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Vielleicht war es ja doch noch anders

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Die Urknallvorstellung ist eine eindrucksvolle Theorie, kein Zweifel. Sie hatte sich schnell bei der überwiegenden Mehrheit der Naturwissenschaftler durchgesetzt; notgedrungen auch bei der Mehrheit von uns Gläubigen. In den Medien wird sie nach wie vor propagiert. Aber deshalb muss diese Vorstellung noch lange nicht auch das tatsächliche Geschehen richtig beschreiben. Wie man den Film auch laufen lässt, ob vorwärts oder rückwärts oder kreuz und quer, ein überzeugendes Bild vom Anfang des Universums will sich nicht so recht herstellen.

Im Mai 2004 veröffentlichten 33 Wissenschaftler aus den USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Polen, Brasilien und Indien einen offenen Brief, in dem sie sich gegen die Urknalltheorie wandten. Sie bezeichneten sie als eine Theorie, die von „zurechtgepfuschten Faktoren“ und jederzeit rückwirkend „verstellbaren Parametern“ lebt. Diese Praxis sei vergleichbar mit jener der alten Kosmologie, die eine Vielzahl von Epizykeln benötigte, um die Position der Erde im Mittelpunkt des Universums erhalten zu können, kritisierten die Wissenschaftler. (New Scientist Mai 2004)

Das Urknallmodell mit den Epizykeln des Ptolemäus zu vergleichen, ist schon ein starkes Stück, aber möglicherweise ein sehr treffender Vergleich. Die 33 Briefunterzeichner kann man noch, wenn man das will, in eine Ecke der Missachtung stellen, indem man behauptet, zu den Unterzeichnern hätten ja gar keine international besonders renommierte Wissenschaftler gehört. Man kann es auch bei einer Veröffentlichung in New Scientist belassen und so weitestgehend totschweigen. Aber aus der Welt sind die Zweifel so noch keineswegs.

John Maddox, langjähriger Herausgeber der international renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature, hatte schon 2002 die Urknalltheorie als ein Rahmenmodell bezeichnet, das der Kosmologie 25 Jahre Frieden und Ruhe brachte. Die Tage der Ruhe seien nun aber, da die Widersprüche zwischen Erwartung und Wirklichkeit auftreten, gezählt.

(John Maddox in: Was zu entdecken bleibt; 2002)

Heute sind viele Physiker von der Urknalltheorie nicht mehr so sehr überzeugt. Und aus den Zweifeln resultieren Versuche, andere Erklärungen für die Herkunft des Universums zu finden. Deshalb könnte die Urknalltheorie tatsächlich in absehbarer Zeit dort sein, wo tatsächlich Ruhe und Frieden in Ewigkeit herrschen.

In jüngerer Zeit argumentieren Physiker, den Urknall dürfe man sich ja auch nicht als eine Explosion vorstellen. Er sei vielmehr der Beginn von Raum und Zeit und der Expansion des Raumes. Da sei nichts explodiert. Am Begriff Urknall könne man festhalten, da er sich eingebürgert hat, aber man müsse mit ihm mehr die Entstehung und Entwicklung des Raumes verbinden.

Das entkrampft die Sache mit dem Knall etwas. Aber auch ein so verstandener Urknall-Prozess steht für den Beginn von Raum und Zeit und Materie und allem. Ob es nun knallte oder nur blubbte, wie der Anfang geschehen konnte, ist trotzdem nicht geklärt.

Aber so einfach ist es ja nicht, eine plausible Erklärung für den absoluten Beginn zu finden. Einige Physiker, die inzwischen mehr oder weniger konsequent vom Glauben an das herkömmliche Urknall-Modell abgefallen sind, mühen sich um neue Szenarien, Denkmodelle und Hypothesen. Einige seien hier angeführt.

Einige Abtrünnige postulieren eine Big-Bounce-Hypothese. Danach soll es die Raum-Zeit schon seit ewigen Zeiten und in einer unendlichen Ausdehnung gegeben haben. Es soll sich dabei aber um einen absolut materiefreien Raum als hoch energetisches Quantenvakuum gehandelt haben. (Leere, nicht Nichts!)

