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WELCHES WISSEN SCHENKT CENSORINUS SEINEN LESERN?

Censorinus führt in seinem Werk eine Vielzahl von antiken Denkern an, deren Lehrmeinungen zu einem bestimmten Thema er meist nur sehr kurz zusammenfasst. Im Folgenden werden zunächst die im Geburtstagsbuch genannten Philosophen angeführt, dann die Vertreter der Fachwissenschaft.

Philosophie

Von den frühgriechischen Denkern nennt Censorinus mit Solon von Athen, der im 6. Jh. in Athen als Staatsmann, Dichter und Denker wirkte, einen der Sieben Weisen. Er spielt dabei auf eine Elegie an, in der Solon über die Lebensalter spricht; diese ist erhalten und lautet in der klassischen Übersetzung von Emanuel Geibel (1815–1884) wie folgt:

Wann unmündig und klein noch das Kind ist, wirft es der Zähne

Reihen im Wechsel zuerst ab bis ins siebente Jahr;

Doch vollendet darauf nachfolgende Sieben ein Gott ihm,

Geben die Zeichen alsbald reifender Jugend sich kund.

Dann in den dritten umsäumt, wie der Wuchs vollendet hervortritt,

Flaum sein Kinn und der Reiz wechselnder Farben erblüht.

Schließt sich zum vierten die Woche, so fühlt auf dem Gipfel der Kraft sich

Jeglicher Mann und es scheint rühmliche Tat ihm verbürgt.

Doch in der fünften geziemt es ihm wohl, der Vermählung zu denken,

Für zukünftige Zeit zeug’ er ein blühend Geschlecht.

Drauf in der sechsten erstarkt sein Geist zu besonnener Klarheit

Und nach vergeblichem Ziel hat er zu trachten verlernt,

Vierzehn Jahre hindurch in der siebenten dann und der achten

Woche durch kundigen Rat herrscht er und Redegewalt.

Auch in der neunten vermag er noch manches, doch fühlt er ermattend,

Dass zu gewichtiger Tat Kraft und Entschluß ihm gebricht.

Aber erfüllt ihm ein Gott zum zehenten Male die Sieben,

Mag dem Gereiften mit Fug nahen das Todesgeschick.

(Solon, Elegie 19 D = 27 W)

An Vertretern der sogenannten älteren ionischen Naturphilosophie, mit der in der griechischen Philosophie das Nachdenken über die Natur beginnt, bezieht sich Censorinus auf Anaximandros von Miletos, der in der ersten Hälfte des 6. Jh.s v. Chr. wirkte, und auf Hippon von Metapontion oder Samos, der ins 5. Jh. v. Chr. zu datieren ist. Von den jüngeren ionischen Naturphilosophen erscheint namentlich Demokritos von Abdera (um 460 – um 370 v. Chr.), dessen Lehre von den Atomen als kleinsten Teilen große Wirkung haben sollte.

Von den weiteren Vorsokratikern nennt Censorinus wiederholt den Skeptiker Xenophanes von Kolophon (um 570 – um 470 v. Chr.), den bedeutenden Denker Herakleitos (Heraklit) von Ephesos, der um 500 v. Chr. wirkte, außerdem Parmenides von Elea aus dem 5. Jh. v. Chr. sowie Anaxagoras von Klazomenai (um 500–428 v. Chr.), Empedokles von Akragas (um 495 – um 435 v. Chr.; das von Censorinus 4,7 als „berühmt” bezeichnete Gedicht ist nicht erhalten), Diogenes von Apollonia (spätes 5. Jh. v. Chr.) sowie die Redner und Sophisten Gorgias von Leontinoi (um 488–380 v. Chr.) und Isokrates von Athen (436–338 v. Chr.) – die beiden Letzteren allerdings nur wegen ihres hohen Lebensalters.

Besondere Aufmerksamkeit finden bei Censorinus die Pythagoreer, denen u.a. das Nachdenken über die der Welt zugrundeliegenden Zahlenverhältnisse wichtig war. Allen voran erscheint der ins späte 6. Jh. v. Chr. zu datierende Pythagoras von Samos selbst, aber auch seine Schülerin Theano, die einzige weibliche antike Philosophin, von der noch heute Werke erhalten sind, und sein Schüler Epicharmos von Megara Hyblaia (um 540–460 v. Chr.). Pythagoras’ Anhänger sammelten sich in Unteritalien, etwa in Kroton (Cotrone), in Lukanien (Basilicata) und Taras (Tarento); zuerst sollen unter ihnen Philolaos von Kroton im 5. Jh. v. Chr. Niederschriften über die Lehre des Pythagoras und Alkmaion von Kroton Werke über die Natur des Menschen verfasst haben, ebenso im späten 5. Jh. Okellos Lukanos (der Beiname bedeutet „aus Lukanien”); in die erste Hälfte des 4. Jh.s gehört sodann der Pythagoreer Archytas von Taras.

Wie der moderne Begriff „Vorsokratiker” schon nahelegt, ist der Denker Sokrates von Athen (469–399 v. Chr.), den Censorinus einmal (12,1) erwähnt, von größter Bedeutung für die spätere Philosophie. Zu seinen Schülern gehört – neben Eukleides von Megara (um 450–380 v. Chr.) und neben dem Politiker und Militär Xenophon von Athen (428–354 v. Chr.), aus dessen auf Griechisch geschriebenen Erinnerungen an Sokrates (1,6,10) Censorinus (1,4) in lateinischer Übersetzung zitiert – vor allem der große Philosoph Platon von Athen (428–347 v. Chr.). Dieser wirkte in Athen als „die erhabenste Gestalt der alten Philosophie” (14,12); er wurde zum Begründer der Philosophenschule im Akademos-Hain in Athen, der Akademie. Von den späteren Leitern dieser Philosophenschule nennt Censorinus den von 339 bis um 314 v. Chr. als solcher wirkenden Xenokrates von Chalkedon (um 395 – um 314 v. Chr.) sowie den Begründer der sogenannten „Neuen” Akademie in Athen, Karneades von Kyrene (214–129 v. Chr.).

