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Abwehrmechanismen

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Wie der Einzelne, so haben auch Gruppen und Organisationen eine Vorstellung von sich selbst, der ein Fremdbild gegenübersteht. Ebenso wie Personen ist Gruppen und Organisationen das eigene Image lieb und verteidigenswert. Ängste um das Selbstbild werden beruhigt, indem eigene Stärken und die Schwächen der anderen hervorgehoben, die eigenen Schwächen und die Stärken der anderen aber übersehen werden. Schließlich führt dieser Umgang mit der Angst zu dem oben beschriebenen sozialen Chaos, da die anfangs eher gering erscheinenden Selbst- und Fremdabwertungen lawinenartig die Qualität der Beziehungen in und zwischen den jeweiligen sozialen Systemen vergiften.

Wie Personen und Gruppen ihre Energien durch Abwehrmechanismen15 binden, wird im Folgenden durch einige Beispiele gezeigt.

Rationalisierung

Für ein bestimmtes Verhalten werden Gründe angeführt, die zwar möglich, aber nicht zutreffend sind. Je mehr der Einzelne gelernt hat, rational zu argumentieren, desto häufiger wird die Rationalisierung verwendet.

Beispiele:

 »Wenn die Übung klarer erklärt worden wäre, hätten wir bestimmt gewonnen.«

 »Wir sind moralische Sieger, weil wir fairer als der Gegner spielten.«

 »Mir war es nicht so wichtig, den Auftrag zu bekommen, da ich große Schwierigkeiten mit dem Kunden befürchtete.«

 »Hätte uns der Trainer anfangs besser informiert, hätten wir ganz anders gehandelt.«

Verdrängung

Bedürfnisse oder Bewusstseinsinhalte werden vergessen, da sie eine persönliche Gefährdung oder eine Nichterfüllung eigener Wünsche bedeuten können. Durch das Ignorieren (Vergessen, Ungeschehenmachen) wird das Problem nicht gelöst, sondern nur verschoben. Das unbewusste Vorhandensein der Problematik äußert sich dann manchmal in Fehlleistungen wie Versprechen, Gestik u. a.

Beispiele:

 Man vergisst, dass man den Lottoschein abgegeben hat, da man doch nicht an einen Gewinn glaubt.

 Die verdrängte Verärgerung über das Arbeiten der eigenen Gruppe kommt zum Vorschein, wenn man sie versehentlich als »Truppe« bezeichnet.

 Ein Termin wird vergessen oder man erscheint zu spät zu einer Besprechung, von der man nichts Gutes erwartet.

 Man vergisst den erbetenen Spinat mit nach Hause zu bringen, da man ihn nicht gerne isst.

Verkehrung ins Gegenteil

Aus Angst vor den Folgen bestimmten Verhaltens wird die gerade entgegengesetzte Verhaltensweise gezeigt.

Beispiele:

 Betont freundliches Verhalten dem Vorgesetzten gegenüber, obwohl man gerade eine fantastische Wut auf ihn hat.

 Obwohl er das Mädchen liebt, ist der junge Mann grob und unhöflich, da er einen Korb fürchtet.

 Ein Seminarreferent lobt seine Hörer, obwohl er sie für träge und uneinsichtig hält, um nicht am Ende des Seminars von ihnen schlecht beurteilt zu werden.

Sich zurückziehen

Aus Angst, nochmals enttäuscht zu werden, werden aus einem Misserfolgserlebnis oder der Erwartung eines Misserfolges unverhältnismäßig starke Konsequenzen gezogen.

Beispiele:

 Der abgewiesene Bewerber für die Leitung des Rechnungswesens in einem Großbetrieb kündigt, um die Buchhaltung im Kolonialwarengeschäft seiner Frau zu übernehmen.

 Ein Mädchen geht wegen seiner ersten unglücklichen Liebe in ein Kloster.

 Da die Gruppe seinen ersten Vorschlag nicht annahm, beteiligt sich das Gruppenmitglied kaum mehr an der Diskussion.

Verleugnung der Realität

Zum Schutz und zur Pflege des eigenen Selbstbildes wird die Realität nicht wahrgenommen.

Beispiele:

 Ein 65 Jahre alter Mann, der mit 23 Jahren sein Rechtsstudium abbrechen musste, führt auf seiner Visitenkarte den Titel cand. jr.

 Kinder leben bei ihren Spielen häufig in einer Fantasiewelt. Diese Erscheinung finden wir auch oft bei Jugendlichen in der Pubertät. Flucht in die Fantasie hilft ihnen, ihre Entwicklungsprobleme zu bewältigen.

