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Ein Versprechen

Obwohl es draußen schon stockfinster war, ging Handix in die Küche und machte sich einen Kaffee. Die Küche war ein kleiner, aber gemütlicher Raum, wo jeder der vier Stühle mit weichen Kissen belegt worden war und der Küchentresen im Sonnenlicht (wenn vorhanden) rot und himmelblau schimmerte. Mandi liebte Farben. Er selbst legte nicht so großen Wert darauf, aber er sah es gern, wenn seine Frau glücklich war. Sie hatte ein umwerfendes Lachen und allein ihre Gegenwart reichte aus, um die schlechte Laune der Leute zu vertreiben. Nur bei ihm half es nicht sofort, und das war wohl auch der Grund, warum sie sich in ihn verliebt hatte. Handix konnte unmöglich sagen, womit er eine Frau wie sie verdient hatte.

Das Knarzen der Dielen hinter ihm sagte ihm, dass sie gerade die Küche betreten hatte. Er drehte sich um und sah sie, seine Frau, in Bademantel und Schlappen, die dunklen Haare in alle möglichen Richtungen abstehend und in den Augen noch diesen dünnen Film der Müdigkeit. Er lächelte sie an und Mandi lächelte zurück, dann schlang er seine Arme um sie. In letzter Zeit hatte sie nicht so viel gelacht wie sonst. Es lag an Tohm und seinen Anhängern, die sie unaufhörlich belagerten und nach irgendwelchen Gegenständen ausfragten, von denen Handix nie etwas gehört hätte, wäre er nicht in die Geheimnisse seiner Frau eingeweiht worden. Zu allem Überfluss hatten diese Männer auch noch herausgefunden, dass Mandi die Tante zweier Kinder war und man die Gabe des Wechselns durchaus in der Familie weitergeben konnte. Mandi hatte ihm gestern erst gesagt, dass sie Nex und Liah für Wechsler hielt. Erst hatte Handix es abstreiten wollen, aber dann wurde ihm irgendwie klar, dass sie recht hatte. Sie hatte immer recht.

Handix setzte sich auf einen der Stühle und zog Mandi auf seinen Schoß. Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter und seufzte. Er hasste es, wenn sie solche Laute von sich gab, denn dann hatte er immer das Gefühl, ihr irgendetwas nicht geben zu können.

„Liebling, versprich mir etwas“, sagte sie plötzlich und sah zu ihm auf. Ihre kastanienbraunen Augen schenkten ihm einen ungewohnt ernsten Blick. Er fragte sich, was wohl in ihr vorging und ob es irgendetwas gab, das er tun konnte, um ihr diese Last abzunehmen, aber weil ihm gerade nichts einfiel, nickte er bloß.

„Natürlich.“

Sie nagelte seinen Blick weiterhin fest.

„Handix“, ihre Stimme war fest, „versprich mir, dass du gut auf Nex und Liah achtest. Ich glaube, dass sich diese Kerle irgendwann dazu entschließen werden, sie zu suchen und… Nun, ich denke, du weißt, was ich meine.“

Oh ja, das tat er, aber warum bat sie ihn, auf die beiden zu achten? Das würde er auch so tun, immerhin waren sie die Kinder seines Bruders.

„Ja, werde ich, aber warum…“

„Bitte frag nicht weiter nach. Es ist bloß so ein Gefühl, das ich habe. Versprichst du es?“

Ihre Augen sahen ihn flehend an und er seufzte.

„Ja, ich verspreche es.“

Mandi nickte und lehnte sich wieder gegen ihn, die Augen geschlossen.

„Wenn sie Fragen haben, dann beantworte diese bitte“, murmelte sie noch, dann war sie fest eingeschlafen.

Handix wartete noch eine halbe Stunde lang, ob sie wieder aufwachen würde, dann trug er sie hoch ins Schlafzimmer. Es war halb vier in der Nacht und morgen musste er wieder zur Arbeit gehen, aber er konnte nicht schlafen, also nahm er sich ein Buch und setzte sich ins Wohnzimmer. Der Kaffee in der Küche war wahrscheinlich schon kalt, also beschloss er, ihn am Morgen wegzuschütten. Handix las für sein Leben gern und irgendwie genoss er es, wenn er Nex vorlesen durfte, weil sich der Junge für ähnliche Geschichten interessierte wie er selbst auch.

