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Sie fuhren durch die Athener Innenstadt, um das Polizeihauptquartier zu erreichen. Nach einer zwanzigminütigen Fahrt hielt der Wagen am Straßenrand. Der Polizist, der neben dem Fahrer saß, sprang heraus und öffnete die hintere Tür.

Im Nu war der Patrouillenwagen von einer größeren Menschenmenge umgeben, die neugierig die beiden Verhafteten anstarrten, als sie in Handschellen ausstiegen. Sie standen vor der erleuchteten Fassade des Athener Polizeihauptquartiers.

Hinter dem ersten Wagen bremste mit kreischenden Reifen das zweite Auto. Ein Polizist stieg aus und versuchte, den verletzten Südländer aus dem Wagen zu ziehen, aber der Verwundete sträubte sich mit Händen und Füßen. Er stemmte die Füße gegen den Vordersitz und schien sich lieber den Arm abreißen lassen zu wollen. Die Handschellen schnitten tief in sein Gelenk. Er stöhnte und stieß Schmerzenslaute aus. Eine unerklärliche Angst schien in ihm zu sitzen und ihn mit ihren Klauen hin und her zu schütteln.

„Was ist mit ihm los?“, fragte Karim seine Schwester leise, die neben ihm stand.

„Er hat Angst. Deshalb will er den Wagen nicht verlassen.“

„Vor was fürchtet er sich?“, fragte Karim. „Und woran erkennst du das?“

„Ich brauche nur in sein Gesicht zu sehen. Er hat große Angst.“

„Vor der Polizei? Die haben hier wohl ziemlich unangenehme Methoden, jemanden zum Sprechen zu bringen.“

Selma zuckte mit den Schultern und schwieg. Die Kette der Handschellen klirrte an ihren Gelenken.

Endlich gelang es zwei Polizisten, den Verletzten aus dem Streifenwagen zu zerren. Er stand gebückt da und seine Blicke flogen wie gehetzt umher, als suchte er etwas.

„Los, kommt mit!“, befahl ein Polizist und fasste Karim am Arm, um ihn zum Portal hinüberzuziehen, vor dem zwei Posten, jeder mit einer Maschinenpistole in der rechten Hand, standen.

Sie waren noch keine zehn Schritte weit gekommen, als sich hinter ihnen Geschrei erhob.

Karim fuhr herum. Dort, wo der zweite Streifenwagen stand, hatte sich eine dichte Menge von Menschen zusammengeballt. Irgendetwas schien dort vorzugehen. Was es war, konnte Karim nicht erkennen.

Die beiden Posten mit den Maschinenpistolen drängten sich durch die Menschen. Schlagartig wurde es still. Die Menschenmenge wich zurück und eine Gasse öffnete sich. Karim hatte einen freien Blick auf das Geschehen.

In der Mitte des Menschenhaufens lag der verletzte Gefangene auf der Erde. Sein Körper bäumte sich in wilden Zuckungen auf. Einer der Polizisten kniete neben ihm auf der Erde. Der Südländer rang keuchend und stöhnend nach Atem. Sein Gesicht war bläulich verfärbt, die Augen waren verdreht und seine Lider flatterten. Der Mund war weit geöffnet. Ein leichter, bittermandelähnlicher Geruch war wahrzunehmen.

„Schnell!“, schrie einer der Wachtposten. „Er braucht einen Arzt. Es muss eine Vergiftung sein. Los, beeilt euch und ruft einen Krankenwagen!“

Während der Gefangene weggebracht wurde, ergriff ein Polizist den Arm von Karim und zog ihn in Richtung des Hauptportals.

„Man hat den Gefangenen mit Zyanid umgebracht“, sagte Karim und blickte einem Polizisten direkt in die Augen.

„Wenn ich etwas von Ihnen wissen will, werde ich Sie fragen“, erklärte der Polizist zornig. „Kommen Sie mit!“

Es hatte keinen Sinn, sich mit ihm zu streiten. Er folgte ihm zusammen mit Selma. Ein Lift brachte sie in das zweite Stockwerk des Hauptquartiers hinauf.

Während der Polizist an eine Tür klopfte und in dem dahinterliegenden Raum verschwand, saßen die Geschwister auf einer rohen Holzbank unter Bewachung.

