Читать книгу Nächtliche Besuche bei Stefan Sternenstaub - Edda Blesgen - Страница 3

Ein Gespenstchen geht auf Reisen

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Die Einwohner von Kleinmeindorf glauben, ihr Ort habe genau dreihundertsiebenundneunzig Einwohner. Aber da lebt noch ein dreihundertachtundneunzigster Bürger: Es ist ein Gespenstchen, das tagsüber auf den verschiedensten Dachböden, in Kellern, alten Schuppen, Gartenhäuschen und Garagen schläft. Immer wieder wechselt es sein Quartier, um nicht entdeckt zu werden. Erst bei Dunkelheit, wenn die anderen in ihren Betten liegen, schwebt es durch die Straßen. Manchmal spukt es nachts ein wenig. Dabei wurde das Gespenst schon von einigen Kleinmeindorfern gesehen, doch da heutzutage niemand mehr an Geister glaubt, haben sie es für ein Traumgebilde gehalten - außer Stefan Sternenstaub.

Stefan Sternenstaub ist Nachtwächter der Plüschtier-Fabrik, die am Dorfausgang an der Straße nach Großkloßmoos liegt. Zuweilen spielt er mit dem Gespenst Mensch-ärgere-dich-nicht. Zwischendurch öffnet er ab und zu das Fenster, um die Sterne zu betrachten, zeigt dem Nebelgeistchen am Himmel den großen Wagen, die Kassiopeia und den Orion, und so ganz nebenbei schaut er dabei pflichtgemäß über das Werksgelände, ob kein Einbrecher umherschleicht. Manchmal dreht er zwischen zwei Spielen sogar eine Runde durch die Fabrikhallen, in denen tagsüber Teddybären, Plüschelefanten, Schmusekrokodile, Kuscheltiger und Streicheligel genäht werden, und weil der Direktor Balthasar Dromedar heißt, werden ganz besonders viele Dromedare angefertigt. Der Nachtwächter wirft einen Blick unter die Tische mit den Nähmaschinen, öffnet Schränke und Spinde, richtet den Strahl seiner Taschenlampe in sämtliche Ecken und schlurft spähend durch den Lagerraum. Von den Regalen sehen ihn die Plüschtiere mit glänzenden Knopfaugen an.

„Alles in Ordnung! Nirgendwo versteckt sich ein Dieb. Die Bösewichter wissen eben, Stefan Sternenstaub ist wachsam“, sagt er und geht zufrieden mit sich in die gemütliche Wohnung zurück.

„Puh, ist das kalt“, sagt er an einem Winterabend beim Eintreten. „Ich werde mir ein Glas Glühwein machen, um mich aufzuwärmen.“ Da Geister weder Speisen noch Getränke benötigen, bietet er ihm nichts an.

Das Gespenstchen schaut eine Weile zu, dann fragt es zaghaft: „Würdest du mir auch so ein Glas mit Glühwein geben? Er sieht so herrlich rot aus.“

Nichts liebt das Spuknebelchen nämlich mehr als leuchtende Farben. Nachts in den einsamen Straßen sieht alles grau und schwarz aus. Nur hier in der hellen Stube oder im Schein der Taschenlampe, wenn es den Nachtwächter auf seinem Rundgang begleitet, gibt es bunte Gegenstände. Im Frühjahr kann das Gespenst sich nicht satt sehen am saftigen Grün des Rasens zwischen den Fabrikhallen. Immer wieder bittet es den Nachtwächter, das Gras anzustrahlen oder die sonnengelben Abfallbehälter und knallroten Bänke, die die Frauen und Männer in der Mittagspause zum Ausruhen einladen.

„Glühwein?“ zögert Stefan Sternenstaub, „du bist ihn nicht gewohnt und könntest übermütig und beschwipst davon werden. Was hältst du von Himbeersaft?“

„Himbeersaft? Kenne ich nicht! Ist der auch rot?“

„O ja.“

Der Nachtwächter holt ein Glas und stellt es auf den Tisch. Das Gespenstchen betrachtet das Getränk begeistert. „Wie schön, wie rot - eigentlich viel zu schade zum Trinken.“ Dann nippt es doch daran. „Hmm, das schmeckt ja fast noch besser als es aussieht.“ Noch ein Schlückchen, noch eins, und dann ist das Glas leer.

