Читать книгу Fakten Wissen Denkblasen? - D. G. Berlin - Страница 10

Wir machen uns ein buntes Bild

Оглавление

Das Urknall-Modell beruht auf Allgemeiner Relativitätstheorie und Quantenphysik. Bei aller Wertschätzung beider Theorien: Gerade in Bezug auf den Urknall sind beide höchst unsichere Kandidaten, das Geschehen erklären zu können.

Das Urknall-Modell hat noch andere auffällige Schwächen, die seiner Glaubwürdigkeit nicht gut zu Gesicht stehen.

Alle bisherigen Beobachtungstatsachen und Messfakten zwingen zu der Erkenntnis, dass unser Universum flach ist. Nach der allgemeinen Relativitätstheorie sollte der Raum eigentlich gekrümmt sein. Aber im gesamten, durch uns beobachtbaren Bereich lassen sich keine Raumkrümmungen feststellen. Die kinetische Energie der Expansion muss ziemlich exakt gleich der Gravitationsenergie des gesamten Universums sein. Das muss von Beginn an so gewesen sein.

Wäre da ein winziges Übergewicht der einen über die andere Energieart in der Größenordnung von nur etwa 10^-18 gewesen, wäre das Universum so schnell expandiert, dass es schon lange verschwunden wäre oder die Gravitation hätte es schon vor langer Zeit kollabieren lassen. Die Größe Omega, die für das Verhältnis von kinetischer zu Gravitationsenergie steht, muss von Beginn an 1 betragen haben. Das Urknallmodell der modernen Physik hat dafür keine Erklärung.

Obwohl in relativ kleinen Raumbereichen mit Sternen, Galaxien oder Galaxiengruppen unterschiedliche Strukturen und eine unterschiedliche Verteilung der materiellen Strukturen zu verzeichnen sind, bietet das Universum großräumig eine sehr gleichförmige Materieverteilung. Man sagt, das Universum sei homogen und isotrop. Warum aber sind entgegengesetzte Gebiete des Universums in einem solchen Maße einander gleich. Quasare in etwa 12 Milliarden Lichtjahren Distanz sind, wenn sie sich in entgegen gesetzten Regionen befinden, 24 Milliarden Lichtjahre voneinander entfernt. Zwischen solchen Regionen konnte zu keinem Zeitpunkt ein Austausch stattfinden, da die jeweilige Distanz immer größer war, als das Licht sie hätte überbrücken können.

Welcher Prozess hat also für die Homogenität gesorgt? Das Urknallmodell hat darauf keine Antwort.

Ebenso wenig kann es Auskunft geben auf die Frage, woher denn die winzigen Inhomogenitäten stammen, die es schon sehr früh gegeben haben muss, da es sonst keine Galaxien und Sterne geben würde.

Mit großem finanziellen, materiellen und intellektuellem Aufwand haben die Forscher die so genannte Hintergrundstrahlung, die den sehr frühen Zustand des Universums repräsentieren soll, vermessen. Der Satellit Cosmic Background Explorer – COBE – hatte dazu erste Messungen vorgenommen. Die Euphorie war groß, waren doch in den Daten tatsächlich Inhomogenitäten in Form von Temperaturunterschieden aufgetaucht. Sie hatten eine Winkelauflösung von etwa 10 Grad bei einer mit COBE maximal möglichen Auflösung von etwa 7 Grad.

Obwohl die gesuchten Fluktuationen erst bei einer Winkelauflösung von 2 Grad auffindbar sein sollten, meinten die Forscher, die für die großräumige Strukturbildung notwendigen Inhomogenitäten gefunden und mit der aus den COBE-Daten abgeleiteten bunten Grafik der staunenden Welt ein Bild vom sehr frühen Universum gezeichnet zu haben.

Die berühmte Grafik, die die Wissenschaftler mit den Daten der COBE-Mission gestaltet haben wollen, findet man im Original beim NASA Goddard Space Flight Center unter https://science.nasa.gov/missions/cobe

Offensichtlich hatten die Forscher dabei schon kräftig „in die Farbkiste greifen“ müssen, um die Dinge überhaupt anschaulich machen zu können.