„Der Bursche wurde beseitigt, Karim“, flüsterte Selma. „Er sollte an einer Aussage gehindert werden.“

„Wir müssen vorsichtig sein, Selma.“

„Und wie reagieren wir, wenn wir nach unseren Namen gefragt werden?“

„Wir sind syrische Flüchtlinge, auf dem Weg nach Deutschland.“

Selma nickte nachdenklich. Die Tür quietschte in den Angeln und der Polizist kam zurück. Er machte eine missmutige Kopfbewegung.

„Kommissar Laskari möchte Sie sprechen“, murmelte er. „Sie sollen reinkommen.“

„Einer mit so viel Höflichkeit vorgebrachten Einladung können wir nicht widerstehen“, sagte Selma sarkastisch und die Geschwister betraten hintereinander das Büro des Kommissars.

Laskari war ein Mann, der jedes Alter zwischen dreißig und fünfzig Jahren haben konnte. Er hatte ein schmales, intelligentes, blasses Gesicht mit tiefliegenden Augen. Sein Mund war schmallippig. Das schüttere, ergraute Haar hatte er zurückgekämmt.

Er stand auf, als die Geschwister eintraten. Sein Gesicht sah etwas übernächtigt aus. Die Schreibtischlampe brannte und verbreitete ein dumpfes, die Augen schmerzendes Zwielicht.

„Nehmen Sie den beiden die Handschellen ab“, befahl der Kommissar dem Polizisten, der hinter Karim stand.

Der Mann öffnete mit einem kleinen Schlüssel die Schlösser und nahm den Geschwistern die Handschellen ab. Karim rieb sich die Handgelenke, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen.

„Sie können sich setzen“, sagte der Kommissar und gab dem Polizisten ein Zeichen, dass dieser den Raum verlassen sollte. Er wartete, bis der Uniformierte die Tür von außen verschloss.

„Sie sind natürlich ab sofort wieder auf freiem Fuß“, sagte Laskari. „Ich muss mich im Namen unserer Beamten bei Ihnen entschuldigen, aber ich wurde leider zu spät über Ihr Eintreffen in Athen informiert.“

„Von wem informiert?“, fragte Karim verwundert.

„Es geschieht nichts in meiner Stadt, ohne dass ich darüber informiert werde.“

„Aber ...“

Der Kommissar lächelte. „Ich hatte vor wenigen Minuten ein Gespräch mit Prinzessin Targunitoth ...“

„Mit der Prinzessin?“, unterbrach Karim erstaunt.

„Ja. Ich wurde über den Grund Ihres Aufenthaltes in Athen informiert“, antwortete Laskari.

„Aber ich dachte, die Prinzessin ist bei einer Ratsversammlung in Syrien!“

„Ja, das ist sie auch.“

„Wie konnten Sie dann mit der Prinzessin sprechen?“

Der Kommissar blickte Karim leicht verwirrt an. „Sie haben schon von der Erfindung des Telefons erfahren, junger Mann?“

„Ja, klar!“

„Na, sehen Sie. Ich habe mit der Prinzessin per Handy telefoniert“, sagte Laskari.

„Die Prinzessin hat ein Handy?“, meinte Karim verwundert.

„Wollen Sie mich jetzt verarschen?“ Die Augen des Kommandeurs zogen sich zu schmalen Strichen zusammen.

„Nein ... äh, warum?“

„Ihre Fragen lassen den Eindruck entstehen!“

„Das tut mir leid. Es lag nicht in meiner Absicht, Sie zu beleidigen. Aber es verwirrt mich alles.“

„Was genau meinen Sie?“

„Dass die Prinzessin ein Handy hat.“

„Gibt es denn heutzutage noch jemanden, der kein Handy besitzt?“, fragte Laskari.

„Fast jeder Mensch, der in der zivilisierten Welt lebt, besitzt ein Handy. Aber meines Wissens ist die Prinzessin kein Mensch, sondern eine Dämonin, oder?“

„Da haben Sie recht, junger Mann. Aber die Prinzessin bewegt sich frei zwischen den Welten. Wenn sie sich im Reich der Menschen aufhält, benutzt sie selbstverständlich ein Handy, um ständig erreichbar zu sein. Die Kommunikation in der Unterwelt findet auf eine andere Weise statt.“

„Dann könnte ich jetzt die Prinzessin anrufen?“, wollte Karim weiter wissen.