Stefan Sternenstaub kramt das Mensch-ärgere-dich-nicht-Brett hervor. „Wären wir nur zu dritt“, sagt er, „dann könnten wir zur Abwechslung auch einmal Schwarzer Peter spielen.“

„Miau“, macht es draußen vor dem Fenster. Die beiden achten nicht darauf.

Nach einer Weile, diesmal dringlicher, ertönt es wieder „Miiauau.“

Ein kohlrabenschwarzes Etwas mit zwei leuchtenden Augenpunkten will eingelassen werden.

„Der Schwarze Peter persönlich“, lacht das Gespenst.

Stefan Sternenstaub steht auf und öffnet das Fenster. Eine Katze, die eine grüne Mütze mit roter Troddel auf dem Kopf trägt, kommt hereinstolziert.

„Mein Name ist Mützenkater“, stellt sie sich vor. „Darf ich ein wenig bei euch bleiben?

Anscheinend scheuen sämtliche Katzendamen die Kälte. Sie sind alle zu Hause und ich langweile mich.“

„Wir freuen uns, wenn du uns ein wenig Gesellschaft leistest“, sagt der Nachtwächter.

Das Gespenst kommt aus dem Staunen nicht heraus. „Dich habe ich noch nie gesehen. Bist du neu hinzugezogen?“

„So ist es“, bestätigt das Tierchen.

„Eine Katze, die eine grüne Mütze mit roter Troddel trägt“, wundert das Spuknebelchen sich weiter. „Eine Katze, welche die menschliche Sprache beherrscht! Wo und bei wem wohnst du?“

„Ich gehöre zu keinem Menschen und bin stolz darauf, frei und unabhängig zu sein. Es ist unter meiner Würde, um Milch und Katzenfutter zu betteln.“

„Wovon lebst du denn?“ fragt Stefan Sternenstaub. „Jagst du Mäuse?“

„Igitt, Mäuse! Als überzeugter Vegetarier verabscheue ich Fleisch. In den Gärten findet man immer genug zu fressen: frischen Salat, würzige Petersilie, saftige Kohlrabi. Ich buddele mir knackige Möhrchen aus, klettere auf die Obstbäume und knabbere Äpfel oder Birnen, nasche Beeren vom Holunderstrauch.“

„Aber jetzt im Winter musst du hungern“, bedauert ihn das Gespenst.

„Irrtum! Wenn du dich umschaust, wirst du staunen, was es noch alles an köstlichem Grünzeug gibt: Porree, Wirsing, Rosenkohl.“

„Würdest du eventuell die Güte haben, von mir ein Schälchen Milch anzunehmen?“, fragt Stefan Sternenstaub.

„Wenn du mich so freundlich fragst, mag ich nicht nein sagen. Falls es keine allzu große Mühe macht, könntest du sie bitte ein wenig wärmen, wegen der Kälte draußen?“

„Sag, kannst du etwa auch Schwarzer Peter spielen?“ will das Gespenst wissen.

„Selbstverständlich. Wo sind die Karten?“

Der Nachtwächter kramt sie heraus, mischt, verteilt.

Das Gespenstchen verliert. „Du bist der Schwarze Peter“, sagt Stefan Sternenstaub. Aber dann lacht er plötzlich laut auf. „Nein, du bist ein rosa, hahaha, ein rosa Peter.“ Er prustet vor Vergnügen.

Die kleine Spukgestalt sieht ihn vorwurfsvoll an. „Mir wolltest du keinen Glühwein geben, damit ich nicht übermütig werde, und jetzt bist du selbst beschwipst.“

„Aber so sieh doch einmal in den Spiegel“, bringt Mützenkater mühsam hervor und wischt sich die Lachtränen fort.

Das Gespenst geht ins Badezimmer und blickt in den Spiegel über dem Waschbecken. Aber was ist das - es ist ja nicht mehr weiß, kein blasser, kaum sichtbarer Nebel, sondern rosa, wie ein Wölkchen beim Abendrot.

