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Realistisches Steigerungspotenzial
ОглавлениеWelcher Fortschritt bei der Steigerung Ihrer Lesegeschwindigkeit ist realistisch? Ich werde Ihnen nicht die Versprechung machen, dass Sie nach dem Durcharbeiten dieses Buches wie von Zauberhand eine Buchseite pro Sekunde aufnehmen und vollständig verstehen. Dies wird als Photoreading oder auch mentales Lesen bezeichnet. Solche Versprechungen halte ich für irreführend und sie enden meiner Erfahrung nach eher in Frustration als in Freude am Fortschritt. Vielleicht gibt es Photoreadingtechniken, die zuverlässig vermittelbar und erlernbar sind – ich habe bisher noch keine gefunden. Sollte ich auf Techniken stoßen, von denen ich glaube, dass Sie Ihre Leseeffektivität über die Vorteile der in diesem Buch dargestellten Techniken hinaus verbessern, können Sie sicher sein, dass ich diese publik machen werde.
Ihr Steigerungspotenzial hängt von zwei Faktoren ab:
1) Ihrer Ausgangsgeschwindigkeit, gemessen in Wörtern pro Minute (WPM)
2) Ihrem Training: Für die qualitative Hochwertigkeit sorgen die nachfolgenden Übungen. In quantitativer Hinsicht werden Sie entscheiden müssen, wie viel Zeit Sie aufwenden möchten, d.h. zunächst, wie schnell Sie dieses Buch durcharbeiten.
Näheres zu weiteren Trainingsmöglichkeiten, die über das Bearbeiten dieses Buchs hinausgehen, finden Sie im letzten Kapitel „Ziele im Auge behalten“.
Wenn Sie ein bestimmtes Ziel erreichen wollen, ist die Kenntnis der Ausgangssituation enorm wichtig. Selbst eine hochwertige Landkarte, inkl. der Kenntnis des Zielortes, ist ziemlich unbrauchbar, solange Sie den eigenen Standort nicht kennen.
Wie hoch ist Ihre Ausgangsgeschwindigkeit?
Nehmen Sie sich ein Buch Ihrer Wahl zur Hand. Sie brauchen auch eine Möglichkeit, sekundengenau Ihre Zeit zu stoppen, sprich eine Uhr, Stoppuhr oder Ähnliches.
Ideal wäre ein Buch, das folgende Punkte erfüllt:
• Relativ einfach geschriebener Text
• Thema, über das Sie ein gutes Vorwissen besitzen
• Angenehme Schriftart und Schriftgröße
• Keine besonders langen Zeilen, z.B. ein Taschenbuch
Das Buch muss nicht in perfekter Weise alle Punkte erfüllen, aber je näher am Idealbild desto besser. Jetzt suchen Sie eine Stelle mit mehreren Seiten durchgängigen Textes und möglichst wenigen Graphiken und Zwischenüberschriften. Sie werden gleich zwei Minuten lang so lesen, wie Sie es sonst auch machen. Versuchen Sie den Text so aufzunehmen, dass Sie die meisten Fragen hierzu im Anschluss gut beantworten könnten.
Übrigens gibt es in diesem Buch keine Passagen, die speziell zur Geschwindigkeitsmessung gedacht sind, um den Umfang nicht unnötig aufblähen. Darüber hinaus finden Sie auf unserer Internetseite spezielle Texte zur Messung:
www.peoplebuilding.de/lesetests
Mitmach-Teil Nr. 4 (Ausgangsgeschwindigkeit)
Markieren Sie den Anfang Ihrer ausgewählten Lesepassage. Stellen Sie möglichst sicher, dass Sie zwei Minuten lang nicht unterbrochen werden. Ein Telefonklingeln oder ein Klopfen an der Tür würden sich nicht positiv auf Ihr Ergebnis auswirken. Sie lesen zwei Minuten lang auf ein gutes Textverständnis hin und markieren dann die Stelle, die Sie nach Ablauf der zwei Minuten erreicht haben. Die meisten Menschen lesen bei der Messung der Ausgangsgeschwindigkeit schneller als sonst. Lesen Sie nicht schneller und nicht langsamer als sonst auch.
Sind Sie bereit?
Achtung, fertig, los! Jetzt zwei Minuten lesen!
Willkommen zurück! Ich gehe davon aus, dass Sie wirklich zwei Minuten lang gelesen haben.
Als nächstes ermitteln Sie die Anzahl der Wörter, die Sie in den zurückliegenden zwei Minuten gelesen haben. Dazu haben Sie wiederum zwei Möglichkeiten. Entweder Sie zählen alle Wörter durch, dann haben Sie natürlich ein besonders genaues Ergebnis – es sei denn Sie verzählen sich, wie es mir öfters mal passiert. Die schnellere Variante sollte auch genau genug sein, um damit arbeiten zu können. Sie funktioniert folgendermaßen:
Sie ermitteln die durchschnittliche Anzahl von Wörtern in einer Zeile, indem Sie z.B. drei Zeilen durchzählen und die Gesamtzahl durch drei teilen. Beispielhafte Zeilenlängen von neun, elf und zehn Wörtern:
Wortzahl pro Zeile = (9+11+10) / 3 = 10
Als nächstes zählen Sie die Anzahl der Zeilen, die Sie innerhalb der zwei Minuten gelesen haben. Beispielhafte Zeilenanzahl von 29:
Gesamtwortzahl = 29 x 10 = 290
Teilen Sie nun die Gesamtwortzahl durch zwei und Sie erhalten Ihre aktuelle Lesegeschwindigkeit in Wörtern pro Minute:
WPM = 290 / 2 = 145
Tragen Sie Ihren Ausgangswert unter diesem Satz ein. Im Anhang finden Sie auch eine Tabelle, in die Sie Ihren Fortschritt eintragen können.
