Читать книгу Jhoseph und die Villeroy Lady - Doreen Brigadon - Страница 9

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Dritter Tag

Am nächsten Morgen fing das gleiche Spiel wieder an. Duschen, frühstücken, Auto vors Haus fahren, in die Firma. Heute sagte sie gar nichts während der Fahrt. Erst als wir vor der Firma standen.

„Ich werde mich melden, wenn ich dich brauche.“

So stellte ich das Auto wieder auf seinen Platz und holte mir noch einen Kaffee. Diesmal kam der Anruf schon früher.

„Bitte um halb 11 vor der Firma warten.“

Ich fuhr dann wieder zu der angegebenen Adresse. Diesmal war es ein Restaurant, dort warteten schon einige Männer auf sie. Ich wollte mir gerade einen Parkplatz suchen, als ein Kellner zu mir kam und sagte: „Das Auto können Sie dort drüben parken, wo steht ‚reserviert‘. Und dann sollen Sie auch reinkommen und bekommen ein Mittagessen.“

Ich musste ihn überrascht angesehen haben, denn dann sagte er noch: „Befehl von Frau Voss“, drehte sich um und verschwand.

Also gehorchte ich dem Befehl. Ich dachte, ich würde irgendwo hinten sitzen, doch weit gefehlt: Ich durfte vorne in ihrer Nähe sitzen.

„Frau Voss möchte, dass Sie in ihrer Nähe sind, falls sie Sie schnell benötigt“, sagte mir der Kellner, weil ich meinte, das wäre sicher der falsche Tisch.

Also hieß es sie beobachten, ohne dass es auffällt. Und noch vorm Nachtisch war es so weit. Sie stützte ständig den Kopf auf ihre Hand. War das auch hier ein Zeichen? Während ich zu ihnen hinüber ging, überlegte ich, wie ich sie hier wegbringen könnte, ohne dass es auffällt. Mir fiel nichts Besseres ein als: „Frau Voss, wir müssen leider schon fahren. Ihr 14 Uhr Termin. Und wir brauchen von hier noch eine Stunde.“

Sie sah auf die Uhr.

„Oh ja danke! Den hätte ich fast vergessen.“

Rasch verabschiedete sie sich noch von ihnen und wir gingen. Als wir so einfach raus gingen, fragte ich noch: „Müssen wir nicht noch bezahlen?“

„Nein, das machen die Herren.“

Kurze Pause.

„Aber danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Und danke, dass du mich gerettet hast. Es funktioniert doch, trotz kurzer Einschulung!“

Im Auto fragte ich dann: „Wo geht es jetzt hin? Wieder zur Firma?“

„Nein, fahre bitte zum Hafen.“

Ich sah sie überrascht an. Aber sie sah nicht mehr her. So fuhr ich zum Hafen und parkte mich wohin, wo ich nicht stören konnte. Sie stieg aus, blieb kurz stehen und sog die Luft ein. Ich stieg ebenfalls aus. Die Luft roch salzig. Sie ging zum Geländer. Ich hoffte nur, dass sie nichts anstellen würde, so wie sie momentan drauf war. Sie stand nur da, hielt die Augen geschlossen und sog die Luft ein. Ich wusste nicht, sollte ich näherkommen oder sie doch lieber alleine lassen. Darum wartete ich ab. Nach einer Weile drehte sie sich um.

„Komm näher! Du musst nicht wie angewurzelt dort stehen und mich beobachten.“

Ich ging langsam näher und hielt mich auch am Geländer an. Sie fing dann von ganz alleine an zu sprechen.

„Ich habe sie gerne, die salzige Luft. War oft mit meinem Vater hier, oder wenn es möglich war, am Strand. Aber der ist zu weit weg, um mal kurz dort hin zu fahren. Darum komme ich gerne hier her. Dann ist mir, als wäre mein Vater neben mir und würde mir Kraft geben. Leider kenne ich mich nicht so gut in der Firma aus. Auch wenn ich sie schon zwei Jahre leite. Er hat mir zwar einiges beigebracht, aber zu den Tricks und Kniffen sind wir nie gekommen. Sie wollen mich immer wieder übers Ohr hauen. Ich habe dann die Arbeit, alles auszurechnen und gut abzuwägen.“

„Und warum suchen Sie sich keinen Mann, der Ihnen hilft dabei?“, fragte ich dazwischen.