„Eigentlich grenzte die Präsentation des Originalbildes für die Medien fast schon an Betrug. Diese Karten sahen eindrucksvoller aus als die dahinter stehenden Ergebnisse. Die meisten Schwankungen in dem Bild, die diese einzigartigen Kleckse und Fransen hervorbrachten, stammen nämlich von der Zufallsstrahlung des Mikrowellendetektors selbst.“

(Brian Clegg, Vor dem Urknall; rowohlt digitalbuch)

Wäre dies durch Vergleiche bei unterschiedlichen Wellenlängen und durch statistische Analyse ausgeglichen worden, schreibt Clegg weiter, wäre nicht mehr viel übrig geblieben von den Inhomogenitäten. Die Reaktion der Medien auf die COBE-Ergebnisse seien angeheizt worden „… durch die Kommentare von Wissenschaftlern, die es eigentlich besser hätten wissen müssen.“ (a. a. O.) Clegg lastet das in besonderem Maße Stephen W. Hawking an, der damals die COBE-Resultate als die größte Entdeckung des Jahrhunderts, wenn nicht gar aller Zeiten definiert haben soll.

Eine ziemlich flache Bemerkung, wenn man an Entdeckungen wie die der Relativität, der Quantenphysik, der Galaxien außerhalb der Milchstraße, der Expansion, der Schwarzen Löcher, der großräumigen Strukturen im Universum oder gar der DNS oder der Gene denkt, von der Gravitation, der Evolution, der Elementensystematik und der Radioaktivität ganz zu schweigen, um nur einige zu nennen.

Fast muss man wohl tatsächlich angesichts der Qualität der COBE-Daten und der Kühnheit ihrer Interpretationen von Betrug sprechen. Wer es nicht gar so hart möchte, kann es ja gern als Täuschung bezeichnen. Für Ehrlichkeit und wissenschaftliche Akribie würde das trotzdem nicht sprechen. Immerhin gab es dafür ‘nen Nobelpreis. Schon merkwürdig, wofür man alles diesen Preis erhalten kann. Das sollte Mut machen.

Mit den Höhenballons Boomerang und Maxima wurden dann genauere Messungen der Hintergrundstrahlung vorgenommen. Deren Messgeräte hatten mit 0,3 Grad (Boomerang) und 1/6 Grad (Maxima) eine weitaus höhere Auflösung. Aber Boomerang erfasste gerade mal 3 Prozent des Hintergrundes, Maxima gar nur 3 Promille. Die dabei festgestellten Inhomogenitäten hatten eine Ausdehnung von erfreulichen 1 Grad.

2001 startete die amerikanische Raumsonde WMAP zu ihrer Vermessungsmission. Aus deren Daten entstand dann ein schon wesentlich filigraneres Bild der Hintergrundstrahlung mit Temperaturunterschieden von 20 Millionstel Grad.

Das NASA/WMAP Science Team fertigte daraus eine Grafik, die man im Original unter https://map.gsfc.nasa.gov besichtigen kann.

Da wussten die Physiker aber schon, dass diese von ihnen „gemessenen“ Inhomogenitäten nur dann zu einem möglichen zeitlichen Ablauf der Strukturbildung und überhaupt zu den zu beobachtenden Strukturen der Galaxien und Sternen passen, wenn es die Dunkle Materie, die Dunkle Energie und den exotischen Prozess der kosmischen Inflation gegeben hat.

Das sind aber vorläufig noch immer Annahmen, Konstruktionen, Erfindungen und keine Beobachtungsfakten. Sie scheinen dringend notwendig zu sein, um einige kosmologische Beobachtungen erklären zu können. Aber sie sind noch mehr Wunschvorstellungen, es möge sie doch bitte, bitte geben, weil – ohne sie ist die moderne Kosmologie ziemlich hilflos.

Die Dunkle Materie sorgte, da sie nicht mit elektromagnetischer Strahlung reagiert, aber Schwerkraft ausübt, dafür, dass sich die Materie um die Inhomogenitäten schneller zusammenballen konnte und so die Entstehung der Galaxien ermöglichte. Die Dunkle Energie hält mit ihrer abstoßenden Wirkung die Galaxien auf notwendigen Abstand und lässt den Raum trotz Gravitation expandieren. Die Inflation, also die plötzliche exponentiellen Aufblähung des Raumes auf das 10^x-fache in der Frühphase der Expansion, macht das Universum flach und sorgt auch mit Hilfe von Quantenfluktuationen für Anfangs-Inhomogenitäten der notwendigen Größe.