Als Schüler Platons gründete der bedeutende Philosoph Aristoteles von Stageira (384–322 v. Chr.) die Philosophenschule des Peripatos im Lykeion (Lyzeum), einem Apollonheiligtum nahe Athen. Censorinus nennt auch die beiden Nachfolger des Aristoteles als Oberhäupter der peripatetischen Schule, Theophrastos von Eresos (372–287 v. Chr.) und Straton von Lampsakos (um 340 – um 268 v. Chr.), sowie Aristoteles’ Schüler Aristoxenos von Taras (um 360–300 v. Chr.), den Censorinus als Musiktheoretiker heranzieht, Dikaiarchos von Messene (375/350 – um 285 v. Chr.), dem vielerlei gelehrte Schriften verdankt werden, und nicht zuletzt den ersten Peripatetiker, der sich um 92 v. Chr. in Rom niederließ: Staseas von Neapolis.

Auch Vertreter späterer Philosophenschulen erscheinen bei Censorinus, darunter der Diogenes von Sinope (um 412–321 v. Chr.), der Begründer der Philosophenschule der Kyniker, sowie Epikuros von Athen (341–270 v. Chr.), der die nach ihm als „Epikureer” benannte Schule begründete.

Häufiger nimmt Censorinus auf die Philosophenschule der Stoiker Bezug, die sich nach der Stoa Poikile (bunten Wandelhalle) in Athen benannte. Namentlich werden im Geburtstagsbuch der Begründer der Schule Zenon von Kition (335–263 v. Chr.) genannt, sein Nachfolger als Schuloberhaupt Kleanthes von Assos (331–232 v. Chr.) sowie sein Schüler Dionysios von Herakleia (328–248 v. Chr.).

Fachwissenschaft

Die Beobachtung der Sterne und die Schlussfolgerungen daraus wurden in der Antike nicht als unterschiedliche Wissenschaften „Astronomie” und „Astrologie” wahrgenommen, sondern als Einheit; da in der heutigen Sprache diese Fachgebiete getrennt sind, nutzt die Übersetzung für astrologus immer den Begriff „Sternenkundiger”.

Als älteste und wichtigste Sternenkundige galten die in Mesopotamien beheimateten Babylonier und Chaldäer; aus der griechischen Welt nennt Censorinus in diesem Fachgebiet aus dem 6. Jh. v. Chr. Kleostratos von Tenedos, aus dem 5. Jh. Harpalos, Meton von Athen und Oinopides von Chios, aus dem 4. Jh. Eudoxos von Knidos und seinen Schüler Kallipos von Kyzikos, einen Freund des Philosophen Aristoteles, und aus dem 3. Jh. Berossos von Babylon, Aristarchos von Samos, den Begründer eines heliozentrischen Weltbilds, sowie Eratosthenes von Kyrene (um 275 – um 194 v. Chr.), der durch seine Berechnungen zum Erdumfang berühmt wurde, und Dositheos von Alexandreia, aus dem 2. Jh. v. Chr. schließlich Epigenes von Byzantion (ob 7,5–6 dieser oder ein sonst nicht bekannter Namensvetter gemeint ist, lässt sich nicht mehr ermitteln) und Hipparchos von Nikaia. Nicht datierbar sind die von Censorinus genannten Sternenkundigen Aphrodisios, Aretes von Dyrrhachion, Dion, Dioskorides, Dorylaos, Kassandros, Menestratos und Nauteles, außerdem die Angaben der nach mythologischen Figuren benannten (oder unter deren Namen publizierten) Linos und Orpheus. Ob Censorinus mit den Genethliaci, den „Geburtstagsforschern”, griechische oder römische Autoren meint, muss offenbleiben.

Für die Thematik des Geburtstagsbuchs wichtig sind immer wieder auch die Erkenntnisse der antiken Medizin. Allen voran steht der berühmte Hippokrates von Kos, der im späten 5. Jh. v. Chr. wirkte – und den Censorinus einmal (14,4) also zu Unrecht für älter als Solon zu halten scheint –, aber auch dessen Zeitgenossen Herodikos von Selymbria und Euryphon von Knidos. Aus späteren Jahrhunderten führt Censorinus den nach Hippokrates wichtigsten Mediziner Diokles von Karystos an, der im 4. Jh. wirkte, ferner Euënor von Athen (4./3. Jh. v. Chr.) und Herophilos von Chalkedon (um 330–260 v. Chr.), der in Alexandreia wirkte, sowie aus dem 1. Jh. Asklepiades von Prusa.

Censorinus’ Exkurse zur Musiktheorie nennen Aristoxenos von Taras, den man auch unter die Schüler des Aristoteles gezählt hat. Das in 10,8–9 beschriebene Experiment hält übrigens einer Überprüfung nicht stand!

Den vielen Namen, die im Geburtstagsbuch genannt werden (und die das „Who’s who” am Ende dieses Bandes erschließt), ist gemeinsam, dass der Autor sie bei seiner Leserschaft fast durchweg als bekannt voraussetzt – das unter Gebildeten verbreitete „name dropping” wichtiger Denker ist bei ihm besonders ausgeprägt!

Das Geburtstagsbuch

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