströmungen in Europa nicht mehr viel mitzubekommen scheint. Wir brauchen jemanden Jungen, Unvoreingenommen!“ Schedel stopfte sich ein paar Oliven in den Mund und wischte die öligen Finger am Tischtuch ab. „Was ist denn das überhaupt für ein Mensch, Ihr Professor? Kein Parteimitglied, so viel steht fest. Und er war wohl auch schon länger nicht mehr in Deutschland, denn was die dortigen Umwälzungen auch auf akademischem Gebiet angeht, scheint er völlig ignorant zu sein.“
„Ein verdienter Archäologe!“, wandte Dr. Reinders pflichtschuldig ein. „Einer der Besten!“
„Das will ja auch keiner in Frage stellen!“, herrschte Schedel ihn an. „Aber er scheint mir so sehr Archäologe zu sein, dass er den Kontakt zur Gegenwart verloren hat,“ fügte er versöhnlicher an.
„Er ist also nicht interessiert, auf Kreta nach arischen Spuren zu graben?“
„Er ist nicht interessiert; und wir sind nicht mehr daran interessiert, ihn dafür zu interessieren.“
„Interessant!“ Dr. Reinders merkte mehr und mehr, dass Schedel etwas von ihm wollte, und glaubte sich in einer starken Position. „Sir Evans hat dort drüben bereits viel entdeckt,“ gab er noch rasch zu bedenken.
„Sir Evans ist Engländer, und er ist tot. Und nicht einmal Hörbinger nimmt das, was sich Evans zur minoischen Kultur ausgedacht hat, noch ernst.“
„Sir Evans sieht in den Minoern einen Einzelfall, das stimmt. Einen Vorläufer der hellenischen Kultur und gleichzeitig eine Ausnahme von ihr!“
„Eine bizarre, pazifistische Ausnahme! Aber diese Theorien und auch Sir Evans sind uns egal. Er ist tot und wird uns nicht weiter behindern.“
„Sie fahren also nach Kreta?“ fragte Reinders voll unverhohlenem Neid.
„Nicht ich selbst! Ich bin leider nicht vom Fach. Aber wir wollen, dass sich dort ein Archäologe umschaut, das von Sir Evans bereits ausgegrabene Material sichtet, gegebenenfalls selber noch ein bisschen buddelt und dann den Beweis dafür erbringt, dass Knossos wie schon Mykene eine Gründung des einzigen kulturtragenden Volkes, nämlich der Arier ist!“
„So weit ich weiß befinden sich die wichtigsten von Sir Evans ausgegrabenen Stücke in Oxford.“
„Nicht mehr lange!“ Schedel lächelte siegesgewiss. „Aber ich denke, auf Kreta liegt noch genug herum, was vorerst als Beleg für unsere These dienen kann!“ Er blickte Reinders prüfend an. „Meinen Sie nicht?“
„Doch doch!“, beeilte sich Dr. Reinders, ihm zu versichern. „Man könnte entsprechende Grabungen vornehmen. Wenn man von einer engen kulturellen Verwandtschaft zwischen Mykenern und Minoern ausgeht, müsste es auch auf Kreta Spuren von Befestigungen oder überhaupt militärischen Anlagen geben. Nach denen hat Sir Evans vielleicht gar nicht gesucht.“
„Ausgezeichnete Idee! Der wehrhafte Charakter, das zeichnet den Arier vor allem aus. Das und ein hoher Ehrbegriff und mit Swastikas geschmückte Kultgegenstände! Wer mir von denen ein oder zwei besorgt, hat seine Mission erfüllt und darf sich guten Gewissens für ein paar Tage an den Strand hauen und sich die kretische Sonne auf seinen nordischen Pelz brennen lassen.“
Dr. Reinders musste schlucken. Hier tat sich anscheinend die Chance auf, dem Assistentendasein zu entkommen und endlich einmal selbst eine Grabungskampagne zu leiten. „Ich könnte das schon für Sie erledigen. Dort Grabungen vornehmen, meine ich. Professor Hörbinger müsste mir halt freigeben. Im Moment katalogisiere ich noch seine Kapitelle.“
„Lassen Sie Hörbinger mal unsere Sorge sein! Der hat Ihnen gar nichts zu sagen. Schließlich sind Sie wehrtauglich. Wir könnten Sie einfach einziehen und nach Kreta abkommandieren.“
„Um Gottes Willen!“ Dr. Reinders wedelte panisch mit den Händen. Er empfand seine UK-Stellung als Auszeichnung und als Beweis dafür, dass auch das Katalogisieren von Kapitellen von Bedeutung war. „Ich darf es mir mit Professor Hörbinger nicht verscherzen. Ich habe ihm viel zu verdanken.“ Am meisten Dank schuldete Reinders dem Professor dafür, dass dieser ihm aus allerdings nicht ganz uneigennützigen Gründen in seinem Keller Asyl gewährt hatte, nachdem Reinders aus Syrien geflüchtet war und seinen Ruf als Archäologe gründlich ruiniert hatte.
