Читать книгу Löwentatze - Albert Hurny Mady L. Hurny - Страница 5

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Kapitel III

Einige Zeit schien es, als sei über den Lebensweg der Stella Blayr nichts weiter in Erfahrung zu bringen. Sofern über sie geschrieben oder gesprochen wurde, geschah es im Zusammenhang mit der Katastrophe auf dem Mond: viel patriotische Phrasen, wenig Informatives, keine Fotos. In Adam festigte sich die Meinung, sie sei eines jener überspannten, nach Sensationen gierenden Luxusgeschöpfe, die mit ihrem Leben nichts Vernünftiges anzufangen wussten und sich deshalb in alle möglichen Abenteuer stürzten. Die einigermaßen hübschen machten durch ihren Männerverbrauch von sich reden - wie Stella Blayr offenbar, suchten sich auf diese Weise zu erregen.

Er war schon willens, sich mit dem zu begnügen, was ihm über sie vorlag, da stieß er in der populärwissenschaftlichen Monatszeitschrift „Mysterion“, an deren Inhalt eigentlich nur ihr Anspruch als Verbreiterin wissenschaftlicher Erkenntnisse mysteriös war, auf einen mit bemerkenswerter Sachkenntnis geschriebenen Gedenkartikel für Stella Blayr, der seine Vorstellung über sie ins Wanken brachte.

Aus einfachen bürgerlichen Verhältnissen stammend, hieß es in ihm, der Vater Landarzt, die Mutter Lehrerin, sei sie früh verwaist und bei ihrem Onkel Arthur T. Homespun aufgewachsen, der sie, selbst kinderlos, wie eine eigene Tochter geliebt habe. Ihr Wunsch, Astronomie und Astrophysik zu studieren, habe ihn darum sehr bekümmert, weil Trennung von ihr bedeutend, doch dem Glück seines Mündels habe er nicht im Wege stehen wollen. Nach mit Glanz bestandenem Examen und Assistenten-Zeit an der Wilson-Sternwarte sei sie ans Mondobservatorium berufen worden, wo sie vier Jahre lang als Mitglied einer Arbeitsgruppe an der Auswertung der von kosmischen Sonden übermittelten Daten und Fotos beteiligt gewesen sei. Doch dann habe sich der Gesundheitszustand ihres Onkels bedenklich verschlechtert und sie genötigt, ihre bis dahin ungewöhnlich erfolgreiche Karriere als Wissenschaftlerin aufzugeben, um ihn pflegen zu können. Sie wollte ihm auch nach dessen Gesundung nahe sein, ein Rückfall stand zu befürchten, sie entschloss sich, das Management des „Vereins zum Schutze guter Gene“ zu übernehmen.

Ihr tragischer Tod müsse als Folge ihrer ausgeprägten Verantwortungsgefühle gesehen werden. Sie, die Monderfahrene, habe es als ihre Pflicht empfunden, den von ihr zu patriotischem Dienst unter den lebensfeindlichen Bedingungen des Erdtrabanten aufgerufenen Frauen zur Seite zu stehen. So habe Stella Blayr fast unbemerkt von der Öffentlichkeit eine Tat vollbracht, die ihr für immer einen Platz im Ehrenbuch der Nation sichere.

Verdammt, dachte Adam bekümmert, als er die Schrift aus der Hand legte, die Dame eignet sich kaum als Beispiel einer moralischen Dekadenz; ich kann sie aber als Kontrastfigur verwenden. Etwas Licht lässt den Schatten umso deutlicher hervortreten.

Er suchte nach weiteren Hinweisen und fand tatsächlich in den entsprechenden Jahrgängen der Arbeitsberichte mehrere Hinweise auf sie. Sie war also wirklich Astronomin ... und nicht irgendwo, sondern am berühmtesten Institut der Welt, das unter den qualifiziertesten Wissenschaftlern auswählen konnte. Damals wie heute.

Er fand von ihr verfasste Beiträge, die sich, soweit er das Fachkauderwelsch verstand, mit irgendwelchen Problemen interstellarer Materie befassten.

Im letzten Heft des Jahrganges, in dem sie ihren Job kündigte, stieß er auf das sechs Seiten lange Protokoll einer Disziplinarverhandlung gegen sie. Was er da las, warf einige Flecken auf ihren Charakter.