„Wenn Sie die Handy-Nummer der Prinzessin haben, dann könnten Sie das tun.“

„Ich kenne die Nummer aber nicht.“

„Dann wird Ihnen das Vergnügen versagt bleiben“, meinte der Kommissar schmunzelnd.

„Aber Sie könnten mir die Handy-Nummer der Prinzessin geben, oder?“

„Ja, das könnte ich.“

„Aber?“

„Das werde ich nicht tun. Wenn die Prinzessin gewollt hätte, dass Sie ihre Nummer haben, dann hätte sie Ihnen diese selbst gegeben.“

„Aber wenn ich etwas Wichtiges zu sagen hätte?“

„Dann sagen Sie dieses Ihrem Kontaktdämon – in Ihrem Fall wäre das Fürst Labolas, der Ihre Informationen weiterleitet.“

„Aber ...“

„Jetzt reicht es aber mit dem Handy-Thema“, unterbrach Selma die Unterhaltung. „Es gibt wohl Wichtigeres zu besprechen, oder?“

„Was meinst du?“, fragte Karim.

„Mich würde zum Beispiel interessieren, warum ein Kommissar der Athener Polizei mit Prinzessin Targunitoth telefoniert.“

„Stimmt“, meinte Karim und kaute an der Unterlippe. „Würden Sie uns das bitte erklären, Kommissar?“

„Normalerweise müsste ich jetzt sagen, dass Sie hier keinerlei Wünsche oder Forderungen zu stellen haben. Sie sind ein syrischer Flüchtling ohne Rechte! Aber Ihr Fall ist anders gelagert. Die Prinzessin hat mir befohlen, Sie vollständig zu unterstützen und jede Ihrer Fragen zu beantworten, warum auch immer.“

Der Kommissar blickte von Karim zu seiner Schwester und anschließend wieder zurück.

„Ich bin ein Vasall der Prinzessin. Meine Loyalität liegt zu einhundert Prozent im Haus der Nekromanten, deren Herrin die Prinzessin ist.“

„Sie sind ein Dämon?“, fragte Karim erstaunt.

„Ja.“

„Aber ... äh, ja ... äh, Sie sind doch Kommissar der Athener Polizei.“

„Richtig.“

„Wie passt das zusammen?“

„Sie scheinen unzureichend informiert worden zu sein, junger Mann“, meinte Laskari.

„Das mag möglich sein, aber dem Missstand könnten Sie Abhilfe leisten.“

„Richtig, ja, das könnte ich.“

„Dann erklären Sie es mir bitte.“

„Sehr viele Dämonen halten sich in der Welt der Menschen auf. Übrigens auch Engel und Götter.“

„Und die arbeiten bei der Polizei?“

„Das wiederum kann ich nicht beantworten, aber ich kann sicher sagen, dass viele wichtige Positionen, insbesondere in der Politik und dem Militär, von Dämonen oder Engeln besetzt sind.“

„Warum?“

„Die Menschen sind wie große Kinder, nicht selbst in der Lage, die Welt verantwortungsvoll zu regieren. Das Streben der Menschen liegt zu stark in den eigenen Bedürfnissen begründet. Sie brauchen Führung.“

„Und wer entscheidet das?“

„Da haben Sie einen wunden Punkt angesprochen. Das Gleichgewicht ist nicht mehr vorhanden. Die Vorstellungen der Dämonen sind unterschiedlich, außerdem haben die Engel völlig andere Pläne.“

„Klingt nach Chaos“, meinte Selma.

„Da haben Sie teilweise recht, junge Dame. Dies ist auch ein Grund, warum derzeit so viel Hass, Krieg und Angst die Welt der Menschen regieren.“

„Könnten Sie uns das bitte ausführlicher erklären.“

„Ich werde es versuchen“, sagte der Kommissar. „Sie kennen die Reiche, die sich direkt unter der Welt der Menschen befinden?“

„Es wurde uns von Labolas kurz erklärt, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich alles richtig verstanden habe.“

