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In unserer Branche schlüpft man in alle möglichen Rollen. Die des friedlichen Joggers, der an einem Spätsommernachmittag durch den Central Park läuft, zählt zu den angenehmeren.

Ich stellte meinen Fuß auf den Brunnenrand der Bethesda Fountain und schnürte meine Laufschuhe. Zum zehnten Mal an diesem Nachmittag.

Aus den Augenwinkeln beobachtete ich Jay Kronburg. Er spielte heute den Freizeitpapi und saß vor einem Kinderwagen am rechten Rand der Terrasse auf einer Bank. Von hier aus konnte man den kleineren Teil des Sees überblicken.

Clive Caravaggio und Leslie Brendell waren auf der anderen, größeren Seite des Sees mit Modellbooten beschäftigt.

Ich drehte mich zum Wasser um. In einem der Ruderboote saß ein knutschendes Pärchen. Milo hatte natürlich wieder das große Los gezogen. Die Beamtin, mit der er sich dort beschäftigte, war noch nicht lange bei uns im New Yorker District. Eine Anfängerin praktisch. Und verteufelt hübsch.

»Ich glaub, ich hab sie.« Jays Stimme quäkte im Knopf in meinem rechten Ohr.

Ich drehte mich um und machte ein paar Dehnübungen. Jay duckte sich hinter das Gebüsch und spähte durch seinen Feldstecher.

»Der Mann mit dem Strohhut und die beiden Freaks - seht ihr sie?«

Unsere Leute, die unsichtbar entlang der Uferböschung auf der Lauer lagen, bestätigten. Auch ich sah die beiden Ruderboote. »Sie fahren direkt aufeinander zu«, gab ich durch.

»Auf geht’s, Jesse«, hörte ich wieder Jays Stimme. »Dein Auftritt.«

Ich rannte los. Bis zur Bow Bridge, an der nach unseren Informationen der letzte Teil des Deals abgewickelt werden sollte, würde ich ziemlich genau sechs Minuten brauchen. Das hatten wir vorher abgecheckt.

Ich nahm den Weg durch das Wäldchen. Die vielen Menschen, die an diesem Nachmittag den Park bevölkerten, taten genau dasselbe wie wir: Modellboote auf dem See herumtuckern lassen, knutschen, Kinder hüten und joggen. Oder angeln, wie Medina in einem Boot auf dem größeren Seeabschnitt.

Dass wir in Wirklichkeit im Begriff waren, eine professionelle Geldfälscherbande in die Falle zu locken, konnte keiner ahnen, der einen von uns beobachtete.

Ich wich einem Rollstuhlfahrer aus, und die Gruppe von Bikern, die mir entgegenkam, musste meinetwegen abbremsen.

»Saftarsch!«, knurrte mir einer der Radfahrer hinterher.

Um nicht aufzufallen, warf ich ihm eine ähnliche Freundlichkeit an den Kopf.

»Auf der Brücke hat sich ein Angler aufgepflanzt.« Das war Medinas Stimme. »Er wirft jetzt seine Leine aus.«

Ich bestätigte.

Ein Hacker hatte uns den Tipp gegeben. Einer von diesen überkandidelten Computerfreaks, die sich so großartig Vorkommen, weil sie in den Datenschatztruhen fremder Leute wühlen können. Dass er uns gegenüber anonym bleiben wollte, war deshalb klar. Aber sein Tipp hätte nicht heißer sein können.

Wir hatten einen Undercover-Agenten in die Firma einschleusen können, die er uns genannt hatte. Nach sechs Wochen Maulwurfsarbeit hatten wir die Fakten, die wir brauchten, auf dem Tisch: Drei Informatiker der Firma trafen sich nach Feierabend in einem Keller, wo sie an einer lukrativen Software arbeiteten ein Programm, mit dem man eine fast fehlerfreie Druckvorlage für Hundertdollarnoten herstellen konnte.

»Der Kerl mit dem Strohhut hat was ins Wasser gelegt«, gab Jay durch. »Jetzt sind die Boote auf gleicher Höhe. Die anderen Burschen fischen das Objekt aus dem See sieht aus wie ein Styroporwürfel.«

Jeder von uns wusste, was dieser Würfel enthielt: Die Diskette mit der Druckvorlage.

»Übergabe fotografiert«, meldete einer unserer Leute aus der Uferböschung.

»Okay«, sagte Jay, »Milo und Kate - ihr schnappt euch den Strohhut. Alle anderen konzentrieren sich auf die beiden Freaks.«

Die Diskette war also in den Händen der Geldfälscher. Eine halbe Million hatten sie dafür bezahlt. Sicher nicht, um Papierservietten damit zu bedrucken.

»Ich seh' sie jetzt, sie kommen direkt auf die Brücke zu.« Medinas Stimme.

