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SHIFT 2 Von Groß zu Klein

Verachte diese kleinen Anfänge nicht, denn der HERR freut sich, die Arbeit beginnen zu sehen …

Sach 4,101

Schaue dir die beiden Bilder unten an. Was fällt dir dabei auf?


Abb. 1: 100-Euro-Schein


Abb. 2: „Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte“, Georges Seurat

Oben sehen wir einen Geldschein von einem Wert, den die meisten von uns gerne in größerer Menge hätten. Das zweite Bild ist ein berühmtes Gemälde von Georges Seurat, das 1884 fertiggestellt wurde. Die Insel La Grande Jatte ist ein öffentlicher Park am Ufer der Seine in der Nähe von Paris. Beide Bilder sind sehr unterschiedlich – und zugleich sehr ähnlich.

Sowohl der 100-Euro-Schein (und übrigens alle Euro-Geldscheine) als auch Seurats Gemälde wurden nach dem Prinzip bzw. der Technik des Pointillismus hergestellt, bei der eine Vielzahl von einzelnen Punkten im Auge zu größeren Strukturen verschmelzen, sodass sich eine Abbildung ergibt. Der Geldschein und das Gemälde bestehen also aus einer Ansammlung von Millionen von Punkten, die strategisch platziert wurden, um die Bilder zu formen, die wir sehen.

Unser Gott liebt die kleinen Anfänge

In der gesamten Heiligen Schrift sehen wir, wie Gott nach dem Prinzip des Pointillismus arbeitet: Er nimmt kleine, scheinbar unbedeutende Mosaiksteine und setzt sie ein, um eine große Rolle in seinem beeindruckenden Erlösungsplan zu spielen.

Der Prophet Sacharja sagt uns, dass Gott die kleinen Anfänge mit großer Wertschätzung betrachtet und seine Pläne darin auf wundersame Weise zur Erfüllung kommen: „Denn wer hat den Tag der geringen Anfänge verachtet? Die werden doch mit Freuden sehen den Schlussstein in Serubbabels Hand.“ (Sach 4,10)

Es begann mit Abraham. Um jede Nation auf der Erde zu erreichen, rief Gott Abram dazu auf, der Kanal des Segens für alle zu sein:

Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. (1Mo 12,1-3)

Samen sind klein und lassen sich leicht übersehen. Aber wenn sie gepflanzt, bewässert und gepflegt werden, können sie enorme Mengen guter Früchte hervorbringen. Ich habe es schon immer geliebt, wie Jesus etwas so Großes wie sein Reich mit etwas so Winzigem wie einem Senfkorn verglich:

Jesus erzählte der Menge ein weiteres Gleichnis: »Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn, das ein Mann auf sein Feld sät. Es ist zwar das kleinste aller Samenkörner. Aber was daraus wächst, ist größer als alle anderen Gartenpflanzen. Ein Baum wird daraus, auf dem die Vögel sich niederlassen und in dessen Zweigen sie nisten. (Mt 13,31-32)

Als Jesus die Menschenmenge am See Genezareth speiste, brauchte er nur ein paar Fische und fünf Brote:

Als alle sich gesetzt hatten, nahm Jesus die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf und dankte Gott dafür. Dann zerteilte er die Brote und die Fische und ließ sie durch die Jünger an die Menge verteilen. Und alle aßen und wurden satt. Am Schluss wurde aufgesammelt, was sie übrig gelassen hatten – zwölf Körbe voll. (Lk 9,16-17)

Fünftausend Männer samt einer Menge Frauen und Kinder wurden allein durch diese geringe Menge an Nahrung vollständig gesättigt.

Immer wieder betonte Jesus, welch kleine Zahl er brauchte – seien es zwei, drei oder zwölf –, um seine großen Ziele zu erreichen. Er sandte die Zweiundsiebzig in Zweiergruppen nach ganz Galiläa aus (Mt 10,1). Er nahm nur drei Jünger mit, um Zeugen seiner Verklärung zu werden (Mt 17). Und am Ende seines Dienstes auf Erden legte er den allerersten Auftrag, die Nationen zu Jüngern zu machen, in die Hände seiner auserwählten Zwölf.

Das Geringe ist in den Augen unseres Herrn von großer Bedeutung.

Die stille Macht des Geringen

Es ist für mich immer wieder interessant zu beobachten, wie oft Größe mit Bedeutung gleichgesetzt wird. Wenn Amerikaner etwas Neues anfangen, tun sie dies meist mit großem Tamtam: Unsummen von Geld, ausge­klügeltem Geschäftsplan und übertriebener Werbung.

