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Kapitel 3

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Ella – 2014

„Oh. Mein. Gott!“

Saskia, die Rezeptionistin der Tagesschicht, hat wohl wieder einen Promi entdeckt. Das könnte peinlich werden.

„Bitte sag mir, dass du dich nicht danebenbenehmen wirst!“, flehe ich sie fast schon an. Aber sie hört mir gar nicht zu und starrt weiterhin mit roten Wangen auf den Eingangsbereich. Als ich ihren aufgerissenen Augen folge, bleibt mein Herz beinahe stehen. Denn meine Augen bleiben tatsächlich an Jan hängen. Das darf doch nicht wahr sein!

„Wenn das nicht der heißeste Kerl ist, denn ich je gesehen habe. Er sieht aus wie eine Mischung aus Männermodel und Pirat, mit einem Schuss Herzensbrecher.“

Da kann ich ihr nicht widersprechen. Vor allem deshalb, weil ich im Moment tatsächlich nicht sprechen kann. Denn Jan Herzog steht, nach über zwei Monaten Funkstille, in meinem Hotel in Berlin. Und während eine meiner Mitarbeiterinnen ihn mit Blicken auszieht, bemerke ich mit einem Brennen im Magen, dass er mich gerade entdeckt hat. Ein schiefes Lächeln erscheint auf seinem unverschämt attraktiven Gesicht, und ich kann nicht anders, als ihn von oben bis unten zu mustern, während er auf die Rezeption zugeht, ohne den Blickkontakt zu mir zu unterbrechen. Wie eine Schlange, die ihre Beute hypnotisiert. Vielleicht bilde ich es mir ja nur ein, aber ich glaube, dass sein Gang sehr viel fester und sein Hinken deutlich besser geworden ist. Sein ganzer Aufzug lässt ihn männlich und selbstbewusst wirken. Er trägt eine schwarze Hose und einen schwarzen Blazer dazu. Sein T-Shirt darunter ist ebenfalls schwarz. Seine dunklen Haare wirken kürzer und seine Barstoppeln sind auf einen sehr anziehenden Dreitagebart reduziert. Saskia hat recht, er sieht aus wie ein heißer Pirat im Anzug, mit blauen Augen, die meine Knie weich werden lassen.

Verdammt, was macht er hier? Wieso hat er nicht einfach angerufen? Dann stünde ich nicht hier, in meinem Hotel, mitten bei der Arbeit und hätte Herzrhythmusstörungen.

An der Rezeption angekommen nickt Jan Saskia freundlich und knapp zu.

„Guten Tag. Willkommen im Hotel No.2. Wie kann ich Ihnen helfen?“, schnurrt sie ihm entgegen. Und alleine für dieses Schnurren möchte ich ihr am liebsten zwei Nachtschichten hintereinander verpassen. Doch ich kann nicht. Ich habe meine Sprache immer noch nicht wiedergefunden.

„Guten Tag. Ich habe reserviert. Auf den Namen Jan Josef Herzog.“ Ein durchtriebenes Lächeln blitzt auf seinem Gesicht auf, ehe er nach unten blickt und dann kurz wieder mich ansieht. Das darf doch nicht wahr sein? Er will hier wohnen, in meinem Hotel?

„Das ist nicht dein Ernst“, entkommt es mir.

Während Saskia mich wegen meines Tonfalls schockiert ansieht, grinst Jan mir zufrieden entgegen.

„Eigentlich hatte ich gehofft, du würdest vielleicht selbst darauf kommen. Doch dann fiel mir wieder ein, dass du meinen zweiten Vornamen gar nicht kennst. Und jetzt, da ich sehe, dass meine Überraschung gelungen ist, bin ich eigentlich sehr zufrieden damit.“ Ich verschränke die Arme vor der Brust, damit er nicht sehen kann, dass meine Hände zittern. Saskias graue Augen sehen mich Hilfe suchend an, als wolle sie sagen: „Was soll ich nur tun?“

„Ich übernehme diesen Gast, Saskia. Holst du mir in der Zwischenzeit meine Liste für den Nachmittag?“

„Natürlich“, stammelt sie und sieht mir und Jan noch mal kurz hinterher, ehe sie in den Bürotrakt verschwindet.

