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13. März

Der Tote hieß Robert Schwarz, war sechsundzwanzig Jahre alt und stammte aus einem kleinen Ort in Brandenburg. Ledig, keine Kinder, technischer Mitarbeiter eines mittleren Unternehmens in der Spezialdiagnostik. Weshalb sein Leichnam im Duvenstedter Brook gefunden worden war und ob er einen Bezugspunkt zu den Walddörfern gehabt hatte, wussten die Ermittler bislang noch nicht – und falls doch, so hielten sie es vorerst zurück.

Die gerichtsmedizinische Obduktion hatte ergeben, dass Schwarz von hinten durch einen Schlag mit einem Sparten getötet worden war, dessen Kante einen tiefen Spalt in die Schädeldecke getrieben hatte. Brüche von Zungenbein und Kehlkopf sowie Male am Hals verrieten, dass er nach dem Hieb gewürgt worden war, um sicherzustellen, dass er auch tatsächlich tot war. Außerdem hatte die Spurensicherung festgestellt, dass der Tote von lediglich einer Person von der Straße zu der rund fünfzig Meter entfernt gelegenen Fundstelle getragen worden war – eine stolze Leistung, denn immerhin hatte Schwarz bei einer Körperlänge von knapp einen Meter neunzig rund achtundachtzig Kilogramm gewogen. Auf dem Weg zurück zur Straße, wo vermutlich ein PKW abgestellt worden war, waren die auf dem Hinweg hinterlassenen Fußabdrücke weitestgehend unkenntlich gemacht worden. Offen blieb die Frage, wann all dies geschehen war. Während der Dunkelheit war es kaum möglich, denn dann konnte man im Duvenstedter Brook nicht die Hand vor Augen sehen. Ebenso war es nahezu unmöglich, am helllichten Tag einen Toter tief in das offenes Feld hinein zu tragen, ohne dass es jemand mitbekam.

»Schreckliche Sache«, sagte Klaus Anger. Er setzte die Lesebrille ab, faltete das Boulevardblatt zusammen und schob es in die Außentasche seiner Jacke, die über der Rückenlehne des Stuhls hing, auf dem er saß. Anger war ein Jahr älter als Bergmann. Die beiden Männer kannten sich seit Jahrzehnten.

Bergmann leerte das Glas Bier, zu dem Anger ihn in die ganztägig geöffnete Gaststätte eingeladen hatte. Es war kurz nach elf Uhr am Vormittag.

»Noch eins?«, fragte Anger.

Bergmann schüttelte den Kopf. Seitdem er blutverdünnende Tabletten einnehmen musste, trank er gezwungenermaßen nur noch wenig Alkohol.

Anger fragte: »Was ist los? Du bist gedankenversunken.«

»Nein, eher grübelnd. Ein paar Dinge passen nicht zusammen, es ergibt sich kein klares Bild. Laut Kriminalaktennachweis wurde über den Toten keine Polizeiakte geführt. Der Junge war so sauber wie ein frischgebadetes Baby. Dennoch halten die Bullen Informationen über ihn zurück, etwa sein versteiftes Bein. Ich frage mich, weshalb.«

Anger reagierte nicht sofort. Nach zwei Sekunden runzelte er plötzlich die Stirn. »Er hatte ein versteiftes Bein?«, fragte er irritiert.

Bergmann nickte. »Motorradunfall. Das linke Knie war vollkommen im Eimer. Nach mehreren erfolglosen Eingriffen wurde es operativ versteift. Der Kerl muss seitdem einen Gang gehabt haben wie Kapitän Ahab in Moby Dick.«

»Woher weißt du das alles?«

»Nun ja, ein paar gute Kontakte von früher sind mir schon noch geblieben.«

Anger knetete seine Unterlippe und dachte angestrengt nach. Dann schüttelte er den Kopf, um die letzten Zweifel zu vertreiben. Er gab dem Wirt das Zeichen, dass er zahlen wollte.

»Lass‘ uns rüber zu Ingo«, sagte er.

