Читать книгу Sternenstaub - Yvonne Tschipke - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеJoshua konzentrierte sich mit aller Kraft auf das Mädchen. Vielleicht konnte er es diesmal schaffen. Es musste einfach klappen. Bei der letzten Prüfung war er durchgefallen. Da hatte er es nicht geschafft, die Gefühle und Gedanken eines Menschen zu spüren. Dabei hatte er sich so angestrengt. Er hatte versucht, an nichts anderes zu denken. Aber trotzdem war es ihm nicht gelungen - wieder einmal. Und ganz sicher nur deshalb, weil Raphael und Naomi hinter einem Busch gelauert und ihn mit ihrem albernen Gekicher abgelenkt hatten. Das war volle Absicht! Am liebsten hätte Joshua den beiden nach der verpatzten Prüfung ordentlich die Meinung posaunt und eins über ihren blitzblanken Heiligenschein gegeben oder ihnen ihre feder-weichen Flügel verbogen, doch das durfte er nicht. Nein, das gehörte sich einfach nicht, denn ...
... denn Joshua war ein Engel. Genau wie Raphael und Naomi, oder wie sein bester Engelfreund Samuel. Sie waren da, um den Menschen zu helfen. Um ihnen zur Seite zu stehen – in allen möglichen Situationen.
Aber dazu gehörte natürlich auch, die Menschen zu verstehen. Um ganz genau zu wissen, was sie belastete oder bedrückte, worüber sie sich freuten oder was sie sich wünschten. Und zwar nicht nur das, was sie sagten, sondern ganz besonders das, was sie dachten oder tief in sich fühlten – das was keiner hören konnte.
Aber genau damit tat sich Joshua nun schon seit einiger Zeit ziemlich schwer. Eigentlich schon, seit er alt genug war, um endlich auch zu den Menschen zu gehen und ihnen zur Seite zu stehen.
Aber wenn ein Engel die Menschen nicht verstand, konnte er ihnen natürlich auch nicht richtig helfen. Denn dann wusste er ja nicht, was ihnen wirklich fehlte oder sie belastete. Weil die Menschen ihre tiefsten Wünsche und Gedanken oft nicht offen sagten, sondern für sich behielten. Und nur, wenn ein Engel erfolgreich dabei war, den Menschen zu helfen, dann bekam er den goldenen glitzernden Sternenstaub.
Missmutig schaute Joshua über seine rechte Schulter und besah sich seine Flügel. Sie waren weiß – einfach nur weiß. Gut, an manchen Stellen konnte man leichte Blessuren oder graue Flecken erkennen. Joshua ging nicht gerade zimperlich mit seinen Flügeln um. Aber alle seine Engelfreunde hatten schon glitzernde Sternenstaubkörnchen auf ihren Flügeln. Sie alle hatten die Prüfung bestanden und schon oft den Menschen, die ihnen begegneten, geholfen. Die Flügel von Naomi und Raphael glitzerten mittlerweile schon am meisten. Und damit gaben die zwei auch immer mächtig an.
Joshua seufzte ein wenig. Bei ihm war es jedes Mal das gleiche. Immer, wenn er nach einem Ausflug zu den Menschen zurück nach Hause kam, warteten die anderen schon und fragten neugierig, ob er es denn diesmal endlich geschafft hatte. Und bisher musste Joshua immer traurig den Kopf schütteln.
„Lass den Kopf nicht hängen, Joshua“, tröstete ihn dann sein bester Freund Samuel. „Du wirst es schaffen, das nächste Mal. Du musst dich nur konzentrieren und ganz genau hin hören.“