„Jan Josef Herzog … Und ich dachte, das wäre nur einer dieser bizarren Zufälle … Schwarzer Humor des Universums.“

„Nein, das war nur ein Versuch, dich kalt zu erwischen und dafür zu sorgen, dass du nicht weglaufen kannst“, gibt er zu und bohrt dabei seine erstaunlich blauen Augen in meine.

Mein Magen schrumpft zu einem eiskalten Klumpen zusammen, als ich auf dem Bildschirm vor mir lese, was zu dieser Reservierung, seiner Reservierung, eingetragen ist. Jan Josef Herzog, Juniorsuite – Einzelzimmer, reserviert für zweiundzwanzig Nächte – mit Option auf Verlängerung.

Heilige Scheiße!

„Du willst fast einen Monat lang im Hotel wohnen?“, zische ich ihn an.

„So lautet der Plan.“ Mehr sagt er nicht dazu, lehnt sich an den Tresen und lässt seinen Blick offenkundig über meinen Körper wandern. Seine Gedanken kann ich nicht lesen, doch ich sehe den Hunger in seinen Augen.

„Gott, siehst du gut aus. Der heiße, strenge Look macht es sogar noch besser.“ Ich schließe die Augen, denn ich kann nicht glauben, dass er das hier gerade gesagt hat. Und noch weniger kann ich glauben, dass mir dabei heiß wird.

„Das geht doch nicht. Du kannst nicht hier in meinem Hotel bleiben, jeden Tag. Wie stellst du dir das vor?“

Nackte Panik erfasst mich. Ich spüre deutlich, wie mein Deo versagt und sich Schweiß unter den Achseln sammelt.

„Du solltest mich besser nicht hier fragen, wie und vor allem was ich mir alles vorstelle, wenn ich dich so ansehe“, flüstert er mir zu. Jan hat wieder diesen Blick, der mich schier wahnsinnig macht. Doch das geht nicht. Nicht hier und schon gar nicht nach zwei Monaten, in denen er sich nicht gemeldet hat. Er kann nicht einfach so tun, als hätte es die letzten Wochen nicht gegeben.

Ich will ihm gerade die Leviten lesen, als mir plötzlich etwas klar wird. Vor mir steht nicht nur der Jan Herzog von vor ein paar Wochen, vor mir steht irgendwie auch der alte Jan, der selbstbewusste Verführer von damals, vor dem Unfall. Erstaunt blicke ich ihn an. Verschwunden scheinen Angst und Bitterkeit. Jedenfalls kann ich sie in seinem Gesicht nirgends entdecken. Außerdem versteckt er seine Narben nicht, trägt sie ganz offen hinter dem zugegeben sehr sexy aussehenden Bartschatten. Und seit er hier aufgetaucht ist, hat er nicht einmal seine linke Gesichtshälfte verborgen oder ist sich über den Mund gefahren. Selbst dann nicht, als ich ihn eindeutig angestarrt habe.

Was hat das zu bedeuten? Was ist die letzten zwei Monate mit Jan passiert? Oder ist das nur Show? Ein Trick?

Saskia steht plötzlich wieder neben mir mit einem Papierstapel in der Hand und räuspert sich. Abwartend sieht sie zwischen uns hin und her. Kurz schüttle ich den Kopf, um zu mir zu kommen, während ich mir die Mappe mit den losen Blättern schnappe, die sie mir aufdringlich entgegenhält.

