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I.

Zum dritten Mal in dieser Stunde fuhr Chris Rea über Weihnachten nach Hause. Seine Stimme klang heiser und blechern aus dem Platzlautsprecher. Irgendwann muss aber mal gut sein, dachte Josie.

„Rot oder weiß?“

Sie fühlte Saskias spitzen Ellbogen zwischen den Rippen und schreckte aus ihren Gedanken hoch. Ihre Freundin rollte bedeutsam mit den Augen. Einen Moment lang war Josie irritiert, dann sah sie den Glühweinverkäufer. Genau Saskias Beuteschema. Kernig, rotwangig, sportlich, mit fantastischen Unterarmen.

„Sie nimmt immer rot“, sagte Saskia schneller, als Josie schalten konnte. „Sie...“

„Ach, wissen Sie“, unterbrach Josie sie, „dieses Jahr mache ich es einmal anders. Ich nehme weiß. Mit Schuss.“ Sie grinste. „Und für meine übereifrige Freundin hier einen Kinderpunsch.“

Der Verkäufer lachte, als er Saskias Miene sah. Er reichte Josie zwei volle Humpen und nahm ihren Schein entgegen. Saskia roch an ihrem Becher und rümpfte die Nase.

„Lecker“, sagte sie mit spöttischem Unterton und warf böse Blicke erst auf Josie, dann auf den Verkäufer, der immer noch lachte. Ein schönes, volles Männerlachen.

„Warte“, rief er Saskia nach und hielt eine Flasche Rum hoch.

„Geh du schon vor“, zischte sie Josie zu und wandte sich zu dem Mann mit dem Rum um.

Josie trat zu der kleinen Gruppe, die scherzend und lachend um einen Stehtisch stand. Der Holunderlikör in dem weißen Wein roch köstlich. Sie nahm einen tiefen Zug von dem heißen Gebräu und ließ sich in die Weihnachtsstimmung sinken. Sie liebte Weihnachten, liebte es hier zu sein mit all ihren Freunden. Es war das erste Weihnachtsmarkt-Wochenende und traditionell probierten sie an diesem alle Glühweinstände durch, bis das leckerste Gesöff gefunden war. Dem jährlichen Gewinnerstand wurde die Ehre zuteil, als Afterwork-Treffpunkt für den Rest der Weihnachtszeit zu dienen.

Josie blickte in die strahlenden Gesichter und freute sich, diese Menschen entlang ihres Weges getroffen zu haben. Meike und Jan, Oli, Layla, Nadine, und natürlich Saskia – tolle Menschen, die sie alle in den letzten Jahren liebgewonnen hatte. Ein Gefühl von Zufriedenheit breitete sich in ihr aus.

Saskia gesellte sich zu ihnen, als Chris Rea den letzten Refrain von „Driving Home for Chrismas“ verklingen ließ. Sie grinste siegessicher.

„Wir haben einen Gewinner ...“, säuselte sie.

„Dieses Jahr nicht“, platzte es aus Josie heraus, bevor Saskia zu ausschweifenden Schwärmereien ansetzen konnte.

„Bitte was? Was hab ich verpasst?“, fragte sie konsterniert.

„Sorry, nein, nichts. Ich dachte nur gerade ... Chris Rea und so. Ich fahre dieses Jahr nicht über Weihnachten nach Hause.“ Der Gedanke schlug Wurzeln in Josie, jetzt, da sie es laut ausgesprochen hatte.

„Was? Ich dachte, du liebst Weihnachten zuhause? Ist etwas vorgefallen? Hast du dich mit deinen Eltern gestritten?“

„Nein, nein. Alles gut. Ich dachte nur ... wie soll ich’s erklären? Es ist so ein Gefühl.“ Sie rieb die Hände in den wollenen Strickhandschuhen aneinander und hauchte hinein. Es war plötzlich kalt geworden. „Ich bin jetzt sechsundzwanzig Jahre alt. Hab studiert, ’nen super Job, eine kleine, aber feine Wohnung. Irgendwie denke ich, das sollte mein Zuhause sein, in dem ich mein eigenes Weihnachten feiere. Nicht das meiner Eltern. Verstehst du? Ich meine ... irgendwann muss ich doch damit einmal anfangen.“

Saskia legte den Kopf schief und starrte sie an.

„Und was ist mit Familie? Zu einem Zuhause gehört doch Familie. Zumindest ein Partner, oder? Du hast nicht einmal einen Freund.“

Josie seufzte. „Das stimmt. Ich habe ja nicht behauptet, dass alles sofort perfekt sein muss. Ihr seid meine Familie. Du, und Meike und die anderen. Und Napoleon. Und Ihr seid alle hier in Köln an den Feiertagen“, sie blickte zu der albern giggelnden Gruppe hinüber, „... nicht in Frankfurt.“

„Du stellst mich wirklich mit Napoleon auf eine Stufe? Na, vielen Dank auch. Napoleon ist klein, dick, dunkelhaarig und unersättlich.“ Saskia ließ die Hände über ihr blondes, langes Haar und an ihrer schmalen Silhouette herab gleiten. „Und dann das hier dagegen.“ Sie grinste.

Josie lachte. „Diversität, meine Liebe, Diversität. Man kann nicht nur Freunde mit den gleichen Eigenschaften haben. Wie langweilig wäre das denn?“

Saskia nickte nachdenklich. Dann drehte sie sich abrupt zu den anderen um und rief:

„Party people aufgepasst! Zückt Eure Timer: an Heiligabend wird bei Josie gefeiert.“

Zu Weihnachten wird alles anders

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