Bei dem Gedanken an seinen Neffen spürte er einen Kloß im Hals. Was für Träume waren das, die er hatte? Handix ahnte es bereits, aber er weigerte sich, diese Möglichkeit auch nur in Erwägung zu ziehen. Andererseits musste er dann immer an Mandis Worte denken.

„Ich glaube, du weißt irgendwie immer, was ein Wechsler in der anderen Welt kann“, hatte sie ihm vor zwei Wochen gesagt und vermutlich hatte sie auch damit recht. Ja, irgendwie wusste er, wozu seine Frau und die beiden Kinder in der Lage waren, aber er wollte es sich einfach nicht eingestehen. Denn wenn er bei Nex richtig lag, dann würde Mandi nicht mehr viel Zeit bleiben…

In dieser Nacht las er nicht mehr weiter; eine ungeahnte Angst hatte von ihm Besitz ergriffen.

Trotz allem, was er wusste oder ahnte, war er nicht auf das Gefühl vorbereitet gewesen, als man ihm die Nachricht von ihrem Tod brachte. Zuerst stand er unter Schock, dann versuchte er sich einzureden, dass das alles nur ein Irrtum war, und als kein Zweifel mehr bestand, spürte er abwechseln unendlichen Schmerz und Leere. Er konnte nicht mehr in dieser farbigen gemütlichen Wohnung leben, konnte nicht mehr zusehen, wie sich die Familie seines Bruders gegenseitig tröstete, aber vor allem konnte er sich einfach nicht dazu überwinden, sein Versprechen einzulösen. Also zog er weg, so weit fort wie nur irgend möglich, um den Erinnerungen zu entkommen. Sieben Jahre lang war ihm das gelungen, aber dann tauchte das Jugendamt auf, um ihn an seine Pflichten als Onkel zu erinnern. Er hätte nie gedacht, dass sein Bruder vor ihm sterben würde, immerhin war er doch der ältere von ihnen gewesen. Und das alles nur wegen eines lächerlichen Autounfalls.

Auch jetzt, in dieser Villa, war es mitten in der Nacht und Handix konnte nicht schlafen. Er hatte in so vielerlei Hinsicht versagt. Er hatte Tohm ungewollt verraten, wo die goldene Taschenuhr versteckt war, und er hatte Nex und Liah nicht so beschützt, wie er es hätte tun sollen. Seinetwegen hatte sein Neffe ziemlich viele Schläge einstecken müssen und Liah war zu Tode geängstigt. Diese Moona war dann auch noch hineingeplatzt und hatte viele Fragen gestellt. Dabei ging sie die andere Welt nichts an. Sie war nur die Putzfrau, außerdem sollte sie nicht in diese Angelegenheit hineingezogen werden. Schlimm genug, dass die restlichen Millers mittendrin steckten.

Die Uhr im Wohnzimmer tickte laut. Handix seufzte. Er hatte sich so viel Mühe gegeben, unnahbar und griesgrämig zu sein, damit er sich sämtliche Menschen vom Hals halten konnte, mit Erfolg. Aber mit einem hatte er dabei wirklich nicht gerechnet: Die Art und Weise, wie Nex ihn angesehen hatte, als sie sich vor acht Tagen auf der Terrasse begegnet waren. Es war, als hätte der Junge ganz genau gewusst, dass er sie beide im Stich gelassen hatte… Und dann hatte Nex ihm auch noch das Leben gerettet.

Handix schüttelte den Kopf und beschloss, dass er besser wieder ins Bett gehen sollte, wobei er im zweiten Stock einen möglichst weiten Bogen um Nex´ Zimmertür machte. Er wollte gar nicht wissen, was das für Träume waren, von denen sein Neffe heimgesucht wurde, aber er bewunderte die Entschlossenheit des Jungen. Allein die Tatsache, dass die Kinder den Schaden, der heute Nachmittag entstanden war, wiedergutmachen wollten, beeindruckte ihn. Er selbst hätte nicht die Kraft dazu, aber er wusste, dass er dieses Mal nicht kneifen durfte. Er würde ihnen helfen.

Handix wollte es sich nicht eingestehen, aber er tat es nicht aufgrund des Versprechens, das er Mandi gegeben hatte. Er tat es, weil er die Kinder irgendwie doch gernhatte. Sieben Jahre waren nicht genug gewesen, um die Liebe vollständig aus seinem Herzen zu verbannen.

Para - Das Schicksal liegt in euren Händen...

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