Sie macht jedoch auch die Einführung eines speziellen Quantenfeldes notwendig. Die Teilchen des Feldes heißen Inflatonen. Die existierten ausschließlich in dieser ganz frühen Phase des Universums und wurden seitdem nie wieder gesehen. Das heißt, sie wurden noch nie gesichtet und werden das auch nie. Muss ich noch ausdrücklich erwähnen, dass die Herkunft des Feldes unklar ist, wie seine Existenz auch nicht nachgewiesen, es also eine reine Konstruktion ist?

Im März 2014 schien aus der Konstruktion Inflation ziemlich plötzlich doch Realität zu werden. Da wurde nämlich verkündet, es sei nunmehr erstmals ein Beweis für diesen außerordentlich stürmischen Prozess gefunden worden. Wissenschaftler des Harvard-Smithsonian Center for Astrophysik hätten mit der am Südpol stationierten BICEP2-Anlage die Polarisierung der Hintergrundstrahlung untersucht. Dabei sei man auf einen deutlich höheren Wert der so genannten B-Modi gestoßen. B-Modi sind bestimmte Polarisationsmuster, die von starken Turbulenzen stammen könnten, die ihrerseits von der Inflation im frühen Kosmos zeugen würden. Man sei sehr sorgfältig vorgegangen, habe, um Fehler zu vermeiden, die Messungen wiederholt und die Ergebnisse drei Jahre lang überprüft.

Die Euphorie war groß. Da war ja nicht nur ein Beweis für die Inflation gefunden worden, sondern auch gleich mal Bilder von Gravitationswellen, die man bis dato auch nur vom “Hörensagen” kannte, gemacht worden und die enge Beziehung von Quantenphysik und Relativitätstheorie sei nun auch bewiesen. Eilfertig gratulierten beispielsweise die Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und sprachen schon öffentlich vom Nobelpreis.

(nach M. Holland; Urknall: Erster direkten Beweis für kosmologische Inflation; heise online; 17. 03. 2014)

Ein Jahr später verschwand die große Entdeckung im Staub der Geschichte. Skeptische Forscher hatten sich daran gemacht, mit dem gleichen Gerät BICEP2, den Daten des Planck-Satelliten und des Keck-Teleskops auf Hawaii die Polarisationsmuster der Hintergrundstrahlung noch einmal, aber etwas anders zu untersuchen. Sie nahmen sich den selben Himmelsabschnitt vor, in dem die B-Modi festgestellt worden sein sollten. Sie zogen nun allerdings von den hier registrierten Signalen alle Signale ab, die in dieser Region von galaktischem Staub stammen. Das macht Sinn, denn B-Modi müssen nicht von der Inflation stammen, sie können auch von gewöhnlichem Staub erzeugt werden. Und schon hatte sich die große Entdeckung erledigt.

"Unsere Arbeit zeigt, dass der Nachweis von primordialen B-Modi nicht länger robust ist, wenn diese vom Staub stammenden Signale von den BICEP2-Daten abgezogen werden. Daher können wir leider nicht bestätigten, dass dieses Signal von der kosmischen Inflation stammt."

(Jean-Loup Puget; Universität Paris; in SCINEXX.de; ESA 02. 02. 2015)

Und so haben wir jetzt ein zwar farbenfrohes, aber ziemlich unstimmiges Bild vom frühen Universum. Um irgendeine Bestätigung dafür, dass es die Inflationsphase tatsächlich gab, bemühen sich die Physiker noch, von der Natur der Dunklen Materie haben sie keine Ahnung, von der der Dunklen Energie aber – auch nicht.

Ach ja, die Europäer durften auch mal ran – an die Hintergrundstrahlung. Und selbstverständlich lieferte deren Satellit Planck nach langen 15 ½ Monaten Messzeit ein noch genaueres Bild. Aus den WMAP-Daten war ein Weltalter von 13,7 Milliarden Jahren abgeleitet worden. Die Planck-Daten korrigierten das auf 13,81. Der Wert der Hubble-Konstante H sollte nun auch nicht mehr um die 70 betragen, sondern nur noch 67,15.

