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Kapitel 3 Borderline ?

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Störung des Sozialverhaltens

Diese Störung ist ein andauerndes Muster von dissozialem, aggressivem oder aufsässigem Verhalten. Die betroffenen Kinder streiten z.B. häufig, auch mit massiven Wutausbrüchen, treten ihren Bezugspersonen gegenüber aggressiv auf, lügen und halten sich nicht an Versprechungen oder sind grausam gegenüber anderen Kindern oder Tieren. Es kann zur absichtlichen Zerstörung fremden Eigentums, absichtlichem Feuerlegen, Diebstahl und disziplinarischen Problemen in der Schule einschließlich Schuleschwänzen kommen. Die Störung des Sozialverhaltens tritt häufig gemeinsam mit anderen psychischen Störungen des Kindes- und Jugendalters wie ADHS, Entwicklungsstörungen oder Drogenmissbrauch auf.

Betroffen sind zwischen 2 und 10% aller Kinder, darunter vorwiegend Jungen, wobei sich die Störung häufig über viele Jahre sehr stabil zeigt. Ein wichtiges Ziel der Therapie besteht darin, Delinquenz, also dem Begehen strafbarer Handlungen und der darauf häufig folgenden Gefängniskarriere vorzubeugen. Therapeutisch können Einzeltherapien der Kinder oder Familientherapien durchgeführt werden, daneben spielen kommunale Maßnahmen (z.B. Jugendarbeit in „Problemvierteln“) eine Rolle.

Die Stabilität der Störung im Sozialverhalten ist sehr hoch. Besonders, wenn die Kinder schon im jungen Alter aggressive Auffälligkeiten zeigen, ist davon auszugehen, dass 40% dieser Grundschüler noch Störungen des Sozialverhaltens im Erwachsenenalter zeigen. In einzelnen Fällen wie beim Vorliegen schwerer impulsiver aggressiver Verhaltensweisen können Medikamente wie z.B. Lithium oder Carbamazepin mit Erfolg eingesetzt werden. Psychosoziale Präventionsmaßnahmen sind zweifellos die entscheidenden Kriterien zur Verbesserung des Schicksals der Kinder.

Angststörungen

Ängste sind v.a. im Kindesalter ein relativ häufiges Phänomen. Viele Kinder aber auch Jugendliche zeigen Angst vor bestimmten Situationen oder Objekten (sog. „phobische Ängste“), z.B. vor Gewittern, vor Hunden oder vor der Dunkelheit. Bei 2 – 9% aller Kinder und Jugendlichen sind die phobischen Ängste so stark ausgeprägt, dass die Diagnose einer Phobie gestellt werden kann. Neben den phobischen Ängsten ist die Trennungsangst die wichtigste Angststörung des Kindes- und Jugendalters, unter der 3 – 5% aller Betroffenen leiden. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen weigern sich, ihre Bezugspersonen zu verlassen bzw. leiden unter großen Ängsten, wenn sie dies doch tun. Das führt in der Regel zum Verweigern des Schulbesuches. Kinder und Jugendliche mit Trennungsangst sind häufig schon im Kleinkindalter sehr anhänglich und gehen z.B. nicht gerne in den Kindergarten. Schwere Trennungsängste werden häufig ausgelöst durch das Erleben eines Verlassenseins (z.B. Verlorengehen im Kaufhaus, ) oder durch schwierige familiäre Situationen (z.B. drohende Trennung der Eltern oder das Empfinden keine Zuneigung zu erhalten oder der angst des Verlassen werden.). Während bei der Trennungsangst die Angst vor der Trennung von den Eltern im Vordergrund steht, haben bei der davon abzugrenzenden Schulangst die Kinder vor der Schule Angst. Sie trennen sich zwar möglicherweise leicht, gehen dann jedoch eher nicht in die Schule. Diese Angststörungen können leicht verwechselt werden, da u.U. bei beiden zunächst die Verweigerung des Schulbesuchs auffällt.

Psychosen

Schizophrene und andere Psychosen beginnen relativ selten (in ca. 4% aller Fälle) schon vor dem 15. Lebensjahr, nur etwa 1% beginnen schon vor dem 10. Lebensjahr. Je geringer das Ersterkrankungsalter ist, desto schwerer sind Psychosen zu erkennen, da sie sich im klinischen Bild stark von den Psychosen erwachsener Patienten unterscheiden. Während im Erwachsenenalter häufig eine „produktive“ psychotische Symptomatik mit Wahn und Halluzinationen auftritt, treten im jüngeren Alter häufiger auch sog. „hebephrene“ Verlaufsformen sowie sogenannte Prodrome auf. Unter Prodromen

versteht man eine Symptomatik, die vielen akuten Psychosen – manchmal über Jahre – vorausgeht und sich durch Probleme wir Konzentrationsstörungen, Misstrauen, Leistungsknicks in der Schule, Ängste und sozialem Rückzug äußern. Als „hebephren“ wird eine Psychose bezeichnet, wenn sie sich v.a. darin äußert, dass der Betroffene immer weniger emotionale Teilnahme und wenig Antrieb zeigt, und in der Stimmung zunehmend flach und „läppisch“ wird.