Diese Raum-Zeit war instabil und begann irgendwann, sich zusammenzuziehen. Das konnte aber nur bis zu einer minimalen Größe, mit einem Radius von cirka 10^-25 cm, erfolgen. Als diese erreicht war, entstand bei dann hohem Druck und Dichte der Vakuumenergie die Materie. Die Raum-Zeit dehnte sich wieder aus und die Materie nahm ihren eigenen Evolutionslauf. Der „Große Rückprall“ vermeidet die Singularität, behält aber den Urknall bei. Der ist hier ein Phasenübergang in Form einer Symmetriebrechung als Übergang von einem vakuumdominierten zu einem materiedominierten Universum. Die Raum-Zeit bedarf dann keiner Entstehungs-Erklärung; es gab sie schon seit ewigen Zeiten.

Es gibt noch andere Weltenstehungs-Szenarien. Ich möchte hier aber nur noch zwei aus der jüngeren Zeit kurz erläutern.

Der Begriff Universum ist die Bezeichnung für alles Existierende. So verstanden soll das Universum alles umfassen, was je existierte, aktuell existiert und in aller Zukunft noch existieren wird. Aber ein solches Universum muss ja nicht nur alles das umfassen, was uns bekannt und zugänglich ist. Vielleicht ist das, was wir als Universum ansehen, nur eine an den uns erfahrbaren Raum gebundene, zeitlich begrenzte Existenzweise des Allumfassenden, eine spezifische Welt der Materie, der Galaxien, Sterne, Planeten und Strahlung, wie wir sie beobachten.

Es ist dann durchaus denkbar, dass diese uns erfahrbare Welt eine Vorgängerwelt hatte, aus der sie hervorging. Die Singularität kann dann gedacht werden als Übergang zwischen verschiedenen Seinsweisen des Universums, die miteinander in Beziehung stehen. Dann aber muss das Universum, in dem wir leben, die Fortsetzung von Vorausgehendem sein und sich aus diesem ergeben. Die Singularität wäre so nur eine Phase, in dem sich der Zusammenbruch des Vorausgehenden und die Geburt des Nachfolgenden repräsentiert.

Ein solches Modell stellt hohe Anforderungen an unsere Vorstellungen von Raum und Zeit. Eine Seinsweise des Allumfassenden, die sich von der uns bekannten unterscheidet, kann sich nicht nur in den gegenständlichen Inhalten unterscheiden, sondern vor allem in dem, was wir Raum und Zeit nennen. Tatsächlich sind auch Physiker schon auf diese Idee gekommen.

Paul Steinhardt von der Universität Princeton, sein Doktorand Justin Khoury, Burt Ovrut von der Universität von Pennsylvania in Philadelphia und Neil Turok von der Universität Cambridge haben 2002 ein Modell in die Öffentlichkeit gebracht, das sie Ekpyrotisches Universum tauften. Der sperrige Name ist an das griechische Wort ekpyrosis angelehnt, mit dem man in der Antike einen Weltenbrand bezeichnete. In der modernen Fassung geht das Modell des „Weltenbrandes“ aus der Stringtheorie, genauer aus der heterotischen M-Theorie hervor.

Strings sind bekanntlich jene unwirklichen 1-dimensionale Fäden unbekannten Natur, die aus unbekanntem Grund in verschiedenen Modi schwingen sollen und so in einer unbekannten Systematik die Teilchen und Kräfte hervorbringen sollen. Über die M-Theorie ist auch nicht viel mehr bekannt, als dass sie 10 Raumdimensionen erfordert. Von diesen sollen 6 zu winzigen Gebilden in der Dimension von etwa der Planck-Länge eingerollt sein.

Dieses 10+1(zuzüglich einer Zeitdimension)-dimensionale Universum soll sich ursprünglich in einem materie- und strukturlosen Primärzustand befunden haben. Quantenfluktuationen sollen dann dafür gesorgt haben, dass Strukturen entstanden. Dabei spielen 3-Branen die Hauptrolle. Unser Universum, wohl besser Welt, soll eine 3-Bran sein.

Was Branen sind?

Branen sind Gebilde, die die Stringtheoretiker erfunden haben, um die 1-dimensionalen Strings in mehrdimensionale Strukturen zwingen zu können. Eine 2-Bran ist nichts anderes als ein uns als Membran bekanntes 2-dimensionales Gebilde; eine 3-Bran ein 3-dimensionaler Raum.

