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Katja Kraus

"Die unscheinbare Nummer Zehn"

Mit 17 zog Katja Kraus zu Hause aus, der Fußball wurde ihre Familie. Als HSV-Vorstand bewies sie Spielmacherqualität, das Profigeschäft jedoch befremdet sie.
VON OLIVER FRITSCH

Wenn Katja Kraus über das Business Profifußball redet, spürt man eine große Distanz. Das war schon zu ihrer Zeit als zweite Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV so. Als wäre sie eine Außenstehende, sprach sie damals zwar nicht abwertend, aber in einem Ton der Fremdheit über die Gepflogenheiten in der Bundesliga, den eigenen Verein nicht ausgenommen. Dabei liebt sie den Fußball.

Mit siebzehn ist sie Zuhause ausgezogen, der Fußball war für sie seitdem ein Stück Familie. Als Torfrau des FSV Frankfurt wurde sie Meister und Nationalspielerin. Mindestens genauso wichtig wie diese Titel und die Länderspielstatistik war Katja Kraus die Gemeinschaft, die eine Mannschaft im besten Fall entstehen lässt. Das Gefühl, unter Gleichgesinnten zu sein, die ein Abenteuer bestehen. Lagerfeuer-Gefühl nennt sie das.

Die HSV-Profis hingegen ließen nicht nur ein Mal einen Grillabend ausfallen. "Spieler sind nicht nur Mannschaftskameraden", sagt Katja Kraus, "sie sind auch Konkurrenten". Konkurrenten um einen Stammplatz, den nächsten Vertrag, die Kapitänsbinde, die Gunst der Fans, den Platz in der Nationalelf. Sie denken an sich zuerst, handeln und reden auf Kosten der anderen.

Als der Verein vor anderthalb Jahren den holländischen Altstar Ruud van Nistelrooy verpflichtete und Fans und Journalisten aus dem Häuschen waren, fühlten sich Mitspieler des Sonnenlichts beraubt. Deswegen sah sich der Vorstand zu der Bitte an van Nistelrooy gezwungen, keine Interviews zu geben. Nicht die einzige ernüchternde Erfahrung für Katja Kraus. Mit ihrem Ideal hatte der divenhafte HSV wenig zu tun, der dem Boulevard ständig Stoff liefert, sich von ihm treiben lässt, bei dem so viele mitreden.

Seit März ist Katja Kraus nicht mehr beim HSV tätig. Nachdem ihr Vertrag nicht mehr verlängert wurde, schied sie aus dem Amt aus – gemeinsam mit Bernd Hoffmann, dem viel kritisierten Vorsitzenden. Dieser Rauswurf tat ihr weh, Anwälte wurden eingeschaltet. "In diesem emotionalen Geschäft haben Führungskräfte einen kürzeren Zyklus", sagt sie. "Ich durchlebte in meiner letzten Saison einen längeren Prozess der Abschiede."

Der Stadt Hamburg ist die gebürtige Offenbacherin treu geblieben. Ihre Umgebung erschließt sie sich mit einem Mountainbike, die Cafés und Bistros in Eppendorf, das Programmkino in Rotherbaum. Regelmäßig joggt sie um die Alster. Momentan schreibt Katja Kraus ein Buch, darin will sie Menschen porträtieren, mehr verrät sie nicht. Im Gespräch gibt sich die studierte Germanistin und Politolgin neugierig, spricht über Bücher, Filme, Kunst, Zeitungen. Sie ist eine Zuhörerin. Es gibt manchen Pressesprecher, der nicht halb so viel Macht wie sie hatte, aber doppelt so großspurig auftrat.


Ihre fast unscheinbare Art darf man nicht verwechseln mit Schüchternheit oder Schwäche. Hoffmann und Kraus waren ein eingespieltes, durchsetzungsstarkes Tandem. Ein Wegbegleiter beschrieb die beiden so: Sie war die Nummer 10, strategischer, taktisch versierter. Er war die Nummer 9, ging dahin, wo es weh tat. Sie hat den impulsiven, boss-haften Hoffmann oft ausgeglichen, soll ihn aber in ermüdenden Verhandlungen auch schon mal zu mehr Impulsivität und Bosshaftigkeit angestachelt haben. Die Nummer 10 hat der Nummer 9 manchen Steilpass aufgelegt.

Ob die Vierzigjährige dem Fußball für immer den Rücken gekehrt hat, weiß oder sagt sie nicht. Hoffmann sagte einst: "Wäre sie keine Frau, wäre sie längst Vorsitzende eines großen Vereins." Die Geschlechterfrage empfindet Kraus als langweilig.

Zum aktuellen Sturz ihres Ex-Vereins auf Platz 18 sagt sie in diesem Gespräch nichts, ohnehin verliert sie in den vergangenen Wochen kein öffentliches Wort zum HSV. Die Faszination am Fußball sei ihr aber geblieben. Wenn sie vom Frankfurter Tormann Oka Nikolov spricht, kommt der Fan in ihr durch. Wie weit der Zeitungskiosk auf der Straßenseite gegenüber entfernt ist, misst die Torfrau nicht nach Metern, sondern danach, ob ein Schütze ihr von dort aus einen reinschießen könnte.

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