„Ich werde es nochmals kurz beschreiben. Also: Es gibt den Abyssos, die Unterwelt, die direkt unter der Welt der Menschen liegt. Der König vom Abyssos ist Baal, dessen Tochter, die Prinzessin Targunitoth, Sie bereits kennen. Direkt unter dem Abyssos liegt die Hölle, die sich in vier Reiche aufteilt. Das Reich des Südens und des Feuers wird von Satan, dem Gott der Hölle, selbst regiert. Das Reich des Ostens und der Luft wird von Luzifer beherrscht. Das Reich des Westens und des Wassers wird von Leviathan regiert und das Reich des Nordens und der Erde von Belial.“

„Und woher kommen nun die Probleme?“

„König Leviathan ist ein sehr machtgieriger und selbstbewusster Herrscher. Der Hohe Rat befürchtet, dass Leviathan die Weltherrschaft anstrebt. Sein erstes Ziel scheint das Reich des Ostens zu sein.“

„Dann legt sich der König des Westens mit Luzifer an?“

„Ja, so vermutet es der Rat“, antwortete der Kommissar. „Leviathan scheint es auf das Reich des Ostens abgesehen zu haben.“

„Aber ... äh ... ich meine ... dort regiert doch Luzifer!“

„Ich verstehe nicht, was Sie meinen.“

„Luzifer ist doch der mächtigste Dämon! Keiner kann sich mit ihm anlegen!“

„Ach ja? Woher wollen Sie das wissen?“

„Äh ... ich habe in Büchern und dem Internet ...“

Der Kommissar unterbrach Karim mit einer abwertenden Handbewegung.

„Vergessen Sie alles, was Sie aus Büchern und dem Internet wissen. Diese Informationen dienen nur dazu, die Menschen zu beeinflussen und gefügig zu machen. Menschen dürfen nicht denken, sondern nur arbeiten!“

„Aber ...“

„Ich möchte nicht mit Ihnen streiten, aber ich kann Ihnen die Worte sagen, die der Herr des Westens verlauten ließ: Die Menschen sollen zu dumm zum Begreifen, aber klug genug zum Arbeiten sein.“

„Das klingt nach typisch westlicher Arroganz. Aber sich gleich mit Luzifer anlegen?“

„Luzifer ist ein gefallener Engel. In seinem Innersten ist er ein kleiner Junge, der Spaß an Streichen hat. Er kümmert sich nicht um sein Reich, sondern treibt sich in der Welt der Menschen herum.“

„Und diese Abwesenheit nutzt Leviathan aus?“, erkundigte sich Karim.

„Ja, der Osten brennt, wie Sie aus Ihrer Heimat Syrien am besten wissen. Es liegt im Interesse der Leviathane – das sind die Vasallen von König Leviathan -, dass sich diese Brände ausbreiten. Die Kriege im Osten werden nicht enden, solange sich Luzifer nicht mehr um sein Reich kümmert.“

„Der Herr des Westens will mehr als nur den Osten?“

„Ja. Er möchte alle Reiche! Leviathan ist sehr ehrgeizig. Als Nächstes wird er den Norden instabil machen. Der Norden ist noch zu stark für einen direkten Angriff, daher wählt er einen subtileren Weg.“

„Welchen?“

„Er sorgt für eine Flüchtlingswelle in den Norden, und er wird auch dafür sorgen, dass sich die Nordvölker gegen die Flüchtlinge erheben und sich freiwillig dem Herrn des Westens anschließen werden.“

„Die Kriege im Osten und die derzeitige Flüchtlingswelle ist eine geplante Aktion?“

„Ja, durch den Herrn des Westens.“

„Aber das ist doch gefährlich!“

„Das Streben nach Macht ist immer gefährlich, junger Mann.“

„Warum reagiert Luzifer nicht auf diesen Angriff?“

„Das kann ich nicht sagen. Keiner weiß, wo sich Luzifer derzeit aufhält oder wie seine Pläne sind.“

„Was sagen die anderen Könige dazu?“

„Belial ist der König des Nordens und der Erde. Er wird demnächst Prinzessin Targunitoth heiraten und scheint ziemlich verliebt zu sein. Alles andere, als endlich die Prinzessin in sein Bett zu bekommen, scheint ihn nicht zu interessieren.“

„Ja, und? Liebe ist doch wundervoll“, meinte Selma.