„Das ist das nächste Problem. Ich dachte, ich hätte einen, der mit mir durch Dick und Dünn geht, und der sich besser auskennt in der Branche. Aber weit gefehlt. Er hatte es doch nur auf mein Geld abgesehen. Sobald Vater unter der Erde lag, wollte er so weiter machen wie bisher. Ich konnte viel unternehmen mit ihm. Er war ja mein Chauffeur. Aber als ich weniger bis keine Zeit mehr für ihn hatte, änderte sich alles. Auf einmal war ich nicht mehr lieb und nett, nur mehr gestresst. Und statt mir zu helfen, trieb er noch an, die Firma zu verkaufen, denn dann könnten wir das Leben genießen. Von da an zeigte er sein wahres Gesicht. Ein halbes Jahr später hatte er eine andere, und ich keinen Chauffeur mehr. Und auch keine Zukunft mit einem Mann. Darum bin ich so enttäuscht von den Männern und nutze sie auch aus, wo es geht. Sie machen dasselbe ja auch mit mir.“

Dann sah sie wieder auf das Meer. Jetzt konnte ich so einiges verstehen.

„So jetzt haben wir genug salzige Luft getankt! Jetzt fahren wir wieder in mein Büro.“

Ich blieb noch kurz stehen. Da ich mich nicht bewegte, sah sie zurück.

„Darf ich etwas Persönliches fragen?“

Sie sah mich zuerst ernst an, dann sagte sie: „Ja, bitte.“

„Sind Sie deswegen so zwiespältig? Einmal Abstand, dann Nähe, einmal sehr vertraut, dann zugeknöpft?“

Zuerst sah sie mich scharf an, dann kam sie wieder auf mich zu.

„Als ich dich das erste Mal im Büro vom Anwalt sah, dachte ich mir: ‚Das wäre der Mann fürs Leben!‘, Aber leider brauche ich einen, der sich auch auskennt und vielleicht noch besser ist, als ich in der Branche. Aber irgendetwas zieht mich immer bei dir an. Und dann kommt die Vernunft. Aber auf der einen Seite brauche ich einen Chauffeur, aber auch einen Berater und Vertrauten. Und in den paar Tagen habe ich schon gesehen, du hast sehr viel Hausverstand und Intuition. Was ich bei vielen anderen nicht mal ansatzweise gefunden habe, in der Zeit, wo sie bei mir waren. Darum habe ich dir auch so schnell das Du angeboten. Ich hoffe, du nimmst es mal an und nutzt es nicht aus. Aber so viel habe ich auch schon gesehen, du bist nicht schüchtern, sondern stark. Innerlich stark“, und klopfte mit dem Finger auf meine Brust.

Aber was mich innerlich diese Stärke kostete, wusste sie nicht. Gott sei Dank nicht. Hätte ich sie als Manager früher getroffen, hätte ich sie unverschämt genommen und nach dem Abschluss wäre sie weggewesen und ich auch. Und ich wäre ihr eigentlich ebenbürtig, aber wie sollte ich ihr das verdeutlichen, ohne dass es unvorteilhaft rüberkommt. Nicht dass sie noch glaubt, ich würde sie ausspionieren. Oder es auch nur auf ihr Geld und ihre Firma absehen. Also besser nichts sagen, dass ich mich bei ihrer Arbeit fast besser auskenne als sie. Kommt Zeit, kommt Rat. Sie ist schon so genug verletzt worden. Dann gingen wir beide still zum Auto und stiegen ein. Nur das Navi sprach in die Stille hinein.

„17 Uhr wie immer“, sagte sie nur, als wir vor der Firma stehen blieben.

Ich konnte mir noch einen Kaffee und Kuchen holen, bevor ich wieder vorfahren musste. Ich sah einige Leute die mich schief oder süß lächelnd ansahen. Konnte mir aber denken, was sie so dachten. Und es störte mich überhaupt nicht. Früher hätte ich sie sofort angesprochen darauf. Ich hätte mich bald mit Kaffee bekleckert, da fiel mir ein, ich musste ja noch den Schneider anrufen. Das tat ich sofort. Ich konnte mir morgen meine anderen Anzüge holen.

Wir waren dann schon auf halbem Wege wieder nach Hause zurück, als sie mich bat, irgendwo zu halten. Auf der Autobahn wollte ich nicht direkt, aber nach der Abfahrt war eine Park-and-Ride-Anlage. Dort wollte ich parken. Sie wurde immer unruhiger und als ich nach der Abfahrt mich dort hinstellte, stieg sie auch sofort aus. Sollte ich ihr folgen? Meine Gefühle waren widersprüchlich. Auf der einen Seite „Ja“, auf der anderen Seite „Nein“. Ich wartete. Aber nach einer bestimmten Zeit wurde ich unruhig. Ich ging langsam zu ihr.

„Frau Voss?“, sprach ich sie an.