Es hatte seit längerer Zeit Auseinandersetzungen mit ihr gegeben, weil sie, uneinsichtig, verbohrt geradezu, offenkundige Tatsachen ignoriere, sich darüber hoffnungslos zerstritt, bis schließlich eine weitere Zusammenarbeit unmöglich wurde.

So viel er davon begriff, ging es bei diesem Streit um eine von ihr entwickelte und hartnäckig verfochtene Hypothese, die sich auf Messdaten und Fotos einer außer Kontrolle geratenen Raumsonde stützte und - vereinfacht ausgedrückt - besagte, dass es im Weltall einen Planeten mit den gleichen biologischen Bedingungen wie auf der Erde gäbe.

Aus dem Protokoll ging jedoch hervor, dass die Angaben irreal und durch Defekte an den Apparaturen zustande gekommen waren.

Beobachtungen mit dem Teleskop und andere Untersuchungen hätten bewiesen, was die Kollegen von Anfang an vermutet hatten, dass es in dem von ihr bezeichneten Raumsektor

keinerlei Materie, geschweige denn ein ganzes Sonnensystem, gebe.

Ihre sogenannte Hypothese müsse daher als unwissenschaftlich zurückgewiesen werden.

Niemand stelle in Abrede, hieß es zum Schluss, dass die Kollegin Stella Blayr ausgezeichnete Arbeit leiste, doch nun habe sie sich in eine Idee verrannt, die den Ruf des Observatoriums untergraben könne. Da sie auf ihrem Irrtum beharre, sei man gezwungen, die Konsequenzen zu ziehen. So bedauerlich es sei, im Interesse des Arbeitsklimas, das durch ihr Verhalten schwer gestört sei, halte man es für das Beste, sie löse ihr Arbeitsverhältnis.

Daraufhin hatte sie gekündigt und nicht etwa, wie im „Mysterion“ nachzulesen, wegen ihres erkrankten Onkels. Doch verriet es einiges über den Charakter der Frau: starrköpfig, überheblich und unbelehrbar.

Und dann entdeckte er endlich ein Foto von ihr. Das Wochenmagazin „Lady“, ein Machwerk aus Reklame und Gesellschaftsklatsch, brachte ein ganzseitiges Bild, etwas unscharf zwar - ein Schnappschuss wahrscheinlich -, das eine attraktive junge Dame zeigte, zwei Stunden vor dem Start, wie dem Bildtext zu entnehmen war.

Die ganze Pose bewies starke emotionale Bewegung, das Gesicht geprägt von Tränenspuren im perfekten Make-up.

Adam stutzte. Wie konnte sie, die Monderfahrene, sich wegen ein paar Wochen Aufenthalt auf dem Mond, mehr Zeit war für die Abwrackarbeiten nicht geplant, so echauffieren?

Eigenartig.

Stella Blayr war zweifellos eine schöne Frau, groß und schlank, klare Stirn, dunkle Augen, betonte Jochbeine, das Gesicht umrahmt von rötlichem kurzem Haar. Damals war sie dreiunddreißig, wie er wusste.

Ihm wurde klar, dass es anscheinend nur dieses eine Foto von ihr gab. Weshalb diese Kamerascheu? Eine fotogene Frau wie Stella Blayr ... sollte „Lady“ gewagt haben, das Bild ohne ihr Plazet zu bringen?

Wenig wahrscheinlich, keine Zeitschrift setzt wegen eines unbedeutenden Fotos seine Existenz aufs Spiel ... und Stella Blayr war nicht die Person, die sich so was bieten ließ. Der Redaktion dürfte das bekannt gewesen sein. Demnach müsste sie doch zugestimmt haben, obwohl das ihrem sonstigen Verhalten widerspräche.

Er schlug im Anhang nach: „Das Foto auf Seite 27 wurde veröffentlicht mit freundlicher Erlaubnis von Mr. Homespun.“

Wie das? Wenn jemand, dann kannte ihr Onkel die Marotte seiner Nichte. Hatte ihn die Zeitschrift bestochen? Unsinn. Und nach dem Unglück hatte er ihren Willen doch stets respektiert und kein einziges Foto freigegeben.