Wenn Sie mitgezählt haben, dann fehlt hier nun aber eine Dimension, die nicht zur 3-Bran gehört und offensichtlich auch nicht eingerollt ist. (10 - 6 - 3 = 1) Dieser haben die kühnen Weltenbrand-Konstrukteure einen besonderen Status zugebilligt. Sie soll ein extrem dünner, eben 1-dimensionaler Faden in der Länge von 10^-29 bis 10^-35 m sein, der durch zwei Raumpunkte begrenzt ist. Die Funktion der Raumpunkte kommt zwei 3-Branen zu,

Fragen Sie jetzt, wo denn nun zwei 3-Branen herkommen? Wir bewegen uns hier in einem mehrdimensionalen Gebilde. Nach Abzug der 6 eingerollten Dimensionen ist der Raum immer noch 4-dimensional. Und in diesem sollen die 3-Branen die Ränder bilden.

Die 3-Branen sind nur über die 4. Dimension miteinander in Beziehung und nur die Gravitation kann den Raum zwischen ihnen überbrücken. Die Gravitation aber sorgt dafür, dass sich die 3-Branen einander annähern und schließlich zusammenstoßen. Der Zusammenstoß ist ein energetisches Ereignis, dass dem Urknall durchaus ähnlich ist. Er sorgt jedenfalls dafür, dass die kinetische Energie in Elektronen, Photonen und Quarks umgewandelt wird und in dem so entstandenen heißen Materiebrei vollziehen sich schließlich die Evolution der Materie und die Expansion des Universums, wie sie uns von der Physik geschildert werden.

In einer Version des Modells sollen die kollidierenden Branen miteinander verschmelzen. In einer anderen Version soll noch eine 11te Dimension und eine dritte 3-Bran hinzukommen. Und auch diese Version gibt es inzwischen: Zwei 3-Branen existieren in einem Bulk, nähern sich einander an, kollidieren und lösen so den Urknall aus; entfernen sich dann voneinander bis zu einer maximalen Distanz, um sich danach wieder anzunähern.

Während der Expansion verringert sich die Materiedichte mehr und mehr, die 3-Bran gerät wieder in einen niedrigstenergetischen Zustand. Annäherung und Kollision sind hochenergetisch. Das wiederholt sich wieder und wieder und so werden aus einem energetischen Minimalzustand Welten reichen energetischen Inhalts.

So exotisch das alles klingt, das Modell löst auf wunderbare, man kann auch sagen wundersame Weise eine Anzahl schwerwiegender Probleme, die die Physik mit dem Urknall hat. Die flache Geometrie und die Homogenität von Materie und Strahlung ergeben sich ganz selbstverständlich aus den Zuständen minimaler Energie der Branen. Sie sind ja so gut wie leer.

Eine Singularität ist nicht mehr nötig, denn die Branen besitzen räumliche Ausdehnung und kollidieren nicht in einem Punkt. Exotische Teilchen, wie magnetische Monopole, die es nach der Physik des konventionellen Urknallmodells geben müsste, müssen nun nicht mehr gesucht und auch nicht vermisst werden, denn das Ekpyrotische Modell sieht die Prozesse, in denen sie entstehen können, gar nicht vor. Und für die Inhomogenitäten steht ja immer noch die Wunderwelt der Quantenfluktuationen zur willigen Verfügung.

Aber was ist unter einem Grundzustand minimaler Energie zu verstehen, aus dem heraus das alles begonnen haben soll? Wie minimal war die Energie, vielleicht doch null? Und warum sollen sich dann daraus 3-Branen entwickelt und Dimensionen eingerollt haben? Oder waren alle Dimensionen eingerollt und aus irgendeinem Grund haben sich dann vier oder auch fünf entrollt? Aber warum, wodurch wurde das ausgelöst? Und warum sollen sich die 3-Branen, die am Ende des Expansionsprozesses wieder struktur- und materielos sein müssten, wieder annähern? Durch die Wirkung der Gravitation? Ohne Materie und Struktur?

Die Erfindung des Expyrotischen Universums ist nun immerhin auch schon 15 Jahre her. Durchgesetzt hat sie sich offensichtlich nicht wirklich. Das Expyrotische Universum steht so auch nur in einer Reihe mit dem Urknall-Universum, dem holographischen Universum (ein Modell, das ich hier nur erwähnen möchte), verschiedenen Modellen des Zyklischen Universums und einem Universum, das der Schleifen-Quanten-Gravitation unterliegt. Zur Letzteren sind noch einige Sätze notwendig.

