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Kapitel 5

Jan – Berlin, 2014

„Ich weiß, deine Leute vom Housekeeping leisten gute Arbeit … Dennoch hat es eine Beschwerde zum Schuhputzdienst gegeben. Angeblich dauerte es zu lange, bis die Schuhe abgeholt waren.“

Ella spricht mit einer etwas rundlichen Frau mit lockigen Haaren, die sie aufmerksam ansieht. Ihr Auftreten ist freundlich, aber bestimmt. Es ist sehr interessant, sie bei der Arbeit zu beobachten.

Noch hat sie mich nicht entdeckt.

„Ich werde es weitergeben, Frau Vogel. Aber es kann bestimmt nicht sehr lange gedauert haben, bis die Schuhe abgeholt wurden. Ich ordne immer an, dass meine Leute Runden machen sollen, falls die Rezeption mal vergisst, die Service-Anforderungen weiterzuleiten.“

Die Frau, von der ich denke, dass sie das Housekeeping leitet, reibt sich über den Nacken und wirft Ella einen leicht nervösen Blick zu.

„Das weiß ich doch, Frau Kadakis. Es handelt sich bei der Beschwerde um einen unserer anspruchsvolleren Gäste … Doch ich musste es zumindest erwähnen.“ Sanft lächelt Ella ihre Mitarbeiterin an und berührt kurz ihren Arm. Sie hat wirklich ein Händchen für Menschen.

„Ich verstehe schon … Dann geh ich mal wieder an die Arbeit.“

Zügig verschwindet die griechisch aussehende Frau, und Ella steht nun alleine an der fast leeren Bar. Suchend gleitet ihr Blick durch den Raum, bis er an mir hängen bleibt. Ich erkenne sofort die Nervosität und Anspannung, die ich bei ihr auslöse. Vielleicht hätte ich sie gestern doch küssen sollen, als sie mir so verdammt nahe war. Es ist mir verflucht schwergefallen, ihrem Duft und ihrem Mund zu widerstehen. Sie hat mir wahnsinnig gefehlt in den letzten Wochen. Etwas verunsichert verlässt sie die Hotelbar und kommt auf mich zu. Dieser enge Rock und der knappe Blazer, der sich über ihre Brüste spannt, sind Zündstoff für meine erotischen Fantasien, die mich neuerdings ständig quälen, natürlich mit Ella in der Hauptrolle. Ihre dezent geschminkten Lippen presst sie fest aufeinander, als sie vor mir stehen bleibt.

„Scheint, als hättest du hier alles im Griff.“

„Ja. Es … Es läuft ganz gut so weit. Am Anfang hat es gedauert, bis sie mich akzeptiert haben, vermutlich weil ich deutlich jünger bin als meine Vorgängerin.“ Offenbar unbewusst wiegt sie sich kaum merkbar hin und her. Ihre Stimme klingt unglaublich vertraut, als wäre sie so etwas wie ein Zuhause für mich. Das Gefühl ist schwer zu ignorieren. Zusammen mit meinem Hunger nach ihr treibt es mich an, weiterzumachen. Ihr endlich wieder näherzukommen.

„Dann denkst du, dass die Entscheidung, hierherzukommen, richtig war?“, frage ich sie herausfordernd, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich die Antwort hören will.

„Jan“, seufzt sie und blickt weg von mir, ehe sie sich zu mir an den runden Tisch setzt.

„Schon gut. Ich fange nicht damit an. Schließlich habe ich es akzeptiert.“ Wenn es sein muss, lüge ich, um sie zurückzubekommen. Ich werde alles tun, was ich tun muss. Alles. Zuerst aber soll sie sehen, dass ich nicht mehr der bemitleidenswerte Kerl bin, den sie vor ein paar Monaten wiedergetroffen hat.

Während sie mit ihren nervösen Fingern das Leinentischtuch bearbeitet, lasse ich meine Hände so ruhig es geht auf dem Tisch liegen. Denn wenn ich das nicht tue, muss ich sie anfassen, und ich denke, dafür ist es noch etwas zu früh.

„Ich bin vor allem deinetwegen hier. Aber ich habe noch einen weiteren guten Grund, um in Berlin zu sein“, deute ich an. Damit gehört mir ihre Aufmerksamkeit.