„Hörbinger wird Sie uns jedenfalls kaum verwehren können. Falls wir uns tatsächlich für Sie entscheiden! Wir hatten ja ursprünglich an Dr. Müller gedacht, nachdem dieser schon in Mykene so durchschlagenden Erfolg gehabt hat, aber der musste ja unbedingt in die Karpaten.“
„Er meint, dort Skythen-Gräber entdeckt zu haben. Sowas reizt ihn mehr als die vermeintlichen Hochkulturen, denn er ist eigentlich Vorgeschichtler. Er liest in einem germanischen Abfallhaufen wie andere im Herodot. Bewundernswert! Ich habe mir von ihm ein bisschen was abgeschaut. Das könnte sich auf Kreta bezahlt machen. Immerhin haben wir es dort mit einer Kultur aus der Bronzezeit zu tun, die kaum Schriftzeugnisse hinterlassen hat. Zumindest keine, die wir entziffern können!“
„Hauptsache, er hat Ihnen beigebracht, wie man Kelche voll Hakenkreuze findet!“
„Sehen Sie, das ist ja das Paradoxe: Eigentlich geht es dem Vorgeschichtler im Unterschied zu den klassischen Archäologen wir Professor Hörbinger weniger um die Sicherstellung einzelner Kunstobjekte als um die Interpretation des Gesamtfundes. Gezwungenermaßen, denn von den Germanen sind ja kaum nennenswerte Kunstobjekte überliefert!“ Dr. Reinders kicherte, wurde aber nach einem Blick auf Schedel, der bereits die Stirn runzelte, gleich wieder ernst. „Dass Müller in Mykene auf Schatzsuche geht, hat mich immer gewundert.“
„Er war erfolgreich; und nur das zählt. Rosenberg hält große Stücke auf ihn. Er will ihn zum Chef des Sonderstabs Ost machen. Da tun sich gewaltige Chancen auf.“
„Ich kann Ihnen versichern, falls man mir die Möglichkeit geben wollte, mich zu bewähren, ich würde …“
„Seit zwei Jahren Parteimitglied, richtig?“
„Hier in Athen ist man ein wenig abgeschnitten von den gesellschaftlichen Entwicklungen in der Heimat,“ verteidigte sich Reinders gegen den impliziten Vorwurf. „Daher dauerte es ein wenig.“
„Sie sind schon länger hier?“
„Bald fünf Jahre!“ Dr. Reinders seufzte, als wäre Athen für ihn ein Ort der Verbannung und nicht ein Versteck, in dem er seine Wunden leckte.
„Und die ganze Zeit nichts anderes als bröckelige Klamotten sortiert?“
„Ich habe in Göttingen über lokale Varianten der dorischen Säulenordnung promoviert und bin stolz, Professor Hörbinger insbesondere auf diesem Gebiet unterstützen zu dürfen.“
„Sagten Sie dorisch?“
„Ja ja, durchaus! Deshalb meine ich ja …“
„Sie sind Experte für Dorer?“
„Wenn Sie so wollen!“
„Sind Sie es oder sind Sie es nicht?“
„Doch doch, die Dorer interessieren mich sehr.“
„Und Sie könnten sich ein bis zwei Monate Zeit nehmen?“
„Drei Monate werden aller Erfahrung nach nicht reichen für eine ordentliche Grabungskampagne. Wir müssen Ausrüstung und Mannschaft zusammenstellen, wir müssen Informationen über mögliche Ruinenhügel sammeln, sichten und bewerten, dann die Überfahrt, erste Sondagen, Einrichtung eines Lagers, Rekrutierung lokaler Hilfskräfte: Da geht schnell ein Sommer ins Land, bevor man überhaupt das erste interessante Stratum freigelegt hat.“
„Sind Sie verrückt? Solche Flausen schlagen Sie sich besser gleich aus dem Kopf! Ich brauche Ergebnisse und keine Straten, und zwar spätestens in drei Monaten! Wir führen einen Krieg, auch wenn Sie davon in Ihrem so abgeschnittenen Athen vielleicht noch nichts mitbekommen haben. Wenn wir Sie nach Kreta schicken, dann nicht für irgendwelchen Firlefanz, sondern weil wir Munition brauchen, kapiert?“
„Natürlich!“ Dr. Reinders war errötet. „Sie wollen die Kreter zu Ihren Verbündeten machen; und ich soll dabei helfen.“ Er musste schlucken. Er wusste, dies war seine Chance, endlich aus dem Depot auszubrechen, in dem er gefangen war, und sich draußen zu bewähren und das, was geschehen war, vergessen zu machen. Auf Kreta gab es noch zahlreiche Orte, an denen es sich zu graben lohnte, da war er sich sicher. Sir Evans hatte sich auf seinen Palast konzentriert und dem Rest der Insel kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Und die Gelegenheit war günstig. Er würde sich nicht um die griechischen Behörden scheren müssen, die einem Archäologen sonst das Leben schwer machten; und kein Bauer würde es wagen, ihm das Betreten seines Ackers und das Graben in darauf befindlichen Ruinenhügeln zu verbieten. „Ich bin sicher, auf Kreta lassen sich arische Spuren ohne großen Aufwand nachweisen, wenn man nur danach sucht. Sir Evans hat das einfach nicht getan. Warum hätte er es auch tun sollen? Er war viel zu sehr in seiner eigenen Welt gefangen.“
„Das scheint auf die Herren Archäologen überhaupt zuzutreffen. Rosenbergs Truppe ist da deutlich kooperationsbereiter. Aber die haben Sie ja erfolgreich aus Griechenland rausgeekelt!“