Es existiert eine maßgeblich von Martin Bojowald entwickelte Version der Schleifen-Quanten-Gravitation, eine Art Schleifen-Quanten-Kosmologie. Bojowald war sich offensichtlich im Klaren darüber, dass weder Allgemeine Relativitätstheorie noch Quantenphysik eine Erklärung für den Beginn des Universums liefern können. Vor allem muss die Singularität vermieden werden. Singularitäten würden, so schrieb er, die Grenzen einer Theorie aufzeigen. Wenn man also den Expansions-Film rückwärts laufen, das Universum kollabieren lässt, und dabei nicht in einer Singularität landen will, muss man den Prozess der Kontraktion stoppen, bevor er im Kollaps der Singularität endet.

Eine Lösung wäre es, wenn es eine Kraft gäbe, die der Gravitation entgegenwirken würde. Bojowald meint nun, die Vorstellung der Schleifen-Quanten-Gravitation biete sich hervorragend an, dafür eine Idee zu liefern. Nach der SQG sind Raum und Zeit nicht kontinuierlich, sondern diskret. Räumliche und zeitliche Abstände werden durch Schleifen erzeugt. Schleifen heißen im Englischen Loops. Deshalb heißt die Theorie auch eigentlich Loop-Quanten-Gravitation, kurz LQG (dazu später noch mehr). Diese Loops bilden ein Gewirr von nebeneinander befindlichen, aber sich auch überlagernden Gebilden, ein nicht unbedingt regelmäßiges Raum-Zeit-Netz.

Und genau dieses setzt der Gravitation Widerstand entgegen. Es kann nicht unbegrenzt Energie aufnehmen, also können auch Dichte und Temperatur nicht unendlich groß werden. Die Kontraktion wird zunächst abgebremst und schließlich ganz zum Stillstand gebracht. Dieser geht dann per Urknall in Expansion über.

Das aber heißt: Vor unserem Universum, das mit dem Übergang von Stillstand in Expansion begann, muss es schon ein Universum gegeben haben, eines, das in der Zeit vor unserem kontrahierte. Nun ist das in diesem Szenario aber kein einfacher Rückprall, also ein Wechsel von Kontraktion und Expansion. In der Schleifen-Quanten-Kosmologie ist das Vorgänger-Universum zwar mit unserem vergleichbar, muss aber in einer Anzahl von Parametern anderer Natur gewesen sein.

Martin Bojowald behauptet, die Zeit vor dem Urknall ginge einher mit einer anderen räumlichen Orientierung. Im Urknall hat sich der Raum gewissermaßen in sich selbst umgestülpt, das Innere nach außen gekehrt und umgekehrt. Muss ich mir das so vorstellen, als würde die Oberfläche einer Kugel dann von ihrem Volumen umschlossen werden?

Es versteht sich, dass dieses Szenario, hier in einer eigentlich leicht makabren Kurzfassung dargestellt, aus formal-mathematischen Ableitungen mit einem starken Hang zur Philosophiererei resultiert. Die Raum-Zeit-Schleifen hat noch niemand gesehen; ob Raum und Zeit diskret sind, ist nicht erwiesen; was eine Raum-Umstülpung praktisch für den Raum bedeutet, wissen wir nicht; und ein Blick vor den Urknall ist uns noch konsequenter verschlossen als es der Blick in den Urknall ohnehin schon ist.

Aber selbst wenn die Mathematik der Schleifen-Quantengravitation Natur beschreiben sollte, selbst wenn die darauf beruhende Kosmologie mit der Vermeidung der Singularität zu einem besseren Verständnis der Herkunft unseres Universums führen sollte – es führt nur zu einer Modifikation einer dann noch immer unbeantworteten Fragestellung. Diese lautet nun: Woher kommt dann aber das unserem Universum vorausgegangene Universum?

Die schon etwas ältere Vorstellung, das Universum sei aus einer Art Ur-Atom hervorgegangen, wird aber noch immer gepflegt, wenn auch inzwischen in präzisierter und leicht modifizierter Vorstellung. Nach der soll alles aus einer Blase mit einer „Ausdehnung“ von 10^-33 cm, angefüllt mit einer primären Materie in einer Dichte von 10^93 Gramm pro cm^3, hervorgegangen sein. Das Modell vermeidet die Singularität. Der Urknall ist – sieh an – noch immer eine Explosion der Blase. Was zur Explosion führte, wird nicht erklärt. Dass Raum und Zeit nicht erst mit diesem Urknall entstanden, sondern seine Voraussetzung waren, liegt auf der Hand. Woher sie aber stammten, bleibt ungeklärt.