Sie drehte sich um und ich sah in ihre roten Augen. Sie sah mich damit ganz traurig an und dann war es um sie geschehen. Sie fing laut an zu heulen. Gut, dass ich diesen Parkplatz gewählt hatte. Er war etwas abgeschirmt. Intuitiv umarmte ich sie und sie schmiegte sich an mich. Ich wartete, bis sie sich beruhigt hatte, und verlor auch jegliches Zeitgefühl. Traute mich nicht einmal auf die Uhr zu sehen. Bis irgendetwas brummelte. Wir sahen uns an und dann fing sie laut an zu lachen.

„Tut mir leid, aber ich glaube, das ist mein Magen.“

Sie wischte sich die letzten Tränen fort. Dann besah sie sich meinen Anzug.

„Oh! Tut mir leid. Jetzt hat er leider Flecken.“

„Macht nichts, es ist ja nur Wasser. Morgen bekomm ich schon meine anderen Anzüge. Falls es sich ausgeht, dass ich sie vormittags oder nachmittags holen kann.“

„Ja sicher geht sich das aus.“

Sie machte noch keine Anstalten, sich von mir zu entfernen, und ich wollte sie nicht vor den Kopf stoßen und sie wegdrücken.

„Kannst du dir vorstellen, außer mein Chauffeur auch mein Berater, Begleiter und Vertrauter zu sein?“

Ich sah ihr in die Augen und wusste nicht, was ich sagen sollte. Am liebsten hätte ich sie an mich gedrückt und geküsst, aber ich war hier als Chauffeur angestellt und nicht als Liebhaber. So wie ihr Ex es war, und der Neffe vom Butler es sich vorgestellt hatte. Ich wollte sie nicht auch so verletzen. Darum sagte ich: „Als Chauffeur bin ich ja eingestellt, das ist ja kein Problem. Als Berater fungiere ich gerne. Begleiten muss ich Sie ja fast überall hin und als Vertrauter kann ich schweigen.“

Ich hoffte, dass reichte ihr. Sie legte den Kopf wieder auf meine Schulter.

„Frau V …“

Sie ruckte hoch und legte sofort einen Finger auf meinen Mund.

„Ich möchte, dass der Vertraute spricht, nicht der Chauffeur.“

Das hieß wohl …?

„Valerie?“

„Ja, Jhoseph?“

„Ich glaube, wir sollten fahren.“

Sie sah auf die Uhr.

„Ja, du hast Recht.“

Sie versuchte noch den Fleck zu trocknen.

„Das funktioniert nicht. Er trocknet von alleine.“

„Aber …“

„Nichts aber …er trocknet von alleine“, und sah sie zuversichtlich an.

Ich half ihr dann, sich noch etwas frisch zu machen. Dann stiegen wir ins Auto und fuhren still nach Hause. Ja nach Hause, denn es wurde ja jetzt auch zu meinem neuen Zuhause. Ich stellte wie gewohnt das Auto zurück und ging in die Küche. Herta wartete schon auf mich. Sie sah mich gespannt an.

„Wie war der heutige Tag?“, fragte sie mich zuerst, bevor sie mir das Essen brachte.

„Wieso? Wie sollte er gewesen sein? Vielleicht etwas komisch, aber sonst normal.“

Sie sah mich genau an und tippte mir auf die Schulter, wo noch der Fleck zu sehen war.

„Heute ist der Sterbetag vom Vater der gnädigen Frau“, dann drehte sie sich um und holte die Nachspeise und den Kaffee.

Das war das Geheimnis von heute! Als Vertrauter durfte und sollte ich nichts sagen. Aber dem geschulten Auge von Herta konnte man nichts vormachen.

„Ja, er war anders als sonst.“

Mehr sagte ich nicht. Aber das reichte Herta.

„Ist gut, dass sie wen hat zum Ausweinen, der eine breite Schulter hat.“

Dann genossen wir Kaffee und Kuchen. Der Butler kam dann und holte eine Flasche Wein und zwei Gläser. Ich dachte mir nichts dabei. Bis er es auf den Tisch stellte und verärgert meinte: „Ich bin ihr nicht mehr gut genug! Der Herr hier darf den Wein ins Kaminzimmer bringen“, drehte sich um und verschwand.

