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1. Bronxexpress

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Auf dem Weg zur Arbeit schreibe ich irgendetwas in mein dünnes Heft, versuche damit, mich davon abzulenken, wie menschenunwürdig es ist, jeden Tag drei Stunden kostbarer Zeit in einer vollgestopften New Yorker Subway zu verlieren.

Ich erinnere mich in diesem Moment an die kleine Stadt, in der ich früher lebte, blicke mich unauffällig um, entdecke leere Gesichter, hinter denen sich die Menschen schon lange damit abgefunden haben, die Last der langen Wege ohne Tageslicht und mit dumpfem Gerumpel, schnell auf- und zuziehenden Türen zu ertragen, stehend oder auf orangefarbenen Plastikschalen sitzend.

In meiner alten Stadt habe ich nur fünf Stationen gebraucht, um mein Ziel zu erreichen. Das ist lange her. New York wächst und wächst nach außen hin. Aber Arbeit gibt es nur im Zentrum. Während der langen Fahrt am Morgen wird der Zug an jeder Station weiter vollgeladen. Niemand steigt aus. Alle fahren nach Manhattan, bleiben ruhig, geduldig, leidend: Schwarze und Weiße, Inder und Chinesen. Selten verirrt sich ein Tourist um diese Zeit in die Subway.

Wie oft habe ich schon überlegt, einen Job in meiner Umgebung finden zu wollen? Doch die Nachbarschaft lässt kaum Raum für Illusionen. What a waste of money and time … Das Jammern unterdrücke ich. Warum wohnen so viele Leute außerhalb, und warum gibt es dort so wenige Arbeitsplätze? Ich denke daran, was mich erwarten wird, also nicht nur die Subway morgens und abends aus allen Nähten platzt, Manhattan überirdisch nicht besser sein wird.

In Brooklyn, auf der anderen Seite des East Rivers, hat die Stadtentwicklung gut geklappt. Brooklyn bekam ein neues Gesicht, und viele Brooklyner fahren längst nicht mehr so oft wie früher nach Manhattan hinüber, oder sie überqueren den East Hudson River mit dem Wassertaxi statt mit der Subway. Brooklyn ist angenehmer als Manhattan. Es herrscht kein hoher Stresspegel auf der gegenüberliegenden Seite mit ihrer Beschaulichkeit.

Bei uns in der Bronx ist es anders. Die ist ein gutes Beispiel dafür, wie man Grund und Boden vollkommen verschandeln kann. Eine Bruchbude steht neben der nächsten, und an der vermüllten Hauptstraße reiht sich ein Schrottfachgeschäft neben das andere. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Hier besteht vor allem Bedarf an „Delis“, diesen Kaufläden mit Imbissecke, an deren Wänden unzählige Lotteriescheine hängen. Dafür kann man sein Geld loswerden. Ansonsten auch dafür: Elektroschrott aus China, für Friseure, die nur „Afrohair“ schneiden, „One Dollar“-Ramschläden und dazwischen in einem Laden mit “Fried chicken from Jamaika“. In welchem sollte man freiwillig arbeiten wollen?

In Astoria, Queens haben sich hingegen viele Osteuropäer und Griechen angesiedelt, deren Bedarf an Cafés mit Außensitzflächen bedient wird. Dass sich die Terrassen mitten auf dem Bürgersteig an der Hauptstraße befinden, ist nicht weiter schlimm, Hauptsache, draußen sitzen - und Leute anschauen. Das will man dort. Doch gibt es in Astoria die endlose Anzahl von Kitschläden, die von oben bis unten mit pinkem Glitzerplastik garniert wurden. Drinnen sitzt meist eine blondierte Frau mit riesigen, langen Fingernägeln und natürlich pinkem Outfit, das mindestens genau so unwirklich erscheint wie die Kundschaft, die von der Pinken gelangweilt bedient wird.