»Ingo Reimers vom Getränkemarkt?«

Anger nickte geheimnisvoll. »Ich hoffe, dass er es noch hat.«

»Dass er was noch hat? Verdammt, wovon sprichst du, Klaus?«

Anger beugte sich nach vorne und sagte mit gedämpfter Stimme: »Wenn ich nicht völlig falsch liege, war der erschlagene Kerl mindestens einmal zuvor in unserer Gegend gewesen. Niemand hier scheint ihn zu kennen, aber dennoch musste er vermutlich hier sterben. Das ist ziemlich seltsam, wenn du mich fragst.«

»Was soll der Blödsinn?«, blaffte Reimers und sah Anger giftig an. Dann warf er Bergmann einen Blick zu, der keinen Zweifel ließ, dass er ihn in seinem Getränkemarkt nicht zu sehen wünschte.

Anger blieb ruhig. »Ingo, sei' vernünftig. Wenn du das Band noch hast, musst du es der Polizei geben. Es könnte wichtig sein.«

»Du kommst hier rein mit diesem … diesem ... mit dem da« – Reimers zeigte auf Bergmann – »und redest über Dinge, die ich dir im Vertrauen erzählt habe und die niemanden etwas angehen. Was denkst du dir eigentlich? Halt‘ dich gefälligst aus meinem Kram raus!«

»Wenn der Kerl auf dem Band der Tote ist, ist das nicht mehr dein Kram«, sagte Bergmann.

»Wer hat dich denn nach deiner Meinung gefragt, du dämlicher Verlierer?«, blaffte Reimers. »Du weißt gar nichts, nicht das Geringste weißt du!«

Bergmann hob die Augenbraue und sagte gelassen: »Vor ungefähr sechs Wochen ist in deinem Laden eingebrochen worden. Offensichtlich wussten die Einbrecher nicht, dass Nachts eine Überwachungskamera läuft, zumal du kein Hinweisschild angebracht hast. Es waren zwei Männer, und einer hatte ein versteiftes Bein. War es der Tote aus dem Brook? Und wenn ja – wer war der andere?«

Reimers verdrehte die Augen. »Keine Ahnung, ich kannte beide nicht.«

»Und die Polizei?«, fragte Anger. »Was sagte sie dazu?«

»Die Scheiß-Bullen? Nichts!«

»Er hat es nicht gemeldet«, sagte Bergmann an Anger gewandt. »Freund Reimers hat dir von dem Einbruch erzählt und hatte zu dem Zeitpunkt auch noch vor, die Polizei zu informieren, hat es dann aber doch nicht getan. Er hat die Sache unter den Teppich gekehrt.«

Anger verstand nicht. »Ehrlich, Ingo? Warum?«

Bergmann sagte: »Weil ihn jemand darum gebeten hat. Und um der Bitte Nachdruck zu verleihen, gab es vermutlich Bargeld. Ein Betrag, der um einiges höher gewesen sein dürfte als der entstandene Schaden. Cash auf die Hand und elegant an den Geiern vom Finanzamt vorbei – so, wie wir alle die Kohle am liebsten haben.«

»Raus hier«, zischte Reimers.

»Wer hatte ein Interesse daran, dass der Einbruch nicht publik wurde?«, fragte Bergmann ruhig. »Sag schon, Ingo: Wem hast du dein Schweigen verkauft?«

»Raus!«, brüllte Reimers und schlug mit der Faust auf den Verkaufstresen. »Beide! Und damit ihr es wisst: Es gab keinen Einbruch und es gibt kein Band, auf dem etwas zu sehen ist. Alles nur ausgedacht, versteht ihr? Genauso wie damals bei dir, Bergmann, du und deine erlogene und verstunkende Geschichte, du dämlicher Wichtigtuer!«

Anger zupfte Bergmann am Ärmel und deutete mit dem Kopf zur Tür. Bergmann verstand. Es war Zeit zu gehen.

Kaum waren sie draußen, sagte Anger leise: »Ingo geht die Düse, er hat Angst.«

Bergmann nickte knapp. »Allerdings. Etwas stinkt hier – und zwar gewaltig. Wir sollten uns das Ganze mal genauer ansehen. Schätze, unser toter Freund wusste zu viel. Na, das wird bestimmt interessant.«

Endstation Brook

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