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3. Frauen im Vormärz und in der Revolution

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In nahezu allen Darstellungen zu den Anfängen der deutschen Frauenbewegung wird eine der mutigen Frauen dieser Zeit genannt, die nicht nur publizistisch Rechte für Frauen einforderte, sondern sich auch durch ihr Engagement für die Arbeiterinnen und die Gründung einer Frauenzeitung hervortat: Louise Otto(-Peters).

1819 in Sachsen als Tochter eines Gerichtsdirektors geboren, begann sie in den 1830er-Jahren schriftstellerisch tätig zu werden. Als 1843 Robert Blum (1807–1848) in den „Sächsischen Vaterlandsblättern“ die Frage nach der politischen Stellung der Frau aufwarf, antwortete Louise Otto im gleichen Blatt: „Die Teilnahme der Frau an den Interessen des Staates ist nicht ein Recht, sondern eine Pflicht.“ Mit dieser Argumentationslinie lieferte sie die Vorgabe für die Programme der Frauenbewegung bis in das 20. Jahrhundert.

Während der Revolution 1848/49 erhob Louise Otto die Forderung nach einer Organisation der Frauenarbeit, um Frauen in die Lage zu versetzen, selbstständig für ihren Unterhalt zu sorgen. Nach der gescheiterten Revolution kämpfte sie weiter für ihre Ziele und gab eine „Frauen-Zeitung“ unter dem Motto „Dem Reich der Freiheit werb’ ich Bürgerinnen!“ heraus. Sie redete darin der Politisierung der Frauen das Wort, forderte eine selbstständigere Stellung der Frauen in der Gesellschaft, verbesserte Bildungschancen und Arbeitsmöglichkeiten für Frauen. Frauen sollten sich aktiv am Staatsleben beteiligen, ihr „vaterländischer Sinn“ sollte geweckt und ihre politische Urteilskraft gefördert werden. Standesunterschiede, die unter anderem in der damals gängigen unterschiedlichen Anrede für bürgerliche Frauen („Madame“) und unterbürgerliche Frauen („Frau“) deutlich wurden, sollten ihrer Meinung nach zugunsten der deutschen Anrede Frau aufgegeben werden. Ihre idealistische Einstellung kam nicht zuletzt in der Vorstellung zum Tragen, dass die Abschaffung der Fürstenherrschaft auch ein Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen mit sich bringen würde, da freie Völker nie einander bekämpfen würden.


Abb. 2 Louise Otto im Alter von 31 Jahren (Auguste Schmidt/Hugo Rösch: Louise Otto-Peters, die Dichterin und Vorkämpferin für Frauenrecht. Ein Lebensbild. Leipzig 1898, vor S. 25.)

Repressionen

Preußisches Vereinsgesetz von 1850

Louise Otto konnte nur kurze Zeit frei publizieren und politisch agieren. Bald folgten Hausdurchsuchungen und Verhöre. 1850 wurde ihre „Frauen Zeitung“ aufgrund des sächsischen Pressegesetzes verboten und die von ihr mitbegründeten Dienstboten- und Arbeiterinnenvereine aufgrund des preußischen Vereinsgesetzes von 1850 aufgelöst. Louise Otto wich zunächst mit der Redaktion nach Gera aus. Dort wurde ihre Zeitung jedoch endgültig durch ein ähnliches preußisches Gesetz von 1852 verboten. Ebenso konnten unter den harten Zensurmaßnahmen auch die von Louise Aston herausgegebene Zeitung „Der Freischärler“ (Berlin), „Die soziale Reform“ (Leipzig) von Louise Dittmar und die „Frauen-Zeitung“ (Köln) von Mathilde Franziska Anneke nur für kurze Zeit erscheinen.