Hatte man davor den Anteil der “normalen“ Materie mit 4,5 %, den der Dunklen Materie mit 22,7 und den der Dunklen Energie mit 72,8 % beziffert, hieß es nach Planck, bei der uns bekannte Materie müsse man nun mit 4,9, bei der Dunklen Materie mit 26,8 bei der Dunklen Energie jedoch nur noch mit 68,3 % rechnen.

Nun gut, das mag für die Spezialisten wichtig sein, für uns sind solcherart Korrekturen wenig aufregend. Sie ändern ja nichts daran, dass wir nur einen kleinen Teil des Universum kennen. Ob unser Unwissen 95,5 oder 95,1 % des Universums umfasst, ändert am Maß des Unwissens nur wenig. Planck hatte es so aber immerhin doch bestätigt, das Unwissen.

Die bunte Grafik der Planck-Daten liefert die ESA and the Planck Collaboration unter

http://www.esa.int/spaceinimages/Images/2013/03/Planck_CMD

Aber plötzlich war die Reaktion der Forscher nicht mehr gar so euphorisch. Ja schon, meinten sie, das Universum ist wohl so, wie wir es uns gedacht haben, aber vielleicht doch nicht ganz so. Und der Urknall muss da auch vielleicht etwas anders verlaufen sein, als gedacht.

Woher diese Unsicherheiten plötzlich herkamen? Nun, die Planck-Daten verwiesen auf Unregelmäßigkeiten und Anomalien, die man zwar schon bei WMAP gesehen, aber noch nicht sehr ernst genommen hatte. Bei der Präzision, mit der Planck gemessen haben soll, konnte man darüber nun aber nicht einfach hinwegsehen oder sie als zufällige Messfehler wegschieben. Jetzt waren sie in Form konkreter Daten da:

Es gibt zwischen dem nördlichen und dem südlichen Himmel Unterschiede. Die Temperaturfluktuationen im südlichen Himmel sind größer als in der Nordhälfte, es gibt also eine Asymmetrie in den Temperaturschwankungen zwischen Süd und Nord. (ESA / Bild der Wissenschaft / Welt der Physik / Max Planck Gesellschaft u. a. ; 2013)

Das sollte es eigentlich nicht geben, wenn die Annahme richtig ist, das Universum würde in großen Maßstäben überall und in allen Richtungen gleich aussehen. Zu allem Überfluss scheint die Vorzugsrichtung auch noch gekoppelt zu sein mit der Bahnebene der Erde. Das würde das kosmologischen Prinzip, dass wir nichts Besonderes sind, irgendwie nicht mehr so richtig stützen. Zudem wurde festgestellt, dass auf großen Winkelskalen die Temperaturschwankungen geringer sind, als sie es nach dem Standardmodell sein müssten.

Und zu allem Überfluss stieß man auf einen Cold Spot einen mysteriösen kalten Fleck. Die üblichen Temperaturschwankungen in der Hintergrundstrahlung betragen nach den „Berechnungen“ etwa 18 Millionstel Grad. In der Region des Cold Spot ist die Strahlung jedoch 70 Millionstel (!) Grad kühler. Zwar ist das auch kein so gewaltiger Unterschied, reichte aber als eine Abweichung von den Vorstellungen aus, die Physiker unruhig zu machen.

Warum sollte sich aus einem homogenen Zustand heraus, der zudem von der Inflation glatt gebügelt wurde, plötzlich ein Raumgebiet entwickelt haben, das sich doch deutlich vom allgemeinen Geschehen in der frühen Struktur abhob.

Die entsprechende Grafik veröffentlichte die ESA unter www.esa.int/spaceinimages/Images/2013/03/Planck_enhanced_anomalies

Trotz dieser unvermutet aufgetauchten Anomalien sind die Physiker überzeugt, mit den bunten Ostereiern präzise Abbildungen des frühen Universums geliefert und zugleich ihre eigenen Theorien und Modelle überzeugend bestätigt zu haben. Das heißt, so durchgängig überzeugt waren sie wohl nicht.