„Liebe macht nachlässig und verwundbar. Belial überlässt die Regierungsgeschäfte seinen Fürsten.“

„Und das ist nicht gut?“

„Die Fürstin aus den mittleren Nordlanden, dem Gebiet, das in der Welt der Menschen als Deutschland benannt ist, hat sich mit dem Herrn des Westens verbündet und unterstützt dessen Pläne, die Länder des Nordens mit Flüchtlingen zu überfluten. Andere Fürsten halten nichts davon, daher ist der Norden uneinig. Dies nützen die Leviathane aus.“

„Die Welt der Menschen ist aus dem Gleichgewicht, weil der Herr des Ostens den kleinen Jungen spielt und der Herr des Nordens verliebt ist?“, rief Selma verwundert.

„Klug kombiniert, junge Frau“, stellte der Kommissar fest.

„Aber was sagt der Herr des Südens dazu?“, fragte Karim. „Warum stoppt Satan die hinterlistigen Angriffe des Westens nicht?“

„Satan ist der König aller Könige! Mir sind seine Gedankengänge nicht bekannt. Vielleicht amüsiert er sich darüber, vielleicht macht er Urlaub oder treibt sich im Bett einer Menschenfrau herum.“

„Aber ...“

„Entschuldigen Sie meine Wortwahl, junge Frau. Aber Satan ist ein sehr lustgesteuertes Wesen.“

„Dann möchte ich mal zusammenfassen“, begann Karim. „Belial, der Herr des Nordens, ist verliebt. Luzifer, der Herr des Ostens, spielt als kleiner Junge Streiche. Und Satan, der Herr des Südens, hurt sich durch Frauenbetten. Und diese Situation versucht der Herr des Westens auszunutzen, um die Weltherrschaft zu erringen. Habe ich das in etwa richtig zusammengefasst?“

„Ja, das trifft ziemlich den Kern.“

„Dann würde mich noch interessieren, wie Baal, der König des Abyssos auf dieses Chaos reagiert.“

„Durch ständige Sitzungen, Beratungen und Friedensvorschläge.“

„Die jedoch keinen interessieren, oder?“

„Sieht so aus, ja. Der Herr des Westens hat kein Interesse an Frieden, sondern nur an Krieg und Macht. Die anderen Könige sind zu hochmütig und egozentrisch, um auf die Vorschläge von König Baal einzugehen.“

„Und welche Rolle soll in diesem Chaos nun Ares spielen? Es hat doch sicher eine Bedeutung, dass er den Hades genau zu diesem Zeitpunkt verlassen hat, oder?“, wollte Karim wissen.

„Hier können wir auch nur Vermutungen anstellen. Ares ist der Gott des Kriegsgemetzels. Er liebt Streit, Blutbäder und Mordgetümmel. Für welche Seite könnte er wohl von Nutzen sein?“

„Für den Herrn des Westens!“

„Das ist auch die Vermutung des Hohen Rates. König Leviathan braucht eine Speerspitze, einen Anlass, einen Grund für seinen Krieg. Er wird Ares dafür einsetzen, einen Krieg in den Reichen des Ostens und Nordens zu beginnen. Sollte es schiefgehen, hat er einen Sündenbock. Er würde alles auf den Gott Ares schieben und sich selbst aus der Schusslinie nehmen.“

„Das wäre ein geschickter Schachzug!“

„Leviathan ist nicht nur machtgierig, sondern auch sehr clever. Ihr dürft den Herrn des Westens nie unterschätzen! Und mit der Fürstin von Griechenland hat Leviathan eine mächtige Verbündete gefunden.“

„Hat der Hohe Rat eine Vorstellung, wie es Leviathan schaffen könnte, Ares für seine Zwecke zu gewinnen?“

„Er wird sich seiner Lust nach Krieg und Zerstörung bedienen. Ares war sehr lange im Hades eingesperrt. Er wird danach dürsten, wieder in eine Schlacht ziehen zu dürfen. Sollte das nicht klappen, wird Leviathan sich der Liebe von Ares zu Aphrodite und seinen Kindern bedienen. Die beiden Götter haben fünf gemeinsame Kinder. Wo sich diese aufhalten, ist unbekannt. Vielleicht hat Leviathan die Kinder in seiner Gewalt und damit ein Druckmittel gegen Ares?“

„Aber wie können wir diesen Irrsinn stoppen?“

„Wir müssen verhindern, dass Ares sein Kriegsschwert bekommt. Außerdem würde es nichts schaden, sich mit Aphrodite zu unterhalten. Sie könnte Ares kontrollieren und besänftigen.“

„Hat Aphrodite auch eine Handynummer? Wir könnten die Göttin doch anrufen“, meinte Karim ironisch.

