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Das Herz gegen den Reiz fühlbar gemacht

Adam Friedrich Oeser (1717-1799)

Als am 10. September 1756 die Truppen Friedrich II. Dresden besetzten und der sächsische Kurfürst Friedrich August II., zugleich König von Polen, mit seinem Premierminister Graf Brühl nach Warschau ging, wirkte sich dies fatal auf das Kulturleben der Residenzstadt aus. Zu den zahlreichen Künstlern, die Dresden verließen, gehörte auch der Maler Adam Friedrich Oeser. Am 17. Februar 1717 in Preßburg geboren und von Lehrern der Wiener Akademie unterrichtet, war er vor allein vom Bildhauer Georg Raphael Donner geprägt worden. Dieser hatte ihm vermittelt, das Ideal der Kunst sei Einfachheit, Natürlichkeit und Ruhe; die Antike stehe höher als die Kunst nach ihr. 1739 kam Oeser in die sächsische Residenz, um hier als Künstler zu wirken. Er schloss sich Louis de Silvestre an, einem der wesentlichen Vertreter der Malerei in Dresden, und erfuhr einige Förderung. An freie Kunstentfaltung war zunächst dennoch nicht zu denken, Oeser konnte nicht wählerisch sein und hatte die Wünsche seiner Auftraggeber zu erfüllen.

Der junge Künstler betätigte sich als Miniaturmaler, war 1749 an der malerischen Ausschmückung beim Umbau des Schlosses Hubertusburg beteiligt. Auch begann er, als Illustrator zu arbeiten - ein Betätigungsfeld, das ihn lebenslang begleiten sollte. Dresden brachte Oeser zudem die Begegnung mit dem Archäologen Johann Joachim Winckelmann, den er im November 1754 in seine Wohnung aufnahm. Beide vereinte in der Hauptstadt der Barockkultur eine gemeinsame Grundstimmung: der Wille zu Schlichtheit, zur Einfachheit des klassischen Altertums.

Zeichenakademie als erstes Friedensgeschenk

Nach der Besetzung Dresdens suchte Oeser mit seiner Familie auf dem Rittergut Dahlen eine Zuflucht, wo er sich auch künstlerisch betätigen konnte. Graf Heinrich von Bünau, bedeutender kursächsischer Staatsmann und Bauherr des Schlosses, beauftragte ihn, Säle und Treppenhaus des 1751 fertiggestellten Gebäudes auszumalen. Oeser war mit Bünau über Winckelmann in Berührung gekommen, der von 1748 bis 1754 als Bibliothekar des Grafen tätig war. Doch 1759 drangen die Kriegshandlungen des Siebenjährigen Krieges bis ins dahin ruhige Dahlen und Oeser beschloss, mit seiner Familie ins vermeintlich besser geschützte Leipzig zu ziehen. Er ahnte nicht, wie sehr gerade Leipzig unter dem Krieg litt, zumal am 13. September 1759 die Preußen wieder in die Stadt einrückten und erneut immense Kriegskontributionen forderten. Doch nach Beendigung des Krieges 1763 lebte Leipzig wieder auf und Oeser bot sich mit der Gründung der „Zeichnungs-, Mahlerey- und Architectur- Academie“, die ein erstes Geschenk des Friedens an die Stadt war und am Beginn der heutigen Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig steht, ein ausgezeichnetes Betätigungsfeld, dem er bis zum Lebensende verbunden blieb. Mit Ernennungsdekret vom 13. Februar 1764 wurde er zum Direktor der Zeichenschule zu Leipzig sowie zum kurfürstlichen Hofmaler erklärt.

Ab 1765 war die Akademie im Westflügel der Pleißenburg (heute Standort des Neuen Rathauses), die damals ihre Bedeutung als Festung verlor, untergebracht. Es gab drei Räume: eine Bilderstube, eine Zeichenstube und eine Modellstube. „Es ist hier eine Malerakademie in der Festung Pleißenburg in drei Zimmern recht niedlich angelegt“, schrieb Johann Wolfgang Goethe am 12. Dezember 1765 an seine Schwester Cornelia in Frankfurt, nachdem er im Herbst zum Jurastudium nach Leipzig gekommen war und privaten Zeichenunterricht bei Oeser nahm.

Adam Friedrich Oeser widmete sich als Akademiedirektor nicht allein der hohen Kunst und der grafischen Buchausstattung, sondern unterrichtete auch Handwerker, um deren Gewerbe künstlerisch zu fördern: Goldschmiede, Dekorateure, Schlosser, Tischler, Architekten, Ornamentzeichner, Porzellanmaler. Sie alle gingen durch Oesers Schule, der hier bereits die Grenzen seines Amtes überschritt, indem er zwischen Kunst und Wirtschaft vermittelte, die Akademie für das Handwerk öffnete. Die Qualität einheimischer Erzeugnisse sollte gesteigert werden, um sie gegenüber ausländischer Ware konkurrenzfähiger zu machen.

Besonders um die Vereinfachung des Wohnstils machte sich Oeser verdient. Voller Bewunderung beschrieb Goethe die Wohnung seines Lehrers auf der Pleißenburg: „Alles war mit Geschmack einfach dergestalt geordnet, daß der kleine Raum sehr vieles umfaßte. Die Möbel, Schränke, Portefeuilles elegant ohne Ziererei oder Überfluß.“

Künstlerischer Anreger des jungen Goethe

Der Ausbildung junger Künstler waren zwei bis drei Tage in der Woche vorbehalten, wobei Oeser folgenden Lehrplan entwickelte: Geometrie, Perspektive und Baukunst am Vormittag, nachmittags dann Malerei und freie Handzeichnung, im Winter abendliches Aktzeichnen. Rasch erhöhte sich die Zahl der Akademieschüler von anfänglich 30 auf 100 im Jahr 1767. Für das Zeichnen ließ Oeser Abgüsse von Antiken aus Italien kommen und erweiterte deren Anzahl ständig. Goethe, der berühmteste Oeser-Schüler, verdankte dieser Sammlung seine frühesten Eindrücke von antiker Plastik.