 Auch Erwachsene, die eine angestrebte Position nicht erreichen konnten, handeln und denken häufig so, als ob sie die Funktion innehätten.

Identifikation

Frustrierte Bedürfnisse werden kompensiert, indem man sich mit einer Person gleichsetzt, die Erfolg hat. Eigenschaften und Eigenheiten dieser Person werden dann nachgeahmt.

Beispiele:

 Der Kollege X ist erfolgreich, er wird im Betrieb als der »kommende Mann« angesehen. Er wird dann, oftmals unbewusst, von anderen Kollegen nachgeahmt, um so mit der Identifikation auch seine Erfolgserlebnisse zu übernehmen.

 Kinder spielen »Maradona und Steffi Graf« oder »Räuber und Prinzessin«.

 In der T-Gruppe (= Trainingsgruppe) identifizieren sich Gruppenmitglieder ab und zu mit dem Trainer, indem sie alle seine Vorschläge kritiklos übernehmen und ihn gegen alle Angriffe verteidigen.

Projektion

Abgelehnte eigene Bedürfnisse und Eigenschaften werden anderen Personen unterstellt.

Beispiele:

 Bei der betrieblichen Beurteilung nehmen Vorgesetzte häufig besonders die negativen Eigenschaften bei anderen wahr, über die sie sich schon oft bei sich selbst geärgert haben.

 Vielredner in einer Gruppe kritisieren vornehmlich die langen Monologe anderer Gruppenmitglieder, da sie selbst einige Zeit nicht zu Wort gekommen sind.

 »Herr Meier, ich muss ganz besonders Sie auffordern, nicht persönlich zu werden.«

Fixierung

Das starre Festhalten an einer Idee oder Verhaltensweise lässt vermuten, dass man noch nicht mit einem damit verbundenen Problem emotional oder rational fertig geworden ist.

Beispiele:

 »Ihr Verbesserungsvorschlag verstößt gegen die nun schon 5 Jahre bewährte Handhabung in unserer Firma. Ich denke nicht daran, auch nur einen Deut davon abzuweichen.«

 Manche Gruppenmitglieder lehnen es ab, ihren angestammten Sitzplatz in der Gruppe zu wechseln.

Regression

Regression bedeutet einen Rückfall in abgelegte, kindliche Verhaltensweisen, um bestimmte Reaktionen beim Partner zu erreichen.

Beispiele:

 Man ist nicht sicher, ob ein bestimmtes, vielleicht zweifelhaftes Ziel zu erreichen ist. Durch Blödeln und Verniedlichung wird versucht, die davonschwimmenden Felle noch zu retten.

 Kinder versuchen durch Weinen und Trotzreaktionen zu verhindern, dass die Eltern ausgehen.

 Eine Sekretärin beginnt zu weinen, um ihre Versetzung in eine andere Abteilung zu verhindern.

Verschiebung

Auf eine bestimmte Person gerichtete Emotionen werden auf andere Personen verschoben, da sie nicht ohne Risiko geäußert werden können.

Beispiele:

 Der Abteilungsleiter reagiert seine Wut gegen den Chef an seiner Sekretärin oder seiner Frau ab.

 Der gegen den Trainer gerichtete Ärger wird an der von ihm eingeführten Übung indirekt abreagiert (»Die Übung ist für uns absolut ungeeignet und blöd«).

 Menschen sprechen oftmals zu Tieren wie zu Geliebten, da ihre Liebe von Menschen nicht angenommen wurde.

Konversion

Psychischer Stress zeigt sich in körperlichen Reaktionen. Stottern, Erröten, Magenbeschwerden, Zittern, Schwitzen u. a. und sind manchmal Zeichen unbewältigter Angst.

Warum reagieren wir Menschen aufeinander mit Abwehr? Wir haben Angst, nicht genügend Wärme und Zuwendung zu erhalten, ohne die wir nicht überleben können. Gruppendynamik und Familiendynamik können immer auch erklärt werden als ein »Kampf um Liebe und Anerkennung«16.

Wenn die Offenheit als Strategie nicht wirkt, finden wir Zuflucht in Abwehr. Kampf oder Flucht scheinen häufig die einzigen Alternativen. Und so haben wir alle Strategien entwickelt, um zu überleben. Häufig basieren sie auf Kurzschlüssen und kindlichen Ängsten, die in der Kindheit sicher angebracht waren und denen wir jetzt als Erwachsene noch nachhängen. Damals haben sie unser Leben erhalten, jetzt erschweren sie es.

Von der Familie zur Gruppe zum Team

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