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1.1.1 Ziele und Aufgaben der Berufsausbildung

1.1.1.1 Berufliche Handlungskompetenz als grundlegendes Ziel der Ausbildung

Bildung und Ausbildung des Menschen waren – einfach ausgedrückt – im Wesentlichen schon immer darauf ausgerichtet, ihn zu befähigen, sachgerecht in allen privaten Lebenssituationen, aber vor allem in der Ausübung eines Berufes, zu handeln und sich mit seinem Verhalten im Lebensumfeld zurechtzufinden, also ein Höchstmaß an Fähigkeiten zur Lebensbewältigung zu erwerben.

Menschliches Leben erfordert Handeln in vielfältiger Art und Weise, insbesondere in Ausübung beruflicher Tätigkeiten. Zu jeder Handlung braucht der Mensch Kompetenz, die aus Fähigkeiten, Kenntnissen, Fertigkeiten, Erfahrungen und Einstellungen besteht.

Der rasche und umfangreiche technische und wirtschaftliche Wandel wird das Arbeitsleben zukünftig noch stärker beeinflussen und ständig verändern. Technisches Wissen und einmal erworbene berufliche Kenntnisse veralten heute rascher als jemals zuvor. Die Arbeitsteilung wird national und international weiter zunehmen. Damit sind zugleich erhebliche Veränderungen bezüglich der beruflichen Qualifikation während eines Arbeitslebens verbunden.

Die Berufsausbildung kann verständlicherweise nicht bereits alle möglichen Veränderungen eines Arbeitslebens vorwegnehmen und berücksichtigen. Aber sie soll den Auszubildenden befähigen, sich besser mit Veränderungen auseinanderzusetzen und zukünftige Anforderungen besser bewältigen zu können. Berufsausbildung schafft damit auch die Grundlage, ein Leben lang zu lernen.

Ein modernes Ausbildungssystem muss also im Ergebnis des Qualifizierungsprozesses auf berufliche Handlungsfähigkeit ausgerichtet sein. Deshalb ist nach dem Berufsbildungsgesetz (§ 1) im Rahmen der Berufsausbildung berufliche Handlungsfähigkeit in einem Ausbildungsberuf zu vermitteln. Der Gesetzgeber stellt hierbei den Anspruch, dass nach erfolgreich bestandener Gesellen- oder Abschlussprüfung die volle berufliche Handlungsfähigkeit für den jeweiligen Ausbildungsberuf vorhanden ist.

In diesem Zusammenhang spricht die Berufs- und Arbeitspädagogik von der beruflichen Handlungskompetenz. Diese berufliche Handlungskompetenz bezieht sich nicht nur auf die rein fachliche Kompetenz (vielfach auch Methodenkompetenz genannt), sondern auch auf persönliche Eigenschaften und den Umgang mit Kollegen, Kunden sowie Vorgesetzten.

Die berufliche Handlungskompetenz umfasst also mehrere unterschiedliche Einzelkompetenzen. Die drei wichtigsten Teilbereiche sind:

> fachliche Kompetenz

> persönliche Kompetenz

> soziale Kompetenz.

Die einzelnen Kompetenzbereiche können wiederum mit vielfältigen Eigenschaften charakterisiert werden. Man nennt sie auch Schlüsselqualifikationen.

1.1.1.2 Schlüsselqualifikationen

Schlüsselqualifikationen sind Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die nicht nur mit dem eigentlichen Beruf, sondern auch mit anderen Berufsfeldern, Tätigkeiten und Funktionen zusammenhängen, also berufsübergreifend sind. Sie beziehen sich auch auf Fähigkeiten, die nicht nur zur Bewältigung gegenwärtiger, sondern vor allem zukünftiger Anforderungen des Berufslebens geeignet sind.

Schlüsselqualifikationen aus dem Bereich der Fachkompetenz sind:

> fachliche Fertigkeiten

> fachliche Kenntnisse

> Lern- und Arbeitstechniken

> Problemlösungsstrategien.