„Es gab Streitigkeiten, was die Kompetenzen angeht, so weit ich weiß. Und hier haben wir mit dem Institut ja schon seit langem eine Stelle, die die deutschen Anstrengungen auf archäologischem Gebiet bündelt. Die Sonderstäbe des Herrn Dr. Rosenberg werden woanders sicher dringender gebraucht.“
„Rosenberg ist der Ansicht, dass das Institut die deutschen Interessen nicht intensiv genug vertritt und vor allem den rassengeschichtlichen Aspekt in der Forschung vernachlässigt, aber gut … Das alles ist jetzt eh nicht mehr zu ändern. Ich hatte auf Dr. Müller gesetzt, nur steht der nicht mehr zur Verfügung.“ Schedel musterte Reinders abschließend. „Ich lasse mir die Sache noch einmal durch den Kopf gehen, aber mir scheint, wir haben keine andere Wahl. Es müsste halt alles sehr schnell gehen. Kein großer Zirkus! Wir fliegen Sie da rüber; und Sie legen mit Unterstützung der dortigen Truppen sofort los; und dann will ich in zwei, drei Monaten Ergebnisse sehen, verstanden? Passende Ergebnisse! Ich will eine Sensation; und die schlachten wir dann auf Kreta und im restlichen Griechenland propagandistisch aus. Dabei können Sie auch mitmachen, wenn Sie wollen. Wir bei der Propaganda haben immer Bedarf an klugen, beweglichen Köpfen.“
„Das ließe sich sicher einrichten.“ Dr. Reinders wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sein Herz raste. „Aber einen Assistenten bräuchte ich schon! Einen erfahrenen Mann, der die eigentliche Ausgrabung überwacht! Ich könnte versuchen, auf Kreta einen von Evans’ Leuten aufzutreiben, nur kostet das Zeit.“
„Nein nein, besser, der ist auch von uns! Aber vergessen Sie nicht: Ich will keinen Zirkus! Ich brauche auch keinen Palast, sondern nur ein paar Krüge oder, besser noch: ein paar Schwerter und Schilde. Hauptsache mit Hakenkreuz oder so was in der Richtung! Und wissenschaftlich zumindest fürs Erste unanfechtbar!“ Schedel sah Reinders scharf in die Augen, dann winkte er dem Kellner. „Ich bespreche das mit Berlin. Morgen oder übermorgen wissen Sie Bescheid. Wir sind nämlich von der schnellen Truppe; und an das Tempo gewöhnen Sie sich besser schon einmal, wenn Sie bei uns noch was werden wollen.“
Die ganze Stadt war vom Hunger gezeichnet. Das Licht, das hier so klar war und hell, sonst ein Appell an Vernunft und Schönheitssinn, ließ die Menschen jetzt verzweifeln. Es spendete keinen Trost. In seiner Objektivität war es grausam. Seine Reinheit war Verachtung. Es quälte sie. Es ließ sie sich fragen, womit sie verdient hatten, was ihnen passierte, und ob sie selbst schuld waren an dieser Plage, denn der Himmel war leer und ohne Götter, deren Werk dieses Verhängnis früher hätte sein können aus Rache, aus verletzter Eitelkeit, aus irgendeinem Grund. Der Himmel war leer und das Licht vollkommen klar, blendend hell, unerbittlich. Nie hatte Reinders es zuvor so empfunden. Immer hatte er es geliebt als Inbegriff dessen, was er an den alten Griechen liebte: ihre Heiterkeit, die Klarheit ihres Denkens, dem der Schwulst und der Mystizismus nördlicher Völker fremd waren. Jetzt musste er erkennen, dass es nichts Menschliches an sich hatte. Es mochte die Menschen nähren, tat dies aber absichtslos, wie es auch Kakerlaken und Würmer nährte. Die Menschen bildeten sich nur ein, es gelte ihnen, wäre Ausdruck der Gnade Gottes, hebe sie heraus aus dem Dreck der Welt, und von diesem Wahn beflügelt, dem rauschhaften Traum von der eigenen Wichtigkeit, errichten sie Säulen und Tempel für alle Ewigkeit, die einen Wimpernschlag später wieder zu Geröll zerfielen. Und jetzt streiften diese Menschen, ihrer Tempel beraubt, ihrer Götter, den ganzen Tag durch die Stadt auf der Suche nach irgendetwas, einem Stück Brot vielleicht, einer angefaulten Tomate, einem Stück vertrockneten Käse, irgendwas. Es war eine mechanische Bewegung, ohne Hoffnung, ohne Sinn, ein Schlurfen von Marktplatz zu Marktplatz, von einem Abfallhaufen zum nächsten. Immer wieder begegnete Reinders Müttern, die ihn, den Zivilisten, nicht als Deutschen erkannten und ihm zitternd eine Hand hinhielten, während sie mit der anderen ein apathisches Kind gegen die flache Brust drückten. Auch heute, auf dem Weg zurück zum Institut, kam er wieder an zwei Leichen vorüber, die im Straßengraben lagen und die, wenn sie nicht noch vor Einbruch der Dunkelheit auf den Eselskarren geworfen wurden, der zu diesem Zweck durch die Viertel patrouillierte, am Morgen von Ratten und Hunden angefressen sein würden. Diese Hunde liefen einzeln und in kleinen Meuten durch die Gassen, immer dicht an die Mauern gedrängt, ähnlich rastlos wie die Bettler und Flüchtlinge und überhaupt die Hungernden, die Augen stumpf, die Haut eingefallen zwischen den Rippen, getreues Ebenbild ihrer ehemaligen Herren, von denen die Not sie befreit hatte, nur um sie noch viel stärker zu knechten.