Alle diese physikalischen Modelle, die ihrem Wesen nach, trotz brillanter mathematischer Formalismen und gelegentlicher Beobachtungsfakten, eigentlich Meta-Physik sind, beantworten die Frage, warum es nicht nichts, sondern etwas gibt, nicht. Die Frage nach dem Ursprung des Universums wird durch die Physik, wie intellektuell, mathematisch, kompliziert-unverständlich, wortreich und exotisch sie sich auch gibt, noch beantwortet mit:

Wir haben keine Ahnung, aber davon viel, denn es fällt uns immer etwas zur Begründung ein. Welchem Modell man auch den Vorzug geben mag, es ist immer nur Glaube und führt in einen solchen.

Und damit bin ich schon bei der nächsten, oben schon einmal kurz erwähnten Version der Weltenentstehungserklärungen, der religiösen. Mit der will ich mich nicht lange aufhalten. Sie ist unmissverständlich und einfach. Das Universum ist das Ergebnis einer Schöpfung. Es ist eine Creatio ex nihilo, eine Erschaffung aus dem Nichts. Irgendeine übernatürliche und durch uns nicht erforschbare Macht hat das Universum geschaffen.

Und wenn es ein Schöpfer war, dann wurde es nach seinem Willen und seinen Vorstellungen, die zu ergründen uns prinzipiell verschlossen ist. Vielleicht gelingt es uns, die Regeln zu erforschen und zu verstehen, nach denen es sich nach der Schöpfung entwickelt. Das wäre doch schon sehr viel und damit sollten wir zufrieden sein.

Was der Schöpfer vor der Schöpfung tat, geht uns nichts an. Warum er ein Universum schuf, können wir nicht verstehen. Ob er das Universum auch in anderer Form hätte schaffen können? Ja, er ist schließlich allmächtig. Aber für uns ist gerade dieses Universum gut geeignet, deshalb sollten wir mit dem zufrieden sein, was wir haben.

Für Atheisten ergibt sich so eine unbehagliche Situation. Die Schöpfungsvorstellung ist nahezu ideal, denn sie erklärt die Entstehung des Universums streng genommen schlüssiger und nachvollziehbarer, als die komplizierten Szenarien mit den Unwirklichkeiten der Singularität, der Branen und der Schleifen-Quanten.

Gut, für Theisten ist die Schöpfung auch recht unwirklich. Sie ist jedoch mit weniger künstlichen Annahmen und Konstruktionen verbunden. Es gab den Schöpfer, der setzte alles in Gang, fertig. Warum er das machte, wissen wir nicht; aber die göttliche Motivation ist ja auch nicht unsere Sache. Die Schöpfung erlässt uns alle Überlegungen und Spekulationen, warum es das Universum gibt und wie es entstand. Das macht es einfach, seine Existenz zu akzeptieren.

Schließlich will ich die spekulativ-humorigen Versionen der Weltenentstehung auch nicht unerwähnt lassen. Nicht das ich ihnen anhängen würde. Aber so ganz neben der Sache, wie man vielleicht vermuten könnte, sind sie nun auch nicht.

Einige Wissenschaftler haben sich intensiv mit den Turing- und von-Neumann-Maschinen – das sind theoretische Universalcomputer –, mit der Theorie vom Universalcomputer überhaupt und ähnlich gelagerten Fragen befasst. Sie stießen auf die Möglichkeit, das Universum könne möglicherweise nichts weiter als eine Simulation sein, die von einer gigantischen Rechenmaschine betrieben wird. Gigantisch steht hier nicht unbedingt für räumliche Größe, wohl aber für Komplexität.

Jemand könnte einen perfekten Universalcomputer mit einer ausgeklügelten Software gestartet haben und würde nun gespannt und gelegentlich eingreifend verfolgen, was seine Hard- und Software so alles fabriziert.

Aber woher kommt der Computer, wer konstruierte ihn, wer programmierte die Software und wer ist der Jemand. Verfolgt der irgendeinen seriösen Plan damit oder ist er ein Freak, der nur herumspielt. Sind das Universum und auch wir nur Produkte einer ausgeklügelten Unterhaltungssoftware, mit der sich ein gelangweilter Unnatürlicher die Zeit vertreibt?