Das ließ nur einen Schluss zu: Die Privatsekretärin hatte sich einen Nebenverdienst verschafft, zweifellos wurden Unsummen für ein Foto von Stella Blayr geboten. Für sie war es bestimmt kein Problem, dem viel beschäftigten Chef zwischen zahllosen Routine-Papieren, die er unmöglich alle lesen wollte und konnte, eines unterzumogeln und unterschreiben zu lassen. Dass dieses Foto nie wieder erschien, durfte als Beweis dafür gelten, dass er seinen Fehler bemerkt und korrigiert hatte.

Das lenkte Adams Aufmerksamkeit auf eine weitere befremdliche Tatsache: Auch von keiner der auf dem Mond verunglückten Frauen existierten Fotos.

Die sonst so findigen Reporter vermochten keine alten Familienbilder aufzutreiben - unbegreiflich. Als sei alles, was an diese Frauen erinnerte, systematisch vernichtet worden.

Dieser Drang nach Anonymität war völlig zeituntypisch. Er musste auch wirtschaftliche Folgen nach sich gezogen haben. Denn, gesetzt den Fall, die Erbberechtigten der verunglückten Frauen wären infolgedessen nicht festzustellen gewesen, und es hatte ganz den Anschein, wem wären dann die obligatorischen Lebensversicherungen ausgezahlt worden? Das war jedoch geschehen, enorme Beträge für jedes Opfer - aber an wen?

Im Archiv fanden sich keine detaillierten Unterlagen der Versicherungsgesellschaft für das fragliche Geschäftsjahr, nur für die Jahre davor und danach ... ein Zufall?

Noch ein Zufall?

Adam Zumstein registrierte erstaunlich viele Zufälle im Umfeld der Mondkatastrophe und suchte weiter und entdeckte schließlich Sicherungskopien der Kontenbewegungen der Versicherung während des Unglücksjahres.

Nach den ausposaunten Behauptungen der Gesellschaft, den Erben die fällige Versicherungssumme ausgezahlt zu haben, hätte in den Listen die ausgezahlten Beträge an die Hinterbliebenen zeitgleich als Ausgabe erscheinen müssen. Doch das war nicht der Fall. Stattdessen ermittelte der Servant einen adäquaten Betrag auf dem Konto des Vorsitzenden des „Vereines zum Schutze guter Gene“, diesem Homespun.

Wieso das ...? Sollte Homespun es übernommen haben, dieses Geld an die Erben weiterzuleiten? Darauf gab es nicht den kleinsten Hinweis. Vor dem Dschungel seines Geschäftsgebarens versagte schließlich selbst der Servant. Nicht einen einzigen Empfänger konnte er ausmachen. Sonderbar erschien ebenfalls, dass die Publikationsorgane nichts erwähnten ... wenn jemandem plötzlich so viel Geld zufällt, redet er darüber, die meisten jedenfalls, auch wenn die Auszahlung mit der Auflage einherging, über die Vorgänge Schweigen zu bewahren. Einige wären mit Sicherheit der Versuchung erlegen, sich ihrer Verwandtschaft oder ihrer Freundschaft mit einem Nationalhelden zu rühmen.

Einzige Schlussfolgerung: Niemand hatte das Geld erhalten.

Alles deutete auf eine Unterschlagung großen Stils hin, die sich in die lange Reihe Homespun’scher Betrügereien würdig einreihte.

Obwohl nun eigentlich alles klar zu sein schien, wurde Adam das Gefühl nicht los, als werde das Bild, das sich ihm jetzt von den Ereignissen des Löwentatzen-Crimes bot, zur Mitte hin unscharf. Doch er konnte nicht sagen, woher es rührte. Die einzelnen Puzzlestückchen, die er nach und nach gefunden hatte, ließen sich nur auf die Weise zusammenfügen, wie er es getan hatte. Wahrscheinlich, überlegte er, rührt mein Unbehagen daher, dass gerade in der Bildmitte ein paar leere Flecken geblieben sind. An sich ist das nicht schlimm, weil ja die vorhandenen sieben Zehntel des Bildes dessen Anlage und Struktur so deutlich erkennen lassen, dass die Fehlstellen ohne weiteres nachgezeichnet werden können.

Restauratoren beschädigter Fresken, wie sie gelegentlich unter dem verwitterten Putz alter sakraler Bauten entdeckt werden, stehen vor der gleichen Situation und haben es meist wesentlicher schwerer.

