Читать книгу Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket - A. F. Morland - Страница 56

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Barry stieg das düstere Treppenhaus hinunter und betrat den Laden durch die Hintertür. Die Wandleuchter waren eingeschaltet und warfen ihr schummriges Licht auf zahllose Ölgemälde, die meisten ziemlich kitschig, aber davon verstand Barry nicht viel, auf antiquarische Waffen, auf Stahlhelme, Orden, Offiziersdegen aus dem Unabhängigkeitskrieg, Vasen, Zinnteller, Uhren, alten Schmuck und so viele Bücher, dass es Barry immer ein wenig unheimlich wurde, wenn er hier unten bei Howard war.

Er hatte in seinem ganzen Leben kein einziges Buch gelesen. Abgesehen von der Bibel, in die er notgedrungen einige Male hineingeschaut hatte, weil sein Vater mit dem Rohrstock neben ihm gestanden hatte. Er beschäftigte sich ausschließlich mit Papier, auf dem Sportnachrichten, harte Pornos oder Comics abgedruckt waren.

Hinter der Tür, die zu Howards Büro führte und zu seiner versteckten Waffenkammer hörte Barry Geräusche. Er lauschte das Wimmern einer kindlichen Stimme war zu hören. Und das stöhnende Brummen von Howards Bass.

»Drecksau«, murmelte Barry und sah auf die gläserne Eingangstür. Howard hatte das >Closed< Schild aufgehängt. Durch die mit dem Krempel aus Jahrhunderten voll gestopften Schaufenster sah Barry den Feierabendverkehr vorbeirollen, der selbst in dieser Seitenstraße noch zu Staus führte.

Er stieß einen Fluch aus und schob sich durch zwei Biedermeierschränke zu dem langen Garderobenständer mit den alten Klamotten.

Zwischen einer Uniformjacke und einem Trapperhemd mit Lederfransen fand er einen schwarzen Pelzmantel. Er nahm ihn vom Bügel und fuhr mit der Hand über das speckige alte Teil.

In dem Augenblick ging die Tür von Howards Büro auf. Der Kahlkopf erschien zwischen den beiden Schränken. Er fummelte an seinem Hosenbund herum, stutzte kurz, als er Barry sah, und ging dann wortlos zur Ladentheke.

Ihm folgte ein etwa zwölfjähriger Junge, ein Latino in dreckigen Hosen, deren Schritt ihm bis zu den Kniekehlen hing. Er grinste blöde, senkte den Blick, als er Barry mit dem Mantel zwischen den Schränken entdeckte, und stülpte sich eine ausgebleichte grüne Baseballmütze über.

Barry trat aus dem schmalen Gang zwischen den Schränken. »Hier, du Ratte«, sagte Howard und reichte dem Jungen einen 20 Dollar Schein. Dann schloss er die Ladentür auf und ließ den Jungen auf die Straße hinaus.

Barry musterte den Älteren verächtlich. »Und? War er gut?«

»Das geht dich einen Scheiß an!«, knurrte Howard und drückte sich an ihm vorbei. An der Bürotür fuhr er plötzlich herum. »He! Was hast du mit dem Lammfell vor?«

»Die Frau friert.«

»Du hast wohl'n Schatten!« Howard riss ihm den Mantel aus den Händen, schob sich zwischen die Schränke. »Die wird bald nicht mehr frieren.« Er machte Anstalten, das gute Stück wieder auf den Bügel zu hängen. »Du bist hier nicht in deinem Pflegeheim.«

Barry war offiziell in einem Seniorenheim angestellt, das der Chefin gehörte. Halbtags. Wenn sie ihn für den eigentlichen Job brauchte, schrieb ihm der Direktor des Heims einfach einen Urlaubsschein. Die Chefin legte Wert darauf, dass jeder ihrer Mitarbeiter eine einigermaßen bürgerliche Existenz vorweisen konnte.

Barry war mit einem Schritt bei dem Kahlkopf und angelte sich mit raschem Griff über dessen Schulter den Mantel. Langsam drehte sich Howard um.

Die beiden ungleichen Männer musterten sich feindselig. Barry wusste, dass Howard ihn nicht angreifen würde. Er hatte es einmal versucht. Vor etwa drei Jahren - Barry war damals gerade von der Chefin eingestellt worden und hatte den Kahlkopf übelst beschimpft, als er ihn zum ersten Mal mit einem Kind erwischt hatte - Howard, der sich viel einbildete auf seine Nahkampfausbildung und damals keine Gelegenheit ausließ, sich mit den 73 Vietkongs zu brüsten, die er eigenhändig getötet hatte - Howard hatte ihm seine geballte Pranke ins Gesicht gerammt.

