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„Ein übernatürlicher Antrieb“

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Von den sechs ermordeten Weibspersonen habe Paul Reininger, wie er dem Landesgericht mitteilte, nur zwei Herzen aus dem Leibe geschnitten. Jenes des kleinen Mädchens, das er sich auch zur Hälfte einverleibt habe, und jenes der Braut, vor dem ihm aber so fürchterlich geekelt habe, dass er es wegwerfen musste. Weiters sagte er aus, dass ihn Bosheit und ein übernatürlicher Antrieb an Körpern, so lange welche noch warm zu fühlen gewesen seien, herumzumetzgern zu den Taten getrieben hätten. Seine Aussage schloss der Besessene mit der Einsicht, dass er wohl gewusst habe, wie schwer seine Verbrechen gewesen wären, allein da er Gott verlassen hätte, habe ihn der böse Feind dazu verleitet, denn er habe nichts gebetet, selten gebeichtet, seine Sünden nicht aufrichtig, einen Todschlag aber gar niemals bekennet, und sein Unglück komme von der Hurerei her, welcher er neun Jahre ergeben gewesen wäre. Nach dreitägiger Bedenkzeit stand er nach wie vor zu seinen Worten: Was werde ich zu meiner Entschuldigung sagen? Ich lasse alles Gott dem Allerhöchsten über, was er mit mir machen wird, weil ich wenig gebetet und Gott nicht vor Augen gehabt habe, bin ich in die Dienstbarkeit des Satans verfallen, und hierdurch zu diesen Lastertaten verleitet worden.


Zum Gedenken an eine schaurige Tat: die Weihe des Herzlfresser-Marterls in Kindberg, 1912

Ein beeideter Wundarzt verfasste Mitte April 1786 einen Konstitutions- und Temperamentbefund über den Gewaltverbrecher, der dem Kriminalakt angeschlossen war. Er beschrieb Reininger als einen muskulösen Mann mit schwarzen Haaren und Bart, einem fetten, braunen Körper und starken Gliedmaßen. Ferner soll er weißgraue Augen mit falschem Blicke gehabt haben und dem Anscheine nach furchtsamen Gemüts, ziemlich guter Vernunft, kollerisch sanguinischen Temperaments, zur Wollust und Fröhlichkeit geneigt.

Das Urteil, das über Paul Reininger am 24. April 1786 gefällt wurde, gehörte zum schwersten, das in dieser Zeit verhängt wurde:

Paul Reininger soll wegen an sechs Personen auf die grausamste Art verübten Straßen- und Meuchelmorden an die gewöhnliche Richtstätte geführt, am ersten Viertelweg ihm ein Zwick mit glühender Zange in die rechte Brust, am halben Weg ihm ein Riemen aus der linken Seite am Rücken geschnitten, am dritten Viertel, wiederum ein Zwick in die linke Brust, an der Richtstätte selbst abermals ein Riemen aus der rechten Seite geschnitten, hernach ihm all dort seine Glieder durch den ganzen Leib von unten auf mit dem Rade abgestoßen und also soll er dem Leben zum Tode gerichtet, folgens der Tote in das Rad geflochten und ein Galgen mit herabhängendem Strang aufgerichtet werden.

Kaiser Josef II. änderte die harte Strafe um und verfügte, dass Paul Reininger auf der Richtstätte lediglich gebrandmarkt werde und drei Tage hintereinander 100 Stockstreiche erhalten solle. Dann sei er nach Graz auf den Schlossberg zu überführen und dort lebenslänglich im Gefängnis anzuschmieden. Seine Nahrung dürfe nur aus Wasser und Brot bestehen, außerdem müsse er alle Vierteljahre coram publico 50 Stockstreiche erhalten.

Im Juli 1786 wurde in Kapfenberg die Züchtigungsstrafe an Paul Reininger vollzogen. Als Strafverschärfung wurde er nicht von Gerichtsdienern, sondern vom Scharfrichter selbst geprügelt: Am ersten Tag schrie der Gezüchtigte bis zum 40. Streich. Dreimal musste er gelabt werden. Am zweiten Tag schrie er nicht so heftig, aber am dritten Tag schrie er bis zum neunzigsten Streich ganz erbärmlich, worauf er ohnmächtig wurde und wieder gelabt werden musste.

Weil man erwartete, dass bei dieser Tortur der Delinquent zu Tode kommen würde, stand sicherheitshalber gleich ein Geistlicher bereit, der den armen Sünder in seiner letzten Stunde mit den Tröstungen der Religion speisen sollte. Doch Reininger überlebte.

Am 12. August 1786 traf er unter einem großen Zulaufe des Volkes auf dem Grazer Schlossberge ein, wo er nach denen in drei Monaten ausgehaltenen 400 Stockstreichen am 11. November 1786 seinen mörderischen Geist aufgab, wie es der Schriftsteller und Gründer des Heimatmuseum Mürzzuschlag, Franz Josef Böhm, in seiner Niederschrift zum Fall „Herzensfresser“ ausdrückte, die wiederum auf die vom Landesgerichtsverwalter Cajetan Wanggo 1816 verfassten Notizen basiert. Und weiter heißt es: Möchte diese Geschichte zugleich auch jeden Abergläubigen die Binde von der Stirne lösen, und von diesem scheußlichen Ungeheuer mit Schauder zurücktreten machen.

Auch heute noch steht das 1912 entstandene und mittlerweile mehrfach restaurierte Marterl am Herzlfresserweg auf das Troiseck nach Turnau an der Mordsstelle der unglücklichen Braut Magdalena, wie damals Fritz Oberndorfer, Regierungsrat aus Graz, schrieb. Die mit Farbe und Pinsel dargestellte Mordsszene zeigt mit folgendem Hinweis auf die Tatgeschichte:

Herzlfresser-Marterl

Herzlfresserweg wird hier genannt

Der Platz von alters her bekannt,

Wo im siebzehnhundertsechsundachtziger Jahr

Eine große Mordtat geschehen war.

Knecht Paul Reininger vom Aberglauben toll besessen,

Der lebte in dem Wahn –

Daß er sich unsichtbar machen kann,

Wenn er sieben Menschenherzen hätt’ gegessen.

Eine Bauernmagd, o großer Gott!

Die stach der Wüterich hier zu Tod

Und riß dann voller Wut und Freud

Das Herz dem Opfer aus dem Leib.

Sechs Menschen mußten unter seinen Händen

So grauenvoll ihr Leben enden.

Bis endlich kam auch dann der Tag,

Daß gefesselt er im Kerker lag.

Am Grazer Schloßberg in grimmiger

Haft Hat ihn der Tod hinweggerafft.

Zum Andenken an jene Tat,

Von der der Platz den Namen hat,

Stand hier dies Kreuz seit alter Zeit.

Dunkle Geschichten aus dem Alten Österreich

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