Das im März 1850 in Preußen erlassene Vereinsgesetz verbot „Frauenspersonen, Schülern und Lehrlingen“ die Mitwirkung in politischen Vereinen und ihre Teilnahme an politischen Versammlungen. Dieses Gesetz, das später die meisten deutschen Länder übernahmen, galt bis 1908 fast überall in Deutschland und erschwerte lange Zeit die politische Betätigung von Frauen. Trotz der harten Reaktionen auf den Aufbruch der Frauen sollten aber gerade die 1848 aktiven Frauen, allen voran Louise Otto-Peters, in den 1860er-Jahren der deutschen Frauenbewegung auf überregionaler Ebene zum Durchbruch verhelfen. Louise Otto-Peters gründete 1865 mit anderen Frauen den Leipziger Frauenbildungsverein und veranstaltete noch im selben Jahr die erste deutsche Frauenkonferenz in Leipzig. Aus diesen Aktivitäten erfolgte schließlich im Oktober 1865 die Gründung des Allgemeinen deutschen Frauenvereins (ADF), den Otto-Peters während der folgenden drei Jahrzehnte leiten sollte. Die Bedeutung von Otto-Peters, ihren Schriften und Initiativen für die demokratische Bewegung, die Revolution von 1848/49 und die deutsche Frauenbewegung haben Susanne Schötz und weitere von der Louise-Otto-Peters Gesellschaft e. V. angestoßene Untersuchungen in den letzten Jahren eindrücklich vor Augen geführt. Die Forschung zur Revolution von 1848/49 ist durch die 150-Jahr- Feier 1998 nochmals um zahlreiche Aspekte und Fragestellungen erweitert worden. Die Frauen- und Geschlechtergeschichte untersuchte den Beitrag der Frauen zu der Revolution. Bereits 1986 hatte Carola Lipp den Blick von der Paulskirche und den weiblichen Ausnahmeerscheinungen wie Louise Otto auf „Durchschnittsfrauen“ in Württemberg gelenkt.

Politik und Alltag

Unter kulturgeschichtlichen Fragestellungen wurde Ende des 20. Jahrhunderts in Mikrostudien der Zusammenhang von Politik und Alltag untersucht. Von der Staatsebene beziehungsweise den Diskussionen in der Paulskirche richteten die Autorinnen das Augenmerk auf die Straßen und Plätze sowie in die Familien, um die Beteiligung an der Revolution unter geschlechtergeschichtlicher Perspektive zu untersuchen. Diese Forschungen konnten zeigen, dass der Vormärz und die Revolution von 1848/49 auch Aufbruchsjahre für die Frauen waren, die sich nicht auf die Unterstützung ihrer politisch aktiven Männer, Väter und Söhne im Hintergrund beschränkten. Manche dieser Frauen, wie etwa Emma Herwegh (1817–1904), Mathilde Franziska Anneke und Amalie Struve (1824–1862), beteiligten sich aktiv an den Freiheitszügen, andere wählten die Feder als Waffe, wieder andere schlossen sich den Barrikadenkämpfen an oder wurden in Frauenorganisationen aktiv.

Vorläuferorganisationen

Die Frauenvereinstätigkeiten kann man in die Kontinuität der politischen Aktivitäten der Frauen seit den antinapoleonischen Kriegen einreihen. Zusammenschlüsse wie etwa der Vaterländische Frauenverein in Preußen, deren Mitglieder sich aus bürgerlichen und adeligen Schichten rekrutierten, wurden in der älteren Forschung zunächst unter das Verdikt gestellt, aufgrund der teils dominierenden männlichen Vorstandsmitglieder keinerlei eigenständiges (Frauen-)Vereinsleben aufzuweisen. Dieses Urteil gilt jedoch nur für einen Teil dieser Vereine und verkennt auch die potenzielle Dynamik innerhalb dieser Organisationen, die sich durch partielle Zusammenarbeit und aus häufigen Mehrfachmitgliedschaften von Frauen in Wohltätigkeits- und konfessionellen oder Frauenbildungsvereinen ergab. Die weitgehende Gleichsetzung der Frauenbewegung mit den nach 1865 gegründeten großen überregionalen Frauenvereinen ADF und BDF hatte die Forschung zunächst übersehen lassen, dass bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Frauenbewegung sich aus diesen unpolitisch wirkenden Vereinen entwickelte. Meyers Lexikon listet unter dem Stichwort Frauenvereine noch 1905 detailliert die Frauenvereine vom Roten Kreuz auf und fasst alle übrigen unter „andre Frauenvereine“ zusammen. Helene Lange, bekannte Vertreterin der Frauenbewegung, unterschied 1905 zwei Gruppen von Frauenvereinen: Die eine verfolgte „rein humanitäre Zwecke“, die andere widmete ihre Arbeit „der Förderung der Fraueninteressen“. Typisch für diese Frauenvereine der zweiten Kategorie war eine Vermengung von karitativen, edukativen und religiösen Aufgaben. Welche Forderungen die verschiedenen Frauenvereine in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch immer erhoben: Sie alle machten deutlich, dass Frauen an der Nation teilhaben und ihren Teil zu deren Entwicklung beitragen wollten.

