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Der Mürztaler Wetterzauberer

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Peter Rosegger beschäftigte sich mit einem weiteren Übeltäter dieser Gattung, der ganz in der Nähe, in Krieglach, auf Herzenjagd ging. Der Fall dürfte Rosegger möglicherweise deshalb so fasziniert haben, weil er in gewisser Weise mit dem Mörder verwandt war.

Mathias Bruggraber (auch Bruckgraber) kam am 17. September 1812 beim Grabenbauer in Alpl Nr. 35 zur Welt. Sein Pate war Joseph Roßecker, der Urgroßvater Peter Roseggers. Durch Verehelichung der Nachfahren entstand das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Mathias Bruggraber und Peter Rosegger. In seinen Aufzeichnungen nannte der Schriftsteller diesen furchteinflößenden Mann schlicht „Tiger“, denn er war in der Umgebung für seine Gefährlichkeit bekannt. Nicht nur die Krieglacher versetzte er in Angst und Schrecken, auch zu Hause dürfte es nicht sehr harmonisch zugegangen sein. Seine Frau wurde als nicht minder zänkisch beschrieben. Bei den Bruggrabers wurde viel gestritten, bis der wütende Ehemann eines Tages sein Messer nahm und seine Frau kurzerhand niederstach. Er selbst meldete daraufhin die Tat beim Gericht in Weiz. In den Sterbematrikeln der Pfarre Krieglach fand sich der Eintrag, dass Zäzilia Bruggraber, Bäurin vulgo Löwin in Freßnitz 1, im 43. Lebensjahr an Verblutung verstarb, worauf es zu einer gerichtlichen Leichenbeschau kam.

Viele Jahre – laut Rosegger waren es 15 oder 20 – büßte Bruggraber im Gefängnis Karlau in Graz und wurde 1855 anlässlich der allerhöchsten Entschließung von 7. April 1855 aus Anlaß der erfolgten Entbindung Ihrer Majestät der Kaiserin Elisabeth aus der Haft entlassen.

Als er zurück nach Krieglach kam, wurde er von den Nachbarn gemieden und verachtet. Gekränkt suchte er nach einer Möglichkeit, seinen Mitbürgern Schaden zuzufügen. Da erinnerte er sich an eine alte Sage, die er auch von einigen Mithäftlingen gehört hatte. Dieser Fama zufolge könne man mit Herzen von Jungfrauen schwere Unwetter zaubern.


Verwandt mit einem Herzlfresser: Peter Rosegger, 1912

Peter Rosegger berichtete vom Fronleichnamstag 1856, an dem zwei Mädchenleichen in Krieglach im gemeinsamen Grab beerdigt wurden. Die sechsjährige Appolonia Petz, vulgo Schneidersimmerltochter, und die achtjährige Walburga Königshofer, vulgo Grablertochter. Der gestresste Totengräber hatte so viel zu tun, dass er keine Zeit hatte, das Grab gleich im Anschluss zuzuschaufeln und hob sich diese Arbeit für den Abend auf. Als er den Spaten mit Erde befüllte und in die Grube blickte, sah er, dass Hobelspäne, die früher den Toten als Kopfkissen in den Sarg gegeben wurden, außerhalb der Särge verstreut war. Nach näherer Begutachtung entdeckte er, dass die Särge leer waren. Das Volk war in Aufruhr! Am Tag darauf fand ein Bauer im nahegelegenen Gölk die beiden an der Brust geöffneten Leichen, die mit Moos und Heidekraut bedeckt waren. Weitere Untersuchungen ergaben, dass den toten Mädchen Herzen und Teile der Leber entnommen worden waren. Die behördlichen Ermittlungen erbrachten keinerlei Ergebnis. Mathias Bruggraber, alias „Tiger“, soll sein Schweigen erst am Totenbett gebrochen haben. Was er mit den Herzen tatsächlich gemacht hat, ist nicht bekannt.

Die grausigen Taten des Wettermachers von Krieglach wurden in der Bevölkerung totgeschwiegen und sind so in Vergessenheit geraten. Erst Peter Rosegger hat den Fall wieder ausgegraben und ist im Zuge seiner Recherchen auf weitere Irrsinnstaten gestoßen, die Menschen aufgrund irrealer Wahnvorstellungen zu unvorstellbaren Handlungen animiert haben sollen. Wie sehr ihn die Herzesserüberlieferungen und andere Bluttaten erschüttert haben, brachte er in seinem Buch „Volksleben in Steiermark“ zum Ausdruck:

Es ist noch nicht so lange her, daß man im Gebirge einen Burschen hinrichtete, der – Du sträubest Dich, liebe Feder es aufzuschreiben – ein schwangeres Weib umgebracht hatte, um von dem Kinde im Mutterleibe die Fingerchen zu bekommen. Er wollte dieselben bei Diebstählen anzünden, denn er hatte gehört, dass, so lange in einem Hause zur Nachtzeit solche Kerzen brennen, die Leute nicht aufwachen können. Und meine Großmutter hatte einen Mann baumeln gesehen, der sechs bräutliche Mädchen ermordet hatte, weil die Sage war, dass der Genuß der Herzen von sieben Bräuten unsichtbar mache. Das Scheusal hatte auch schon das siebente Opfer in den Klauen, aber das entkam ihm und brachte den Bösewicht vor den Richterstuhl … Der Aberglauben letzterer Art muss ausgetilgt werden mit Stumpf und Wurzel. Es ist an dieser Vertilgung in den letzten zwei Jahrhunderten, Gott sei Dank, viel gethan worden, aber noch immer klebt an dem Herzen unseres Volkes von den Abscheulichkeiten solchen Aberglaubens und Vorurtheiles ein schrecklicher Theil.


Mathias Bruggraber büßte seine Strafe in der Haftanstalt Karlau ab: das ehemalige Schloss in einem Stich von Georg Matthäus Vischer, 1681


Der tüchtige Bäckermeister (Gemälde von Job Adriaenszoon Berckheyde, 1681)

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