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Interview mit einer Diva

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Sally Parker raste mit einem Wassertaxi durch die Lagune. Das Boot berührte kaum noch das Wasser, so schnell flog es dahin. Sallys lange braune Haare flatterten im Fahrtwind, Gischt sprühte auf ihr Gesicht. Sie liebte die Geschwindigkeit. Nach dem Flug aus London freute sie sich, bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig mit dabei zu sein. Obwohl Sally mit schwankenden Gondeln und schwirrenden Tauben nichts anfangen konnte. Alles, was sie als Reporterin des ‚Latest Movie Magazine‘ interessierte, war ein gutes Interview.

Zum Nebel gesellte sich jetzt die Dunkelheit, so dass Sally nichts weiter sah, als ein paar schwache Lichter in der Ferne, die auf Venedig deuteten. Nach einer Weile verlangsamte das Boot sein Tempo und bog scharf ab. Sally erblickte verwitterte Fassaden und erleuchtete Fenster, in denen glänzende Kronleuchter hingen. Das Taxi fuhr auf einem der Kanäle von Venedig. Sally hörte das Wasser gegen die Häuserwände klatschen und der Motor des Bootes machte in den schmalen Wasserstraßen einen gewaltigen Lärm. Sally kramte in ihrer Handtasche und sah rasch in ihren Terminkalender. Die Eröffnung der Filmfestspiele war morgen Abend auf dem Lido. Die Pressekonferenz fand kurz vor dem großen Empfang im Casino statt, so dass Sally genügend Zeit für die Vorbereitung des Interviews hatte.

Anna Mangoni, Hollywoodschauspielerin mit italienischen Wurzeln, die in Venedig auf ein Comeback hoffte, galt als schwierig. Sie hatte schon jahrelang keine Exklusiv-Interviews mehr gegeben. Der Zuschlag ging an Sallys Magazin, das war natürlich eine Sensation für die gesamte Redaktion. Und Sally Parker sollte mit der Diva sprechen. Das Wassertaxi bog mal rechts, mal links ab, bis es die mit schimmernden Laternen gesäumte Anlegestelle eines der besten Hotels der Stadt erreichte. Sally stand mühsam auf und trat mit unsicheren Schritten auf dem wankenden Boot auf den Steg, der sich ebenfalls bewegte, und zum Eingang des vornehmen Hotels führte. Auf diese Weise werden wohl auch viele Filmstars anreisen, dachte Sally. Obwohl das Hotel in der Nähe des Markusplatzes lag, war es unmöglich, die Anreisenden auf dem Steg zu beobachten. Der hintere Eingang des Hotels und die Anlegestelle schützten die Stars vor neugierigen Blicken.

„Buona sera, Signora.“ Ein grün uniformierter Page stand bereits am Steg, half ihr galant aus dem Boot und nahm ihr Gepäck. Er führte sie durch einen langen, mit roten Teppichen ausgelegten Korridor in das weitläufige Foyer an die Rezeption. Sally war beeindruckt. Das Licht war gedämpft und das Foyer war mit tiefen Sesseln und Tischen ausgestattet, an denen einige Gäste saßen und einen Drink nahmen. Marmorsäulen stützten die kunstvoll verzierte Holzdecke, an der wuchtige Kronleuchter, aus verziertem Glas von der Insel Murano hingen. An der Wand thronte über allem ein Gemälde, das eine Weltkarte zeigte, aus der Zeit, in der Venedig noch eine bedeutende Handels- und Seemacht war. Eine breite Holztreppe führte in die oberen Stockwerke und von der Galerie aus konnte man alles überblicken, was im Foyer geschah. Die Pracht der Räume versetzte Sally beinahe einen kleinen Schlag, den sie körperlich spürte. Gleichzeitig machte sich Schwindel in ihrem Kopf breit, sie schrieb die Übelkeit der ungewohnten Bootsfahrt zu. Sie fühlte sich sofort wohl in diesem Prachthotel und schaute kurz hinüber zum Haupteingang, durch dessen ehrwürdige Drehtür schon die ersten Filmsternchen und Journalisten hereinspazierten.

„Buona sera, Signora, wie kann ich Ihnen helfen?“ Der Angestellte an der Rezeption war ein Vorbild an Höflichkeit.

„Mein Name ist Sally Parker vom Londoner ‘Latest Movie Magazine’. Es ist ein Zimmer für mich reserviert worden.“

Der Portier nickte ergeben und schaute in den Computer um Namen und Zimmernummer nachzusehen. Es dauerte eine Weile. Sally blickte sich um und träumte von einem heißen Bad, das sie als erstes nehmen würde, nachdem sie in ihr komfortables Zimmer gegangen war.

„Einen Moment bitte, ich kann leider keine Reservierung finden, Signora, wie war doch gleich der Name?“

„Parker“, erwiderte Sally. „Ach, ich vergaß, ursprünglich sollte eine Kollegin von mir kommen, sie ist leider erkrankt. Vielleicht ist Ihr Name noch im Computer?“

„Das ist möglich. Wie lautet denn der Name Ihrer Kollegin?“

„Fields, Susan Fields. Das Zimmer ist von London aus vom ‘Latest Movie Magazine’ für die Filmfestspiele reserviert worden. Miss Fields steigt hier jedes Jahr ab“, setzte Sally hinzu, da ein leichtes Unbehagen sie befiel.

