Читать книгу Löwentatze - Albert Hurny Mady L. Hurny - Страница 4

Оглавление

Kapitel II

Während der beiden folgenden Tage fütterte Adam den Archiv-Servanten mit den bisher vorliegenden Aufzeichnungen und ließ nach ursächlichen Zusammenhängen suchen, in der Hoffnung, auf diese Weise einen Anhalt für sein weiteres Vorgehen zu finden. Das Ergebnis lohnte den Aufwand. Es stellte sich heraus, dass fast alles direkt oder indirekt zwei Problemkreise tangierte, die wiederum miteinander korrespondierten.

Der eine war die Massenbewegung, die nach langem, opferreichem Kampf gesiegt und die längst überfällige gesellschaftliche Umwälzung erzwungen hatte, so endlich das letzte Hindernis für die „Große Völkerunion“ beseitigend - nach Platon als Idealstaat „Politeia“ von den Völkern betitelt, dieser Idealvorstellung menschlichen Zusammenlebens - für ihn das wichtigste und bedeutendste Geschehen jener Zeit, verlockend, darüber zu arbeiten.

Sein Thema verwies ihn jedoch auf die Jahrzehnte davor, auf die Zeit der letzten krampfhaften Versuche der Plutokraten, sich die Welt erneut zu unterwerfen, die in dem ungeheuerlichsten Massenmordplan der an Massenmorden wahrlich nicht armen Geschichte gipfelten, jenem „Fliegenden Forschungslabor“ - die Medien hatten es „Löwentatze“ genannt - das sich dann als Sternenkriegsschiff entpuppte, dem anderen Komplex, den ihm der Servant annonciert hatte.

Die vorliegenden Indizien ließen keinen Zweifel daran, dass von dem sagenhaften Kosmosungetüm aus kurzlebige biogenetische Toxine verstäubt werden sollten, die, nur auf den menschlichen Chromosomensatz wirkend - geruchlos, unsichtbar, vor Einsetzen der Wirkung kaum nachweisbar - bei jeder Erdumkreisung auf einem Streifen von mehreren hundert Kilometern Breite jeden menschlichen Organismus ohne vorangehende Krankheitssymptome blitzartig töteten.

Ein teuflischer Plan!

Doch es war den Verantwortlichen gelungen, alles Beweismaterial rechtzeitig zu vernichten, auf das sich die von der Weltöffentlichkeit geforderte Anklage wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit hätte stützen können. Am Ende schien es, als hätten die Völker der Erde nur einen Alptraum gehabt.

Auch heute ließ sich anhand amtlicher Dokumente lediglich beweisen, dass das Sternenkriegsmonstrum für ungeheure Kosten auf dem Mond gebaut worden war, kostspieligstes Kriegsinstrument aller Zeiten, und - eben fertiggestellt - unter dem Druck der sich gerade formierten „Großen Völkerunion“ sogleich wieder abgewrackt werden musste. Und dass beides - Bau und Verschrotten - trotz unmäßigsten Anziehens der Steuerschraube den regionalen Haushalt derart belastet hatte, dass sich die Regierung dieser Region schließlich gezwungen sah, ihre Zahlungsunfähigkeit zu erklären.

Offensichtlich, überlegte Adam, hängt alles Geschehen in jener Zeit mit dem Höhepunkt des Sternenkriegswahnsinns zusammen. Es beeinflusste jeden Bereich des nationalen Lebens, aber dieses Stoffgebiet ist längst gründlich durchforstet und ausgiebig kommentiert, kaum denkbar, dass sich da noch eine vergessene Rosine herauspolken lässt. Was soll’s also?