Reinders, groß gewachsen und ungelenk, bog ab und wollte den Abkürzer über den Markt nehmen, was vor dem Krieg wegen des Gedränges und des bunten Durcheinanders aus Obst- und Gemüseständen, Fischhändlern, blutigen Metzgerkarren, fettigen Wurstverkäufern und dicken, rücksichtslos drängelnden, mit großen Taschen und plärrenden Kindern bewaffneten, meist ganz in Grau oder Schwarz gekleideten Hausfrauen nicht ratsam gewesen wäre, jetzt aber, da die Frauen dürr, die Kinder vom Hunger betäubt und die Anzahl der Stände, Karren und Buden stark zurückgegangen waren und es spätestens um elf eh nichts mehr zu kaufen gab, egal, wie viel man für den besseren Müll, den die Besatzungstruppen den Griechen als Einziges zugestanden, zu zahlen bereit war, jetzt, im Krieg, ließ sich mit diesem Abkürzer gerade am Nachmittag tatsächlich Zeit sparen; und das hatte Reinders nötig, hatte er doch für die Führung auf der Akropolis und das anschließende, ungeplante Essen im Hypnos viel länger gebraucht als ursprünglich veranschlagt; und Professor Hörbinger war in solchen Sachen kleinlich, denn er fürchtete insgeheim, in ein Rennen mit dem Tod verwickelt zu sein und sein dreibändiges opus magnum, das wie ein Monument alle Zeiten überdauern und späteren Generationen von seiner Gelehrsamkeit künden sollte, nicht mehr abschließen zu können, wenn sein wichtigster Mitarbeiter beim Katalogisieren der Kapitelle im Institutsfundus weiter so trödelte wie bisher.
Reinders bog ab und lief in einen Kordon aus grimmigen Soldaten, die die Gasse, die zum Markt führte, abriegelten. Hinter ihnen, im Schatten der Gebäude, vom überraschten Reinders nur schwer zu sehen, lagen Gestalten am Boden, griechische Zivilisten den Kleidern nach zu schließen, von Maschinengewehrgarben zerrissen, blutiges Fleisch von Fliegen umschwirrt wie früher die Lämmer an den Haken der Metzger, als es noch frisch geschlachtete Lämmer auf dem Markt gab statt toter Griechen.
„Was ist denn passiert?“ fragte Reinders unwillkürlich auf Deutsch; und der Obergefreite, der mit der Maschinenpistole quer vor der Brust vor ihm stand, sah ihn erstaunt an. „Ich bin Deutscher,“ schob Reinders überflüssigerweise nach.
„Es hat wieder einen Aufstand gegeben. Wir haben die Meute auseinander getrieben.“
Reinders nickte und warf über die Schulter des Soldaten hinweg einen letzten Blick auf die Leichen, machte kehrt und stieß gegen zwei Griechen, deren dunkle Augen vor Hass glühten und deren im Flüsterton ausgestoßenen Verwünschungen er auch nach all den Jahren, die er jetzt schon in ihrem Land lebte, nicht verstand. Schon die gelegentlichen Unterhaltungen mit Frau Patsoulis, seiner Zimmerwirtin, waren für ihn eine beschämende Qual.
Auf dem Schreibtisch stand neben einer Lupe und dem Faksimile einer phönizischen Inschrift aus Tyros eine kleine Bronzestatue des Götterboten Merkur aus dem 3. Jahrhundert vor Christus, die Reinders schon oft bewundert hatte und über deren Herkunft im Institut nur hinter vorgehaltener Hand und fest verschlossener Tür getuschelt wurde; an den Wänden hingen alte, verblichene Fotos aus den heroischen Zeiten der Archäologie: Schliemann mit dem gerade geborgenen Schatz des Priamos vor den Schächten Trojas; Carter tief in der Pyramide, wie er im Schein von Grubenlampen den Dreck vom Sarkophag Tutanchamuns pinselt; ein Labyrinth aus Gräben und Stollen, das mit etwas Stacheldraht garniert auch vor Verdun hätte liegen können statt in Delphi. Professor Hörbinger, klein und breit und kahl, wandte sich von dem Fenster ab, durch das er auf die Straße vor dem Institutsgebäude geblickt hatte, fasste seinen Assistenten ins Auge, der schuldbewusst auf dem staubigen Perserteppich stand, und schüttelte den Kopf. Er war schlecht gelaunt; und die Verspätung seines Assistenten hatte nicht dazu beigetragen, seine Laune zu bessern, und dessen Entschuldigung, mit dem Besucher aus Berlin eine so verruchte wie dekadente Taverne besucht zu haben, noch viel weniger. Letzteres war in den Augen des einem altmodischen Ideal von asketischer Selbstverleugnung im Dienste der Wissenschaft anhängenden Professors geradezu ein Sakrileg und eine weitere Enttäuschung seitens eines wenn nicht talentierten, so doch fleißigen und gründlichen, aber eben auch haltlosen und genusssüchtigen Mitarbeiters.
