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Einleitung Yvo Wüest, aeB Schweiz

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Einleitung

«Die Teilnehmer waren zu müde, darum konnte ich nicht alles bringen!»

Anonyme Ausbilderin

Wer in der Lehre tätig ist – ob in der Schule, Berufsschule oder Weiterbildung – versteht sofort, wovon die Rede ist: viel Stoff – wenig Zeit. Trainer und Ausbildende beschreiben mit diesen oder ähnlichen Worten ihr Dilemma. Zu gross scheint die Stoffmenge zu sein, um sie in der gegebenen Zeit zu vermitteln.

Lehrende fragen sich beispielsweise:

▸Wie kann ich umfangreichen theoretischen Stoff bündeln, strukturieren, reduzieren?

▸Wie gelingt es mir, abstrakte und komplexe Inhalte anschaulich zu präsentieren?

▸Wie unterrichte ich kompetenz- und teilnehmerorientiert, wenn es eigentlich keine Zeit dafür gibt?

In den letzten Jahren veränderte sich die Bildungslandschaft stark. Die Modularisierung von Bildungsgängen zwang Ausbildende, ihre Lehrveranstaltungen zu straffen und neu zu strukturieren. Die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen führt dazu, dass Studierende an Fachhochschulen in sechs Semestern einen akademischen Abschluss erwerben.

Die Outcome-Orientierung erfordert einen Perspektivenwechsel: Es geht nicht mehr um die Frage, was will ich lehren. Sondern um die Frage: Welche Kompetenzen sollen die Lernenden erwerben, die Performanz oder Handlungsfähigkeit in einer definierten Situation beweisen?

In der betrieblichen Weiterbildung steht aufgrund des verschärften Wettbewerbsdrucks, der auf vielen Unternehmen lastet, weniger Zeit für Trainings zur Verfügung. Waren noch vor kurzem drei- bis fünftägige Seminare normal, gelten heute Zweitagesveranstaltungen bereits als Langversion.

Sicher ist: Menge und Komplexität der Lerninhalte nehmen in der Wissensgesellschaft zu. Das Phänomen «Viel Stoff – wenig Zeit» (Martin Lehner, 2011) beobachten wir in den Schulen, den Hochschulen und in der Erwachsenen- bzw. beruflichen Weiterbildung.

Doch nicht nur die Wissensbereiche differenzieren sich immer mehr: Auch die Lernvoraussetzungen sind heute breiter gefächert und die geforderten didaktischen Handlungsformen vielfältiger. Teilnehmerzentriert vorgehen und kompetenzorientiert Lehren erfordert Zeit. Freiräume für Praxisfälle – Exkursionen und praktische, erlebnisorientierte Trainings – müssen verteidigt oder erkämpft werden.

Die Aufgabe von Trainern, Ausbildenden und Lehrpersonen

Für Bildungsfachleute und Ausbildungsverantwortliche stellt sich die Frage, wie sie trotz reduzierten Lehrstunden umfangreiche Inhalte an die Lernenden vermitteln können. Dieses Buch soll sie dabei unterstützen, indem es Modelle und Techniken aufzeigt, um Wesentliches von Unwichtigem zu trennen. Und indem es hilft, Kernbegriffe herauszuarbeiten und die Stoffmenge auf ein sinnvolles Mass zu reduzieren.

Viele Lehrkräfte sehen sich – zu Recht – als lehrende Fachpersonen. Sie sagen sich: «Ich lehre, weil ich zu den Experten in meinem Gebiet zähle. Und ich zähle zu den Experten, weil ich über ein grosses Fachwissen verfüge.» Mit dieser Haltung geraten sie leicht in die «Vollständigkeitsfalle». Als lehrende Fachleute versuchen sie, ihr ganzes Wissen an die Lernenden zu vermitteln.

Professioneller Unterricht sieht anders aus: Reduzieren bedeutet immer, eine Auswahl treffen und gewisse Bereiche aussparen. In diesem Buch unterscheide ich zwischen quantitativer und qualitativer Reduktion. Und lade Sie ein, statt «vollständig» lieber «gründlich» zu lehren. Damit Sie möglichst viel Zeit für Ihre Vorbereitung und die Lernenden haben, habe ich ein kurzes Buch geschrieben. Es soll Ihnen als Handreichung Hinweise für eine erfolgreiche Unterrichtsplanung liefern.

Zusätzliche praktische Anwendungsmöglichkeiten der vermittelten Techniken finden Sie auf meiner Website www.didacticalreduction.com. Dort sehen Sie auch die nächsten Termine für meine Trainings.

Was dieses Buch nicht liefert, sind Antworten zu folgenden Fragen:

▸Wie funktioniert Lernen, welche lerntheoretischen Ansätze sind bekannt?

▸Wie gelingt der Umgang mit Störungen in der Gruppe der Lernenden?

▸Welche Methoden und Techniken zur Förderung des Transfers gibt es?

Halten wir fest: Stoffreduktion ist in allen Bildungsbereichen ein wichtiges Thema. Für qualifizierte Trainer, Ausbildende und Lehrpersonen bildet sie die Grundlage des didaktischen Handelns. Stoffreduktion gehört zur Kernaufgabe bei der Planung und Vorbereitung einer Präsentation oder Lerneinheit. Im Mittelpunkt stehen dabei immer die Lernenden oder Teilnehmenden. Dieser Zielgruppe vereinfacht die Reduktion den Zugang zu umfangreichen oder komplexen Lerninhalten. Sofern diese durch eine Fachperson gebündelt, sinnvoll strukturiert und in einer anmutigen Weise transportiert werden.

Trainern, Ausbildenden und Lehrpersonen gelingt dies, wenn sie die Haltung «Weniger ist mehr» verinnerlichen. Und wenn sie dazu über spezielle «Handgriffe» verfügen, die ihnen eine Reduktion des Lernstoffs ermöglichen. Sei es durch Anwendung der im Buch vorgestellten «3-Z-Formel», der praktischen «Apfelring-Technik» oder durch den Einsatz von «Fachlandkarten».

Der getrocknete Apfelring auf der Titelseite zeigt es vor: Zucker, Geschmack und Nährstoffe, sprich: alles Wichtige ist drin. Das Wasser ist draussen. So lässt es sich leichter den Rucksack tragen und den Lernweg beschreiten.

Stoffreduktion trägt dazu bei, den Lernenden und Studierenden ein optimales Lernumfeld zu bereiten. Damit fördert Reduktion die Qualität des schulischen Lehrens und Lernens. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen, dass Sie nach der Lektüre dieses Buchs selbstsicher antworten können: «Bei mir läufts wie mit den getrockneten Apfelringen: Reduziert gewinnt! Statt vollständig, lehre ich gründlich!»

Ihr Yvo Wüest, Studienleiter und Dozent

PS: Gekauft haben Sie, vielen Dank, ein Buch. Erworben haben Sie eine neue Art, Ihren Stoff zu betrachten. Ihr Vorteil: Sie denken, lehren und handeln künftig klar und gegliedert. Sie werden sehen: Der Nutzen des Buchs schlägt den Seitenumfang um ein Mehrfaches.

Reduziert gewinnt!

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