Unter Berufung auf das Journal of Cosmology and Astroparticle Physics meldete die Online-Seite Welt der Physik (Bundesministerium für Forschung und Bildung / Deutsche Physikalische Gesellschaft) 2014, Schweizer Physiker hätten sich die Planck-Daten noch einmal vorgenommen. Sie verzichteten bei der neuen Interpretation auf das so genannte Masking, mit dem alle für das erhoffte Ergebnis unerwünschten Daten „wegradiert“ werden. Bei Verwendung alternativer Datenverarbeitungstechniken – welche, wurde nicht ausgeführt – verschwanden die Anomalien. Selbst der Cold Spot war plötzlich weg.

Bei der extrem komplexen Analyse der Strahlung wäre es möglich, wurde mitgeteilt, dass die Anomalien auf fehlerhafte Datenauswertung zurückzuführen seien. Es müsse sich gar nicht um unerklärliche Abweichungen vom Standardmodell handeln, sondern schlicht um Fehler in der Interpretation von Daten oder um „statistische Ausreißer“, aber als Hinweise auf ein neue Physik könne man die Anomalien trotzdem noch nicht ganz ausschließen.

Das lässt alle Möglichkeiten offen. Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt wie es ist.

Noch einmal zum Genießen: Bei den Anomalien könnte es sich um Interpretationsfehler handeln oder um statistische Abweichungen, weshalb die gültige Physik nicht in Frage gestellt wäre; vielleicht handelt es sich aber doch um neue Physik. Die Hintergrundstrahlung lässt sich also hinbiegen, wie sie gerade gebraucht wird. Geht ja auch!

2015 war der Cold Spot wieder da. Jedenfalls berichtete Welt der Physik ganz selbstverständlich darüber. Die größte Struktur, die die Astronomen im Kosmos bisher beobachten konnten, sei ein Gebiet von 1,4 Milliarden Lichtjahre Ausdehnung im Sternbild Eridanus in der südliche Hemissphäre mit einer auffälligen Materiearmut.

Leerräume, so genannte Voids, sind in der großräumigen Struktur des Kosmos allerdings keine Seltenheit. Die Galaxien sitzen mehrheitlich in den Randgebieten blasenartiger Strukturen, dazwischen ist der Raum zwar nicht leer, enthält aber auffällig weniger Galaxien als die Ränder der Voids. Dieser Supervoid im Eridanus ist nicht nur sehr viel größer als die üblicherweise etwa 100 Millionen Lichtjahre umfassenden Voids, er enthält auch 15 % weniger Materie als der Raum im kosmische Durchschnitt.

Da der Supervoid in der Position am Himmel mit der des Cold Spot übereinzustimmen scheint, vermuten die Wissenschaftler, er könnte seine Quelle im Cold Spot haben. Ohne Zweifel würde sich hier eine heute zu beobachtende Tatsache mit einem Zustand im frühen Universum erklären lassen. Das wäre für das Verständnis der universalen Entwicklungsprozesse von hohem Stellenwert. Allerdings wäre es noch immer und noch stärker eine Abweichung vom Standardmodell, denn eine Anomalie wäre es auf jeden Fall, ob nun als Cold Spot oder als Supervoid.

Angesichts der bunten Baby-Bilder des Universums und der kategorischen Verkündungen sollte man nur noch den Kopf schütteln. Es ist schon sehr erstaunlich, was die Physiker daraus alles ablesen wollen. Das Alter des Universums, die exakten Anteile normaler und dunkler Materie wie auch der Dunklen Energie, die Quellen der Galaxien und Sterne, wie wir sie heute beobachten, sogar den Beweis für die Inflation, für ein oszillierendes Universum und anderes mehr.

