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Theresa fuhr aus einem unruhigen Schlaf hoch. Laute Stimmen draußen vor der Badezimmertür hatten sie geweckt. Die beiden Männer stritten sich.

Theresa zog sich an der Heizung hoch und rieb sich die Augen. Sie hatte von ihrer Tochter geträumt. In einem Ruderboot hatten sie gesessen, und die Kleine hatte das Boot gerade vom Ufer abgestoßen, als die lauten Stimmen in Theresas Bewusstsein gedrungen waren.

Sie hatte die feindliche Atmosphäre zwischen Barry und dem Kahlkopf schon gespürt, als vor ein paar Stunden plötzlich das Licht anging und der Mann mit den kalten grauen Augen im Türrahmen stand. Es musste noch Nacht gewesen sein, denn auch im Zimmer hinter dem Mann brannte Licht.

Ein Kratzer zog sich über seine linke Wange, und Theresa nahm an, dass sie ihm die Wunde bei ihrem Kampf im Auto beigebracht hatte. Diese Vermutung hatte sie mit Befriedigung erfüllt.

Der Mann - er war groß und breitschultrig, und seine Glatze glänzte auf seinem quadratischen Schädel - hatte sie böse gemustert. Ihr war nicht entgangen, dass sein Blick länger als nötig auf dem Mantel ruhte. Und auf dem Strick, mit dem Barry sie gefesselt hatte, um sie von den scheußlichen Handschellen zu befreien.

Dann hatte er sie nach dem Namen ihrer Lieblingspuppe gefragt. Theresa war sofort klar gewesen, worum es ging: William wollte ein Lebenszeichen.

Und die Idee, der Prinzessin eine Vergangenheit in einem irischen Antiquitätenladen zu geben, war ihr vom Himmel in den Kopf gefallen, so dachte sie hinterher.

Lieber Gott, lass die Polizei den Antiquitätenladen finden, den ich vor der Hofeinfahrt gesehen habe. Oder mach, dass sich jemand meldet, der Barry kennt.

Sie hatte keinen Zweifel daran, dass William ihre verschlüsselte Botschaft erhalten hatte. Und ganz bestimmt hatte er die Polizei eingeschaltet.

»Du bist hier nicht in deinem verdammten Pflegeheim, du Idiot!«, hörte sie den Kahlkopf brüllen. »Die wickelt dich doch um den Finger, verflucht noch mal!«, hörte Theresa seinen Bass dröhnen. »Gib’s zu! Die Alte tut dir Leid!«

Der andere sprach leiser, und Theresa konnte nicht verstehen, was er sagte.

Dann wieder die laute Stimme des Älteren. »Wahrscheinlich willst du sie ficken, du Hurensohn!«

Theresa zuckte zusammen.

Sie hörte das Geräusch eines umstürzenden Stuhls, eine Flasche fiel auf den Boden. Theresa hielt den Atem an.

Dann wieder die Bassstimme diesmal leiser und beschwichtigend. Kurz darauf schlug eine Tür, und dann war es still.

»Barry?« Theresa witterte ihre Chance mit dem Instinkt eines von allen Seiten eingekreisten Wildes. »Barry? Hören Sie mich?«

Der Rothaarige schien ihr im Grunde seines Herzens ein guter Kerl zu sein. Sie spürte, dass er unter seiner harten Schale einen zerbrechlichen Kern verbarg. Seine Augen verrieten ihr das. Und Theresa kannte die Menschen.

»Barry, kommen Sie doch bitte mal, ja?«

Es blieb still hinter der Tür. Theresa zog daraus den Schluss, dass sich Barry die Kritik des Älteren zu Herzen genommen hatte, und gab es auf, nach ihm zu rufen.

Plötzlich flammte doch noch die Glühbirne auf. Die Tür öffnete sich, und Barry stand davor.

Eine Zigarette hing in seinem Mundwinkel. In seiner Rechten hielt er ein Wasserglas mit einer bräunlichen Flüssigkeit. Whisky, vermutete Theresa.

»Barry, ich...«

Seine Augen waren unnatürlich geweitet. Als müsste er ständig etwas anstarren, was ihn quälte.

»Barry, haben Sie eine Zigarette für mich?«

Er wandte sich um, ging ins Zimmer zurück - Theresa registrierte das Tageslicht - und kam mit einer filterlosen Zigarette zurück. Wortlos reichte er sie ihr und gab ihr Feuer.