Dennoch fühlte er sich veranlasst, sämtliche Fakten, die als gesichert gelten konnten, noch einmal kritisch unter die Lupe zu nehmen. Er musste sich vergewissern, dass er sie nach menschlichem Ermessen richtig erkannt und interpretiert hatte, bevor er mit der endgültigen Konzeption begann.

Da ist also zunächst dieser skrupellose Gauner Homespun, sinnierte er, der mit Hilfe oder im Auftrage des Präsidenten an der Börse spekuliert und einen Coup landet, der ihn - zusammen mit den aus seinem „Verein zum Schutze guter Gene“ erzielten Gewinnen - fast über Nacht zu einem der reichsten Männer der Region macht.

Unklar bleibt, warum sich die Finanzgewaltigen zur Mitgliedschaft in diesem Verein gedrängt haben, ebenso, welche Bewandtnis es mit dessen ominöser Samenbank hatte. Und weshalb Homespun den Verein einen Tag vor der Katastrophe auf dem Mond auflöste. Ein Typ wie er gibt ein derart lukratives Geschäft nicht grundlos auf - weshalb genau einen Tag vor dem Ereignis?

Nun zu Stella Blayr. Nach ihrem Scheitern als Wissenschaftlerin hat sie sich als Managerin jenes geheimnisvollen Vereins betätigt und gleichzeitig eine Vermittlungsagentur für junge Frauen betrieben, die gewillt sind, auf dem Mond einer nicht näher definierten Tätigkeit nachzugehen, wobei ihr die Einrichtungen des Vereins offenbar voll zur Verfügung stehen, was darauf schließen lässt, dass ihr Onkel die damit verbundenen beträchtlichen Aufwendungen - ein reines Verlustgeschäft doch - zu tragen bereit ist. Dass das aus reiner Anhänglichkeit an seine Nichte geschehen ist, scheint bei einem Profitjäger seines Formats einigermaßen unwahrscheinlich. Vermutlich dürfte ihm der Reklameeffekt so viel wert gewesen sein.

Weniger leuchtet ein, weshalb der von ihr inszenierte Ausflug in die - demi monde? - hauptsächlich akademisch gebildeten Frauen ermöglicht wird. Und warum sie sich ihnen selbst zugesellt. In dem Interview, dem das einzige Bild beigefügt ist, das von ihr existiert, begründet sie ihren Entschluss mit ethischen Grundsätzen: Sie empfände es als zwingende Pflicht, die Arbeit - welche? - ihrer Geschlechtsgenossinnen nach Kräften zu unterstützen.

Klingt gut, kann mich aber nicht überzeugen, befand Adam.

Denn diese ausgesprochen talentierten und gebildeten jungen Frauen drängen sich ja freiwillig - zum Liebesdienst? Sie verschaffte ihnen nur Gelegenheit, ihm zu obliegen, und das hat ihr Gewissen vorher keineswegs belastet.

Ich denke mir, sie hat ebenfalls vom Reklamerummel profitieren wollen. Dafür spricht, dass sie ihre Identität nicht wie die anderen wechselt beziehungsweise geheim hält. Nach der Rückkehr hätte sie allein im Mittelpunkt gestanden. Weshalb aber Jammer und Tränen, als sei es ein Abschied für immer? Um den Effekt zu erhöhen? Dann muss sie eine verdammt gute Schauspielerin gewesen sein. Auf dem Foto wirkt es echt.

Was sie damals nicht ahnen konnte, sie kehrte wirklich nicht mehr zurück. Wochen später ist sie zusammen mit den anderen Frauen umgekommen, nicht ohne eigene Schuld, trotz mehrjähriger Monderfahrung nimmt sie eine Meteoritenwarnung auf die leichte Schulter.

Die amtliche Untersuchungskommission nennt als Verursacher der Katastrophe einen Meteoriten mit nie zuvor und danach beobachteten Eigenschaften und führt das Ausmaß des Unglücks auf diesen zurück. Das bestätigen auch die Observatorien auf der Erde, wenngleich sie übereinstimmend darauf verweisen, dass infolge starker Störungen kurzfristig keine exakte Beobachtung möglich war. Doch die Bahnparameter und Eigenschaften des Unglücksbringers sind erkannt und berechnet worden, die Angaben darüber schwanken zwar, aber nicht so sehr, dass sie Anlass zu Zweifeln geben. Es hat also seine Richtigkeit mit ihm.

