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Kapitel 1

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Der Park, der wie eine grüne Insel inmitten der Innenstadt lag, war an diesem Nachmittag belebt wie sonst nur in den wärmeren Jahreszeiten. Einzig die Bäume, deren kahle Äste im Wind knarrten, erinnerten daran, dass heute eigentlich der Dezember begonnen hatte.

Von der alten Mauer, die sich wie eine steinerne Schlange um den Park herum schlängelte, baumelten zwei lange Beine herunter, an deren Ende zwei Füße in Turnschuhen zappelten.

Joshua saß nun schon seit ein paar Stunden hier. Er ließ seine Augen den Weg hinauf und wieder hinunter wandern und beobachtete die Menschen, die durch den Park spazierten oder an ihm vorbei hasteten, ganz genau.

Es war nicht sehr kalt, obwohl wie gesagt an diesem Tag der Dezember begonnen hatte. Das Wetter erinnerte Joshua eher an Ostern. Es hätte ihn nicht verwundert, wenn - statt leuchtender Weihnachtsbäume – Sträucher mit bunten Eiern in den Vorgärten der Häuser stehen würden.

Joshua saß also da und beobachtete die Menschen. Die jungen, die alten, die großen, die kleinen – alle sahen heute irgendwie fröhlich und glücklich aus. Lag das an dem wunderbaren Wetter?

Oder vielleicht doch daran, dass nun die schönste Zeit des Jahres begann?

Die Menschen behaupteten jedenfalls immer wieder, dass diese besondere Zeit die schönste im Jahr wäre; die Zeit der Lichter und des Glanzes, die Zeit der Heimlichkeiten und der Geschenke. Die Zeit, in der die Menschen wieder einander näher kommen wollten.

Joshua schüttelte fast unmerklich seinen Kopf, während seine Blicke den Leuten im Park folgten. Ja, heute hier im Park sah man es ihnen natürlich nicht an, dass jeder immer nur an sich und seinen Vorteil dachte. Aber sonst? An den anderen Tagen? Joshua hatte schon genug erlebt mit diesen Menschen.

Einander näher kommen – wie bitte schön wollten sie sich näher kommen, wenn sie doch große Gräben zwischen sich und den anderen schaufelten und Brücken zum Einsturz brachten. Und warum wollten sie sich nur in dieser besonderen Zeit näher kommen? Warum bemühten sie sich nicht an all den vielen anderen Tagen im Jahr darum?

Doch heute, an diesem wunderbaren sonnigen ersten Dezembertag schien es in der Tat fast so, als wären alle Menschen um ihn herum sehr fröhlich. Joshua hatte noch nicht ein böses Wort gehört, das einer dem anderen hinterher gerufen hatte. Er war auch noch nicht Zeuge eines Streites geworden, wie an manch anderem Tag. Irgendetwas machte die Menschen heute froh.

Plötzlich blieb Joshuas ganze Aufmerksamkeit an einem Mädchen hängen, das an ihm vorbei schlich. Es war nicht sehr groß und vielleicht elf oder zwölf Jahre alt, schätzte er. Der dünne Körper steckte in einer viel zu großen Jacke, die das Mädchen offen gelassen hatte. Dafür war die Hose zu kurz, die Schuhe hatten an manchen Stellen Löcher.

Sicher wäre das Mädchen nervös geworden, wenn es bemerkt hätte, dass Joshua es beobachtete. Doch es hatte keinen Blick für den schlaksigen Jungen dort oben auf der Mauer. Die Augen des Mädchens wanderten über die Wiese hinweg zu den Kindern, die dort spielten.

Irgendetwas war seltsam an dem Mädchen, dachte Joshua. Irgendetwas unterschied das Mädchen von all den anderen Menschen hier im Park. Nach ein paar Augenblicken wusste Joshua, was es war. Ja, genau: Das Mädchen war nicht glücklich. Es sah tatsächlich einfach nicht glücklich aus, wie es da so mutterseelenallein durch den Park schlich in seiner viel zu kurzen Hose, der viel zu großen Jacke, den kaputten Schuhen und diesem unendlich traurigen Blick.


Sternenstaub

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