Jetzt lese ich mit WPM
Sie fragen sich vermutlich an dieser Stelle, wie Sie im Vergleich zu anderen Personen abschneiden. Sind Sie schneller oder langsamer? Gerne gebe ich Ihnen auch einige Referenzwerte, damit Sie Ihren Wert besser einordnen können. Zunächst möchte ich aber betonen, dass es weniger um einen Wettkampf geht, sondern darum, selber schneller zu werden und eine Ausgangsgröße zu haben, um Fortschritte und somit die Wirksamkeit des Übens messen zu können. Weiterhin ist die gerade gemessene Geschwindigkeit nicht im absoluten Sinne wahr. Sie hängt neben der Lesefähigkeit auch vom Lesematerial, den Rahmenbedingungen, der Einstellung und vielen anderen Faktoren ab, die im Folgenden noch eingehender zu betrachten sind. Es ist gut möglich, dass Sie morgen einen ähnlichen Text etwas schneller oder langsamer lesen. Vielleicht lesen Sie auch gleich schnell, aber erzielen ein höheres oder niedrigeres Textverständnis. Wenn Sie beispielsweise weniger WPM erzielt haben als eine andere Person, dann bedeutet dieses Ergebnis nicht zwangsläufig, dass Sie der schlechtere Leser sind und schon gar nicht, dass Sie notwendigerweise langsamer bleiben. Sowohl anfangs langsamere als schon relativ schnelle Leser können deutliche Steigerungen erzielen.
Wie schnell liest der Durchschnittsleser?
Meiner Erfahrung nach liegen die meisten Erwachsenen, die sich bisher nicht mit Schnelllesetechniken beschäftigt haben, zwischen 120 und 240 WPM. Diese Beobachtung bezieht sich auf die Situation, in der den Lesern bewusst ist, dass es um die Ermittlung der Lesegeschwindigkeit geht. Etwa 90 Prozent meiner Seminarteilnehmer finden sich in dieser Bandbreite wieder. Manchmal beobachte ich in der Bahn und oder im Flugzeug jemanden, der in meiner Nähe sitzt und liest (Ja, das mache ich manchmal aus Neugier. Nein, damit verbringe ich nicht den überwiegenden Teil meiner Reisezeit). Die geschätzte Geschwindigkeit liegt dann in den meisten Fällen zwischen 90 und 200 WPM – auf Basis der Zeit pro Seite und der ungefähren Wortzahl pro Seite, für die ich mittlerweile ein relativ gutes Gespür habe. Sie wissen jetzt, dass Sie beim Lesen in der Öffentlichkeit vielleicht von irgendeinem besessenen Schnelllese-Trainer zwecks dessen persönlicher Statistik beobachtet werden.
Auch diese Statistiken sind aus den oben beschriebenen Gründen ohnehin nur bedingt miteinander vergleichbar. Auch die Sprache spielt eine Rolle. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass ein deutscher Text weniger, aber dafür längere Wörter besitzt als die englische Version des gleichen Textes? Die freudige Nachricht für Sie lautet an dieser Stelle, dass Ihr WPM-Wert (gemessen an einem deutschen Text) in Wirklichkeit höher ist als der gleiche Zahlenwert eines englischen Lesers (gemessen an einem englischen Text). Übrigens bin ich für den Fall, dass dieses Buch in die englische Sprache übersetzt wird schon jetzt auf den Kommentar des Übersetzers gespannt, wenn dieser die 15 bis 20 Buchstaben langen Hauptwortmonster (gutes Beispiel in diesem Zusammenhang) im nächsten Kapitel zu übersetzten versucht.
Die Lesegeschwindigkeit kann auch ohne das Erlernen von Schnelllesetechniken im Laufe des Lebens variieren. Der Höhepunkt wird vielfach während des Studiums erreicht, also während der Zeit, zu der gewöhnlich mehr Lesestoff zu bewältigen ist als in anderen Lebensphasen. Mit zunehmendem Bildungsgrad und zunehmender Hierarchieebene im Unternehmen, nimmt die Lesegeschwindigkeit ebenfalls leicht zu. Alle aufgeführten Aussagen sind nicht mehr und nicht weniger als Tendenzaussagen. Wenn jemand feststellt, dass Männer größer sind als Frauen, dann gilt dies natürlich nicht in jedem Einzelfall. Es gibt immer wieder einzelne Ausreißer nach oben und nach unten.
Sie kennen jetzt Ihre Ausgangsgeschwindigkeit und haben ein Gespür für das durchschnittliche Lesetempo. Welche Steigerung ist zu erwarten? Sofern Sie nicht schon außergewöhnlich schnell lesen, werden Sie nach dem Lesen des nächsten Kapitels und einigen wenigen Stunden Übung Ihre Geschwindigkeit in etwa verdoppeln, mindestens aber um 50 % erhöhen. Eine Steigerung von 150 auf 300 oder von 250 auf 500 WPM ist absolut realistisch - vorausgesetzt Sie machen die beschriebenen Übungen auch wirklich.