Beispiel: Alter des Universums. Früher genügten den Astronomen bei den Angaben zum Alter des Universums grobe Zeitspannen. Man definierte es zwischen 10 und 15 oder auch zwischen 15 und 20 Milliarden Jahre. Damit konnten alle ganz gut leben. Mit den Messungen der Hintergrundstrahlung wurden die Altersangaben erstaunlich präzise. Eine Zeitlang überschlugen sich die Angaben dazu förmlich: 13,7; 13,73; 13,78; 13,8; 13,81. Es schien sich ein Wettbewerb entwickelt zu haben, das Alter immer noch ein wenig genauer bestimmt zu haben, als die zuvor veröffentlichte Zahl. Einmal las ich im Internet sogar diese Altersangabe: 13 Milliarden 780 Millionen 807 Tausend 626 Jahre. Schade, dass der Künstler auf die Angabe der Monate und Tage verzichtet hatte. (Ist nur Spaß.)

Obwohl alle diese präzisen Angaben im ”Brustton der Überzeugung” verkündet wurden, sucht man nach der konkreten Erläuterung, wie genau sie aus den Daten der Strahlungsmessungen eigentlich abgeleitet werden, vergeblich. Gibt es dafür irgendeine geheime Formel? Steht in den bunten Bildchen irgendwo etwas, was die Physiker als Altersangabe erkennen können? Und was muss ich mir da vorstellen?

Einen allgemeinen Hinweis liefern die Physiker dazu schon. Die Ableitung des Alters aus den Daten der Hintergrundstrahlung erfolge auf der Basis des Lambda-CDM-Modells. Das klingt erst einmal gut, wer will dann noch an der Exaktheit der Altersangaben zweifeln, wenn ihnen doch das bedeutende Lambda-CDM zu grunde liegt.

Nur muss man dazu wissen: Lambda steht für eine kosmologische Konstante, die auch in direkter Beziehung zur Dunkle Energie stehen soll; und CDM heißt ausgeschrieben cold dark matter, was nichts anderes als kalte Dunkle Materie bedeutet. Da haben sie ja nun was gekonnt. Die tatsächliche Größe der kosmologischen Konstante ist noch immer relativ unsicher, gibt es bei ihr doch die bisher größte Differenz zwischen einem theoretisch zu bestimmenden Wert und dem aus Beobachtungen abzuleitenden. Und über die Dunkle Energie wissen sie nur, dass es sie geben könnte, mehr aber nicht. Und die Dunkle Materie ist den Physikern in der kalten ebenso komplett unbekannt wie in einer eventuell heißen Version.

Das heißt, aus Komponenten, über die sie absolut nichts Konkretes wissen, wollen sie ernsthaft etwas so Konkretes wie die Altersangabe für das ganze Universum ableiten. Bewundernswert, dieser Mut. Oder sollte ich besser von Unverfrorenheit schreiben?

Das Problem beginnt schon bei der Form der Grafik. Welche Form hat das Universum? Ist es eine Kugel, oder vielleicht ein Ellipsoid, oder ein Torus oder doch ein Dodekaeder, wie es manche Forscher kühn vermuten?

Sollte es eine Kugel sein, kommt die Ellipse als 2-dimensionalen Darstellung dem 3-dimensionalen Innenraum einer Kugel schon nahe; würde ihn aber trotzdem erheblich verfälschen. Hat das Universum aber andere Formen, wären die Grafiken wohl recht weit weg von der Möglichkeit, die Temperaturverteilung im Frühstadium des Universums in elliptischere Form so zu erfassen, dass man daraus alles das ableiten kann, was man vorgibt, ableiten zu können. Es würde zu völlig falschen Vorstellungen führen, wenn die Ellipse einer Innenansicht des Universums nicht sehr nahe wäre.

Dabei muss man sich einmal vor das nur wenig kritische Auge halten, wie die Daten der Hintergrundstrahlung-Messungen zu Stande kommen. Sicher, an Bord der Raumsonden und Höhenballons waren bestimmt hochempfindliche Geräte. Aber die zu untersuchende Strahlung stammt aus der Frühzeit des Universums, genauer aus der frühesten Zeit, aus der wir Informationen ergattern können. Ein noch früherer Informationsträger steht uns nicht zur Verfügung.

In den Milliarden Jahren seit ihrer Entstehung ist die Strahlung aber den verschiedensten Einflüssen ausgesetzt gewesen. Wenn die Standardmodelle der Teilchenphysik und der Kosmologie zutreffen, entstand sie, als sich Strahlung und die noch immer superheiße Materie voneinander trennten. Es folgte eine Phase, da die Galaxien und Sterne erst entstehen mussten. Darüber wissen wir nur wenig.