„Es tut mir sehr leid, ich kann nichts finden. Auch nicht den Namen ihrer Kollegin.“

Der Angestellte, der eine schwarze Uniform mit goldenen Abzeichen auf den Schultern trug, schaute mit sorgenvoller Miene auf den Monitor und rief dann nach einem graumelierten Herrn in einem tadellosen schwarzen Anzug.

„Für die Signora ist aus London ein Zimmer reserviert worden, es ist aber kein Eintrag im Computer“, teilte er untertänig dem herbeieilenden beleibten Signor im Anzug mit.

„Sie sind wegen der Filmfestspiele angereist?“ fragte der graue Signor höflich und wandte sich galant an Sally.

„Ja, ich bin Reporterin vom ‚Latest Movie Magazine’ aus London.“

„Aber ja, das Magazin kenne ich selbstverständlich“, sagte der Herr im Anzug, „ich werde sehen, was wir tun können.“ Er schaute ebenfalls in den Computer und sein Gesicht machte Sally wenig Hoffnung.

„Ich fürchte, da ist uns ein Missgeschick passiert, Signora, wahrscheinlich hat man die Reservierung versehentlich gelöscht.“

„Das macht gar nichts“, sagte Sally höflich, „ich nehme gerne ein anderes Zimmer, auch ein kleineres.“

„Ich befürchte, es gibt da ein Problem. Es tut mir sehr leid, Signora, aber wir sind komplett ausgebucht.“ Der Herr im engen Anzug war sichtlich erschüttert einer so hübschen jungen Dame diese Antwort erteilen zu müssen.

„Alles ausgebucht? Können Sie mich denn nicht in einem anderen Hotel unterbringen?“ fragte Sally und dachte, das wäre wohl die vernünftigste Lösung.

„Venedig ist wegen der Festspiele vollkommen überlaufen, es gibt kein einziges freies Zimmer mehr in der Stadt, da die meisten Journalisten bereits angereist sind. Dieses Jahr sind es ganz besonders viele. Ich befürchte, auch auf dem Lido werden Sie kein Glück mehr haben.“

„Was mache ich denn nur?“ fragte Sally hilflos, denn sie wusste, dass die Italiener gerne einer Dame in Not behilflich sind. Ärgerlich zu werden hatte jetzt also gar keinen Sinn.

„Sie sprechen sehr gut italienisch, Signora“, sagte der Herr im Anzug zu Sally, die sich artig bedankte. Er schien zu überlegen.

„Warten Sie, ich kenne vielleicht jemanden, der uns weiterhelfen kann.“ Der Herr im Anzug verschwand und Sally sah ihn wenig später mit seinem Handy unweit der Rezeption telefonieren.

„Darf ich Ihnen vielleicht einen Drink anbieten, Signora?“ fragte der uniformierte Rezeptionist.

„Nein, danke“, antwortete Sally höflich und sah den Signor im Anzug wieder auf sie zukommen.

„Signora, es gibt eventuell eine Möglichkeit. Würden Sie auch ein privates Zimmer bei einer Venezianerin nehmen?“

„Ja, gerne“, gab Sally zurück, da ihr dies im Moment die einzig richtige Antwort schien.

„Es ist selbstverständlich nicht so komfortabel, müssen Sie wissen, aber die junge Dame würde Ihnen eine Unterkunft in ihrer Wohnung bieten. Sie vermietet hin und wieder ein Zimmer an Studenten. Sie wohnt ganz in der Nähe der Rialto-Brücke, das ist sehr zentral.“

„Ich nehme das Angebot an“, sagte Sally ohne weiter zu überlegen. Der charmante Signor telefonierte daraufhin noch einmal, und sprach, vermutlich im venezianischen Dialekt, denn Sally verstand nicht viel von dem, was er sagte.

„Es ist alles in Ordnung“, versicherte er. „Ich bestelle Ihnen ein Taxi, das fährt sie nach Rialto, auf Kosten des Hauses selbstverständlich. Ich schreibe Ihnen noch die Adresse auf.“ Er räusperte sich. „Es tut mir außerordentlich leid für die Unannehmlichkeiten, die Sie wegen uns haben. Wir hätten Sie gerne als unseren Gast begrüßt.“

Sein Blick glitt über Sallys lange wohlgeformte Beine. Sie befand, dass es höchste Zeit war zu gehen, bedankte sich, verließ rasch das Foyer samt Pagen und ihrem Gepäck und ging zum Anlegesteg zurück. Die Aussicht, die nächsten Tage auf all den Luxus und Prunk verzichten zu müssen, betrübte sie ein wenig. In Los Angeles wäre das nie passiert, dachte sie, als sie wieder am Anlegesteg des Hotels stand. Als ein Boot anlegte, um sie nach Rialto zu bringen, fröstelte sie, so als überkam sie eine dunkle Vorahnung. Sie blickte kurz zum Hotel Danieli zurück. Dann stieg sie auf das Boot.


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