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Der Ursprung des vollen Schreibens

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Die Zeichen auf den Uruk-Tontafeln und den U-j-Täfelchen repräsentieren noch nicht das volle Schreiben, sondern eher eine entwickelte Form des Proto-Schreibens. Soweit wir wissen, drückt keines der Zeichen den phonetischen Wert der sumerischen oder ägyptischen Sprache aus, wie sie im späten 4. Jahrtausend v. Chr. gesprochen worden ist. Anders verhält es sich bei den in Keilschrift oder Hieroglyphen verfassten Schriften des folgenden Jahrtausends – allerdings mit Ausnahme der Zeichen, die man möglicherweise als ‚Kushim‘ lesen kann. Die Zahlen und Piktogramme, die wie die dort gebrauchten ‚Gerste‘ und ‚Vögel‘ zeigen, dürfte man in jeder Sprache lesen können, nicht nur in der sumerischen oder der ägyptischen.

Einige Zeit nach der Entstehung dieser sehr frühen protoschriftlichen Beispiele und vor dem Erscheinen der in Keilschrift und Hieroglyphen verfassten Schriften, die man auf 3100 – 3000 v. Chr. datiert, kam es zum Durchbruch hin zum vollen Schreiben. Das Konzept des Rebus war entdeckt worden, wir wissen allerdings nicht, auf welche Weise. Das Rebus-Prinzip erlaubt es, Wörter in Zeichen ihrer sie konstituierenden Teile zu schreiben, die piktographisch nicht abgebildet werden können. Das (oder der) Rebus – das Wort stammt aus dem Lateinischen und bedeutet ‚durch Sachen‘ – erlaubt es, die Teile eines gesprochenen Wortes einschließlich abstrakter Begriffe in Zeichen zu ‚schreiben‘. Mit dem Prinzip des Rebus wird es möglich, Laute durch Zeichen sichtbar zu machen und abstrakte Begriffe zu symbolisieren.

Mit dem Begriff ‚Rebus‘ sind wir vertraut durch Bilderrätsel, also dadurch, dass wir durch das Aneinanderreihen von Bildern Wörter ‚schreiben‘, in gewissem Maße aber auch durch die elektronische Informationsübermittlung. Eine um 3000 v. Chr. angelegte Rechnungstafel enthält alte Rebusse. Das Symbol in ihrer oberen linken Ecke ist ein Piktogramm, welches das sumerische Wort für ‚Schilf‘ repräsentiert, das ‚gi‘ ausgesprochen wird. Auf dieser Tontafel bedeutet das Wort jedoch nicht ‚Schilf‘, sondern es ist ein Rebus für ‚Rückzahlung‘ oder ‚Vergütung‘, für einen abstrakten Begriff also, der im Sumerischen ebenfalls ‚gi‘ heißt. ‚Schilf‘ und ‚Vergütung‘ sind im Sumerischen Homophone, sie werden beide in derselben Weise ausgesprochen, so wie es im Englischen etwa bei ‚son‘ (= Sohn) und ‚sun‘ (= Sonne) der Fall ist. In den ägyptischen Hieroglyphen, die voll sind von Rebussen, steht das ‚Sonnen‘-Piktogramm – – das ‚r(a)‘ oder ‚r(e)‘ ausgesprochen wird, sowohl für den Sonnengott Ra als auch für das erste Symbol in der hieroglyphischen Schreibweise des Pharaos, der bekannt ist unter dem Namen Ramesses, wie er im Griechischen heißt. Es gibt sogar eine Statue von Ramses II., die als Ganzes ein Rebus ist. Sie macht seine Bedeutung sichtbar, indem sie ihn darstellt als einen noch jungen Mann mit einer Sonnenscheibe auf seinem Haupt und einer Schilfpflanze in der Hand; diese Schilfpflanze ist das heraldische Symbol Oberägyptens. Die ganze Statue kann jedoch mit vollem Recht auch als drei Hieroglyphen phonetisch gelesen werden – als Sonne, Jugendlicher und Schilf; sie werden ausgesprochen als ‚r(a)‘, ‚ms‘ und ‚sw‘: Das ist die ägyptische Schreibweise für Ramesses.

Es gibt zum vollen Schreiben selbstverständlich über die Piktogramme und Rebusse hinaus noch mehr zu sagen. Aber es ging hier um die Frage danach, ob die Grundlagen von Schreibsystemen erfunden worden sind, ob man zufällig auf sie gestoßen ist oder ob sie sich im späten 4. Jahrtausend v. Chr. allmählich entwickelt haben. Diese Grundlagen machten es möglich, damit zu beginnen, ‚jeden Gedanken und alles Denken‘ weiterzugeben, das in gesprochenen Worten ausgedrückt werden konnte.

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