Dann noch die schon Milliarden Jahre andauernde Entwicklungsphase mit dem teils sehr turbulentem Geschehen um Quasare, Schwarze Löcher, Galaxien, Sternentstehung, Sternenzyklen und Supernovae. Das alles überlagert die nur noch schwach strahlende Hintergrundstrahlung und erzeugte und erzeugt eine allgegenwärtige und sehr viel stärkere Vordergrundstrahlung. Das filigran auseinanderzuhalten dürfte eine Aufgabe gigantischen Ausmaßes sein.

Um mal die "Größenordnung" anzudeuten: Es geht hier um Inhomogenitäten in einer Differenz von 2,7281 zu 2,7280 Kelvin oder -270,4219 zu -270,422 Grad Celsius. Um die aufzuspüren, muss man alle Vordergrund-Strahlungsquellen sauber eliminieren. Das mag ja bei der Sonne und den bekannten Galaxien und Quasaren vielleicht noch einigermaßen möglich sein, obwohl selbst da schon Zweifel angebracht sind, ob das vollständig oder nur sehr grob gelingt. Aber da sind ja auch schwach leuchtende Sterne, Braune Zwerge, Galaxien mit geringer Helligkeit, Wasserstoffwolken, interstellarer Staub, deren Lage und Stärke man gar nicht oder nicht genau kennt und zudem unbekannte Strahlungsquellen, mit denen man immer rechnen muss.

Bei der Interpretation der WMAP-Daten sollen 700 extra-galaktische Punktquellen maskiert, also ausgeblendet worden sein. Warum 700, warum nicht 2000? Wurde das geschätzt? Und dann emittiert unsere Galaxie ja auch noch eine Eigenstrahlung, die herausgerechnet werden muss. Die Bewegung der Erde durch den Mikrowellenhintergrund sorgt zudem für Verzerrungen.

In der ersten Phase nach der Entkopplung von Materie und Strahlung soll es eine Ära der Monstersterne gegeben haben; massereiche – 300- bis 1000- fache Sonnenmasse – helle Sterne mit Strahlung im Ultravioletten und starker Neigung zu Supernova-Explosionen. Diese Riesensterne hatten nur eine kurze Existenzzeit. Es muss sich also um eine Etappe recht turbulenten Geschehens und zahlreichen Strahlungsausbrüchen in Folge von Supernovae gehandelt haben. Über diese Periode wissen wir nichts Genaues, wir nehmen nur an, dass es sie gegeben haben muss, da anders die Metallizität der heute zu beobachtenden ältesten Sterne nicht erklärbar wäre.

Alle diese Faktoren fügen sich zu einer recht diffusen Vordergrund-"Verunreinigung" des Strahlungshintergrundes zusammen. Um aus den Messdaten, in die das alles eingeht, dann ein Bild von der Hintergrundstrahlung, ihren Inhomogenitäten und deren Lage und Größe zu machen, sind komplizierte Umrechnungen und eine stattliche Anzahl von Annahmen notwendig. Annahmen und Umrechnungen, die von Theorien und Modellen, Vorstellungen und Vermutungen ausgehen.

Es ist doch entschieden zu bezweifeln, dass das mit gebührender Sicherheit gelingen kann. Hilfreich war es in diesem komplexen und komplizierten Prozess bestimmt, zu wissen, wonach genau man sucht und wie das Bild aussehen muss, wenn es die Paradigmen bestätigen soll. Obwohl viele Physiker die Ostereier ernst nehmen, müssen wir ihr Triumphgeheul nicht teilen.

Die häufigen Mitteilungen, man hätte nun noch Dieses und Jenes aus der Hintergrundstrahlung ablesen können, was eindeutig jene und diese Annahme, Vorstellung oder Theorie bestätige, können wir mit dem müden Lächeln eines wissend Ungläubigen in den sich füllenden Korb neben dem Schreibtisch schieben. All die Grafiken vom Baby-Universum und die Verkündungen von aus den Daten der Hintergrundstrahlung gewonnenen Erkenntnisse muss man wohl nicht sonderlich ernst nehmen.

Fakten Wissen Denkblasen?

Подняться наверх