Das Kleine ist in der Regel nicht das, wonach wir uns ausstrecken. Doch in der Natur birgt das Kleine große Möglichkeiten in sich. In jedem Baby, in jedem Samen und auch in jedem Herzen, das Gott gegeben wird, steckt ein verborgenes Potenzial für Wachstum. Ein einzelner Samen trägt die gesamte genetische Struktur der reifen Pflanze in sich. Wenn ein Landwirt Saatgut von guter Qualität ausbringt, kann er eine große und reiche Ernte erwarten.

Sogar in der Technologie sind die winzigen Dinge von größter Bedeutung. Das Geheimnis leistungsfähiger Computer liegt in ihrer Nanotechnologie – kleinen Chips mit extrem hoher Leistung. Und im Kleinen liegt auch der Schlüssel zur Gemeindemultiplikation, ob wir es zugeben wollen oder nicht. Gemeindegründung besteht im Wesentlichen darin, den Fokus auf die kleinsten soziologischen Einheiten im Organismus der Gemeinde zu legen und zielstrebig auf ihre Vervielfältigung hinzuarbeiten. Wenn wir diese Mikroebene zum Wachsen bringen können, lassen sich von dort aus die höheren Ebenen erschließen – die Entwicklungen auf der Makroebene. Die Bibel bezeugt die Macht des Geringen und wir können das auch.

Wenn wir wollen, dass die Zahl unserer Gemeinden wächst und Bewegungen hervorbrechen, müssen wir unser Augenmerk auf die kleinen Anfänge legen. Meiner Überzeugung nach besteht einer der Gründe, warum Leiterinnen und Leiter zögern, Gemeinden neu zu gründen oder Tochtergemeinden zu bilden, darin, dass in ihrem Umfeld Gemeindegründung nur auf der Makroebene geschieht: Eine reife Gemeinde bringt eine andere Gemeinde hervor. Was sie nicht sehen, ist die Macht der vielen kleinen Einheiten, die es in der Makrogemeinde gibt: unmittelbare Jüngerschaftsbeziehungen zwischen zwei Menschen und Kleingruppen.

Ich möchte folgende Behauptung aufstellen:

Wenn wir bereit sind, unsere konzentrierte Aufmerksamkeit auf diese kleinen Einheiten zu richten und dafür zu sorgen, dass sie sich vervielfältigen, dann haben wir alles, was wir brauchen, um Tausende neuer Kirchen zu gründen und damit den Grundstein für Level-5-Multiplikation zu legen.

Reproduzierbare Systeme

Auch auf die Gefahr hin, Kontroversen auszulösen, würde ich gern folgende Einblicke zu bedenken geben: Ich glaube, wir haben die Rolle der Geistesgaben im Dienst überbetont. Bitte verstehe mich nicht falsch. Ohne Zweifel bergen die Geistesgaben großes Potenzial. Paulus und Petrus betonen den Wert der geistlichen Gaben für das gesunde Wachstum von Ortsgemeinden nicht umsonst an vier verschiedenen Stellen.2 Besonders im Bereich der Gemeindegründung brauchen wir bestimmte Gaben, die oft großen Segen mit sich bringen.

Was aber, wenn die Gaben nicht vorhanden sind? Die Wahrheit ist, dass der Missionsbefehl nach wie vor gültig ist – sei es mit oder ohne Gaben. Eine Überbetonung der Geistesgaben kann zum Nadelöhr für den Dienst werden; sie schränkt das Wachstum ein. Ein Dienst kann nur so weit und so stark wachsen wie diejenigen, die ihn mit ihren Gaben leiten. Wie gehen wir mit diesen Hindernissen um?

Das Prinzip der Reproduktion bildet eine Möglichkeit, übermäßige Abhängigkeit von Begabungen zu überwinden. Im Unternehmenssektor bezeichnet der Wirtschaftsprofessor und Autor Robert Quinn diese Abhängigkeit als die „Tyrannei der Kompetenz“.3 Je einzigartiger der Beitrag eines Individuums zu einer Organisation ist, desto abhängiger wird die Organisation von dieser Person. Vermutlich fallen dir viele gute Dienste ein, die sich auf die Gaben ihrer Leiterinnen und Leiter gegründet haben. Doch sobald diese ihr Amt niederlegten, geriet der Dienst ins Stocken und stagnierte. Dahingegen sind Systeme, die auf Reproduktion basieren, in der Regel besser als die Menschen, die sie nutzen, indem sie deren Begabungen einbeziehen und zur größtmöglichen Entfaltung bringen sowie Unzulänglichkeiten ausgleichen. Sie helfen den Leiterinnen und Leitern, ihr intuitives Vertrauen auf ihre eigenen Stärken zu überwinden und den Dienst wachsen zu sehen.

