Читать книгу Die Hexenkönigin - Anna Rawe - Страница 4

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Prolog

"Sie haben den Zirkel erreicht." Ihr Sohn hielt den Kopf gesenkt – eine respektvolle Haltung, die er bis zur Perfektion beherrschte. "Unsere Männer haben das Dorf umstellt. Wir warten nur auf Euren Befehl, Mutter."

Sie verzog die Lippen. Der Gestank nach Schimmel und nassem Stein hatte begonnen, sich in ihren Kleidern festzusetzen und sie hätte alles gegeben, um in diesem Moment in ihrem Turmzimmer im Schloss zu sitzen. Stattdessen harrte sie nun seit über einer Woche in dieser gottverdammten Ruine aus und wartete auf den richtigen Zeitpunkt.

"Noch nicht", murmelte sie leise, bevor sie sich aufrichtete und die Bücher, die offen vor ihr auf dem Tisch lagen, mit einem Knall schloss. Ihr Sohn beobachtete jede ihrer Bewegungen.

"Wir haben mehr als doppelt so viele Männer", bemerkte er schließlich. "Es wäre ein Leichtes, das Dorf zu überrennen. Die Hexen hätten nicht den Hauch einer Chance."

"Ich weiß." Morrigan erwiderte den Blick ihres Sohnes. "Und ich befehle euch, noch zu warten."

"Warum?" Edmond straffte die Schultern und sie fragte sich, wann er zuletzt einen ihrer Befehle hinterfragt hatte. "Ich könnte euch den Kopf der Verräterin schon morgen auf einem Silbertablett servieren. Wir könnten dieses Versteckspiel ein für alle Mal beenden. Und Ihr könntet den Menschen ein weiteres Mal beweisen, wer ihre wahre Königin ist."

Ihre wahre Königin. Sie unterdrückte ein Schnauben. Die Chance auf diesen Titel war ihr in dem Moment zwischen den Fingern zerronnen, als Cormac fiel. Ihr Wort wog nichts ohne das seine, das ihre unglaubliche Geschichte bestätigte. Es war dumm zu hoffen, dass Gewalt oder Angst irgendetwas an ihrer Legitimierung ändern könnten. Doch das mussten sie auch nicht. Morrigan musste nur lang genug die Oberhand behalten, bis der wahre Erbe Cormacs seinen Platz auf dem Thron Ciaoras beanspruchen konnte. Und bis dahin durfte sie keine vorschnellen Entscheidungen treffen.

"Sorge dafür, dass man euch nicht entdeckt", befahl sie. "Die Hexen und vor allem das Mädchen dürfen nicht den Hauch einer Ahnung davon haben, dass wir sie beobachten. Behaltet sie im Auge und informiert mich über jede Veränderung in ihrem Verhalten."

Ihr Sohn musterte sie skeptisch. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Er verstand zu wenig von dem, was vorging, um ihre Handlungen nachvollziehen zu können. Dennoch senkte er schließlich den Kopf.

"Wie Ihr befiehlt, Mutter." Er zögerte und war bereits zwei Schritte zurückgetreten, als er schließlich innehielt. "Was werden wir tun, falls nicht das Mädchen, sondern Ethan uns entdeckt?"

Sie erkannte den hoffnungsvollen Unterton in seiner Stimme und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob sie einen Fehler begangen hatte. Indem sie beide im Glauben gelassen hatte, die Thronfolge würde durch das Alter bestimmt, hatte sie Edmond Hoffnungen gemacht, wo keine waren und Ethan ... Nun, Ethan musste erst noch beweisen, dass er bereit für ein Amt dieser Verantwortung war.

Entschlossen straffte sie die Schultern. "Mein Befehl war klar und deutlich: Sorgt dafür, dass keiner von ihnen weiß, dass ihr da seid."

Als Edmond noch immer keine Anstalten machte, zu gehen, hob sie das Kinn. "Das war alles."

Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, wandte sie sich ab. Wie erwartet hörte sie nur einen Augenblick später seine Schritte und das leise Knarzen der Türangeln, als er den Raum verließ.

Erleichterung durchströmte sie und sie gestattete sich einen Moment des Innehaltens, bevor sie schließlich hinter den wuchtigen Schreibtisch trat, der neben ein paar Stühlen und den wurmstichigen Betten das einzige Möbelstück in der Ruine war. Götter, wie hatte es nur soweit kommen können? Wie hatte sie zulassen können, dass diese hirnrissige Rebellion das Schloss und nun auch die Macht übernahm?

Sie schüttelte den Kopf und ermahnte sich, dass das alles nur vorübergehend war. Die Rebellen mochten glauben, sie hätten sie von ihrem Thron vertrieben und das Mädchen konnte gern weiterhin denken, es hätte eine ernsthafte Chance gegen sie. Doch Morrigan war noch lange nicht bereit, aufzugeben. Und sie hatte die Antworten auf die Fragen, die die Welt dieser bemitleidenswerten Menschen auf den Kopf stellen würden.

Die Hexenkönigin

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