Wir sahen uns an und Herta nickte ermutigend mit dem Kopf. Ich stand auf und nahm vorsichtig das Tablett. Ich wollte gerade fragen: „Wo ist das Kaminzimmer?“

Da sagte auch schon Herta: „Gleich neben dem Empfangszimmer, rechts davon.“

Ich beeilte mich so gut es ging. Konnte sogar das Tablett mit einer Hand halten und anklopfen. Ich musste gleich die Türe öffnen, damit ich das Tablett nicht fallen ließ. So wartete ich gar kein „Herein“ ab. Sie stand am Fenster und sah raus. Das Tablett stellte ich auf dem Tisch ab und wartete. Ich musste mich erst laut räuspern, damit sie mitbekam, dass ich hier war. Sie drehte sich erschrocken um.

„Entschuldigung, aber ich war mit meinen Gedanken ganz woanders.“

„Ja das kann ich verstehen“, antwortete ich ihr.

Sie sah mich an und fragte etwas traurig: „Hat Herta etwas gesagt?“

„Ja.“

Dann setzte sie sich und bot mir auch Platz an. Ich schenkte wie letztens wieder den Wein ein. Dann nahm sie das Glas und sagte: „Auf meinen Vater.“

„Auf Ihren Vater“, sagte ich auch.

Danach sagte sie: „Bitte erzähl mir von deinem Vater.“

„Da gibt es nicht viel zu erzählen.“

„Aber sicher, bitte.“

„Er war ein strenger und harter Mann. Der keine Nachlässigkeiten duldete. Ich hörte selten ein liebes Wort. Das machte dafür Mutter öfter, aber nur, wenn es Vater nicht hören konnte. Er meinte: „Sonst wird der Junge verwöhnt.“ Ich wurde ziemlich streng erzogen. Er hatte sich erhofft, dass ich seine Firma übernehmen werde, aber ich wollte etwas anderes machen und nicht jeden Tag um Mitternacht anfangen zu arbeiten und mittags schlafen gehen.“

Sie sah mich erstaunt an.

„Er war Bäcker, und das wollte ich sicher nicht werden. Ich wollte einen Beruf, wo ich mehr verdiene und auch frei habe. Mein Vater hatte nie frei. Gerade mal, dass wir hin und wieder sonntags einen Ausflug machten. Aber je älter ich wurde, desto weniger gab es Ausflüge und desto mehr sollte ich in der Bäckerei arbeiten. Ich war gerade mit meiner Matura fertig, da starb er. Der Arzt meinte: „Überarbeitung“, was ja nicht verwunderlich war. Mutter starb ein Jahr später an gebrochenem Herzen. Ich verkaufte die Bäckerei und zog in die Stadt. Dort bekam ich dann einen guten Job. Das hier ist jetzt mein vierter Job und unterscheidet sich von den anderen total. Bis jetzt habe ich immer in einem Büro gearbeitet, mit oder ohne Sekretärin.“

„Freundinnen?“

„Ja, da waren welche, aber keine richtige feste Beziehung. Die letzte Freundin hat mich ausgenutzt. Dann war ich meines Jobs überdrüssig und kündigte. So sitze ich jetzt hier und warte auf Befehle, und gebe keine mehr. War am Anfang eine Umstellung, aber ich denke, ich habe mich schon daran gewöhnt.“

Wir waren jetzt beide still. Jeder hing seinen Gedanken nach. Nebenbei tranken wir unseren Wein.

„Hast du am Grab deines Vaters geweint?“

„Nein, keine Träne. Mutter hatte das ausreichend getan. Als sie starb, vergoss ich ein paar Tränen. Aber das Leben geht weiter.“

„Ich war noch so geschockt, dass ich keine Tränen hatte. Die kamen erst später und manchmal wollen sie nicht versiegen.“

Ich schenkte nochmal nach, da ihr Glas leer war. Sie deutet mir auch, dass ich mir nachschenken sollte.

„Ich muss morgen wieder fit sein!“

„Nein, das geht schon. Erstens genehmige ich den Wein und morgen fahren wir erst um halb 9 Uhr weg. Also noch eine Stunde mehr zum Schlafen.“

Sie prostete mir wieder zu.

„Auf alle Väter der Welt!“

Ich stieß mit ihr an.

„Darf ich eine Frage stellen?“

„Ja, sicher darfst du. Wieso fragst du immer, ob du fragen darfst?“

„Der Höflichkeit willen. Und ich weis nicht, ob ich so einfach darf.“

„Ja sicher darfst du, und wenn ich keine Antwort geben will, merkst du es sicher“, und lächelte mich etwas gequält an.

„Sie sagen ja gar nichts über Ihre Mutter.“

Sie sah mich ganz böse an.

„Wenn wir alleine sind und du sagst noch mal „Sie“ zu mir, muss ich mir eine Strafe ausdenken. Also wie war die Frage nochmal?“

Ich musste kurz schlucken. So schnell konnte ich da nicht umschalten. Ich sollte mehr auf das aufpassen, was sie gerade sagte. Beim Du darf ich auch du sagen.