Jede wachsende Bewegung braucht gesunde Systeme zur Reproduktion, die besser sind als die Menschen, die von ihnen Gebrauch machen. Systeme wie diese sind nicht nur praktisch, einfach anzuwenden und fruchtbringend, sie haben auch eine wohltuende Wirkung auf ihre Nutzer. Diese wohltuende Kraft ist die Fähigkeit, Christus immer ähnlicher zu werden und Menschen zu erreichen, die fern von Gott sind.

Mini-Churches

In der Gemeinde, die wir vor Jahren in der Stadt Kaiserslautern (100.000 Einwohner) gegründet haben, begannen wir mit einer Mischform von „Triaden“4 zu experimentieren. Wir nannten sie Mini-Churches. Das Modell ist simpel und lässt sich ebenso leicht reproduzieren.

Wie es funktioniert? Zuerst lädt jemand zwei FAT-Christen (faithful, available, teachable – „treu, verfügbar, belehrbar“) in sein Haus ein, wobei die Gäste dasselbe Geschlecht haben sollten wie der Gastgeber. Der Gastgeber verkündet, dass er mit seinen beiden (FAT-)Freunden eine neue Mini-Church gründen möchte. Sie erklären sich voreinander verbindlich dazu bereit, sich zu einer Übung zu verpflichten, die der Autor Neil Cole „spirituelles Atmen“ nennt. „Einatmen“ bedeutet, das Wort Gottes, das Sauerstoff für die Seele ist, aufzunehmen.

Alle Teilnehmer versprechen, jeden Tag jeweils dasselbe Kapitel aus Gottes Wort zu lesen. Die Bibellese kann aus aufeinander folgenden Kapiteln bestehen (z. B. am Montag Johannes Kapitel eins; am Dienstag Johannes Kapitel zwei usw.). Oder die Teilnehmer können eine ganze Woche lang jeden Tag dasselbe Kapitel lesen (z. B. eine Woche lang täglich Psalm 23).

Die Teilnehmer kommen jede Woche zusammen, um sich darüber auszutauschen, wie Gott durch die Bibellese zu ihnen gesprochen hat. Dann atmen sie aus, legen voreinander Rechenschaft ab und erzählen sich gegenseitig, wie sie in der vergangenen Woche gelebt haben. Anregungen für die Fragen, die sich jede Woche wiederholen, könnten sein: 1) Wo wurdest du letzte Woche in Versuchung geführt und wie hast du auf diese Versuchung reagiert? 2) Hast du der Zeit mit deiner Familie (oder deinen engsten Freunden) Priorität eingeräumt? 3) Wurdest du auf jemanden wütend und bist es noch immer? 4) Hast du jemandem unbemerkt im Verborgenen gedient?

Geistliche Veränderungsprozesse geschehen selten, solange wir über das christliche Leben im Konjunktiv sprechen: so müsstest du leben, so solltest du leben. Vielmehr findet Verwandlung statt, wenn drei Dinge zusammenkommen: Nähe, Offenheit und gegenseitige Rechenschaft. Unter Rechenschaft versteht man, vor jemandem zu bekennen, wie man in der letzten Woche gelebt hat (beachte die Vergangenheitsform).

Es ist wichtig, dass Mini-Churches nach Geschlechtern getrennt sind. Durch eine Durchmischung der Geschlechter, die in vielen Kleingruppen vorkommt, bleiben die Teilnehmer eher reserviert. Kaum ein Mann wird offen über seinen Hang zur Pornographie sprechen, wenn eine Frau anwesend ist. Wenn aber Männer mit anderen Männern zusammenkommen, ist der Schamfaktor gemildert. Dasselbe gilt für Frauen.