„Und wozu das Ganze? Um Ihnen von den Germanen vorzuschwärmen, da bin ich mir sicher! Dabei ist es mit den Kulturen insgesamt dasselbe wie mit einzelnen Künstlern und Kunstwerken: Von einem Shakespeare, Goethe, Tolstoi ist das Wichtigste überliefert und wird weiter überliefert werden, aber von Millionen und Abermillionen anderen Menschen ist nichts bekannt, nicht ihre Werke und nicht ihre Leben; und das ist kein Verlust; das ist notwendig und gut so. Die Zeit ist der strengste Richter, der einzige von Belang, und sie lässt einen Praxiteles fortdauern, einen Parthenon und eine Antigone, aber die Germanen, eine Bande in stinkende Tierfelle gekleideter Räuber und Bierbrauer, hat sie weitgehend dem Orkus des Vergessens übergeben, und zwar völlig zurecht, denn sie haben nichts geschaffen, was es verdiente, zu überdauern, und sie haben eben keinen Praxiteles hervorgebracht, keinen Sophokles und keinen Aristoteles, sondern allenfalls einen Armin, der sich und leider auch die ihm folgenden Generationen bezeichnenderweise mit Verrat und roher Gewalt gegen die Verlockungen und Zumutungen von Kultur und Geist verteidigen zu müssen glaubte.“
„Aber es ging Schedel gar nicht um die Germanen.“ Reinders schob die Hände in die Hosentaschen, um lässiger und weniger reumütig zu wirken. „Zumindest nicht in erster Linie!“
„Hören Sie mir doch auf! Wenn solche Typen sich für Archäologie interessieren, geht es immer um Germanen. Außerdem hat er sich bei mir nach Müller erkundigt, der nicht genug schwafeln kann von seinen Germanen! Wäre er mal bei denen geblieben, anstatt uns mit seinem kleingeistigen Denunziantentum zu behelligen! Er stand Rosenberg schon immer näher als mir; und um sein wissenschaftliches Ehrgefühl ist es entsprechend bestellt. Seine komischen Swastikas nehme ich ihm immer noch nicht ab. Ich sag’s nicht gerne, aber für mich sehen die so aus, als hätten er oder einer seiner Helfer die eigenhändig rein geritzt.“
„Ich finde seine Methoden ganz interessant,“ wandte Reinders vorsichtig ein, der genau wusste, welchen Sturm der Entrüstung er damit heraufbeschwor. „Es ist faszinierend, wieviel er über Kulturen ohne große materielle Hinterlassenschaften herauszufinden vermag.“
„Wer weiß schon, was er wirklich findet und was er nur er-findet! Und man fragt sich, warum ihn diese Strauchdiebe überhaupt so faszinieren.“ Hörbinger gab den Posten am Fenster auf, nahm eine Blechkanne von einem Beistelltischchen und goss mit zitternder Hand die staubige Yucca-Palme in der einen Ecke seines Büros. „Und jetzt auch noch Sie! Sie wissen doch eigentlich den Wert zeitloser Kunstwerke zu schätzen, die uns mit ihrer Schönheit auch noch nach Jahrtausenden unmittelbar ansprechen und in einer dem empfindsamen Menschen immer noch verständlichen Sprache dasselbe erzählen, was sie den Zeitgenossen ihrer Schöpfer erzählt haben, und dabei auf ewigen Wahrheiten fußen, die schon damals gegolten haben und heute noch gelten, auch wenn der moderne Mensch gerne so tut, als hätte er sie vergessen.“
„Die bedeutenden Kunstwerke der Antike haben für uns zweifellos immer noch ästhetischen Wert, aber darüberhinaus ist doch sicher auch der Zusammenhang wichtig, in dem sie gefunden werden, und was er uns über ihre Herkunft, ihr Alter, ihren Einsatzzweck verrät, über die Riten, in denen sie eine Rolle gespielt haben, über die Jenseitsvorstellungen derer, die sie in Auftrag gegeben haben, und so weiter. Auch im ästhetischen Sinne belanglose Grabbeigaben können da enorm aufschlussreich sein.“
„Soll das etwa ein Vorwurf sein?“ Hörbinger stellte die Kanne wieder weg. „Wollen Sie in die gleiche Kerbe schlagen wie der infame Müller? Nichts, was sonst noch in den Gräbern von Amyclai gelegen ist, hat auch nur annähernd an die beiden Goldmasken herangereicht. Alltagsgelumpe wird durchs Alter und bedeutende Nachbarschaft nicht edler. Eher im Gegenteil! Die Zeit lässt es vergehen, und das ist ein Segen. Wir würden sonst ersticken in Dreck! Aber Müller muss sich ja zwangsweise für Dreck begeistern, weil seine geliebten Germanen nichts anderes produziert und nichts anderes hinterlassen haben. Dass aber auch Sie, den ich bisher für einen aufrechten Klassizisten gehalten habe, vorgeben, sich für so etwas zu interessieren, hätte ich nicht erwartet. Dreck ist und bleibt Dreck, egal wie alt er ist und welchen politischen Nutzen er hat, und er hat in einem Museum nichts zu suchen und in einem wissenschaftlichen Institut auch nicht. Weder als Objekt noch als Subjekt der Forschung ist er mit aufrechter Wissenschaft, wie ich sie verstehe, zu vereinbaren. Wir haben uns schließlich die Besserung des Menschengeschlechts auf die Fahnen geschrieben; und dazu bedarf es edlerer Mitwirkender als eines schmutzigen Opportunisten und seiner rostigen Dolche und vergammelten Lederreste.“
„Das stellt ja auch keiner in Frage. Ich wollte nur sagen, dass auch einfache Tonkrüge durch ihre Anordnung, etwaige Bemalungen oder Inschriften und durch Spuren ihres ehemaligen Inhalts wichtige Aufschlüsse über den Status des Bestatteten und die Handelsbeziehungen seiner Rotte …“
„Rotte? Sagten Sie Rotte?“
„Na ja, seines Stammes vielleicht, seines Volks …“ Reinders verdrehte die Augen angesichts dieser Wortklauberei.
