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Worum geht es?

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Wir leben im 21. Jahrhundert. Seit den Babyloniern, Phöniziern, Ägyptern und den naturphilosophischen Vermutungen der alten Griechen ist also schon viel Wasser durch die Flüsse geflossen.

Große Entdeckungen wurden gemacht, Namen wie Thales und Pythagoras, Archimedes und Galilei, Kopernikus und Kepler, Descartes und Newton, Faraday und Maxwell, Planck und Einstein, Heisenberg und Bohr, Weinberg und Hawking stehen eingemeißelt in den Annalen der Physik. Chemie und Optik, Mechanik und Metallurgie, Astronomie, Kosmologie, Biologie und die anderen Wissenschaftsgebiete haben die Palette der Erkenntnisse und des Wissens um Zehnerpotenzen erweitert. Nun haben wir es – das moderne wissenschaftliche Bild von der Welt außer uns; das Weltbild, das uns die Naturwissenschaft, unter maßgeblicher Prägung durch die Physik, in prächtigen Farben und klaren Konturen, in logischen Strukturen und als beeindruckende mathematische Kompositionen gezeichnet hat.

Eine kurze Geschichte der Zeit, Die kürzeste Geschichte der Zeit, Eine kurze Geschichte von fast allem und sogar Die kürzeste Geschichte allen Lebens (Stephen W. Hawking; St. W. Hawking/L. Mlodinow; Bill Bryson; H.Lesch/H.Zau) – Naturwissenschaftler versuchten in den letzten Jahren, sich gegenseitig mit ihren Kurzgeschichten zu übertreffen, um uns das naturwissenschaftliche Weltbild so nahe wie nur irgend möglich zu bringen. Das waren, so hörte man, recht erfolgreiche Publikationen – die Autoren dieser Bücher sind ja auch namhafte Wissenschaftsexperten.

Wollten sie uns mit der Titelwahl suggerieren, im Gegensatz zum langen Weg der Naturerkenntnis sei es mit dem Verstehen der Natur eine ganz einfache Sache, so schnell geklärt wie schnell erzählt?

Sind es denn so kurze Geschichten? Sind sie schon erzählt? Sind wir am Ziel unserer Suche nach Wissen und Begreifen? Ist alles Wichtige geklärt? Haben wir alles verstanden, was es zu verstehen galt? Hat die Naturwissenschaft alle unsere Fragen an die Natur beantwortet? Oder ist die moderne Erklärung der Natur tatsächlich eine Kurzgeschichte – einfach zu kurz geraten?

Gibt es nicht noch viel Unklares und Unbewiesenes in allen Fragen nach dem Wie? Sind nicht ganz wesentliche Fragen nach dem Warum weitestgehend unbeantwortet und nicht einmal Ansätze in Sicht, wie die Naturwissenschaft sie beantworten will – wenn sie das überhaupt will?

Zur Enttäuschung der Naturwissenschaftler müssen wir es zugeben: Unser Denken und unsere Vorstellungen von der Welt außer uns sind noch immer vor allem auf das Alltägliche gerichtet, denn wir müssen uns zunächst nicht im Universum, sondern im Leben zurecht finden, unseren individuellen Platz bestimmen, mit unseren Mitmenschen auskommen, etwas aus unserem Leben machen, oder schlicht nur ‚überleben’. Wir wollen auch viel erleben, Spaß haben, alles genießen, was Leben und Welt für uns an Genussvollem bereithalten.

Ob wir als Individuen mehr Genuss und Spaß haben oder mehr ums Überleben kämpfen müssen, wird nicht von unserem Verständnis für die Natur der Natur bestimmt, sondern von Ort und Zeit unseres Da- oder Hierseins, von der Gnade unserer Herkunft, der Brutalität der Mächtigen, der Gier der Reichen und anderen Umständen, auf die wir häufig wenig Einfluss haben.

Die Welt außer uns kann bedrohlich, Angst einflößend, grau und kalt, voller Gefahren, Krankheit und unbarmherziger Härte sein. Manchem scheint dagegen jeden Tag die Sonne, bietet die Welt ein farbenprächtiges Bild der Harmonie und Schönheit, der Eleganz und des Überflusses. Wie die Welt dem Menschen begegnet, hängt nicht von der Welt ab, sondern von den Daseinsumständen des Menschen.

Jeder einzelne Mensch, unabhängig seines Alters und seiner Herkunft, seiner Möglichkeiten und seiner Ambitionen, macht sich seine Vorstellungen über die Welt, malt sich selbst sein individuelles Weltbild. Es ist mitunter in erschreckender oder auch nachvollziehbarer Ausschließlichkeit auf Bankkonto und Karriere, den Fußballverein oder das TV-Programm, die Eckkneipe oder das andere Geschlecht fixiert, manchmal schon auf einen ferneren Horizont des Daseins und der Verantwortung dafür gerichtet oder erhebt sich sogar in die unermesslichen Regionen des Wissenschaftlichen und Philosophischen – oder es ist von allem etwas und in nichts wirklich viel.

Es kann von der Naturwissenschaft beeinflusst sein, aber auch von Religion, Philosophie oder Kunst, von den Erfahrungen des alltäglichen Erlebens oder von der Suche nach dem Unüblichen. Es kann orientiert sein an den maßstabsetzenden Werken der großen Denker und den von ihnen propagierten Werten und Verhaltensprämissen oder an den Nachrichten- und Argumentationsschnipseln der Medien. Es kann geprägt sein von der unbändigen Lust auf Neues wie von der Bequemlichkeit der Aneignung des gerade nur Nötigsten.