Wenn die beiden anderen FAT-Christen zustimmen, die Mini-Church ins Leben zu rufen, gibt der Gastgeber jedem eine kleine Portion Joghurt zu essen und bittet die beiden Christen, Parallelen zwischen dem Joghurt und ihrer Mini-Church herzustellen:

„Schmeckt nahrhaft. Unsere neue Gruppe verspricht, kraftspendend zu sein.“

„Der Joghurt enthält lebende Organismen. Unsere Mini-Church wird auch lebendig sein.“

Nachdem wir die lebensverändernde Kraft unserer Mini-Church erfahren haben, wollen wir eine vierte Person in unsere Gruppe einladen. Diese Person soll einer oder eine von unseren Freunden sein, die noch keine Christen sind. Wir werden sie einladen, dasselbe zu tun, wie wir, aber zunächst nur für zwei Wochen. Dieser Freund oder diese Freundin, die noch nicht Christ ist, zögert vielleicht, weil er oder sie noch keine Ahnung hat, was eine Teilnahme genau bedeuten würde. Die zwei Wochen verschaffen der Person genug Zeit, um das auszuprobieren und dann zu entscheiden, ob sie bleiben oder gehen will.

Auf diese Weise gebt ihr dem Suchenden genügend Zeit, die Gnade Gottes zu erleben. Zugleich hat er die Möglichkeit für einen bequemen Ausstieg, bei dem er sein Gesicht wahren kann, falls er sich entschließen sollte, die Suche abzubrechen. Die Gruppen sind dazu gedacht, dass Nichtchristen zum Glauben an Christus kommen und in den Mini-Churches weitere lebensverändernde Schritte tun können. Am Ende der vier Monate gehen die vier Mitglieder der Mini-Church zum Essen in ein örtliches Restaurant aus und teilen sich danach in zwei Zweiergruppen auf. Jede dieser Gruppen lädt noch einen weiteren FAT-Christen in die neu formierte Mini-Church ein und der Prozess beginnt von vorn.

Was sind nun die charakteristischen Merkmale eines reproduzierbaren Systems, wie es hier durch die Mini-Churches veranschaulicht wird? Erstens ist das Format einfach zu verstehen und anzuwenden. Geistliches Atmen, eine noch nicht glaubende Person in die Gruppe einladen, Einhalten einer zeitlichen Frist und Multiplikation – das sind leicht verständliche Prinzipien, die bei bewusster Vorgabe auch leicht umzusetzen sind. Zweitens, reproduzierbare Systeme sind nicht von bestimmten Geistesgaben abhängig. Jeder, der ein hingegebener, lernwilliger Christ ist und etwas Zeit erübrigen kann (FAT), ist in der Lage, sie anzuwenden. Drittens dienen sie zur Multiplikation. Dass sie sich vermehren, gehört zu der DNA reproduzierbarer Systeme. Viertens basieren diese Systeme nicht auf Leiterschaft. Sie können auch von Menschen angewendet und immer wieder durchgeführt werden, die keine Leitungsbegabung besitzen. Fünftens: Mini-Kirchen machen sowohl diejenigen zu Jüngern, die sich noch vor dem Schritt der Bekehrung befinden, als auch diejenigen, die Jesus bereits innerhalb dieses reproduzierbaren Systems nachfolgen. Das Schöne an dieser Art, Menschen in Jüngerschaft zu führen, ist, dass keine Leitung gebraucht wird. Die Methode ist zudem nicht von Begabungen abhängig, damit sie funktioniert. Das ist äußerst bedeutsam, denn in einer durchschnittlichen evangelikalen Gemeinde haben nur etwa zehn Prozent der Menschen die Gabe der Evangelisation. Doch was bedeutet das für die anderen neunzig Prozent, die die Gabe nicht haben, aber dennoch aufgerufen sind, den Missionsbefehl zu erfüllen? Das Format der Mini-Kirchen dient an dieser Stelle als eine geistliche Disziplin, die den Auftrag, Menschen zu Jüngern zu machen und zu evangelisieren, in sich vereint.

Lektionen aus der Geschichte

Die Kirchengeschichte führt uns die Wirkung von Systemen im Vergleich zum Einfluss von Begabungen auf dramatische Weise vor Augen. In der westlichen Welt des achtzehnten Jahrhunderts gab es zwei herausragende Persönlichkeiten: George Whitefield und John Wesley. Whitefield war ein so mächtiger Redner, dass David Garrick, ein beliebter Bühnendarsteller und Zeitgenosse Whitefields, einmal von ihm sagte: „Whitefield konnte sein Publikum zum Weinen oder Zittern bringen, wenn er nur die Betonung des Wortes Mesopotamien veränderte.“5 Er war ein bemerkenswerter Evangelist, der unter freiem Himmel ohne Lautsprecheranlage zu mehr als fünfundzwanzigtausend Menschen auf einmal sprach. Viele Menschen hörten ihn gerne reden, darunter auch einer seiner größten Bewunderer, Benjamin Franklin.