Am dritthäufigsten gibt die „Alles billig, alles Schrott“-Läden. Dort kann man nach allem fragen und findet es meist: Wellensittichfutter, Staubsaugerbeutel, Unterwäsche, Plastikinstrumente, Lichterketten und selbst zu Ostern oder im Hochsommer Weihnachtsschmuck, DVDs, Plastikblumen- und bäume. Spaziert man abends durch das Viertel und schaut man von den Straßen in Wohnungen, sieht man, dass der Kram Verwendung gefunden hat.Auf dem Weg nach Manhattan kommt mir in den Sinn, dass man in den Zügen von Brooklyn oder Queens nach Manhattan bemerken kann, dass sie nicht so überfüllt sind. In Brooklyn oder Queen gibt es Arbeitsplätze. Vielleicht ist das die Lösung.

Den Zug, den ich allmorgendlich besteige, nenne ich Bronx-Express. Er fährt nicht express, sondern hält sage und schreibe an 21 Mal, bevor er Manhattan erreicht. Einen Expresszug auf dieser Strecke gibt es nicht. Der Zug auf dieser Strecke könnte am Wettbewerb „langsam fahren“ teilnehmen. Hinzu kommen drinnen in den Zügen diese irrsinnigen Kopfhörer auf leeren Köpfen. Die lokale Eingrenzung der Musik in zwei Zielohren erfüllen die Headphones nicht, lassen den trashigen Sound in alle Richtungen an den eigentlich Zielohren vorbeischallen. Sich selbst lassen die Männer und Frauen mit ihren Monstren auf dem Kopf das letzte bisschen Verstand wegsabbeln, ehe es zur 10-stündigen Schicht in eine Knechtkammer im funkelnden Manhattan geht. Diese Leute sind wie tumbe, blöde Schafe, die schon lange nicht mehr bocken, weil sie es verlernt haben.

Pünktlich zur Arbeit zu kommen, ist übrigens ein schwer erreichbares Ziel, sollte man mit dem Bronx-Express unterwegs sein. Gerade morgens bleiben wir regelmäßig und dann gleich für lange Zeit im Tunnel stecken, und so steht man mit den anderen Schafen zusammengepfercht im Zug und blökt höchstens kurz auf, wenn zum dritten Mal die Durchsage dröhnt, man solle geduldig bleiben.

Es ist kaum zu glauben, wie viele Schafe man in so einen Wagon stopfen kann. Immer ist noch irgendwo Platz für ein weiteres Paar Beine. Leider verläuft die Körpermassenverteilung nicht so konstant. Die meisten Leute haben einen pilzförmigen Körperbau. Unten am Stil schlank, geht es nach oben massiv in die Breite. Während man auf einem der Sitze um sich herumschaut, sieht man bei den Stehenden Luftraum zwischen den Stampfern. Aber nach oben hin wird es wirklich eng, umso mehr noch, weil die Leute ihren Körperumfang mit einem Rucksack erweitern. Also hier stimmt etwas nicht mit der Verteilung!

Das ist wie an den Bahnhaltestellen, wo diese Bänke stehen, die einen Sitzplatz von hinten nach vorn durch Querbalken begrenzen.In erster Linie sollen die Bänke als Schlafplätze wegfallen. Für viele kommen sie nicht einmal als Sitzplätze infrage, weil der Durchschnittshintern nicht mehr auf die freigegebene Sitzfläche passt. Die meisten Leute wollen aber nicht stehend auf die Züge warten. Die Hintern werden in die Lücke gepresst, und das zähe Fett weicht nach oben aus.

So wird es bei vielen anderen Sachen ebenso gehandhabt, nicht nur beim Warten auf den Bus: Die Schuhe sind zu eng. Das ist kein Thema, solange das Knochengerüst passt, wird das Fett nach oben mindestens bis zu den Waden wandern. Über den Hosen quillt es nach vorn. Buxe zu. Bauch darüber.

Ich frage mich bei allem, ob ich in diese Stadt passe. Körpervolumenmäßig ist das für mich und die anderen New Yorker zu verkraften. Aber ich bin noch nicht abgestumpft genug, um die ewigen Geduldsproben zu ertragen. Denn ich blöke noch.

Hey Guys

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