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OHNE REGEN KEIN REGENBOGEN

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Zwei Jahre nach dem 26. April 2002 beschloss ich, die Themen Tod und Trauer in Kisten zu packen und in meinem Seelenkeller zu verstauen. Nach der zehnten Klasse hatte ich die Möglichkeit, für ein Schuljahr ins Ausland zu gehen, und das kam wie gerufen.

Ich wollte möglichst weit weg von Erfurt, irgendwohin, wo mich niemand kannte und keiner etwas über den Amoklauf wusste. Meine Wahl fiel auf Neuseeland.

Im August 2004 packte ich meine Koffer und machte mich auf die Reise in ein Abenteuer, das mein Leben endlich wieder zum Guten verändern sollte. Ich ließ die traurige Anika am Frankfurter Flughafen zurück und betrat den neuseeländischen Boden, bereit für alles, was kommen würde. Ich fand ein wunderbares Zuhause in Auckland, die neue Umgebung und die unbekannten Menschen halfen mir dabei, die Vergangenheit auszublenden. Es fühlte sich an wie ein Neustart. Niemand urteilte über mich und meine Entscheidungen. Ich war frei wie ein Vogel und zum ersten Mal nach langer Zeit ging es mir besser. Ich besuchte die Schule, erkundete in meiner Freizeit das Land und lernte viele herzliche, inspirierende Menschen kennen. Doch auch wenn ich an der Oberfläche glücklich war – die Trauerkisten, die ich in die hinterste Ecke meines Seelenkellers geschoben hatte, waren immer bei mir.

Nach meiner Rückkehr versuchte ich die vermeintlich neue Anika am Leben zu halten. Ich packte alle Fotos, Erinnerungsstücke und Zeitungsartikel, die ich noch in meinem Zimmer aufbewahrt hatte, in einen Umzugskarton und räumte sie weg.

Die Jahre vergingen und ich verdrängte mehr oder weniger erfolgreich meine Trauer und alles, was passiert war. Ich ging weder zum Grab meines Vaters, noch sprach ich über ihn. Direkt nach dem Abi zog ich zum Studium nach Berlin. Trotz der großen, anonymen Stadt und meines neuen Umfelds holte mich die Vergangenheit immer wieder ein. Mal war es ein lautes Geräusch, das mich aufschrecken ließ. Mal war es eine Filmszene, die an den Amoklauf erinnerte. Die Kisten in meinem Seelenkeller waren mittlerweile so voll, dass sie bei dem Versuch, weitere Gefühle hineinzustopfen, regelrecht explodierten. Diese Momente rissen mich immer wieder aus meinem Alltag und machten es mir unmöglich, zu funktionieren. Ich wähle bewusst das Wort »funktionieren«. Denn rückblickend befand ich mich damals in einer Art Überlebensmodus. Krampfhaft versuchte ich immer das Richtige zu tun, nicht negativ aufzufallen und es stets allen recht zu machen. Irgendwann kam ich an meinem Tiefpunkt an, der glücklicherweise zu meinem persönlichen Wendepunkt wurde.

Räum dich glücklich!

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