Читать книгу Männerphantasien - Irritationen - Yupag Chinasky - Страница 6

Am Tag als der Regen kam Wetterumschwung

Оглавление

Der Regen setzte am Abend desselben Tages ein, an dem er in dem kleinen Küstenort angekommen war. Es regnete stundenlang, die ganze Nacht und auch an den folgenden Tagen. Mal war es ein sanftes Nieseln, mal goss es in Strömen, unterbrochen von kurzen Phasen der Aufklarung, in denen sich das Wasser in den Wolken zu sammeln schien, um dann um so heftiger herniederzuprasseln. Heftige Windböen peitschten von Zeit zu Zeit durch die Straßen, wirbelten vereinzelte Gegenstände auf und rüttelten an Dächern, Türen und Fenstern. Dennoch war die Luft im Zentrum des Wirbelsturms, eines ciclon, die meiste Zeit überraschend ruhig. Der Sturm verursachte jedoch im Meer eine schwere Dünung, die in gleichmäßigen Abständen Welle auf Welle mit gischtweißen Schaumkronen an das Ufer schickte. Die Wellen brachen sich an der vorgelagerten Steinschüttung und der meterhohen Mole und das Wasser schwappte auf die Uferstraße, die menschenleer und unpassierbar war. Die Stadt war von der Umwelt abgeschlossen, man konnte sie auf den überschwemmten oder durch Erdrutsche blockierten Straßen weder verlassen noch erreichen und auch die anderen Verbindungen zur Außenwelt waren unterbrochen. Das Telefon blieb stumm, das Handy fand kein Netz, das Internet war blockiert und selbst das Fernsehen war immer dann tot, wenn der Strom ausfiel.

Das öffentliche Leben war zum Erliegen gekommen. Geschäfte, Restaurants, Fabriken, Werkstätten, Büros, Ämter und Behörden und selbst die Banken waren geschlossen und alles, was Touristen üblicherweise machten, Spaziergänge, Ausflüge, Besichtigungen, Bootstouren, alle fiel buchstäblich ins Wasser. So war er zum Nichtstun gezwungen, saß die meiste Zeit in seinem Zimmer, las, döste, schlief, lauschte dem Regen, der auf das Dach trommelte oder schaute von seinem wellblechgeschützten Balkon auf die trostlose Umgebung. Er hatte die kleine Pension wegen ihres Blicks auf die Uferstraße und das Meer gewählt. Aber das Meer ahnte man mehr, als dass man es sah, die Sicht verlor sich im Grau des Regens, es machte jedoch unablässig durch das dumpfe Grollen der Dünung und die aufspritzende Gischt auf sich aufmerksam. Dennoch war der Blick vom Balkon interessant. Er hatte Zeit und Muße, die Menschen auf den wenigen einsehbaren Straßen und in den umliegenden Häusern zu beobachten. Sie hatten mit dem Einsetzen des Regens begonnen die Fenster und Türen ihrer Wohnungen zu verbarrikadieren. Er hörte die Lautsprecherdurchsagen der Polizeiwagen, die durch die Straßen patrouillierten und zur Evakuierung aufriefen. Er sah, wie Polizisten und Helfer mit grellgrünen Warnwesten von Haus zu Haus gingen, um dieser amtlichen Aufforderung Nachdruck zu verleihen. Er beobachtete, wie die Leute ihre Habseligkeiten und Wertgegenstände, Tische, Stühle, Schränke, Kühlschränke, Fernsehgeräte auf bereitgestellte Laster hievten, wie sie mit großen Taschen in wartende Busse stiegen oder schwer beladen in Richtung der vor Überschwemmungen sicheren Stadtteile gingen. Er sah Alte, die von Helfern gestützt aus ihren Wohnungen kamen und Eltern, die ihre kleinen Kinder in Decken gewickelt auf den Armen trugen. Es herrschte Ausnahmezustand, doch alles lief wohlgeordnet und ohne Panik ab.

Wenn der Regen ab und an schwächer wurde oder gar eine Pause machte und der Wind so weit abflaute, dass man einen Regenschirm benutzen konnte, ging er aus dem Haus und watete durch die Straßen. Er sprang von Gehweg zu Gehweg, die aus leidvoller Erfahrung besonders hoch angelegt waren, aber bald waren seine Schuhe durchgeweicht und was er sah, konnte er auch von seinem Balkon aus sehen. So kehrte er schon nach kurzer Zeit wieder in sein Zimmer zurück, legte sich auf das Bett, döste weiter, lauschte wieder dem Trommeln und Plätschern, nervtötend und beruhigend zugleich.

Männerphantasien - Irritationen

Подняться наверх