„Du sagst ja gar nichts über deine Mutter.“

Das war ein kleiner harter Brocken.

„Sie starb, als ich noch klein war. Vater hat dann keine Frau mehr angesehen. Ich habe ihn mal gefragt, da antwortete er mir: „So eine Frau wie deine Mutter gibt es nicht mehr und irgendeine Stiefmutter will ich dir nicht vorsetzen.“ So zog er mich, so gut es ging, alleine groß. Ich hatte viele Freiheiten. Zu viele! Die rächen sich jetzt! Wenn er mich nur etwas strenger, so wie dein Vater erzogen hätte, hätte es wahrscheinlich ausgereicht. So stehe ich jetzt da und kämpfe! Kämpfe ums Überleben.“

„Haben Sie …“

Sie sah mich schon böse an und ich hatte es auch schon bemerkt.

„Äh hast du keinen vertrauten Berater oder Manager, auf den du dich 100-prozentig verlassen kannst?“

„Nein das ist es ja. Zuerst dachte ich, Hans wäre so einer, aber der hat mich schmählich in Stich gelassen! Und hat sich eine verwöhnte Göre gesucht, die nichts arbeiten braucht und ständig Zeit hat zum Verreisen.“

Jetzt sah sie wieder böse drein oder eher traurig? Das machte ihr anscheinend sehr zu schaffen. Sie trank das Glas leer und hielt es mir wieder her, zum Nachschenken.

„Und was ist mit deinem Wein? Dein Glas ist ja noch gar nicht leer!“

„Ich genieße lieber den Wein, als dass ich …“

Das sagte ich jetzt lieber nicht.

„… ihn runter schütte.“

Sie sah mich schon wieder böse, oder enttäuscht an?

„Sag es gleich: Runter schütte wie Wasser! Ich weis, ich sollte weniger trinken, aber es hilft mir manchmal zu vergessen, wenn es in meinem Kopf nur rotiert. Und sag jetzt nicht: ‚Das bringt gar nichts!‘ “

Ich machte ein Zeichen, so als würde ich meinen Mund mit einem Reißverschluss verschließen. Sie sah mich eigentümlich an.

„Du bist ein seltsamer Mann!“

Sie fing schon an etwas zu lallen. Hatte sie überhaupt etwas gegessen? Sie trank den Rest Wein aus und sagte: „Gehen wir schlafen, bevor mir noch etwas Taktloses einfällt.“

Ich wollte den Wein stehen lassen, aber sie meinte: „Der ist viel zu gut, um ihn stehen zu lassen … oder muss ich mich opfern?“

Ich schnappte mir das Glas und trank es mit einem Schluck aus. Sie sah mich überrascht und entgeistert an. Wahrscheinlich hatte sie erwartete, dass sie ihn austrinken müsse. Drehte sich dann um, sagte: „Gute Nacht!“, und verschwand.

Was war das? Ich hatte nicht mal ihr Gesicht gesehen, ob sie jetzt böse, traurig oder enttäuscht war. Ich nahm das Tablett mit der leeren Flasche und den Gläsern und trug es wieder in die Küche zurück. Herta war noch auf.

„Das hättest du nicht müssen, das hätte morgen Rudolf auch machen können.“

„Ist eine alte Angewohnheit. Denn wenn ich Freunde eingeladen hatte, trug ich auch immer alles gleich weg. So blieb dann für später weniger zum Wegräumen.“

Herta sah mich von der Seite her an.

„Was siehst du mich so an?“

„War irgend etwas?“

„Nein, nur das übliche.“

Mehr sagte ich ihr nicht. Wenn sie auch viel weis, aber alles musste ich ihr doch nicht gleich auf die Nase binden.

„Wie war sie drauf?“

„Besser als nachmittags.“

„Ich sehe schon, du kannst, wenn es sein muss, verschwiegen sein. Das gefällt mir“, und lächelte mich an.

„Gute Nacht“, sagte sie noch und ging.

Ich ging auch meiner Wege, nämlich in meine Räumlichkeiten. Was ich da vorfand, überraschte mich. Drei Kartons erwarteten mich im Vorraum. Ich sah in den ersten rein, lauter Papiere. Ich holte etwas raus und sah sie mir genauer an. Es waren alles Papiere von den Autos. Das ging aber schnell, das musste sie heute gleich erledigt haben. Aber jetzt mochte ich auch nicht mehr alles durchsehen. Es war schon spät und nach dem Duschen ging ich auch schlafen.

Jhoseph und die Villeroy Lady

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