Allerdings, grübelte er weiter, gilt das mehr für den Gesamtvorgang, hinsichtlich seiner Ursachen und Ergebnisse und deren Folgen. Das Umfeld hat meines Wissens noch niemand beackert. Eigentlich seltsam, dass über ein Projekt, an dem ganze Industrien beteiligt waren, keine Details bekannt geworden sind. Sicher, die Verbrecherchefs hatten die höchste Geheimhaltungsstufe befohlen, und niemand Außenstehender ist an das Unding herangekommen. Die Abwehrmaßnahmen und das Ultimatum der „Großen Völkerunion“ entsprangen einem sehr ungefähren Wissen um die drohende Gefahr, nur den Fertigstellungstermin hatte sie nach durchgesickerten Informationen über Personal- und Materialbewegungen vorausberechnen und dadurch den optimalen Zeitpunkt für ihr Eingreifen abwarten können.

Dennoch, ein derartiges Riesengeschäft kann einfach nicht unbemerkt geblieben sein. Es muss Finanzierungsdebatten gegeben haben, Konkurrenzkämpfe, Korruptionsskandale und Ähnliches, das Auswirkungen auf einen größeren Personenkreis hatte, somit an die Öffentlichkeit drang, ohne indes mit dem Massenmordprojekt in Verbindung gebracht zu werden. Solche Dinge schlagen sich nicht in offiziellen Dokumenten nieder, sondern höchstens in der Medienmakulatur jener Zeit. Wenn Namen genannt und Verbindungen angedeutet wurden, dann in ihr. Wie, wenn er sich einen besonders miesen Typ vornähme, ihm nachspürte, seine dunklen Geschäfte zu entwirren suchte? Vielleicht führte ihn der Bursche auf eine Spur, der zu folgen sich lohnte. Na, und wenn nicht, ein paar themengerechte Beispiele sprängen auf jeden Fall dabei heraus. Also, nahm er sich vor, gehe ich es halt mal von der Seite her an. Probieren geht über studieren. Man wird ja sehen ...

Sein Vorhaben erwies sich als unerwartet bleiern. Skandale und lautstark ausgetragene Wirtschaftskämpfe genug, aber nichts, was auf Differenzen zwischen den Großen schließen ließ. Es schien, als hätten sie ihre Anteile am Löwentatzengeschäft zuvor ausgehandelt und so was wie ein Ad-hoc-Kartell gebildet, dessen Manager dafür sorgten, dass keinerlei Interna durchsickerten. Zwar beschäftigten sich die Publikationen ausgiebig mit Konzernen, Trusts, Banken, doch blieben die sie beherrschenden Personen anonym. Wenn Namen genannt wurden, stellte sich jedes Mal heraus, dass es sich nur um leitende Angestellte handelte, um Ausführende also, die ihm nichts nützten.

Endlich, als er schon erwog, das scheinbar zwecklose Suchen aufzugeben, stieß er auf einen gewissen Arthur T. Homespun, den die Wirtschaftsjournale - aber schon nach dem Scheitern des Monsterprojektes - teils heftig anfeindeten, teils als genialen Selfmademan bewunderten. Es ging dabei um ungewöhnlich erfolgreiche Börsenspekulationen im Zusammenhang mit einem Schrottmonopol.

In Ermangelung eines geeigneteren Vorhabens entschloss sich Adam noch ein paar Tage ans Bein zu binden und wenigstens diesen Homespun unter die Lupe zu nehmen. Er versprach sich nicht viel davon. Ein Außenseiter offenbar, der durch besonders skrupellose Machenschaften auf sich aufmerksam gemacht hatte. Insofern passte er in sein Thema, als Demonstrationsobjekt vielleicht. Und das wäre ja auch schon was.