In eine ähnliche Richtung geht die Vorstellung, eine weit fortgeschrittene, hochintelligente Zivilisation könnte das Universum gezielt, wohlüberlegt und exakt durchgerechnet geschaffen haben. Möglicherweise, weil ihre eigene Welt einem absehbaren Untergang geweiht war und die Intelligenz sich eine „Auswanderungs-Welt“ sichern wollte, perfekter, bunter und langlebiger als ihr Heimatuniversum.

Vielleicht wollten sie es aber auch einfach mal probieren, mal sehen, wie sich so ein Universum nach ihren Vorgaben entwickelt, etwas Abwechslung haben vom vielleicht eintönigen, da ihnen längst in allen Einzelheiten bekannten Alltag ihres Heimat-Universums. Und woher kam das Heimat-Universum?

Solcherart Vorstellungen klingen exotisch und extrem spekulativ. Wissenschaftler, die mit solchen Vorstellungen spielen, möchte man gern die berüchtigte Frage nach den Tassen im Schrank stellen. Aber es ist gar nicht so weit weg von dem, was die Physik für möglich hält.

Alan Guth hatte, nachdem er das Inflationsmodell präsentiert hatte, in aller Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht, jemand könne unser Universum in seinem Keller erzeugt haben. Alan Guth, Edward H. Fahri vom Massachusetts Institute of Technology und Jemal Guven von der Universität Mexiko haben in einem ausführlichen Fachartikel beschrieben, wie man mittels Quantentunneleffekt aus einer auf eine Dichte von 10^80 Gramm pro cm^3 verdichteten Masse von lediglich 10 Kilogramm Materie ein Schwarzes Loch erzeugen kann. Eine denkbare Quelle einer Singularität.

In anderen Berechnungen meinte Guth, wenn es jemand gelänge, lediglich 25 Gramm Materie zu einem nur 10^-25 cm kleinen Klumpen zu verdichten, dann wäre schon ein Zustand erreicht, bei dem falsches Vakuum als Ausgangspunkt eines inflationären Prozesses entstehen könne. Und der würde zu einem Universum ähnlich dem unsrigen führen, aber völlig eigenständig, getrennt von jener Welt, in der sich der Keller des Erzeugers befindet. Das könnte durchaus unser Universum sein und wir hätten keine Ahnung von dem Keller, in dem es gezeugt wurde.

Alles in allem: Herkunft und Startgrund unseres Universums liegen nach wie vor im Dunkeln. Keines der zur Beantwortung dieser Frage entwickelten Vorstellungen und Modelle der Physik liefert eine akzeptable Erklärung dafür.

Der Rückgriff auf die Singularität muss sowohl physikalisch wie auch philosophisch in Frage gestellt werden. Wenn in der Singularität alle uns bekannten und uns zugänglichen Naturgesetze keine Gültigkeit haben, können wir die Singularität auch nicht ohne Weiteres als jenen Zustand ansehen, aus dem sich alles uns Zugängliche entwickeln konnte. Dass in der Singularität die uns bekannten Naturgesetze keine Gültigkeit haben, ist nicht automatisch identisch mit dem Beginn des Universums oder mit dem Ende des rückwärts laufenden Films.

Diese Annahme zeugt von einer ziemlichen anthropischen Arroganz. Das Universum kann auch ohne unser Verständnis von seinen Gesetzen begonnen haben. Und das muss nicht aus einer Singularität heraus erfolgt sein. Aus welchem Zustand heraus unser Universum seine Existenz auch begonnen hat, zwischen den Gesetzen unseres Universums und denen des Anfangszustandes müssen Beziehungen und Zusammenhänge bestehen. Bei unserem derzeitigen Verständnis von einer Singularität scheint das nicht der Fall zu sein. Dann jedoch hätte eine solche Singularität keinerlei Beziehung zu unserem Universum, nichts würde das Universum mit der Singularität verbinden – wie könnte dann das Universum aus einer solchen, von dem uns bekannten Universum völlig getrennten Singularität entstanden sein?

Der Rückgriff auf die Singularität ist keine sich aus Beobachtungen ergebene Konsequenz, sondern eine aus den gängigen Urknall-Vorstellungen abgeleitete Denkweise mit einem starken Hang zur Notbremse. Man kann das auch übersetzen mit:

Wir haben keine Ahnung, was da war, wie es war und warum.

Wäre es nicht einfacher, ehrlicher, zeitsparender und atheistischer, das einfach zuzugeben?

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