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Wir bekamen die Daten von Katrina Gintert auf einem Datenträger.

Später, als wir bereits in dem Hotel waren, in dem Dorothea Schneidermann uns für die Nacht eingemietet hatte, schickten wir die Daten über Rudis Laptop nach Quardenburg. Wir hatten in Rudis Zimmer ein provisorisches Büro eingerichtet und ich telefonierte mit Dr. Lin-Tai Gansenbrink, der IT-Spezialistin unseres Ermittlungsteam Erkennungsdiensts.

Glücklicherweise war sie noch an ihrem Arbeitsplatz. Aber bei ihr waren Überstunden nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Und das galt natürlich insbesondere dann, wenn wir zusammen an einem Fall arbeiteten, der diese Tragweite hatte. Ein Attentat auf einen MdB war schließlich alles andere als seine Kleinigkeit.

“Ich habe heute den ganzen Tag die Reaktionen in den einschlägigen sozialen Netzwerken verfolgt”, berichtete sie. “Teilweise habe ich dazu auch die Hilfe von ein paar Kollegen in Anspruch genommen, die über Sprachkenntnisse in Arabisch, Urdu und Persisch verfügen.”

“Und? Sind dabei neue Erkenntnisse zu Tage getreten?”, fragte ich.

“Das weiß ich noch nicht so genau. Die Erkenntnisse verbergen sich ja manchmal in dem zu Grunde liegenden Material und werden erst durch eine eingehende Analyse wirklich sichtbar.”

“Mit anderen Worten: Nichts Neues.”

“Sagen wir es mal so: Ich hätte eigentlich ein anderes Ergebnis erwartet.”

“Wie darf ich das verstehen?”

Lin-Tai hatte durchaus manchmal die Angewohnheit, stillschweigend vorauszusetzen, dass ihr Gegenüber ihre Gedankensprünge mitzuvollziehen vermochte. Und sie setzte dabei auch gewisse Vorkenntnisse einfach voraus, über die in Wahrheit wahrscheinlich nur eine sehr kleine Anzahl von Personen verfügten, die sich sehr profunde Kenntnisse in den Bereichen IT, Mathematik und Statistik erworben hatten. Ich gebe gerne zu, dass ich nicht zu diesem erlauchten Kreis zählte.

“Wenn Terroristen mit islamistischem Hintergrund ein Attentat dieser Größenordnung verüben, dann gibt es ein bestimmtes Reaktionsmuster in verschiedenen sozialen Netzwerken”, erklärte Lin-Tai. “Ich spreche jetzt nicht von Bekenner-Videos und ähnlichem! Die gibt es dann meistens auch. Ich spreche vielmehr von weltweit vernetzten Kreisen, die selbst zwar keine terroristischen Aktionen begehen, die den Tätern aber ideologisch nahestehen. Einige haben sogar mit den Tätern Kontakt. Wir gehen davon aus, dass durch tatsächliche Mitwisser und Mitglieder von terroristischen Gruppen nach Attentaten gezielt Informationen gestreut werden, die dann im Netz später Wellen von Postings auslösen. Oft beginnen diese Posting-Wellen bereits, bevor die traditionellen Medien darüber berichten. Und das Wichtigste! Sie haben mathematische Ausbreitungsmuster, die sich identifizieren lassen, weil ihnen bestimmte Charakteristika eigen sind.”

“Und wie ist die Lage im Fall des Attentats auf MdB Moldenburg?”

“Nichts. Kein Muster. Keine typische Posting-Lawine in den Netzwerken. Ein bisschen nachträgliche Gehässigkeit bei bestimmten Hass-Postern, die dafür bekannt sind. Aber auch da nur in deutschsprachigen Foren.”

“Wie meinen Sie das?”

“Deswegen habe ich ja meine Fremdsprachenbewanderten Kollegen hinzugenommen, da ich mich bei meiner Analyse ungern auf Übersetzungsprogramme verlassen und außerdem gezielt nach bestimmten, in diesen Postings immer wieder benutzten Begriffen suchen wollte.”

“Und?”

“Überall, wo man Arabisch, Urdu oder Persisch spricht, weiß so gut wie niemand etwas vom Tod eines deutschen MdBs. Ausnahmen sind lediglich einige fremdsprachige Communitys in Deutschland. Das ist äußerst seltsam, wenn man voraussetzt, dass MdB Moldenburg einem internationalen Terror-Anschlag zum Opfer gefallen sein soll.”