Depression und Suizidalität sind komplexe psychische Phänomene und stellen oft erst die sichtbare gemeinsame Endstrecke schwieriger Entwicklungen dar. Während sich im Erwachsenenalter Depressionen und Suizidalität weitgehend überlappen, ist das Jugendalter jener Zeitraum, in dem sich suizidale Störungen zunehmend manifestieren. Suizidalität stellt im Jugendalter eines der häufigsten Symptome bei ambulanter oder stationärer psychiatrischer Behandlung (30 bis 60% der stationären jugendpsychiatrischen Aufnahmen). Depressionen treten nur selten in Reinform auf, häufig begleiten sie Suchterkrankungen, Psychosen, Zwangsstörungen oder Essstörungen, die häufig erst im Jugendalter auftreten. Die Anzahl der Depressionen nehmen bei Kindern und Jugendlichen in industrialisierten Ländern zu, vor allem bilden sich diese Lebensgeschichtlich immer früher aus.

Lange Zeit wurde angezweifelt, ob es Depressionen bei Kindern überhaupt gibt. Eine Studie der Universität Bremen an 1000 Jugendlichen, ergab jedoch, dass 18 Prozent der Befragten im Laufe ihres Leben einmal unter einer Depression gelitten hatten. Nur drei Prozent davon wurden behandelt.

Studien belegen, dass zwischen 0,5 und 2,5 Prozent der Kinder und zwei bis acht Prozent der Jugendlichen an Depressionen leiden. Gekennzeichnet sind Depressionen durch ausgeprägte Antriebsverminderung, kognitive Beeinträchtigungen und körperliche Symptome. Depressionen bei Kindern sind schwer erkennbar, denn während Erwachsene über eine traurige Verstimmung klagen und sich zurückziehen, verhalten sich Kinder oft aggressiv und stürzen sich in Konflikte, was dem landläufigen Erscheinungsbild einer Depression entgegengesetzt scheint. Die depressive Grund-Erkrankung wird deshalb häufig übersehen.

Depressionen bei bei Kindern und Jugendlich werden auch deshalb unterschätzt, da sie häufig als etwas für die Pubertät Typisches aufgefasst und deshalb kaum fachärztlich diagnostiziert und nur selten angemessen behandelt werden.

Schwere depressive Störungen bei Kindern und Jugendlichen sind mit einer durchschnittlichen Dauer von sieben bis neun Monaten eher langwierig. Nur bei jedem zweiten Betroffenen sei nach neun Monaten keine Depression mehr nachweisbar, die Rückfallsrate ist mit 70 Prozent nach fünf Jahren hoch. Noch höhere Rückfallsraten gibt es bei jenen Kindern und Jugendlichen, die einem konfliktreichen Familienklima ausgesetzt sind.

Depressionen im Kindes- und Jugendalter treten bei wiederkehrenden negativen Erfahrungen wie Verlust und Trennung auf. Ursachen für Depressionen sind u.a. das unberechenbare oder das Ablehnende Verhalten von Eltern oder Lehrern, Scheidung oder physischen und psychischen Misshandlungen, denen Kinder über einen längeren Zeitraum ausgesetzt sind. Auch genetische Faktoren und unzureichende Bewältigungsstrategien könnten Depressionen erzeugen. Depressive Störungen bei Kindern und Jugendlichen können daher meist mit belastenden Lebensumständen in Zusammenhang gebracht werden.

Zahlreiche kurze Belastungen müssen von Kindern und Jugendlichen in großer Zahl verarbeitet werden: Elterlicher Tadel, Angst vor Zeugnissen und Strafe, schlechte Schulleistungen, Verlust von Haustieren und FreundInnen, körperliche Auseinandersetzungen oder Mobbing unter peers. Die Mehrzahl solcher Belastungen führt zu nur vorübergehenden depressiven Reaktionen. Wichtiger sind Dauerbelastungen, die meist als familiäre Krisen auftreten: Streit, Vernachlässigung, Missbrauch, elterliche Probleme mit Drogen und psychischen Störungen, körperliche Erkrankungen und Behinderungen, Dauerarbeitslosigkeit und Geldmangel, Trennung, Wiederverheiratung und Patchwork-Familien, aber auch langfristige schulische Überforderungen, z.B. durch unerkannte Teilleistungsstörungen.

Damit eine dauerhafte Depression auftritt, muss zusätzlich eine individuelle Disposition, eine Verletzbarkeit (Vulnerabilität), eine verminderte Belastbarkeit vorliegen. Auch Störungen des Hirnstoffwechsels wie z. B. ein Mangel an Serotonin fördern das Auftreten depressiver Symptome.

In prognostischer Hinsicht ungünstig wirken sich belastende Erlebnisse nach Beginn der Depression aus. Ferner ist eine gute Freundschaft zu Gleichaltrigen von großer prognostischer Bedeutung. Kinder nehmen häufig die Krankheit ins Erwachsenenleben mit, wobei die Heilungschancen abnehmen und sich die Selbstmordgefahr erhöht.

Bei einer Therapie ist außer einer qualifizierten Behandlung mit Psychopharmaka auch eine begleitende Psychotherapie erforderlich. Psychiater betonen, dass auffälliger Rückzug, Nachlassen der Interessen oder Suizidgedanken eines Kindes oder Jugendlichen immer ernst genommen werden müssen. Bei Verdacht auf erhöhtes Selbsttötungsrisiko sollten die jungen Patienten stationär aufgenommen werden. Bis zu 40 Prozent der mit einer schweren depressiven Episode erkrankten Jugendlichen, entwickeln innerhalb von fünf Jahren eine manisch-depressive Erkrankung.

Eine gescheiterte Existenz V

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