„Es gibt nur wenig, was es sich über diese vorgeschichtlichen Zusammenschlüsse, diesen notdürftigen Zusammenrottungen zu wissen lohnt; und das Meiste davon kann man bei Herodot und Tacitus nachlesen.“ Hörbinger wies mit einer dramatischen Geste auf die entsprechenden Bücher in seinem Regal. „Und um wieder den Vergleich mit der Kunst zu bemühen: Warum soll ich mich mit irgendwelchen zweit- und drittklassigen Autoren abgeben, wenn meine Zeit noch nicht einmal für Ovid und Homer genügt?“
„Die Minoer sind sicher nicht drittklassig, aber es gibt kaum schriftliche Hinterlassenschaften, was sie angeht,“ wandte Reinders vorsichtig ein. „Da könnten einem Müllers Methoden helfen.“
„Gut, eine Ausnahme!“ Hörbinger warf seinem Assistenten einen argwöhnischen Blick zu, verschränkte die Hände wieder hinter dem Rücken und begann, zwischen Schreibtisch und Fenster auf und ab zu marschieren. „Aber vielleicht waren diese Minoer auch nicht ganz so wichtig und ungewöhnlich, wie uns Evans weiszumachen versucht.“
Reinders musste schmunzeln. Zu offensichtlich war, dass er einen Treffer gelandet hatte und dass Hörbinger seine Behauptung nicht ernst meinte. Er trat ermutigt hinter einen der Stühle, die für Gäste bereit standen, und fasste ihn bei der Lehne.
„Vielleicht waren sie es, vielleicht nicht. Man müsste sie jedenfalls noch genauer untersuchen. Und genau das hat unser Besucher vorgeschlagen!“
„Dieser un-gebildete, dafür höchst ein-gebildete Gockel, der eine ionische nicht von einer dorischen Säule unterscheiden kann und im Zweifelsfall beides als Ziel für Schießübungen freigibt? Reicht es dem nicht, den Parthenon zur germanischen Gralsburg zu ernennen oder aber gegenüber den fauligen Schilfhütten herabzuwürdigen, mit denen sich unsere Vorfahren zur Vitalisierung ihrer Wehrkräfte begnügt haben, wie die behaupten, die sich aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen für derart primitive Lebensformen interessieren?“
„Herr Schedel scheint ein genuines Interesse an der Antike zu haben und kam beim Mittagessen nicht nur auf die Germanen, sondern eben auch auf die Minoer zu sprechen. Sie sind ihm wichtig, weil sie eine der Wurzeln der europäischen Zivilisation und Vorfahren der heutigen Kreter sind.“
„Wie die Phönizier, Römer, Katharer, Vandalen, Sarazenen, Venezianer, Türken, Briten und alle, die im Mittelmeer gerudert und gesegelt sind, auch!“ Hörbinger schüttelte den glänzenden Kopf.
Reinders ließ sich nicht beirren.
„Herr Schedel geht davon aus, dass die antiken Hochkulturen wie zum Beispiel Mykene auf Einwanderer aus dem Norden, nämlich die kulturtragende Rasse der Arier, zurückzuführen sind.“
„Und Sie haben diesem Herrn nicht entgegnet, dass seine wanderfreudigen Arier Mykene zerstört und nicht etwa gegründet haben? Oder wäre das zu pedantisch gewesen?“
„Was Mykene angeht, faszinieren ihn gerade die Kelche, die unser Dr. Müller dort ausgegraben hat. Er würde ähnliche Spuren arischer Kultur gerne auch auf Kreta nachweisen und wäre bereit, dafür eine Grabungskampagne zu finanzieren.“
„Dort graben? Jetzt? Nach getürkten Bechern? Warum schlägt er nicht einfach bei Evans nach: Der hat alles zu den Minoern gesagt, was es über die zu sagen gibt, und vieles darüber hinaus. Wenn der keine Hakenkreuze erwähnt, gibt es die dort auch nicht.“
„Es wäre eine Chance.“
„Für wen?“ Hörbinger erstarrte und musterte Reinders argwöhnisch.