„Ich gehe davon aus, aber ich kenne ihre Nummer nicht.“

„Das sollte ein Spaß sein“, meinte Karim.

„Das dachte ich bereits, aber Aphrodite wird sicher ein Handy besitzen, wenn sie auf der Erde wandelt.“

„Die Göttin treibt sich auch bei den Menschen herum?“

„Natürlich. Aphrodite ist eine sehr lustvolle Frau. Die Menschen würden sie als Nymphomanin bezeichnen, die Götter sehen sich jedoch nur als lustvolle Wesen an.“

„Sie sucht auf der Erde ... äh ...“

„Nach ständig wechselnden Liebhabern“, ergänzte der Kommissar.

„Na klasse. Wir sollen einen kriegswütigen Gott suchen, und dabei helfen kann uns seine nymphomanisch veranlagte Geliebte. Und wenn wir das tun, bekommen wir sicher Ärger mit König Leviathan, der Ares für seine eigenen Ziele missbrauchen möchte.“

„Ja.“

„Das ist aber eine große Aufgabe, nicht wahr?“

„Langsam scheinen Sie zu erkennen, warum Sie sich gerade zu dieser Zeit in Griechenland aufhalten. Die Prinzessin sagte mir, dass Sie über eine besondere Gabe verfügen, richtig?“

„Ja.“

„Welche ist das in Ihrem Fall?“

„Ich kann den Abyssos und die vier Reiche der Hölle betreten und wieder verlassen.“

„Und Ihre Schwester?“

„Sie kann die Welt der Geister betreten und wieder verlassen.“

„Mit diesen Gaben können Sie viel bewirken!“

„Das macht mir Angst.“

„Das sollte es auch, denn dadurch bleiben Sie in jeder Sekunde aufmerksam und vorsichtig. Aber Sie haben Unterstützung, denn es gibt viele Wesen, die nicht mit dem Streben des Westens nach Macht einverstanden sind.“

„So wie die Prinzessin Targunitoth?“

„Ja, die Tochter von Baal, die Herrin aller Nekromanten, möchte das Gleichgewicht zurück. Das Streben von Leviathan nach der Weltherrschaft zerstört den Frieden.“

„Und die Prinzessin möchte Frieden?“

„Ja.“

„Warum?“

„Sie hat ein friedvolles Herz und eine fast völlig geläuterte Seele. Außerdem möchte die Prinzessin heiraten und eine Familie gründen.“

„Nach meinen Informationen hat die Prinzessin bereits einige Kinder und somit eine große Familie.“

„Jeder König oder Fürst hat eine Vielzahl von menschlichen Bastarden. Das ist aber etwas anderes!“

„Ach ja?“

„Sie sind noch jung.“

„Aber ...!“, fauchte Karim.

„Lass es gut sein, Bruder“, meinte Selma und strich Karim über den Arm. „Wir haben schon genug Probleme und sollten froh darüber sein, dass uns der Kommissar unterstützt.“

„Ihre Schwester hat recht. Wir sollten die aktuellen Probleme besprechen. Wir müssen Ares oder sein Kriegsschwert finden.“

„Das Boot ...“

„Ja“, erwiderte der Kommissar. „Ich hatte die gleichen Informationen, dass an Bord dieses Bootes das Schwert sein sollte. Leider explodierte es, bevor wir es stürmen konnten.“

„Und das Schwert?“

„Darüber kann ich nur Vermutungen anstellen. Ich schätze, jemand an Bord ist mit dem Schwert geflohen und hat, um seine Flucht zu tarnen, das Boot gesprengt.“

„Dann könnte es sein, dass sich das Schwert in Athen befindet?“

„Ja, so glaube ich.“

„Und wie finden wir das Schwert?“

„Der dämonische Statthalter von Athen, ein treuer Vasall von König Leviathan, ist Thaz Laraanji. Wir müssen ihn beobachten, vielleicht führt er uns zum Versteck des Schwertes. Es ist ein dürftiger Vorschlag, aber wir haben keine andere Wahl.“

„Wissen Sie, wer am Hafen auf uns geschossen hat?“

„Vermutlich werden Sie beobachtet, seit Sie sich in Athen befinden. Den Schergen von Leviathan entgeht nur sehr wenig, und als diese sahen, dass sie das Boot entdeckt hatten, bekamen sie den Befehl, sie zu töten.“

„Was ist mit dem Burschen geschehen, den ich angeschossen habe?“

„Er wurde ermordet, bevor wir ihn zu einer Aussage bringen konnten“, antwortete Laskari.