Zur gleichen Zeit, als in Nordamerika Zehntausende ihr Leben Christus hingaben, leitete John Wesley eine Bewegung, die die britische Gesellschaft für die nächsten einhundert Jahre verändern sollte. Nachdem ihm das Predigen in den anglikanischen Kathedralen untersagt worden war, blieb Wesley zwangsläufig nur das freie Feld. Er predigte nicht nur vollmächtig und mit großer Wirkung – im Durchschnitt viermal täglich, solange er lebte – sondern rief auch Zusammenkünfte sogenannter Klassen ins Leben, die das Leben der Anwesenden nachhaltig beeinflussten.

Der Religionshistoriker D. Michael Henderson analysierte Wesleys Dienst mit folgenden Worten:

Die „Sprossen“ von Wesleys Leiter der christlichen Jüngerschaft waren kleine interaktive Gruppen: das Klassentreffen, die Mini-Gruppe, die auserwählte Gruppe (Leitertraining), die Selbsthilfegruppe und die Gemeinde. Jede Gruppe innerhalb dieses Systems war darauf ausgerichtet, ein bestimmtes Entwicklungsziel zu erreichen, und hatte ihre eigenen sorgfältig definierten Rollen und Verfahren, um sicherzustellen, dass die zentralen Anliegen umgesetzt wurden. Das Herzstück dieses revolutionären Systems bildete eine Zellgruppe von sechs bis acht Personen, die Wesley „Klassentreffen“ nannte. Sie trafen sich wöchentlich, um über ihr persönliches spirituelles Wachstum zu berichten.6

Begabung oder reproduzierbares System? Welches von beiden hatte die größte und nachhaltigste Wirkung? Am Ende seines Lebens schrieb George Whitefield an seinen Mitarbeiter John Pool und bewertete selbst die Frucht seines Dienstes. Er schrieb Folgendes:

Mein Bruder Wesley handelte weise. Den Seelen die unter seinem Dienst erweckt wurden, verhalf er zu Anschluss in den Klassen und bewahrte so die Früchte seiner Arbeit. Das habe ich vernachlässigt, und meine Leute sind mir durch die Finger geronnen wie Sand.7

Aus Wesleys Methode, Menschen mithilfe von „Klassen“ zu Jüngern zu machen, ging das hervor, was wir heute als Methodismus bezeichnen. Diese Methode wurde zu einem reproduzierbaren System, das das Leben der Einzelnen veränderte. Diese wiederum transformierten die britische Gesellschaft. Im Gegensatz dazu zerrann Whitefields evangelistische Frucht, die ohne Jünger blieb – ein Haschen nach Wind ohne bleibenden Ertrag.

Nehmen wir an, in unserem Team für Gemeindegründung wäre jemand, dessen Mini-Church bereits dreimal so gewachsen ist, dass sie wieder geteilt werden konnte. Diese Person hätte uns bewiesen, dass sie eine Gemeindegründerin oder ein Gemeindegründer ist. Wieso das? Sie hat bewiesen, dass sie in der Lage ist, Gruppen zu initiieren und zu leiten, die wachsen und sich vervielfältigen, und dabei sowohl Christen als auch Nichtchristen zu Jüngern zu machen.

Der Schlüssel dazu, das große Potenzial zu erkennen, das sich durch den Fokus auf das Kleine eröffnet, liegt in der Intentionalität, dem bewussten Herangehen. Eine Leitung mit wachem Blick wird dafür sorgen, dass neue Kleingruppen entstehen und an den Punkt kommen, sich zu multiplizieren.

Das Prinzip der Reproduktion ist eine Möglichkeit, die ungesunde Abhängigkeit von Begabungen zu überwinden. Je einzigartiger der Beitrag eines Individuums zu einer Organisation ist, desto abhängiger wird die Organisation von demselben. Viele gute Dienste basieren auf den Gaben ihrer Leiterschaft. Doch sobald die Leitung weg ist, steht der Dienst in der Gefahr, ins Stolpern zu geraten und zum Stillstand zu kommen.

Dahingegen sind Systeme, die auf Reproduktion basieren, in der Regel besser als die Menschen, die sie nutzen, indem sie deren Begabungen einbeziehen, diese zur größtmöglichen Entfaltung bringen und Unzulänglichkeiten ausgleichen. Diese Systeme können den Leiterinnen und Leitern helfen, ihr intuitives Vertrauen auf ihre eigenen Stärken zu überwinden, um den Dienst wachsen zu sehen.

