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Kapitel 2

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Wie gebannt saß Niklas Koller vor seinem Laptop und starrte auf die eine E-Mail, die gestern Abend sein Postfach erreicht hatte und die er vor einer Stunde geöffnet hatte – und seitdem wieder und wieder las.

Mit seinem dritten Roman, ›Schwarze Nächte‹, wieder einem Erotikthriller, hatten sich die E-Mails schon gleich nach der Veröffentlichung gehäuft, doch seit dieser Roman Platz achtzehn in der Bestsellerliste erreicht hatte, quoll sein Postfach buchstäblich über. Jetzt, nach drei Wochen, stand der Roman auf Platz neun, und Niklas kam mit dem Lesen der E-Mails kaum noch nach.

Es gab Freude und Kritik, Anerkennung und Neid, offene persönliche Worte und lehrerhafte Maßregelungen für den ›Schmutz‹, den er schrieb, aber keine E-Mail war so distanziert und nah, so offen und nachdenkenswert wie die, von der er einfach nicht loskam.

Lieber Edmond Beauville,

auch Ihr drittes Buch habe ich wieder mit großer Freude gelesen. Ich gebe zu, Ihre erotischen Beschreibungen sind anregend, und da ich davon ausgehe, dass Erotik etwas ist, das für Sie auch im Leben dazugehört, möchte ich hier ein paar offene Worte verlieren.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie ein verklemmter Typ sind. Weder schreiben Sie anwidernd voyeuristisch noch sehen Sie auf dem Bild Ihrer Homepage so aus, als würden Ihnen die Frauen nicht reihenweise nachlaufen.

Doch jetzt zu meinen persönlichen und offenen Worten.

Die Beschreibungen der Frauen in Ihren erotischen Szenen entsprechen oft leider nur denen, die nicht älter sind als vielleicht dreißig. Ich denke da an Worte wie ›biegsam‹, ›willig‹ oder ›passiv‹ (selbst wenn sie beim Sex oben sitzen. Entschuldigen Sie bitte meine Deutlichkeit).

Ich bin nicht nur zweiundvierzig, sondern habe sicher in der Zwischenzeit auch ein ganz anderes Verständnis von Erotik als noch vor zehn oder fünfzehn Jahren.

Vielleicht bin ich nicht mehr ganz so biegsam, doch ganz sicher bin ich nur dann willig, wenn ich es selbst möchte, und selbstverständlich sage ich im Bett auch, wie ich es gern hätte. Alles andere wäre Zeit- und Lustverschwendung, denn die Spielarten (wenn ich es mal so bezeichnen darf) sind dort so vielfältig, dass selten ein Mann von allein darauf kommt, von alleine erspüren kann, was mich anturnt. Und noch nie ist es mir passiert, dass es ein Mann schon beim zweiten oder dritten Mal gewusst oder gar danach gefragt hat.

Viele Männer sind so gestrickt, dass sie ihre Befriedigung suchen und am Ende dafür auch noch eine Note erwarten, am besten zwischen neun und zehn, wobei zehn das Maximum darstellt (vielleicht sind Sie da ja eine Ausnahme).

Doch in meinem Bett gibt es keine Noten – vielleicht ein Vorteil des Alters, ein Vorteil der Erfahrung.

Ich bin seit zehn Jahren nicht mehr verheiratet (das soll jetzt hier auch kein Antrag werden) und habe in den letzten Jahren festgestellt, dass Männer oft Probleme mit einer Frau haben, die im Bett weiß, was sie will. Doch die Männer, die (meiner Meinung nach) selbstbewusst genug sind und mit einer solchen Frau umgehen können, sind erfüllende Partner, nicht nur im Bett.

Übrigens, einen solchen Partner habe ich seit einem halben Jahr, also machen Sie sich keine Hoffnungen ...

Ich weiß aus Ihrer Biografie, dass Sie erst 25 Jahre alt sind. An manchen Tagen ist das für mich sehr beneidenswert, aber an vielen eben auch nicht, denn ich bin gern so alt, wie ich bin, und suche auch keinen jüngeren Partner.

Aber bereits Ihre ersten drei Bücher haben mir gezeigt, dass Sie heute, in diesem jungen Alter, schon ein begnadeter Schriftsteller sind, und deshalb möchte ich jetzt auch meine nachfolgende Anregung (es ist wirklich nur eine Anregung, nicht einmal ein Vorschlag) loswerden:

Vielleicht könnten Sie ja einmal eine Frau ›erschaffen‹, die ... wie soll ich es sagen ... vielleicht am besten so: eine Frau, die ein ›Weib‹ im positiven Sinne ist, die also weiß, was sie will, und auch weiß, dass all ihre Wünsche und Fantasien nur mit einem wirklichen Mann (einem wirklichen ›Kerl‹) auslebbar sind, eine Frau, die also nicht nur biegsam, willig und passiv ist. Wodurch und womit am Ende BEIDE unendlich viel Spaß im Bett (und wo sonst auch immer) haben könnten und sicher auch haben werden.

Sie muss ja nicht zweiundvierzig sein, sie kann auch fünfundzwanzig sein, doch vielleicht ist sie ja auch fünfunddreißig oder vierzig, und er ist etwas jünger als sie.