Es war das einzige Mal gewesen, dass er so etwas versucht hatte. Er wusste damals noch nichts von Barrys Ausbildung fast 20 Jahre auf den Straßen der South Bronx und in etwa vier verschiedenen Gefängnissen. Und auch von Banys Jähzorn wusste der ehemalige Marine damals noch nichts.

Barry war förmlich explodiert, und wenn Marilyn nicht dazwischen gegangen wäre, hätte Howard wahrscheinlich keine Gelegenheit mehl bekommen, aus dieser Erfahrung zu lernen.

»Verpiss dich«, sagte Howard nun nicht allzu laut. Barry ging mit dem Mantel zur Hintertür. »Und gib der Alten ‘nen Gute-Nacht-Kuss von mir.« Barry tat so, als hätte er das nicht gehört.

Oben klopfte er an die Badezimmertür, bevor er eintrat. Die Frau hatte ihn darum gebeten.

Sie hockte auf einem Couchkissen, das er ihr am Morgen gegeben hatte. Er hatte die Handschellen durch ein langes Seil ersetzt, so dass sie ein wenig Bewegungsspielraum hatte.

Sie zitterte, obwohl sie sich in die alte Decke gehüllt hatte, die er ihr vor ein paar Stunden umgelegt hatte. Die Heizung funktionierte nicht.

Er half ihr, den Mantel anzuziehen. In dem kleinen Topf neben ihr klebten Reste von Haferbrei. Außer Eiern und Kartoffeln so ziemlich das Einzige, was Barry kochen konnte.

Er nahm ihn auf und wollte das Bad verlassen.

»Warten Sie«, sagte die Frau.

Der Rotschopf drehte sich langsam nach ihr um.

»Wollen Sie mir nicht Ihren Namen verraten?«, fragte sie.

Er schluckte.

»Barry«, sagte er schließlich, und sofort stand die Chefin auf seiner inneren Bühne. Ihre grünen Augen bohrten sich strafend in sein Gedärm. »Nennen Sie mich bloß nicht bei meinem Namen, wenn die anderen dabei sind!«, entfuhr es ihm.

»Abgemacht.« Die Frau musterte ihn aufmerksam, und Barry wurde es plötzlich warm ums Herz. »Danke, Barry. Danke für den Mantel.«

Er nickte.

»Du trägst ein Kreuz?«

Wieder das Nicken.

»Glaubst du daran?«

Etwas Dunkles, Weiches, für das Barry keinen Namen hatte, stieg ihm aus dem Brustkorb in den Hals und schwoll dort zu einem Kloß. Er schluckte ihn hinunter.

»Hat meine Mutter mir geschenkt. War Katholikin.«

Er zog hastig die Tür auf.

»Hast du kein schlechtes Gewissen, Barry?«, rief sie ihm nach.

Ohne zu antworten, warf er die Tür ins Schloss. Er nahm das Glas und die Whiskyflasche vom Tisch. Mit diesen beiden Kumpels - den besten, die Barry hatte - stand er danach zwei geschlagene Stunden am Fenster, versuchte den Kloß im Hals wegzuspülen und den stechenden Blick der Chefin in seinem Bauch zu betäuben.

In dieser Nacht träumte Barry seit Langem wieder von seiner Mutter. Den gleichen Traum, der ihn seit seiner Kindheit schon so oft aus dem Schlaf gerissen hatte: Seine Mutter blass, mit fiebrigen Augen in schmutzige Laken gehüllt, in dem schmutzigen Bett, in der schmutzigen Wohnung in Brooklyn. Und wieder reichte sie ihm das Kreuz, und wieder streichelte sie ihm über das Haar.

Doch diesmal träumte Barry nicht, wie sein besoffener Vater ihn, den Sechsjährigen, vom Bett wegreißt, um ihn mitzunehmen in die Süd Bronx, wo dann Barrys Kindheit von einem Tag auf den anderen zu Ende war und seine Ausbildung auf der Straße begann.

Nein, diesmal kroch er im Traum zu seiner Mutter unter das schmutzige Laken und wurde mit ihr in der Holzkiste aus der schmutzigen Wohnung getragen.

Als er schweißgebadet aus dem Traum hochfuhr, stand Howard im Türrahmen. »Amsterdam hat angerufen. Vanhouven will ein Lebenszeichen von seiner Alten.«

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