So oder so oder noch anders: Wir müssen uns ein Bild von der Welt machen, denn wir wollen uns schließlich in ihr zurechtfinden und uns gut mit ihr stellen, damit sie gut zu uns ist.

Wir müssen wissen, wie wir zu Nahrung, Kleidung, Bildung, natürlich auch zu Getränken kommen, wo wir wohnen können – und das Auto parken –, ob unsere Arbeitsplätze noch sicher sind, wie wir überhaupt unsere Lebensbedingungen sichern, möglichst sogar verbessern; wer und was uns dabei hilft, wer und was uns daran hindert, wer unsere Freunde sind, wer nicht; was unser Dasein gefährdet; wie wir gesellschaftliche Entwicklungen und Vorgänge be- oder verurteilen sollen, wie wir das einzuordnen haben, was Politik genannt wird; ob die CDU christlich ist oder diabolisch, die CSU sozial oder bayrisch, die Grünen grün oder farblos und die Linkspartei links oder nur linkisch; was wir von dem zu halten haben, was uns die Medien tagtäglich einhämmern, seit einiger Zeit sogar, ob und wie wir den Unsinn im Internet von dem trennen können, was uns nützliche Information sein kann.

Es ist auch hilfreich zu wissen, wie wir aktuelle und potentielle Sexualpartner beeindrucken und womit wir lästige Konkurrenten ausschalten können, was eine Steuererklärung ist und wie man sie möglichst vorteilhaft – für sich – ausfüllen kann und sich trotzdem so fühlen darf, als wäre man den Kindern noch ein einsam leuchtendes Vorbild.

Jeder von uns weiß aus hinreichend eigener Erfahrung, wie schwierig das alles ist, wie oft wir uns irren, etwas völlig falsch einschätzen, uns tölpelhaft unsinnig verhalten, schweigen, wo wir schreien sollten, uns zu Wort melden, wo wir unseren Denkunsinn besser für uns behalten hätten, und wie schnell wir in Krisen – persönliche, berufliche, landesweite oder gar globale – hinein stolpern können.

Aber ohne irgendein Bild von der Welt ist der Mensch nicht überlebensfähig. Es ist die Basis für Aktivsein, für Orientierung in einer von seinem Willen unabhängigen Außenwelt, für die Bestimmung der Zielrichtungen und der Art seines Handelns.

Über Jahrtausende konnten allerlei Mythen und Märchen verschiedene Bilder von der Welt malen, die für manche Zwecke brauchbar, für viele Menschen auch hilfreich waren oder noch immer sind.

Aber wir sind nun mal Vertreter der stolzen Gattung Homo sapiens sapiens. Als weise Menschen sollten wir die Welt nicht nur empfinden und erleben, nicht unbedingt nur glauben, sondern auch wissend verstehen. Wir wollen daher schon über den Alltags-Tellerrand hinausschauen, wollen unseren Blick weiten und unsere Kenntnisse vertiefen, wollen wissen, wie unsere Welt denn eigentlich beschaffen ist, wie die Dinge außer uns funktionieren, was da in den Tiefen des Universums und der Materie vor sich geht.

Das oben angeführte Bemühen, mit der Welt einfach nur klarzukommen, kennzeichnet im Prinzip ja auch die Tierwelt – Steuererklärung, Internet, CDU/CSU und Linkspartei mal links liegen gelassen. Auch Tiere wollen Nahrung zu sich nehmen, brauchen einen sicheren und warmen Schlafplatz, wollen sich fortpflanzen, lassen Muskeln spielen oder versuchen mit äußeren Attributen zu imponieren, schmieden Allianzen, mobben andere Rudelmitglieder, ordnen sich unter oder wollen Leithirsch oder Silberrücken sein. Da sind Tiere auch nur Menschen – oder umgekehrt.

Aber weiser als Esel oder Affe wollen und sollten wir schon sein. Es ist daher nicht nur Neugier, nicht nur geistiger Übermut, auch nicht nur Luxus, wenn wir uns dafür interessieren, was es außerhalb unseres unmittelbaren Erlebens noch so alles Wichtiges gibt in der Welt. Es kann unseren Blick weiten, uns weiser und reifer machen, einsichtiger und souveräner; es sollte uns nicht gläubiger, wohl aber ehrfürchtiger und bescheidener machen.

Also beschäftigen wir uns auch mit den Fragen, woraus die Welt besteht, wie sie entstanden ist, wie sie sich entwickelt und wohin. Wir wollen das genauer und verlässlicher wissen, verstehen, geistig nachvollziehen können. Wir stellen uns deshalb Fragen nach der Herkunft der Welt, nach den dem Universum zugrunde liegenden Zusammenhängen und Ordnungsprinzipien, nach dem Wie und Warum und danach, warum es überhaupt etwas gibt und nicht nichts – manchmal auch schon, was besser wäre.

Schließlich beschäftigt uns auch die spannende Frage, warum es uns gibt, woher wir kommen und wohin wir gehen. Gut, bezüglich Letzterem wollen einige nur wissen, wie viel Kohle dabei zu machen ist und andere, was sie dazu anziehen sollen. Aber es gibt auch viel ernsthaftes Bemühen, zu verstehen, wie die Natur denn eigentlich beschaffen ist, was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält – oder auseinander treibt.

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