Ich verließ den Wald und trabte ein Stück am Ufer entlang. Das Boot mit den beiden jungen Männern verschwand etwa 100 Meter vor mir hinter einer Trauerweide, die ihr Geäst weit über den See streckte.

Der Uferweg führte in ein weiteres, kleineres Waldstück. Jetzt trennten mich noch höchstens zwei Minuten von der Brücke.

»Verdammt!«, fluchte mir Medina ins Ohr. »Ich hab’s doch geahnt! Die Burschen haben das Päckchen an der Angelleine befestigt. Der Kerl auf der Brücke holt die Angel ein!« Ich spurtete los.

Der Wald lichtete sich. Ein Inlineskater wich mir erschrocken aus. Die Brücke lag vor mir.

Der Angler löste gerade den Styroporwürfel von seiner Leine, als er mich entdeckte.

Er riss das Päckchen ab, rannte davon. Mitten durch eine Gruppe von jungen Frauen mit kleinen Kindern.

Die Kids schrien los, ein Buggy mit einem Knirps stürzte um.

Der Kerl bog in ein Wiesenstück ab, sprintete über die Picknick Decke einer Großfamilie, hielt auf den Wald zu.

Kurz vor dem Waldrand hatte ich ihn. Ich hechtete mich auf ihn, rammte ihn zu Boden und hebelte ihm den Arm gegen das Schulterblatt. »FBI«, schrie ich, »Ende der Show!«

Vom See her hörte ich Schüsse. Die Burschen im Boot leisteten Widerstand. Irgendjemand rief laut. Leute entfernten sich fluchtartig vom Seeufer und suchten Deckung im Wald.

Nach fünf Minuten war alles vorbei. Die Kollegen nahmen mir meinen Fang ab und führten ihn in Handschellen ab.

Ich sah mich um. An der Brücke standen die Mütter und versuchten ihre schreienden Kinder zu trösten. Auf der Brücke tauchte Leslie auf. Mit einem Modellboot unter dem Arm.

Ich ging ihm entgegen und musste grinsen. Leslie war nicht zum Lachen zumute. »Medina hat einen der beiden erwischt«, sagte er.

»Kopfschuss. Der andere hat aufgegeben.«

»Und Milo?«

Leslie nickte nur.

Wir wandten uns den weinenden Kindern zu. Ich nahm Leslie das Modellboot und die Fernsteuerung ab und drückte ihm dafür das Päckchen mit der Diskette in die Hand.

»Kommt, ich zeig euch was Schönes.«

Die Kinder und ihre Mamis folgten mir tatsächlich zum Seeufer. Dort setzte ich das Modell ins Wasser und ließ es auslaufen. Die Kids strahlten. Nach fünf Minuten konnten sie's selbst.

Ich richtete mich auf und sah noch ein Weilchen zu, wie sie mit dem Boot die schnatternden Enten über den See scheuchten.

Grinsend schlenderte ich zur Brücke zurück. Dort lehnten Milo und Kate Bergenson über dem Geländer. Sie mussten mich schon eine ganze Weile beobachtet haben.

»He, Jesse, ich wusste gar nicht, dass du seit neuestem Enten jagst nach Feierabend«, grinste Milo.

Und Kate hob drohend den Zeigefinger. »Ich werde dem Tierschutzverein einen Wink geben, Mr. Trevellian.«

»Tun Sie das, Ma’am, vielleicht bekomme ich eine kleine Anerkennung dafür, dass ich den gelangweilten Enten ein wenig Zerstreuung verschaffe.« Ich wandte mich überrascht an Milo. »Das war ein Scherz mit dem Feierabend ich kenn dich doch, Partner. Sicher hat unser Chef angerufen und den nächsten Job in Aussicht gestellt.«

»Jesse, im Ernst«, beteuerte Milo, »angerufen hat er aber er will erst morgen unseren Bericht.« Er klopfte mir auf die Schulter. »Kommt, ich lad euch zu einem Drink ein.«

Kate ging uns ein Stück voraus. »Und?«, flüsterte ich. »Hast du ihre Privatnummer?«

Milo winkte grinsend ab. »Seit gestern schon. Sie taut langsam auf.«

»Glückwunsch«, sagte ich und drehte mich noch einmal nach dem See um.

Er lag so friedlich vor dem Laubwald, als wäre nichts geschehen.

Der idyllische Anblick passte zu meinem Gemütszustand. Zufrieden war ich - mit mir und der Welt. Und mit meinem Job. Sehr zufrieden.

Ich ahnte nicht, dass ich schon vier Tage später wieder hier zu tun haben würde. Genau an der gleichen Stelle. Aber weit entfernt davon, mit irgendetwas oder irgendjemandem zufrieden zu sein.

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