Читать книгу Männerphantasien - Irritationen - Yupag Chinasky - Страница 7
Glühwürmchen
ОглавлениеEs war wieder Abend geworden und er aß genügsam das spärliche Nachtmahl, das man ihm anbot, er musste mit dem auskommen, was gerade im Haus vorrätig war. Dann ging er nach Einbruch der Dunkelheit noch einmal in die Stadt. Der Regen hatte aufgehört und die Straßenbeleuchtung war zum Glück nicht ausgefallen. Das Wasser in den Straßen war etwas verebbt, doch er musste immer noch aufpassen, dass er nicht in eine der vielen, großen Pfützen trat und sich die Schuhe voll mit Wasser schöpfte. Um diese Zeit waren nur noch wenige Menschen in den Straßen, aber einige waren selbst jetzt noch mit Teilen des Hausrats auf den Schultern oder mit großen Taschen in den Händen unterwegs.
An einer Ecke sah er sie, die junge Frau in dem hellen Kleid. Sie stand an eine Hauswand gelehnt und rauchte. Ihr buntes Kleid übte im Schein der schwachen, gelben Straßenlampe eine regelrechte Signalwirkung aus, wie ein Glühwürmchen, dachte er, ein Glühwürmchen, das ein Männchen anlocken will. Sie schien auf ihn gewartet zu habe, denn kaum war er in ihrer Nähe, sprach sie ihn an. Was er hier mache, ob er keine Angst vor dem ciclon habe. Sie lachte, als er ihr sagte, dass er die Stadt nicht verlassen könne, dass er nichts unternehmen, nirgends hingehen könne, dass es schrecklich langweilig sei. Er könne jedenfalls die Stadt verlassen, meinte sie, wenn der ciclon vorbei sei, sie aber müsse ihr ganzes Leben hier verbringen, in der Langeweile. Sie war noch jung, hatte eine dunkle Hautfarbe und kunstvoll geflochtene Rastahaaren. Sie war nicht besonders hübsch, recht stämmig und sie schaute zudem etwas träge und gelangweilt drein. Außer dem Charme und der Unbekümmertheit der Jugend hatte sie nicht viel zu bieten, aber sie wusste trotzdem sehr genau was sie wollte. Sie wusste, dass dieser irre Tourist, der während des ciclons bei Nacht durch die Straßen ging, ihre einzige Chance war, in diesen öden Tagen an ein paar Dollar zu kommen. Sie war eine der jungen Frauen, die sich wegen des Wunsches nach etwas Luxus mit Touristen anfreundete. Das war nicht ungefährlich, denn wenn sie von der Polizei bei der Anmache erwischt wurden, schon ein harmloser, gemeinsamer Gang durch die Straßen konnte als Anmache ausgelegt werden, gab es empfindliche Strafen. Aber was blieb ihr anderes übrig? Sie brauchte Dollars, um sich eine schicke Bluse, brauchbare Schuhe, etwas Parfüm oder Lippenstift zu kaufen, ja um überhaupt etwas Anständiges zum Essen zu haben. Sie mussten sich arrangieren, wie die anderen Kämpferinnen, diese luchadoras muchachas.
Während er sich mit dem Mädchen im gnädigen Licht der Laterne unterhielt, fand er sie ganz nett und als sie ihn fragte, ob er den Abend mit ihr verbringen wolle, sah er eine Chance seiner Langeweile für ein paar Stunden zu entkommen. So waren sie sich rasch einig, zusammen zu bleiben, nur das wo, war ein Problem. Da alle Lokale geschlossen waren, die Wohnung des Mädchens wegen der Eltern nicht in Frage kam, hätte sich seine Pension angeboten. Aber das wollte sie nicht. Sie hätte, ihre Personalien angeben müssen und wäre in Verdacht gekommen, eine Nutte, eine puta, zu sein. Das wollte sie vermeiden, denn sie war keine. Aber sie wäre keine erprobte Kämpferin im harten Lebenskampf gewesen, wenn sie nicht eine Lösungen parat gehabt hätte. Sie kannte Leute, die für ein paar Dollar ihre Wohnung vermieteten, natürlich illegal und auf die Gefahr hin, von Nachbarn verpfiffen oder von der Polizei entdeckt und bestraft zu werden.
Sie nahmen eines der wenigen Fahrradtaxis, die noch auf den Straßen waren und fuhren durch die nächtliche Stadt. Die konspirative Wohnung lag ebenfalls an der Uferstraße, jedoch in einiger Entfernung von seiner Pension, in einem Gebiet, wo die schicke Promenade in ärmliche Mietskasernen überging. Wegen ihrer exponierten Lage am Meer wurde die Gegend noch erhöht durch die Polizei und die freiwilligen Helfer beobachtet. Beim letzten starken ciclon hatte die vereinte Gewalt des Sturms und Meeres große Schäden an den Häusern der Wasserfront angerichtet. Noch jetzt sah man Wohnungen, deren Fassade weggerissen worden waren. Das Mädchen bedeute ihm einen Block vor dem Ziel, er solle aussteigen und zu Fuß weiter gehen. Sie beschrieb ihm genau die Lage der Wohnung und vergaß auch nicht, ihn zu ermahnen, unbedingt den Hintereingang zu benützen.