Der Lehrer Oeser wurde für seinen Schüler Goethe zugleich ein Freund. Seit Herbst 1766 verkehrte der Student auch in der Familie Oeser. Wie Goethe die Kinder des Malers erlebte, ist dem gleichnamigen Bild, das Oeser 1766 malte, nachzuempfinden: Die jüngeren Geschwister Wilhelmine und Karl zeichnen unter den Augen der beiden älteren Geschwister Johann Friedrich und Friederike. Die lebhafte Friederike wurde zur Freundin Goethes. Ihr widmete er die „Lieder mit Melodien, Mademoiselle Friedriken Oeser gewidmet von Goethen“. Am 27. August 1768 nahm er in Dölitz, einem Dorf im Süden von Leipzig, Abschied von der Familie Oeser, die sich hier in den Sommermonaten aufhielt und wenige Jahre später ein kleines Landhaus baute.

Die Freundschaft mit Oeser blieb Goethe wichtig. „Ich bin Ihnen mehr schuldig, als daß ich Ihnen danken könnte“, schrieb er an seinen Lehrer. „Den Geschmack, den ich am Schönen habe, meine Kenntnisse, meine Einsichten, habe ich die nicht alle durch Sie?“ Goethe blieb mit Oeser in brieflichem Kontakt. In Weimar, wo Oeser der Herzogin Anna Amalia vorgestellt wurde und bis 1785 als deren künstlerischer Berater am Musenhof wirkte, sahen sie sich wieder. Goethe besuchte Oeser auch in Leipzig.

Mit dem Jahr 1785 endeten Oesers Besuche in Weimar - das Reisen wurde ihm als Altersgründen beschwerlich. Aber auch Goethe suchte den Kontakt zu seinem einstigen Lehrer kaum noch. In Italien hatten sich seine Kunstanschauungen neu gestaltet, Oesers Auffassungen schienen ihm nun veraltet.

Wegbereiter der deutschen Buchkunst

Was schuf Oeser in seiner Leipziger Zeit? Da sind zunächst die Denkmäler, z. B. für den Dichter Christian Fürchtegott Gellert und den Kurfürsten Friedrich August, aber auch die Buchillustrationen. Oeser illustrierte Werke von Wieland, Gellert, Weiße, Winckelmann, auch zum Buchschmuck der Goetheschen Gesamtausgabe, die 1787 bis 1790 bei Göschen erschien, trug er bei. Er leistete damit für die Entwicklung der deutschen Buchillustration Wichtiges.

Ausgedehnt war auch Oesers Tätigkeit als Deckenmaler - für den ersten Theaterbau Leipzigs, das Komödienhaus auf der Rannischen Bastei, für das er auch den Theatervorhang schuf, in der Thomasschule, im Konzertsaal des Gewandhauses, im Haus des Leipziger Bürgermeisters Müller. Diese Werke haben sich nicht erhalten, aber das Deckengemälde des Festsaales im Gohliser Schlösschen zum Lebensweg der Psyche ist auch heute noch zu bewundern - zumal es 2013 umfassend restauriert wurde. Eine der letzten und zugleich größten Arbeiten Oesers ist die Bildausstattung der Leipziger Nikolaikirche in den Jahren 1787 bis 1794 mit über 30 Emporen- und Altargemälden. Bei der Umgestaltung der Nikolaikirche arbeitete er eng mit seinem einstigen Schüler Johann Carl Friedrich Dauthe zusammen, der seit 1781 als Stadtbaudirektor Leipzigs das Stadtbild mit frühklassizistischer Architektur entscheidend beeinflusste, und gewann ihn als Akademielehrer für das Fach Architektur.

Am 18. März 1799 starb Oeser 82-jährig.

Adam Friedrich Oeser brachte eine Vielzahl bedeutender Schüler hervor, u. a. Johann Veit Schnorr von Carolsfeld, der von 1814 bis 1841 als Direktor der Kunstakademie wirkte. Zu nennen sind ebenso die Kupferstecher Christian Gottlieb Geyser, Oesers Schwiegersohn, und Johann Friedrich Bause, der an der Akademie das Fach Kupferstich lehrte. Die Oeser-Schüler Heinrich Friedrich Füger, der Direktor der Wiener Kunstakademie wurde, Christoph Nathe, späterer Direktor der Zeichenschule Görlitz, sowie Christian Reinhart, der in seiner Wahlheimat Rom zum Mittelpunkt der deutschen Künstlerkolonie wurde, trugen den guten Ruf der Leipziger Akademie weit über die Stadtgrenzen hinaus. Diese Schüler und eine Vielzahl von Persönlichkeiten, die mit Oeser verkehrten, äußerten sich nicht nur über dessen künstlerische, sondern auch über dessen menschliche Qualitäten: Ihm werden Menschenfreundlichkeit, Uneigennützigkeit und Warmherzigkeit nachgerühmt. Goethe hebt in „Dichtung und Wahrheit“ zudem Oesers Humor und Weltklugheit hervor. In dieser Weise entsprach Adam Friedrich Oeser durchaus dem Persönlichkeitsideal seiner Zeit. Als Goethe Leipzig verließ, dankte er seinem Zeichenlehrer in einem Abschiedsbrief, dass dieser sein „Herz gegen den Reiz fühlbar“ gemacht habe.

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