“Sie zweifeln das an?”

“Wenn ich ehrlich bin, besteht dazu eigentlich kein Anlass. Und es gibt ja auch einige unabweisbare Fakten, die genau in diese Ermittlungsrichtung zeigen.”

“Wie zum Beispiel den Mord an Franz Lutterbeck.”

“Dieser Jurist hat zwar die Anti-Terror-Operationen im Ausland juristisch legitimiert und sich damit sicherlich bei Al-Qaida und Co. keine Freunde gemacht. Aber in seiner Zeit als Staatsanwalt und als Strafverteidiger dürfte er sich auch nicht nur Sympathien auf allen Seiten erworben haben.”

“Sie meinen, es gäbe noch andere, die einen Grund hätten, Lutterbeck umzubringen.”

“Ja.”

“Und gleichzeitig Moldenburg?”

Ich hörte Lin-Tais Seufzen durch das Telefon. “Harry, ich will, Sie nicht von der Theorie abbringen, dass es sich um einen Anschlag von Terroristen handelt, die das tun, weil sie glauben, dadurch ins Paradies zu kommen. Alles was ich Ihnen sagen kann ist folgendes: Verlieren Sie andere mögliche Ermittlungsansätze nicht aus den Augen. Die Netz-Reaktionen sind jedenfalls nicht so, wie es dem mathematischen Muster entspräche. Sowas kommt vor, Harry. Aber eine mögliche Ursache dafür wäre eben auch, dass etwas ganz anderes hinter den beiden Morden steckt.”

“Wie auch immer. Ich habe Ihnen die Personaldaten der Sicherheitsfirma geschickt.”

“Das ist nett. Ich habe heute Mittag bereits die Daten des Catering Service bekommen, der für die Verpflegung der hohen Herrschaften in der Werner Bretzler Halle verantwortlich war. Vielleicht kommt etwas dabei heraus.”

“Ich höre dann wahrscheinlich morgen wieder von Ihnen.”

“Ganz sicher. Machen Sie auch Schluss, Harry. Es fällt selbst am Telefon auf, dass Sie verzweifelt versuchen, ein Gähnen zu unterdrücken.”

“Es beruhigt mich, dass Sie das sagen, Lin-Tai.”

“Wieso?”

“Weil Sie sich irren. Und weil ich auf Grund dieser Tatsache sicher weiß, dass Sie die Kamera meines Smartphones doch noch nicht gehackt haben, sondern sich tatsächlich auf Ihre Ohren verlassen haben.”

“Auf der Kamera Ihres Smartphones sieht man nur Dunkelheit, weil Sie das Gerät gerade ans Ohr pressen, Harry!”, gab Lin-Tai zurück.

Ich beendete das Gespräch.

Rudi hatte unterdessen etwas über die Personen recherchiert, die uns Katrina Gintert in ihrer Mappe als Top-Verdächtige präsentiert hatte.

“Norbert Merendan ist wegen Drogenhandels und Körperverletzung im Gefängnis gewesen. Dort hat er sich der Organisation ‘German Sharia’ angeschlossen und zum Islam bekehren lassen.”

“Das macht ihn noch nicht zu einem Terroristen. Was ist ‘German Sharia’ für eine Organisation?”

“Die verstehen sich als eine Art deutscher Arm von Terrornetzwerken wie Al-Qaida. Zumindest hat sich die Organisation dorthin entwickelt. Als Merendan ihr beitrat scheint der Schwerpunkt von ‘German Sharia’ noch etwas anders gewesen zu sein…”

“Gefangenenseelsorge?”

“So kann man das nennen. Aber die Gruppe hat sich in eine bestimmte Richtung entwickelt und gilt heute als ein Sammelbecken für radikale Hassprediger.”

“Wo ist dieser Merendan jetzt?”

“Er hat seit kurzem hier in Wismar eine Adresse. Seit er bei Katrina Gintert vor zwei Wochen einen Job fand.”

“Wir sollten ihn zumindest mal befragen.”

“Falls er noch hier ist, Harry. Andererseits könnte gerade das die beste Tarnung des Täters sein. Wenn er sich gleich nach dem Attentat davongemacht hätte, wäre man vermutlich gleich auf ihn aufmerksam geworden.”

Ich sah auf die Uhr. “Ist zwar ein bisschen spät für einen Besuch, aber bevor er uns durch die Lappen geht…”

Atemlose Spannung für den Urlaub: Vier Krimis: Krimi Quartett

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