„Der kleine Spuk hat vorhin Himbeersaft getrunken“, erklärt nebenan der Nachtwächter dem Mützenkater. Das Geistchen hört gar nicht hin. Es schwebt vor dem Spiegel auf und ab, dreht und wendet sich und gluckst vor Freude.

Nur schade, am nächsten Abend ist die prächtige rosa Farbe verschwunden. „Gibst du mir wieder ein Glas Himbeersaft?“, bettelt das Gespenst. Da sieht es auf dem Tisch etwas Blaues stehen - ein Glas Tinte; der Nachtwächter hat nämlich vorhin einen Brief geschrieben, Umwelt bewusst wie er ist, nicht mit dem Kugelschreiber, sondern mit einem Füllfederhalter, den er nachtanken musste. Während Stefan Sternenstaub den Himbeersaft zurechtmacht, betrachtet das Gespenstchen die Flasche mit der Aufschrift ‚Königsblaue Tinte’. Auf einmal kann es nicht widerstehen, es schraubt den Deckel ab, hält das Glas an den Mund und trinkt es in einem Zug leer.

Nein, so gut wie der Himbeersaft schmeckt die Tinte nicht, aber das Ergebnis ist überwältigend. Jetzt färbt das Gespenstchen sich blau, es wird zu einer lichten, königsblauen, leichten Wolke. Der Nachtwächter staunt sehr. Er schimpft nicht einmal, weil das Spuknebelchen ohne Erlaubnis seine Tinte getrunken hat. Mützenkater, der sich inzwischen wieder eingefunden hat, klatscht begeistert in die Pfoten.

Es gibt etwas, das liebt das Geistchen fast noch mehr als bunte Farben, Mensch-ärgere-dich-nicht- und Schwarzer-Peter-Spielen, das sind Guten-Tag-Geschichten, die der Nachtwächter beim Morgengrauen, bevor sie sich trennen, erzählt. Diese handeln von den Kleinmeindorfern, von den Besitzern der Häuser, Gartenlauben oder Garagen, in denen die kleine Spukgestalt und neuerdings auch Mützenkater, schlafen.

Manchmal nimmt Stefan Sternenstaub den Lokalteil der Zeitung, die der Bote Bob Rote kurz vor Tagesanbruch bereits verteilt. Das Gespenstchen ist Analphabet, das heißt, es kennt keine Buchstaben. Als es vor drei- oder vierhundert Jahren lebte, genau weiß es selbst nicht mehr wann, brauchten die Kinder noch keine Schule zu besuchen. Darum liest Stefan Sternenstaub vor. Wie unterhaltsam muss es am Tag sein. Jeden Morgen findet der Nachtwächter in seinem Briefkasten eine neue Zeitung mit vielen Blättern und auf jeder Seite wird von aufregenden Ereignissen berichtet. Das Gespenst lauscht immer ganz gespannt, denn bei Nacht erlebt es so wenig. Die Dorfbewohner hocken Abend für Abend vor den Fernsehgeräten oder schnarchen hinter wehenden Gardinen. Das Spuknebelchen sieht die Katzen über die Dächer spazieren, den Mond aufgehen, die Sterne blinken, manchmal regnet es, mal schneit es, sonst geschieht eigentlich kaum etwas. Nicht mal Schnappweg, der Dieb, der die Nachbarorte unsicher macht, ist nachts in Kleinmeindorf unterwegs. Seit genau zehn Jahren übt Stefan Sternenstaub seinen Beruf aus, und seit genau dieser Zeit ist in der Spielwarenfabrik nicht mehr eingebrochen worden - nur weil er so gut aufpasst.

„Das beweist, wie wichtig ich bin“, pflegt der Nachtwächter immer wieder stolz zu sagen. Nur einmal, vor etwa fünf Jahren wollte jemand einen Diebstahl melden. Der Direktor Balthasar Dromedar war zum Bürgermeister Rex König gekommen und hatte erklärt, er durchsuche seit Stunden das Büro nach seiner Brille und könne sie nirgends finden, man müsse sie ihm entwendet haben - dabei trug er sie auf der Nase.