„Welchen anderen Grund denn?“ Erwartungsvoll sieht sie mich an. Ihre Augen funkeln voller Neugier.

„Ich habe vor einem Monat Kontakt zu jemandem aufgenommen, den ich noch vom Studium kenne. Er hat sich selbstständig gemacht und sucht nach einem weiteren Partner für sein Architekturbüro. Ich werde mir einen Firmenkredit aufnehmen und mich hoffentlich bald bei ihm einkaufen. Aber zuerst muss sein anderer Partner zustimmen. Der lebt in Berlin. Die Firma arbeitet inzwischen in Österreich und Deutschland.“

Gut, sie ist überrascht. Das habe ich nicht anders erwartet. Ella soll sehen, dass ich mein Leben im Griff habe. Dass ich wieder ein Mann bin, der klarkommt, der eine Frau wie sie verdient.

„Das klingt ja toll … Ich kann es gar nicht fassen. Du … du wirst wieder als Architekt arbeiten“, murmelt sie aufgeregt. Ich nicke und schenke ihr dabei ein zufriedenes Lächeln. Wenn ich spüre, dass sie stolz auf mich ist, fühle ich mich etwas wert. Nur Ella kann mich das fühlen lassen.

„Aber wieso der Firmenkredit … Ich meine … Was ist mit …“

„… dem Geld meiner Eltern?“, helfe ich ihr aus der Verlegenheit, es aussprechen zu müssen.

„Das spielt keine Rolle mehr. Zwischen ihnen und mir sind die Brücken endgültig abgebrochen.“

Ella wird blass und fasst sich an den Hals. Ihre schlanken Finger auf dem Tisch verspannen sich.

„Du hast mit ihnen gebrochen?“, fragt sie vorsichtig nach.

„Ja. Ich habe den Wagen, den ich von ihnen habe, zurückgegeben und mir einen neuen geleast, auf meinen Namen. Außerdem bin ich an die Erbschaft meines Onkels gegangen. Er ist schon vor Jahren gestorben und hat mir einiges an Geld vermacht, weil er keine eigenen Kinder hatte. Es hat gereicht, um meine Wohnung zu kaufen, um den Aufenthalt hier zu finanzieren und um auszukommen, bis ich bei Hannes anfangen kann. So heißt mein alter Studienfreund übrigens.“

Ella schüttelt den Kopf, als müsse sie die neuen Informationen erst zurechtrücken. Ich gebe zu, es ist viel auf einmal. Aber ich war auch sehr beschäftigt in den letzten acht Wochen.

„Und du verschwendest einen Teil deiner Erbschaft, um hier fast einen Monat lang im Hotel zu leben?“ Fassungslos blickt sie mir in die Augen. Sie sind sanft und schön, genau wie in meiner Erinnerung.

„Ich sehe das keineswegs als Verschwendung an, Ella.“

Es ist Zeit, mir zu nehmen, was ich will, was ich brauche.

Ella

Ich kann einfach nicht glauben, was ich da höre. Wie ist das nur möglich, wie kann er das alles geschafft haben – in nur acht Wochen? Aber kann es richtig sein, dass er mit seiner Familie bricht? Sicher, sie sind abscheulich. Aber sie sind dennoch die einzige Familie, die er hat. Für mich klingt das alles nach einer Übersprungshandlung, die er vielleicht schon bald bereuen könnte. Das ist alles zu viel auf einmal. Der potenzielle neue Job, sein neu erwachtes Selbstbewusstsein, er hier, nur Zentimeter von mir entfernt. Ich habe das Gefühl, von einem Güterzug überrollt zu werden.

Ich sehe das keineswegs als Verschwendung an, Ella.“

Seine letzten Worte hallen in meinem Kopf nach. Wie ernst und entschlossen Jan klingt. Ich kann es mir nicht erklären, aber es macht mir Angst. Die Art, wie er mich ansieht, lässt mein Herz so schnell schlagen, dass Hitze ausbricht. Ich habe das Gefühl zu verglühen, dabei sieht er mich bloß an. Das Schweigen dehnt sich zwischen uns aus, bis es fast schon schmerzhaft wird. Ich habe das Gefühl, etwas sagen zu müssen, doch die herausfordernde und selbstbewusste Ella, die ich vor ein paar Monaten entdeckt habe, scheint sich völlig in mir verkrochen zu haben, und der anderen Ella will einfach nichts einfallen. Also sitzt sie da, malträtiert das schöne Tischtuch und starrt in Jans blaue Augen.