Reinders schwieg.
„Sie wollen doch nicht etwa für diese Herren auf Kreta nach Hakenkreuzen graben?“ Hörbinger blickte seinen Assistenten fassungslos an.
„Ich spiele mit dem Gedanken. Ich hätte freie Hand und alle Vollmachten. Ich würde dort im Augenblick auf wenig Hindernisse stoßen und könnte mir außerdem den Apparat der Wehrmacht zunutze machen.“
„Sie haben das alles schon durchgedacht, was?“ Hörbinger schüttelte angewidert den Kopf, zog sich hinter den Schreibtisch zurück und ließ sich auf einen Drehstuhl plumpsen.
Reinders zuckte mit den Achseln.
„Sie haben hier eine Aufgabe.“ Es kostete Hörbinger sichtlich Überwindung, seinen Assistenten daran zu erinnern. „Eine wesentlich wichtigere Aufgabe! Außerdem halte ich hier meine Hand über Sie! Wenn Sie mich im Stich lassen …“ Hörbinger brach ab. Nicht die Aussicht, dass Reinders, dem er über routinemäßiges Katalogisieren hinaus nicht viel zutraute, sich einer in wissenschaftlicher Hinsicht ausgesprochen fragwürdigen Unternehmung anschließen wollte, erschütterte ihn, sondern die Erkenntnis, dass er in diesem Fall dessen bisherigen Aufgaben selbst würde übernehmen müssen, weil im Krieg sogar für einen mittelmäßigen Archäologen kein Ersatz zu beschaffen war.
„Ich hatte gehofft, Sie könnten mir vielleicht ein halbes Jahr frei geben.“
„Und wer macht in der Zwischenzeit mit den Kapitellen weiter? Ich habe niemanden mehr außer Ihnen. Schulz ist ohne Schaufel nutzlos.“
„Es ist eine einmalige Gelegenheit. Ich kann dort endlich …“
„Du meine Güte, Reinders, Sie sind zu alt für solche romantischen Flausen! Das ist lächerlich wie ein Greis, der jungen Mädchen nachsteigt. Das Tal der Könige, das Grab Agamemnons, meinetwegen auch der Palast von Knossos: Die großen Entdeckungen liegen hinter uns. Was uns bleibt, ist Kärrnerarbeit. Wir sind Nachgeborene. Wir müssen demütig sein. Machen Sie mit Ihren Kapitellen weiter, anstatt auf eine solche Phantasmagorie zu setzen! Geduld und Ausdauer sind Ihre wahren Stärken; und wo kämen die besser zum Tragen, wo erzielten Sie damit größere Verdienste als beim methodisch sauberen Erfassen der uns von der Antike hinterlassenen, in ihrer Fülle von weniger gewissenhaften Geistern kaum zu bewältigenden Schätze? Die Nachwelt wird es Ihnen danken, mein Lieber!“
Die Nachwelt! Hörbinger hatte gut reden. Sich selbst zählte er nämlich keineswegs zu den Nachgeborenen, sondern zu den ursprünglichen Heroen seines Fachs. Seit er in der Türkei ein Grab mykenischer Könige entdeckt und – so hätten einige der jüngeren Archäologen vielleicht schon damals gesagt, wenn sie sich nur getraut und nicht um ihre akademischen Karrieren gefürchtet hätten – geplündert und zerstört hatte, waren ihm zumindest in der Fachwelt, wegen reißerischer Artikel in den Berliner Illustrierten teilweise auch in der breiteren Öffentlichkeit Ruhm und einstweilige Unsterblichkeit sicher. Es war eine Mischung aus Herablassung, Hohn und Eifersucht, wenn er dem Jüngeren riet, sich zu bescheiden, weil es keine großen Entdeckungen mehr zu machen gebe. Im Grunde hatte er Angst, übertrumpft zu werden. Er hatte Angst, als ein besserer Grabräuber entlarvt zu werden. Er hatte Angst, ohne den einzigen ihm verbliebenen Assistenten Die Säulen der Antike nicht mehr zu Lebzeiten vollenden zu können. Hörbinger hatte Angst; und diese Erkenntnis war für Reinders, der sich selbst immer für einen Feigling gehalten hatte, befreiend.
„Sir Evans hat auf Kreta sicher nicht alles ausgegraben, was sich auszugraben lohnt. Und es reizt mich zu überprüfen, ob er mit seiner These Recht hat, dass die minoische Kultur pazifistisch und von Frauen dominiert und damit ein kultureller Einzelfall war oder ob sie nicht vielleicht doch vom kriegerischen Mykene abstammte und von eingewanderten, meinetwegen arischen Stämmen aus dem Norden wenn nicht gegründet, so doch entscheidend geprägt wurde.“
„Und diese gewaltige Aufgabe nehmen Sie sich vor, ohne zu wissen, wo Sie graben wollen oder ob es überhaupt noch vielversprechende Ruinenhügel gibt, die Sir Evans nicht schon untersucht hat?“ Hörbinger lachte lauthals. „Die Griechen haben für dieses Verhalten ein Wort; und es benennt die in ihren Augen schlimmste aller Sünden: Hybris.“
„Natürlich brauche ich Glück, damit die Sache wenigstens halbwegs ein Erfolg wird; und viel Zeit habe ich sicher nicht, aber es ist einen Versuch wert; und ich wollte schon längst mal nach Kreta.“ Reinders wusste, dass er unter normalen Umständen niemals die Mittel erhalten würde, um auf eigene Faust irgendwo zu graben, und dass Hörbinger ihn in seiner Eifersucht darin auch nie unterstützen würde, und er wusste, dass Hörbinger das auch wusste.