„Wer hat ihn getötet?“

„Ich habe meine besten Männer beauftragt, hier zu ermitteln. Außerdem verfolgt Fürst Labolas eine Spur.“

„Sie befinden sich mit Labolas in Kontakt.“

„Ja.“

„Wie?“

„Per Handy.“

„Labolas hat ein Handy?“

„Natürlich, das besprachen wir doch bereits. Jeder Dämon, der sich in der Welt der Menschen bewegt, besitzt ein Handy.“

„Hat Labolas etwas herausfinden können?“

„Nein, noch nicht. Daher ist es schade, dass dieser Kerl tot ist. Ich versuche schon sehr lange, einen Mann aus dem engeren Kreis von Thaz Laraanji in die Hände zu bekommen. Aber bisher ist es uns noch nie gelungen, einen lebenden Zeuge zu fangen.“

„Hatte der Bursche etwas in den Taschen? Vielleicht hilft uns das weiter.“

„Nicht sehr viel. Ein Päckchen Zigaretten, Streichhölzer, einen leeren Umschlag aus irgendeinem Restaurant, einen Schlüssel, der zu jeder Tür in Athen passen könnte, und eine Pistole mit einem selbstgebauten Schalldämpfer.“

Der Kommissar hob eine kleine Schachtel von einem Aktenablagekörbchen und hielt sie den Geschwistern entgegen. Karim nahm mit spitzen Fingern die Packung Streichhölzer heraus und drehte sie zwischen den Fingern. Kein Aufdruck.

In dem Augenblick, in dem er die Streichhölzer zurücklegen wollte, sah Karim etwas: Auf der Rückseite schien etwas eingeprägt zu sein; es war jedoch kaum zu erkennen. Unauffällig hielt er es so in der Hand, dass das Licht der Schreibtischlampe schräg auf die glatte Rückseite fiel und dadurch die haarfeinen Schatten der einzelnen Linien deutlicher hervortreten ließ. Zweifellos war es eine Adresse.

Es sah so aus, als hätte jemand sich eine Adresse auf ein Blatt Papier notiert und das Streichholzpäckchen als Unterlage benutzt. Beim Schreiben hatte sich Buchstabe um Buchstabe in den Karton eingeprägt. Wenn man es nur richtig hielt, konnte man die Buchstaben einigermaßen entziffern.

Karim las: Café Melina, Lisiou 22, Athina

Scheinbar gleichgültig warf er das Päckchen zurück in den Karton zu den anderen Sachen. Warum er dem Kommissar nichts von der Entdeckung erzählte, konnte er sich selbst nicht erklären. Es war eine innere Eingebung, dem Mann vorerst nicht zu vertrauen.

„Und wo beginnen wir mit unserer Suche?“, fragte Selma.

„Ich habe in der ganzen Stadt meine Männer positioniert. Ich kenne jeden Schlupfwinkel, wo sie verborgen sein können. Wir überwachen diese Orte, insbesondere nach verdächtigen Aktivitäten oder zusätzlicher Bewachung, denn das wäre ein Zeichen, dass dort etwas versteckt wird.“

„Wie zum Beispiel das Schwert.“

„Ja. Darauf müssen wir warten und dann schlagen wir los!“

„Und was sollen wir zwischenzeitlich machen?“

„Sie warten im Hotel. Wenn ich einen verdächtigen Ort kenne, informiere ich Sie.“

„Sind wir bei einem Einsatz dabei?“

„Ja und nein. Es kommt darauf an, wie gefährlich dieser Einsatz ist. Die Prinzessin hat mir den Befehl erteilt, über Ihr Leben zu wachen. Also kann ich das nicht bei einem Einsatz gefährden. Aber ich werde Sie brauchen, denn durch Ihre Gaben werden Sie unverzichtbar sein.“

„Also heißt es warten?“

„Ja.“


Im Zeichen des Ares

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