Die Leiterin und der Leiter finden ihre Rollen dann darin, dafür zu sorgen, dass sich die Mini-Churches multiplizieren (wobei es klug ist, wenn sie selbst auch Teil einer Mini-Church werden).

Als Köpfe einer Bewegung müssen wir Gemeindegründerinnen und Gemeindegründer finden, die wir anleiten können, und in ihnen die Vision von der Kraft des Kleinen erwecken. Wir inspirieren sie, zeigen ihnen Vorbilder und vermitteln ihnen – eventuell mithilfe von Rollenspielen – wie sie die Sache selbst umsetzen können. Dann lassen wir sie los und sehen zu, wie sie ihre Leute anleiten, Mini-Churches oder andere kleine Gruppen zu gründen, die sich ihrerseits wieder vermehren.

Initiatoren für Gemeindegründung haben eine große Vision davon, was Gott durch ihren Einfluss bewirken will. Als der Apostel Paulus über neue Gemeinden schrieb, die er gegründet hatte, nannte er bei der Hälfte dieser Gemeinden ganze Regionen (z. B. die Gemeinden in Kleinasien, Mazedonien, Griechenland usw.).

Wie groß ist das geografische Gebiet, für das du dem Herrn in Bezug auf eine Gemeindegründungsbewegung vertraust? Teile dieses Gebiet in kleinere Regionen auf, in denen es keine signifikante Präsenz des Evangeliums gibt (Städte, Dörfer, Bezirke, Wohngegenden). Wie viele kleinere Regionen kannst du identifizieren? Stelle dir nun folgende Fragen:

• Was müsste ich tun, um mindestens eine missionarische Mini-Church in jeder dieser Regionen meines Dienstgebietes zu gründen?

• Lade FAT-Leute ein und vermittle ihnen eine Vision für die Gründung von Mini-Churches in ihrem Gebiet.

• Wie wäre es, wenn jede Mini-Church nach der Teilung bewusst eine neue kleine Region ins Visier nähme?

• Fasse mehrere Mini-Churches in einem Gebiet zusammen. Sei als Leiterin oder Leiter für sie da. Gründe neue Gemeinden aus Clustern von Mini-Churches.

Erinnerst du dich an die Gedanken zu Seurats Gemälde und seiner Technik des Pointillismus am Anfang dieses Kapitels? Stelle dir eine Landschaft vor, die aus Hunderten von kleinen Mini-Churches besteht. Kannst du die Schönheit einer solchen Vision sehen? Wenn du dich dem Herrn hingibst, öffnest du dich für eine Zukunft von gesunder Reproduktion, die das Potenzial hat, in einem Maße Wachstum hervorzubringen, wie du es dir gar nicht vorstellen kannst.

? Fragen zur Diskussion

• Auf welche Weise hast du bisher Multiplikation auf der untersten Ebene gefördert?

• Was würde geschehen, wenn du mithelfen würdest, drei Mini-Churches zu gründen?

• Was sind die beiden größten Hindernisse dafür, dass dieser Wechsel von „Groß zu Klein“ geschehen kann?

• Was müsstest du ändern an der Art und Weise, wie du leitest, um die Möglichkeit zu schaffen, dass sich die Hinwendung vom „Großen“ zum „Kleinen“ vollzieht?

1 Neues Leben Übersetzung.

2 Die vier Textstellen, die im Neuen Testament auf die Geistesgaben verweisen, sind Röm 12,6-8; 1Kor 12,7-11; Eph 4,11-13 und 1Petr 4.

3 Frei übersetzt nach Robert Quinn, Deep Change: Discovering the Leader Within (San Francisco, Jossey-Bass, 1996), 115-120.

4 Neil Cole, Cultivating a Life for God (Carol Stream, IL: ChurchSmart Resources, 1999), 63- 70.

5 Frei übersetzt nach Joseph Beaumont Wakeley, The Prince of Pulpit Orators: A Portraiture of Rev. George Whitefield, M. A. (New York: Curts & Jennings, 1899), 226.

6 Frei übesetzt nach D. Michael Henderson, John Wesley’s Class Meeting: A Model for Making Disciples, (Nappanee, Indiana: Francis Asbury Press, 1997), 11.

7 Ebd., 30, Hervorhebung durch den Autor.

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