In der kriegerischen und revolutionären Epoche, die mit der Französischen Revolution von 1789 begann, wurden Bürger zu bewaffneten Verteidigern des Vaterlandes. Ein enger Zusammenhang zwischen Staatsbürgerschaft und Wehrpflicht wurde konstruiert. Nur der zählte zum Vaterland und durfte damit die Errungenschaften der Zeit wie die bürgerlichen Freiheitsrechte genießen, der es mit der Waffe in der Hand verteidigen konnte. Die Militarisierung der Nation schloss die Frauen zunächst aus. Diese gründeten als Antwort auf diesen Ausschluss Frauenvereine, um so ihren nationalen Pflichten nachkommen und an der Nation teilzuhaben zu können. Sie bestickten Fahnen, übergaben diese öffentlich anlässlich der Fahnenweihe, fungierten als „öffentliche Mütter“ und sammelten während der antinapoleonischen Kriege und der Revolution von 1848/49 Gelder, deren Verwaltung damals jedoch meist (noch) Männersache blieb. Durch diese Arbeit im Hintergrund, die von den Frauen geleistet wurde, konnte die Revolution von 1848/49 zunächst als reine Männerangelegenheit in die Geschichte eingehen. So hielt etwa der bekannte badische Revolutionär Friedrich Hecker (1811–1881), der in der Paulskirche als radikaler Denker und eloquenter Redner aufgefallen war, seinen als „Heckerzug“ in die Geschichte eingegangenen bewaffneten Marsch gegen die Monarchie im Exil mit folgenden Worten für die Nachwelt fest:

Quelle

Heckerzug

zitiert nach Susanne Asche: Frauen ohne Furcht und Nadel? Geschlechterverhältnisse in der Revolution von 1848/ 49, in: Ariadne (1998), S. 4–15, hier S. 4.

Sonntag … mit Tagesanbruch verabschiedete ich mich von meinem Weibe, welches in Freud und Leid treu und innig bei mir gestanden, bei der ichin ungetrübtem häuslichen Glück so oft Ruhe und Ersatz nach den Kämpfen des öffentlichen Lebens gefunden … und verließ ein glänzendes Loos, getragen und gehoben von der Idee zu kämpfen, zu siegen oder unterzugehen für die Befreiung unseres herrlichen Volkes und mitzuwirken bei seiner Erlösung aus tausendjähriger Knechtschaft.

Hecker beschreibt den Aufbruch zu seinem gescheiterten Feldzug als große Tat, seiner Frau hingegen wies der Revolutionsheld die Aufgabe zu, für das private Glück ihres Ehemanns zu sorgen. Kein Wunder, dass Clara Zetkin Anfang des 20. Jahrhunderts aufgrund solcher schriftlichen Quellen verächtlich meinte: „Es muss auffallen, dass in dem revolutionären Sturm und Drang von 1848/49 in Deutschland nur wenige einzelne Frauen, noch weniger fordernde Frauenmassen handelnd hervorgetreten sind.“ So diagnostizierte Clara Zetkin, dass wohl mehr „die Liebe zu ihren Gatten die stärkste Triebkraft war“, die einzelne Frauen zur politischen Tätigkeit und in revolutionäre Kämpfe geführt habe. „Darüberhinaus jedoch“, so Zetkin spitz, „war das deutsche Amazonentum von 1848/49 mehr Kostüm als Tat.“ Dieses harte Urteil blendet jedoch aus, dass die Handlungsspielräume für Frauen in dieser Zeit eng begrenzt waren und politische Aktionen von Frauen, die nicht so mutig wie etwa Louise Otto-Peters waren, weitgehend im Verborgenen, als karitative oder edukative Maßnahmen getarnt, stattfinden mussten.

Frauenbewegung in Deutschland 1848-1933

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