Als er sich ein Stück nach vorn lehnt, klopft mir das Herz bis zum Hals.

„Ich wünschte, du würdest endlich etwas sagen. Denn so langsam komme ich mir vor, als stünde ich mit meinem Verlangen alleine da.“ Mit einem gequälten Lächeln legt er sanft eine Hand auf mein Knie.

„Oder irre ich mich und du teilst mein Verlangen?“

Seine Finger wandern erregend langsam meinen Oberschenkel hoch. Ich starre seiner Hand nach, die eine heiße Spur auf meiner Haut hinterlässt. Trotz meiner Unsicherheit und Angst würde Jan ein feuchtes Höschen vorfinden, wenn er seinen schamlosen Weg meinen Schenkel entlang fortsetzte. Erschrocken keuche ich, als mir wieder dämmert, wo wir uns eigentlich befinden. In der Hotelbar, an meinem Arbeitsplatz.

„Jan, nicht hier! Das kannst du nicht machen!“, ermahne ich ihn und stoppe seine Finger, indem ich meine Hand darüberlege. Wie gut es sich anfühlt, seine Hand zu berühren. Seine Finger fühlen sich rauer an als früher.

„Du lässt mir keine Wahl. Sprich mit mir, Ella!“ Fordernd bohrt sich sein Blick in mein Gesicht. Jan muss doch die roten Wangen sehen, die sein provokantes Verhalten hervorrufen. Ich fühle Hitze und Scham jedenfalls deutlich.

„Ich hatte schon aufgegeben … Die ganze Zeit habe ich auf eine Nachricht gewartet, Jan. Und als nichts kam, da habe ich …“ Bemüht atme ich ein.

„Du dachtest, ich hätte es mir anders überlegt. Du dachtest, ich hätte dich aufgegeben?“, wirft er mir vor. Seine Stimme ist laut und anklagend. Ein paar der wenigen Gäste sehen kurz zu uns, ehe sie sich peinlich berührt abwenden.

Ich nicke, weil ich ehrlich sein will. Denn für mich hat es sich so angefühlt. Ich habe bittere Tränen vergossen, die das bezeugen können.

„Du hast dich geirrt, Ella. Auch wenn ich verstehen kann, wieso“, lässt Jan mich wissen und nimmt seine Hand von mir. Dabei hinterlässt er eine eiskalte Gänsehaut.

Wir sehen uns an. Ich habe keine Ahnung, was in seinem Kopf vorgeht. Und diese ganze Situation hier gefällt mir nicht, denn sie findet in meinem Umfeld statt, zerstört die sorgsam aufgebaute Kontrolle, die ich brauche, vor allem hier. Gleichzeitig möchte ich nichts sehnlicher, als dass er seine Hand wieder auf mein Bein legt und mich küsst. Wie verdreht ist das denn?

Mein Blick huscht ausweichend zur Uhr.

Mist! Ich komme noch zu spät zu einem Termin.

„Jan, ich müsste eigentlich längst bei einer Besprechung sein“, lasse ich ihn so versöhnlich es geht wissen. Enttäuscht fährt er sich übers Kinn und lehnt sich zurück, weg von mir. Das Gefühl, das ich dabei habe, ist schrecklich, so als würde ich ihn bereits verlieren, noch bevor ich ihn überhaupt wiederhabe. Kurz scheint Jan zu überlegen, dann erhebt er sich und wartet auf mich. Als ich ebenfalls aufstehe, zieht er mich nahe an sich heran und flüstert mir ins Ohr.

„Komm heute Abend in mein Zimmer. Ich warte auf dich … Ich denke, wir müssen uns zuerst wieder körperlich nahe sein, ehe wir mit uns weitermachen können.“

Seine tiefe Stimme noch im Ohr, gehe ich auf ziemlich wackeligen Beinen zurück in die Lobby und weiß nicht, wie ich den Tag bis dahin überstehen soll.

Bittersüß - davor & danach 2

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