Schlüsselqualifikationen aus dem Bereich der Persönlichkeitskompetenz sind:

> Leistungsbereitschaft

> Zuverlässigkeit

> Sorgfalt

> Lernfähigkeit und -bereitschaft

> Urteilsvermögen, Entscheidungsfähigkeit

> abstraktes, analytisches und logisches Denken

> Kreativität, Flexibilität

> Gesprächsbereitschaft

> Eigeninitiative.

Schlüsselqualifikationen aus dem Bereich der Sozialkompetenz sind:

> Kollegialität

> Kontakt-, Kommunikationsfähigkeit

> Kooperationsbereitschaft, Teamfähigkeit

> Verantwortungsbewusstsein, Einfühlungsvermögen

> Toleranz

> Hilfsbereitschaft

> Kompromiss-, Durchsetzungsfähigkeit

> Fähigkeit zur Selbstreflexion.

Handlungskompetenz ist nicht bereits dann gegeben, wenn ein Bereich möglichst gut ausgeprägt ist, sondern sie erfordert sowohl fachliche wie auch persönliche und soziale Schlüsselqualifikationen.

1.1.1.3 Befähigung zum selbstständigen Planen, Durchführen und Kontrollieren, prozessorientierte Ausbildung

Handlungskompetenz besitzt, wer selbstständig planen, durchführen und kontrollieren kann. Dies soll erreicht werden, indem der Auszubildende im Lernvorgang selbst bereits diese Schritte der vollständigen Handlung, also planen, durchführen und kontrollieren, umsetzt. In diesem Fall spricht man auch von einer handlungsorientierten Ausbildung.

Die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten sollen so vermittelt werden, dass der Auszubildende zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit befähigt wird, die insbesondere selbstständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren an seinem Arbeitsplatz einschließt.

In der konkreten betrieblichen Praxis bedeutet dies:

> Selbstständiges Planen: Der Lehrling soll in der Lage sein, den Arbeitsvorgang bzw. Arbeitsprozess selbst zu planen.

> Selbstständiges Durchführen: Der Lehrling kann den von ihm geplanten Arbeitsablauf auch ohne fremde Hilfe ausführen.

> Selbstständiges Kontrollieren: Der Lehrling lernt, seine eigenen Leistungen selbstkritisch zu prüfen sowie Fehler und deren Ursachen und Möglichkeiten zu ihrer Beseitigung zu erkennen.

Im Zuge der praktischen Umsetzung der „Prozessorientierung“ als neues didaktisches Konzept in der Ausbildung sehen vermehrt Ausbildungsordnungen (z. B. Metall- und Elektroberufe) zusätzlich vor, dass die notwendigen Fertigkeiten, Kenntnisse und Qualifikationen auch auf Geschäfts- und Arbeitsprozesse (Abläufe) bezogen zu vermitteln sind. Die Vermittlung soll die Fähigkeit zum Handeln im betrieblichen Gesamtzusammenhang einschließen. Die Ausbildung ist somit prozessorientiert und geschäftsprozessbasiert zu planen und durchzuführen.

Diese „prozessbezogene“ Vermittlung von Qualifikationen bedeutet eine veränderte Ausbildungsgestaltung und zusätzliche, neue Anforderungen an das Ausbildungspersonal. Die vorgegebenen Inhalte der Ausbildungsordnungen sind dabei auf betriebliche Geschäfts- und Arbeitsprozesse zu beziehen. In der Ausbildung soll „Prozesskompetenz“, also die Fähigkeit zum sachverständigen Handeln im betrieblichen Gesamtzusammenhang und somit die Fähigkeit zur Prozessgestaltung und Prozessveränderung, vermittelt werden. Dabei kommt den Gesichtspunkten Qualitäts- und Effizienzoptimierung eine große Bedeutung zu. Prozesskompetenz bezieht, so gesehen, auch die Fähigkeit, an dieser Optimierung (bestmöglichen Gestaltung) mitzuwirken, ein.

Berufs- und Arbeitspädagogik

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