Nach Tagen mühseligen Suchens schien ihm, er habe wider Erwarten einen glücklichen Griff getan. Nach einer Woche war er sich dessen sicher. Dank der hervorragenden Archivtechnik, die er nun gezielt einsetzen konnte, hatte er in Skandalblättern, deren Daseinszweck offenbar darin bestand, Klatsch zu verbreiten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens durchzuhecheln, einige Notizen entdeckt, giftige Anmerkungen eigentlich nur, denen er unter anderen Umständen, selbst wenn er zufällig auf sie gestoßen wäre, keine Beachtung geschenkt hätte. Die einzelnen Giftspritzer boten nur Details, pikant zwar, aber unbedeutend, doch in ihrer Gesamtheit erhellten sie, dass Homespun den Grundstock zu seinem Vermögen als Makler für Personen in allerhöchsten Regierungspositionen gelegt hatte, wobei der legale Charakter der von ihm im Auftrage dieser Persönlichkeiten betriebenen Geschäfte sehr offen angezweifelt wurde. Diese Beziehungen, hieß es, seien niemals abgerissen, dauerten an, würden nur verheimlicht. Der Griff in die Staatskasse erfolge nach wie vor. Nur Homespun wurde mit Namen genannt, sein Hauptboss figurierte als Mister P. Aus verschiedenen Anspielungen ließ sich jedoch unschwer erkennen, dass es sich um den damaligen Präsidenten der Regional-Regierung handelte, der solcherweise indirekt bezichtigt wurde, sein hohes Amt mit Hilfe Homespuns zur persönlichen Bereicherung zu missbrauchen.

In den seriösen Wirtschaftsblättern, die er daraufhin noch einmal gründlich durchging, fand er nichts, was diesen ungeheuerlichen Vorwurf bestätigte, nur eine beiläufige Bemerkung zu einer von Homespun getätigten Transaktion mit einer Firma, die, wie aus einer anderen Quelle hervorging, daraufhin dem Präsidenten große Summen gezahlt hatte. Man schien daran nichts Anstößiges gesehen zu haben. Auch ein Präsident hat schließlich Vermögen und muss es arbeiten lassen. Dennoch, Homespun war also tatsächlich als Makler des Präsidenten tätig gewesen, angesichts des Rufes, in dem der Börsianer stand, doch recht eigenartig. Bis zu seinem großen Coup hatten die Medien nur selten von Homespun Notiz genommen, doch wenn es geschah, dann in beleidigender Form. Er wurde als Gauner und Bauernfänger charakterisiert, von mehrfachem betrügerischem Bankrott war die Rede, von Bestechung und Erpressung von Juristen und Journalisten, von Unterschlagung und Steuerhinterziehung. Drei Mal hatte er wegen solcher Delikte vor Gericht gestanden und war jedes Mal frei gesprochen worden: wegen Mangels an Beweisen. Man war sich einig darüber, dass ein Mächtiger seine Hand über ihn halten müsse. Wer? Nun, da kam nur einer in Frage ... anders wurde kein Schuh draus.

Alles sprach dafür, nichts dagegen, dass er einen der verborgenen Nervenknoten des damaligen Wirtschaftsgeschehens aufgespürt hatte. Querverbindungen deuteten sich an, Beziehungen zwischen Ober- und Unterwelt, Betrugsmanöver größten Stils, die ihm den Atem verschlugen. Vieles Unerklärliche, unmotiviert Erscheinende im Umfeld des Löwentatzendesasters, an dem Generationen von Wissenschaftlern herumgerätselt hatten, entpuppten sich ihm als logische Konsequenz einer von krankhafter Macht- und Profitgier bestimmten Plutokratenherrschaft.

Seine Idee, im Abhub der Massenmedien zu wühlen, unkonventionell zu arbeiten, eine Methode zu wählen, die Angriffspunkte bot, erwies sich als immer faszinierender. Der öffentliche Weg als Sackgasse? Durchaus möglich, dann muss man entweder umkehren oder es mit einem Trampelpfad probieren. Er hatte es riskiert und war jetzt davon überzeugt, seinem Ziel nahe zu sein.

Er verbiss sich förmlich in seine Arbeit, täglich türmten sich neue Stapel von Archivexponaten auf seinem Schreibtisch und oft vergingen Tage, ehe er wieder einen nützlichen Hinweis fand. Nach und nach wuchs die Zahl der winzigen Puzzlestückchen so weit an, dass er sie, zunächst versuchsweise, zum Bild zusammenfügen konnte. Es blieben noch viele Lücken, doch mit einiger Fantasie ließ es sich bereits erkennen.

Löwentatze

Подняться наверх