Von den Maßnahmen, die nach dem tragischen Ereignis getroffen werden, kann man das nicht ohne weiteres sagen. Der Unglücksort bleibt gesperrt, nur die Rettungsmannschaft, aus dem Rest der im nicht betroffenen Teil der Löwentatzenwerft befindlichen Schrottarbeitern gebildet, kann mit Bergungs- und Aufräumarbeiten beginnen. Die Verantwortlichen berufen sich auf den noch in Kraft befindlichen Vertrag, als man ihnen deshalb Vorwürfe macht, obwohl „Löwentatze“ schon bis zur letzten Metallplatte verschrottet war.

Welche Geheimnisse hätten noch erkundet werden können?

Die Bürokratie scheint die wahre Erbsünde der Menschen zu sein.

Ein Bericht irritiert Adam besonders: Insgesamt wurde dreizehnmal so viel Material zum Mond hintransportiert wie zur Erde zurück, wie ein kluger Reporter ausgerechnet hatte.

Wie das? Die Fachwelt rätselte, ohne der Angelegenheit besondere Bedeutung beizumessen.

Man hatte es eilig, reinen Tisch zu machen. Die Verunglückten sind nur noch anhand der Erkennungsmarken zu identifizieren, ihre unkenntlichen Überreste werden zusammengetragen und chemisch aufgelöst - bis auf ein paar Gramm, die zur symbolischen Trauerfeier in einer Urne zeremoniell zur Sonne expediert werden, wie es die Verblichenen gewünscht haben, als sie bei Vertragsabschluss auf die Gefahren hingewiesen wurden, die das Leben auf dem Mond bedrohen.

Adam ließ sich noch einmal alles durch den Kopf gehen und kam zu dem Schluss, es gebe trotz einiger Ungereimtheiten keinen Anlass, die gewonnenen Erkenntnisse in ihrer Gesamtheit anzuzweifeln.

Sicher haben mich diese merkwürdigen Widersprüche im Verhalten Homespuns und Stella Blayrs irritiert, dachte er. Aus heutiger Sicht erscheinen sie wirklich unerklärlich. Das will aber nicht viel besagen. Es ist ja bekannt, dass damals Profitgier und Reklamesucht unglaublichste Blüten trieben und zu Gaunereien inspirierten, von denen heute niemand mehr begreift, wie jemand auf sie hereinfallen konnte. Eines der großen Probleme meines Fachs: Man findet niemals vollständigen Zugang zur Mentalität seiner Forschungsobjekte, man kann nur vermuten und unterstellen, auf Indizien bauen und läuft immer Gefahr, Unwesentliches für wesentlich zu nehmen ... und umgekehrt. Denkbar, dass genau deshalb vieles scheinbar Widersinnige in deren Handeln transparent würde. Man gewahrte wahrscheinlich Antriebe, geheim, unterschwellig wirksam, keiner Logik zugänglich, in Tiefenschichten wurzelnd, die einen am eigenen Verstand zweifeln ließen.

Menschen bis in die feinsten Verästelungen ihrer Psyche zu erkennen ist unmöglich - selbst bei Nahestehenden bleibt stets ein Rest Ungewissheit, wie erst bei Personen, von denen uns lange Zeiträume trennen - hier müssen wir uns mit objektiven historischen Vorgängen begnügen, mit dem für uns Fassbaren.

Genau das kann ich auch nur tun. Etwas bleibt immer im Dunkeln. Damit muss ich mich abfinden. Was könnte ich aber noch aufspüren? Da ist was, ich sehe es nicht, doch ich weiß es, aber was? ... such weiter, signalisierte etwas eindringlich in ihm.

Er fand keinen Fehler in seinen Überlegungen, alles schien logisch, zwingend im Offensichtlichen, doch wollte das Gefühl, das ihn verunsicherte, nicht weichen.

Unsinn, ermahnte er sich.

Obwohl, kam es nun auf ein paar weitere Recherche-Wochen noch an? Ich stöbere einfach noch ein bisschen, damit die liebe Seele endlich Ruhe gibt, beschloss er.

Löwentatze

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