„Und dafür wollen Sie Ihre Karriere opfern?“ Damit war es heraus: Hörbingers letzter Trumpf, die unverhüllte Drohung!
„Es müsste ja nicht unbedingt auf ein entweder – oder hinauslaufen. Mehr als ein paar Monate wird man mir auf Kreta nicht gewähren, und danach …“
„Sie kehren mir und der Arbeit, zu der Sie sich verpflichtet haben, den Rücken, Sie verbinden sich mit meiner Nemesis, dem Mythomanen Müller, Sie schädigen mit verleumderischen Unterstellungen meine Reputation als Wissenschaftler; und das alles hindert Sie nicht, für den Fall, dass Ihre pubertären Träumereien platzen, wieder bei mir unterkriechen zu wollen, als wäre nichts gewesen? Reinders, Sie sind ein Phänomen! Herzlichen Glückwunsch! Sie sind der moderne Mensch: ohne Skrupel, ohne Bindung, ohne Ehrgefühl. Aber überfordern Sie mich bitte nicht, indem Sie mir ähnliche Beweglichkeit unterstellen! Ich bin altmodisch und nachtragend.“
„Ich verstehe.“
„Ich bin mir sicher, dass Sie genau das nicht tun. Sie sind in Ihrem Ehrgeiz verblendet. Sie lassen sich da auf etwas ein, was Sie in moralischer und wissenschaftlicher Hinsicht nicht einmal ansatzweise begreifen.“
„Die ganze Sache birgt Risiken, gewiss aber auch eine Chance!“
„Eher eine Versuchung! Und da Sie ein schwacher, lüsterner Mensch sind, den man im Depot vor sich selbst und den Fehleinschätzungen seines von Lust benebelten Geists schützen muss, habe ich wenig Hoffnung, dass Sie widerstehen werden. Aber bitte! Versuchen Sie ihr Glück! Doch kommen Sie hinterher nicht wieder zu mir, damit ich Sie erneut rette und Ihnen in meinem Institut Zuflucht gewähre. Wenn Sie mich in dieser schweren Stunde verlassen, verlassen Sie mich für immer. Es war damals ein sehr großes Entgegenkommen, Sie nach allem, was Sie sich in Syrien geleistet haben, bei mir aufzunehmen, aber so eine Torheit begehe ich sicher nicht noch einmal.“
„Das mit Lefèvre …“
„Hören Sie mir mit Lefèvre auf! Der ist zwar Franzose, aber das heißt noch lange nicht, dass er Sie korrumpiert hat! Wenn meine Frau nicht behauptet hätte, dass es einem Franzosen nicht erlaubt sein dürfe, die Karriere eines jungen Deutschen zu ruinieren, hätte auch ich die Finger von Ihnen gelassen und Sie würden längst irgendwo am Ural ein Gewehr spazieren tragen. Für die seriöse Altertumsforschung sind Sie erledigt; und daran wird auch dieses dubiose Abenteuer auf Kreta nichts ändern. Eher im Gegenteil! Es wird Ihr endgültiges Verdammungsurteil.“ Hörbinger schnaufte. Er hatte sich in Rage geredet und damit die Betriebstemperatur erreicht, die er brauchte.
„Ich weiß, ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet. Sie haben mich bei sich aufgenommen, als mir niemand sonst noch eine Chance gegeben hätte.“ Dr. Reinders blickte wie ein reuiger Sünder zu Boden und verkniff sich den Hinweis darauf, dass er für wenig Geld bis spät in die Nacht im Institut schuftete, keine Freizeit und keine Möglichkeit hatte, mit einem Vortrag auf einem Kongress oder einem Artikel in einer Fachzeitschrift etwas für seine so jäh unterbrochene Karriere zu tun, und für immer zu einer Existenz zwischen staubigen Kapitellen und Säulenstümpfen verdammt zu sein schien, zerbrochen und unvollständig wie diese.
„Ihr Wunsch, mir ausgerechnet jetzt den Rücken zuzukehren, lässt nur wenig Dankbarkeit erkennen.“
„Aber es geht hierbei nicht nur um mich, sondern auch um das deutsche Reich!“
„Warum melden Sie sich nicht freiwillig und kämpfen mit der Waffe in der Hand, wenn Sie so ein großer Patriot sind?“
„Weil ich als Archäologe viel nützlicher sein kann, findet Herr Schedel.“
„Dann soll in Zukunft er sich mit der Wehrmacht auseinandersetzen und Ihre UK-Stellung begründen! Ich kenne Sie nicht mehr und werde nichts mehr für Sie tun.“
Reinders nickte betrübt und tat, als wäre er nicht längst entschlossen, alles auf eine Karte zu setzen.