Sie zog ein paar Mal an der Zigarette, die ihr viel zu stark war, und betrachtete den jungen Mann.

Er war blass, und aus den geröteten Augen schloss sie, dass er viel getrunken hatte in den letzten Stunden. »Wie alt sind Sie, Barry?«

»27.« Er stand breitbeinig vor ihr, immer noch die Zigarette zwischen den Lippen und in der Rechten das halb volle Glas.

Theresa wunderte sich, weil er so bereitwillig antwortete. »Ich hatte eine Tochter, die wäre jetzt fast genauso alt wie Sie.«

Theresa betrachtete den Aschenkegel an der Spitze ihrer Zigarette, zögerte einen Moment und schnippte ihn dann einfach auf den Boden.

»Sie starb kurz vor ihrem sechsten Geburtstag. Heute Nacht habe ich von ihr geträumt.«

Das Zucken in seinem Gesicht entging ihr nicht.

»Sie war mir ganz nah.«

Barry drehte sich um und verschwand im Zimmer. Enttäuscht sah Theresa ihm nach.

Doch er kam schnell zurück mit einem Aschenbecher und einer Whiskyflasche.

Er ging in die Hocke und stellte den Ascher zwischen Theresa und sich.

»Sie sehen unglücklich aus, Barry.« Theresa sah ihn mitleidig an. »Ihr...« Sie suchte nach einem Wort. »Ihr Kollege macht Ihnen Druck wegen des Mantels, nicht wahr?«

»Es... es ist nicht deswegen.«

Sie wartete geduldig. Er würde reden, das spürte sie.

»Ich war ungefähr so alt wie Ihre Tochter, als meine Mutter starb.« Seine Stimme klang heiser. Er leerte das halbvolle Glas mit einem Zug. »Auf eine Art war’s dann vorbei.« Er lachte unsicher auf, »mein Leben meine ich, Sie verstehen?«

»Hat Ihr Vater Sie erzogen?«

»Erzogen?« Wieder das trockene Lachen. Diesmal höhnisch. Er sprach nicht weiter.

»Sind Sie hier in New York zur Schule gegangen?«

»Nur sieben Klassen. In der achten habe ich meinen Lehrer krankenhausreif geschlagen.«

Theresa dachte an David und Henry, ihre Zwillinge, und versuchte sich vorzustellen, sie hätten sich mit ihren Lehrern geschlagen. Das gelang ihr nicht. Dieser rothaarige Mann da, ihr gegenüber, lebte in einer anderen Welt.

Das Gespräch stockte. Barry stand auf und holte ein zweites Glas aus dem Zimmer.

»Hier, das wird Ihnen gut tun.« Er füllte das Glas mit dem Whisky und reichte es ihr.

Theresa nahm einen kräftigen Schluck. Bei ihren Freundinnen war sie für ihre Trinkfestigkeit bekannt.

»Ich will Ihnen sagen...« Er kam ins Stammeln, »... ich meine... ich muss das hier machen, verstehen Sie?« Theresa sah ihn an. Er wich ihrem Blick aus. »Sorry, Ma’am, ich muss.« Nach ein paar Minuten stand er auf und verließ das Bad.

Theresa starrte in die Dunkelheit und nippte ab und zu an dem Whisky. Er war erstaunlich gut und schmeckte nach schottischem Malt.

Der Mann tat ihr Leid. Und sie mochte ihn. Vor allem aber schien er ihr eine Tür in die Freiheit zu sein. Wenn es ihr gelingen würde, ihn auf ihre Seite zu ziehen. ..? Man hatte von solchen Fällen ja schon gehört. Ein Anfang war jedenfalls gemacht.

Obwohl der Whisky seine Wirkung tat, wurde sie immer unruhiger. Ein Gedanke schälte sich aus dem Wirrwarr der Ängste und Hoffnungen unter ihrer Schädeldecke. Ein Gedanke, der ihren Herzschlag beschleunigte.

Sie hatte sich schon von Anfang an gewundert, dass Barry sich ihr unmaskiert zeigte. Und heute auch der andere. Hatten diese Männer denn gar keine Angst, dass sie der Polizei später eine genaue Personenbeschreibung geben würde?

Die Erklärung lag nahe. Es war, als würde eine gefrorene Hand nach ihrem Herzen greifen, als sie langsam zu begreifen begann, dass für sie kein Später vorgesehen war.

Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket

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