In Ihren bisherigen Büchern wird an vielen Stellen deutlich, dass Sie wissen, wie Frauen denken und fühlen. Eine Gabe, die bei Männern nicht häufig vorkommt (ganz schön viel Honig um den Bart geschmiert, oder?)

Also, lassen Sie eine solch selbstbewusste Frau doch ganz einfach mal zu Wort kommen. Ihre Leserinnen würden so etwas bestimmt auch gern lesen, davon bin ich überzeugt, denn ich bin da ganz sicher nicht die Ausnahme.

Auch wenn Sie diese Anregung nicht aufgreifen sollten (aber vielleicht haben Sie eine solche Frau ja schon erschaffen, ich meine, in Ihrem nächsten Roman), wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg.

Natürlich werden Sie in mir auch weiterhin eine treue Leserin finden.

Ihre Lu

(Mein Pseudonym für diese E-Mail)

Niklas starrte immer wieder auf diese Zeilen, überflog sie, verharrte an der einen oder anderen Stelle, denn etwas irritierte ihn, etwas, das er nicht begreifen konnte und wollte, etwas, das zwischen den Zeilen stand und auch mit seinem Leben zu tun hatte – doch was war es?

Niklas las die Mail noch einmal und ... endlich fand er die Stelle:

Doch die Männer, die (meiner Meinung nach) selbstbewusst genug sind und mit einer solchen Frau umgehen können, sind erfüllende Partner, nicht nur im Bett.

Übrigens, einen solchen Partner habe ich seit einem halben Jahr, also machen Sie sich keine Hoffnungen ...

Niklas machte sich keine Hoffnungen, ganz sicher nicht, Lu war zweiundvierzig, und seine Freundinnen waren zwischen zwanzig und fünfundzwanzig. Doch etwas anderes war ihm aufgefallen, etwas, das mit seinen Büchern im Grunde nichts zu tun hatte. Nur mit ihm.

Aber noch wagte Niklas sich nicht an diese Frage heran, blickte nur ein wenig abschätzig auf den Bildschirm.

»Und wo ist bei dir die Liebe?«, sprach er laut aus – irgendwie rechtfertigend, verteidigend. »Ich schreibe Erotikthriller, keine Liebesromane. Oder sieht bei dir die Liebe so aus, Lu? Besteht sie nur aus Erotik? Nicht biegsam sein, nicht willig sein, nicht passiv sein. Ist das schon alles, was bei dir die Liebe ausmacht?«

Niklas wartete. Nichts geschah – nicht äußerlich. Doch seine Gedanken hatten sich gesammelt. Und schließlich stieß er die entscheidende Frage fast brüllend hervor:

»Ein erfüllender Partner, nicht nur im Bett, was heißt das, Lu? Was heißt das?«

Wieder wartete er. Doch er bekam keine Antwort – er fand keine Antwort. Nur Stille umgab ihn.

Durch das geschlossene Fenster drängte die nachmittägliche Sonne herein, kroch langsam durch sein Arbeitszimmer über den Schreibtisch, schob sich als eine unaufdringliche Wärme an ihn heran, strich über ihn hinweg – ohne ihn wirklich zu erreichen.

Niklas fuhr gedankenversunken den Laptop herunter, lehnte sich zurück und hatte plötzlich nur noch eine einzige Frage im Kopf, eine Frage, der er schon immer aus dem Weg gegangen war, mit aller Deutlichkeit, mit aller Entschiedenheit – eine Frage, die seit Jahren verdeckt in all den vielen Seiten seiner Romane schlummerte: Wie sieht die Liebe bei dir aus, Niklas, bist du ein erfüllender Partner?

Niklas dachte einen Augenblick an Hanka, mit der er seit fünf Wochen ab und an das Bett teilte.

Und was teilst du sonst noch mit ihr?, fragte er sich und überlegte. Zu lange. Sie unternahmen eigentlich nichts zusammen. Ein- oder zweimal in der Woche war sie bei ihm und blieb dann über Nacht. Oft nicht einmal zum Frühstück.

War das Liebe?

Niklas wollte keine Antwort, denn er kannte sie. Und einen Atemzug lang bedrängte ihn ein anderer Gedanke: Was war mit den fünf, sechs Frauen, die es vorher in deinem Leben gegeben hatte? Hast du eine davon je wirklich geliebt? Als erfüllender Partner? Was war mit Britta, deiner ersten Freundin?

Hilflos zuckte Niklas die Achseln und schüttelte den Kopf, denn er wusste es nicht. Er wollte auch nicht wirklich an Britta erinnert werden.

Niklas wollte sich nicht an Britta erinnern müssen.

Als der Laptop endlich stumm war, als der Bildschirm endlich grauschwarz schlummerte, als die E-Mail von Lu nur noch ein elektronischer Impuls war, der keine Wirklichkeit mehr besaß, sprang Niklas auf und wollte nur weg, weg von diesen Fragen, weg von diesen Gedanken an Liebe und erfüllende Partnerschaft.

Hastig verließ er sein Arbeitszimmer, packte die Sporttasche und saß auch schon in seinem schwarzen Golf.

Sport ist jetzt genau das Richtige, sagte er sich, ein Work-out, das die Gedanken neu sortiert, das mich neu sortiert.

Niklas startete den Wagen und fuhr los. Ins Fitnessstudio.

LiebesMut

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