„Danke … Könntest du Herrn Herzog bitte einchecken?“

„Ja, natürlich“, erwidert sie. Ehrlich, ich bekomme kaum mit, was die beiden miteinander reden oder ob Jan mich noch mal ansieht. In einer Art Schockstarre sehe ich aus den großen Glasfenstern und höre dem schweren Regen zu, den der Spätherbst seit ein paar Tagen in die Stadt gebracht hat. Erschrocken zucke ich zusammen, als ich Jans Stimme höre.

„Ich habe ihr gesagt, dass du mir mein Zimmer zeigen würdest.“ Sanft lächelt er mich an und hält mir seine Zimmerkarte entgegen. Wie in Trance lese ich die Nummer darauf und gehe zu den Fahrstühlen. Jan folgt mir. Ich weiß es, auch ohne es zu sehen. Deutlich spüre ich seine Blicke auf mir. Meine Brust zieht sich schmerzvoll und warm zusammen. Die Aufzugtüren öffnen sich zum Glück sofort. Ich betrete die leere Kabine und drehe mich erst um, als die verspiegelte Tür sich schließt und Jan neben mir steht. Völlig von der Rolle beobachte ich unsere beiden Spiegelbilder vor uns.

„Ich hatte eigentlich gehofft, du würdest dich freuen, mich zu sehen“, lässt er mich flüsternd wissen. Jetzt, wo wir alleine in diesem winzigen Raum sind, ist er wieder so, wie ich ihn in Erinnerung habe. Nervös. Ehrlich.

„Es waren zwei Monate, Jan. Zwei verdammt lange Monate.“

„Ich weiß.“

Unser angespannter Atem füllt den Raum. So lange ist mir die Fahrt bisher nie vorgekommen. Endlich öffnen sich die Aufzugtüren wieder und wir betreten die dritte Etage.

„Hier sind wir. Zimmer 307.“ Er schnippt die Schlüsselkarte immer wieder gegen seinen Handballen und sieht mich dabei abwartend an.

„Ich nehme an, du wirst jetzt nicht mit reinkommen.“

Hitze schießt mir in die Wangen und meine Haut kribbelt, alleine bei der Vorstellung. Aber seine Annahme ist berechtigt, das kann ich nicht machen. Vorsichtig schüttle ich den Kopf.

„Schon in Ordnung. Ich habe ja fast einen Monat Zeit, dich umzustimmen.“ Wieder dieses teuflische Lächeln.

„Jan, ich …“ Doch weiter komme ich nicht. Er hat mich an die Wand im Flur vor seiner Suite gedrängt und sieht mir fest in die Augen. Seine Hände stützen sich links und rechts neben meinem Kopf ab. Eine sehr deutliche Ansage. Ich schlucke und halte die Luft an.

„Nur damit das klar ist: Ich bin deinetwegen hier. Denn ich habe verdammt ernst gemeint, was ich dir am Telefon sagte. Ich gebe uns nicht auf, und ich kämpfe um dich. Das hier ist erst der Anfang, Ella … Also bereite dich darauf vor!“ Seine blauen Augen sehen eindringlich in meine.

Kurz denke ich, dass er mich küssen wird, doch er lehnt sich nur weiter zu mir, bis ich seinen hektischen Atem an meinem Mund fühlen kann, ehe er sich langsam wieder zurückzieht. Ich kann nicht verhindern, dass mir ein Wimmern entkommt. Alleine der Gedanke, ihn zu küssen oder ihn wieder zu berühren, kehrt mein Innerstes nach außen.

Jan stemmt sich von mir, sieht mich noch mal von oben bis unten an, ehe er die Karte ins Schloss steckt und in seinem Zimmer verschwindet.

Was zur Hölle ist gerade passiert? Ich stehe zitternd, aufgebracht, verschwitzt und erregt im Hotelflur und habe das Gefühl, gleich schreien zu müssen.

Ich habe mich doch vor zwei Monaten gefragt, ob ich mit meinen Gefühlen für Jan Herzog umgehen könnte. Jetzt habe ich die Antwort.

Ich kann es nicht.

Bittersüß - davor & danach 2

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