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Der König von Schwabing

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Du bist schön, sagt Hagens Freundin; sie streichelt ihm zart mit den Fingerkuppen über seinen nackten Unterarm. Hagen zieht ihn weg. Er will nicht berührt werden. Keine Liebe. Keine Zärtlichkeit. Das frisst nur seine Einsamkeit. Susanne schaut durch den Wasserfall bersteinblonder Haare hindurch in sein Gesicht, lächelt kaum merklich. Ihre eisgrauen Augen sind zu viel für Hagen. Er steht auf.

Kommst du heut Abend?, fragt Susanne.

Weiß nicht, murmelt Hagen. Ich muss Taxi fahren. Kann spät werden.

Ist egal, antwortet Susanne, weck mich einfach, wenn du kommst. Wir können alles nachholen. Ihre eisgraue Iris verdunkelt sich, wächst, das schwarze Loch in der Mitte weitet sich; für ihn allein.

Hagens Seismograph reagiert sofort – Sex ist eine Sprache, die er versteht.

Wenig später schnurrt der schwere cremefarbene BMW durch die große Stadt. Dämmerung fällt früh aus den Löchern im Himmel. Hagen sieht das gelbschwarze Licht seiner Taxileuchte; es spiegelt sich in einer Pfütze, während er auf Fahrgäste wartet.

Dann schwankt der König auf Hagens Taxi zu. Er lächelt. Kindlich; unverletzlich. Er setzt sich umständlich auf die Rückbank. So, als müsste er eine schwere Robe zurechtrücken.

Guten Abend, sagt er und hält Hagen die Hand über die Schulter zum Handkuss hin. Hagen blinzelt irritiert, scheint auf seinem Sitz festgefroren.

Zum Promenadeplatz, sagt der König spitz und zieht seine Hand unwirsch und mit einem kleinen Ruck zurück.

Die Gegend ist abgetragen, das Gesicht des Königs zerbeult. Aber er trägt Würde in seinem Blick und eine ausgewachsene Fahne vor sich her. Und selbst der billige Gestank nach Fusel zerkratzt nicht seine Größe. Das Regieren im Schlachthofviertel ist eine Ochsentour, sagt er. Weil er in den Kneipen regiert. Weil er sich dort sehen lassen muss, wo seine Leute sind, wo die Entscheidungen fallen. Da muss er sein. Nach dem Rechten schaun, zefix. Streit schlichtet der König salomonisch. Mit Schnaps. Den Schnaps zahlen die Streithähne. Ein Gläschen für den einen, ein Gläschen für den anderen, zwei Gläschen für den König. Das Regieren ist eine Ochsentour. Der König wischt sich müde übers Gesicht.

Die Geisterlichter der großen Stadt wandern durch den Wagen, streifen die fahlen Wangen des Königs. Der Motor schnurrt verliebt. Sie fahren zum Promenadeplatz. Dort residiert ein Anwalt in seiner Kanzlei, ganz aus Marmor, ganz aus Brokat; und der Taxameter knackt, während sich der König die Stufen hoch schleppt, ohne Hofstaat und Protokoll. Nach etlichen Minuten kehrt er wieder – in seiner zittrigen Hand weht ein Bündel Geld. Der König schaut gelangweilt drein; so, als sei er’s gewohnt, jeden Monat seinen Zehnten abzuholen.

Doch kaum sitzt er, zählt er genüsslich die Scheine. Sie fahren, nirgendwohin, einfach geradeaus. Das Leben flattert im Neonlicht der Stadt wie Motten um eine Kerze.

Als er das Geld gezählt hat, wird der König zappelig, er dirigiert Hagen ins Hotel Vierjahreszeiten. Der hohe Herr beliebt zu feiern, wie er Hagen ausrichtet.

Sie machen kehrt.

Es gibt ein Hallo im Hotel, na, König, wie stehen die Aktien?

Geht so. Der König ordert eine Flasche Champagner für sich und seinen Fahrer.

Sie stoßen an und nippen mit spitzen Mündern; da heißt er Hagen zählen und schiebt ihm das Geld zu, und einen Herzschlag lang stockt Hagen der Atem. 24 500 Euro sind das.

Der König genießt sein Geld und den Schampus, genießt die erstaunten Augen seines Kutschers, der überhaupt keine Ahnung hat von der großen, weiten Welt, lehnt sich im Sessel zurück und schlürft.

Hier.

Der König schiebt Hagen einen 200-Euro-Schein über den Tisch, seine Geste ist verächtlich. Hagen schaut ungläubig. Der König sagt:

Fürs Zählen, passt scho, Burli.

Dabei schmatzt er mit den Lippen

Und weil das alles noch nicht genug ist, kommt das Leben selbst an ihren Tisch – eine blonde Frau, schwer gezeichnet von den adeligen Pflichten und den Jahren, die auch an einer Königin nicht spurlos vorüberziehen.

Schatzi hier und Bussi dort, wie galant er ist, der König; und die Dame zwinkert Hagen zu, sie liebt junge Männer. Je mehr die Königin Hagen schöne Augen macht, desto mehr flirtet der König. Nicht mit seiner Königin, mit Hagen.

Er schürzt seine feuchten Lippen in seine Richtung. Bussi hier und Schatzi dort. Über sein Gesicht zucken Gewitter der Lust.

Der vermaledeite Geldschein in Hagens Tasche brennt sich in sein Fleisch. Der König hat ihn gekauft.

Da erhebt sich der Herrscher des Schlachthofviertels schwer und schwankt, deutlicher jetzt, in Richtung Lavabo.

Kaum ist er fort, nutzt Hagen die Gelegenheit, raunt der Dame zu:

Ich muss weiter.

Ach wie schade, flötet sie und spitzt die roten Lippen. Denn jetzt ist sie ohne König und Knecht.

Hagen steht auf, verbeugt sich ungelenk und geht.

In der Türe schaut er sich noch einmal um.

Nur drei Gläser bleiben zurück an dem Tisch, eines davon leer.

Und sie selbst bleibt zurück, eine alte Königin im fahlen Licht der großen Stadt.

Liebe.Ficken.Tod

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