„Du beklagst dich immer, bei Nacht passiere nichts“, sagt Stefan Sternenstaub. „Neuerdings gehen im Wald bei der Burgruine nach Einbruch der Dunkelheit Gespenster um. Wahrscheinlich handelt es sich um Ritter Klaus vom Großen Kloß und seine üblen Kumpanen. Der Förster hat sie gesehen, und ein Hausierer, der in einer Schutzhütte übernachten wollte, hörte sie wimmern und ist vor Schreck davongelaufen. Das steht jedenfalls heute in der Zeitung.“

„Gespenster, richtige, echte Gespenster?“ fragt das Geistchen. Auf einmal wird es sehr still. Es gibt nicht mehr Acht und verliert dauernd beim Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel.

„Was ist bloß mit dir los?“ knurrt der Nachtwächter.

„Ich überlege“, erwidert die kleine Spukgestalt nur, verabschiedet sich bald darauf und lässt Stefan Sternenstaub allein zurück, denn Mützenkater ist heute nicht gekommen.

Am nächsten Abend schwebt das Gespenst zur üblichen Zeit herein. „Diesmal kann ich mich nicht lange aufhalten. Ich will dir nur Lebewohl sagen.“ In der Hand hält es einen großen Koffer. „Du bist mir doch nicht böse, weil ich dich verlasse? Ich reise in den Wald zur Burgruine, zu den Gespenstern. Dann befinde ich mich endlich unter meinesgleichen.“

„Was hast du in dem Koffer?“ fragt der Nachtwächter.

„Nichts“, erwidert das Nebelgeistchen. „Ich benötige keine Kleider, kein Essen, aber wenn ich schon verreise, dann auch richtig, mit Gepäck, das gehört dazu. Als ich darum vorhin neben einem Mülleimer diesen Koffer sah, habe ich ihn mitgenommen.“

Der Nachtwächter kramt währenddessen in einer Schublade. „Hier habe ich etwas für dich - als Abschiedsgeschenk.“

„Was ist das?“ fragt das Gespenst.

„Ein Malkasten. Sieh, hier sind viele leuchtende Farben drin. Du brauchst nur eine in Wasser aufzulösen und zu trinken, schon siehst du anders aus. Grün, gelb, rot ...“

„... oder sogar golden“, ruft der kleine Spuk entzückt. „Stell dir vor, dann wirke ich noch eleganter als ein König.“

Stefan Sternenstaub ist gerührt über die Freude, die sein Geschenk bereitet. Er legt noch seine Taschenlampe auf den Farbkasten. „Da, nimm sie mit, sie gehört dir, damit du noch etwas hast, das du in deinen Koffer packen kannst. Morgen kaufe ich mir eine neue.“

Da wird das Geistchen ganz verlegen. „Und ich kann dir gar kein Abschiedsgeschenk geben. - Aber vielleicht finde ich bei der Burgruine außer Gespenstern auch noch einen versteckten Schatz. Eines Nachts komme ich dich besuchen und pass auf, dann bringe ich dir Gold mit, den ganzen Koffer voller Goldmünzen.“

Das Spuknebelchen schwebt fort. „Lebe wohl“, ruft es Mützenkater zu, der mit einer Katzendame im grau-schwarz-gestreiften Pelzmantel auf dem Dach sitzt. Doch dieser ist schrecklich verliebt und hört es nicht.

Das Gespenst gleitet aus Kleinmeindorf raus, biegt in den Feldweg ab, vorbei am Hof des Bauern Obersauer, hinein in den stillen dunklen Wald. Es trällert ein Liedchen vor sich hin. Aber seine Geisterstimme hört sich so schaurig an, nein, ihm gefällt sein Gesang selbst nicht, nach einer Weile verstummt es. Jetzt durchdringen unheimliche Geräusche die Finsternis. Schleicht dort jemand umher? Es ist nur das Knacken eines Astes. Wimmert da irgendwer? Nein, eine Eule heult. Lauert ein Räuber hinter der Tanne? Verstecken sich Kobolde im Gestrüpp? Sind das Bäume oder Riesen, die mit gefransten Zweigarmen nach ihm greifen? Wird es vom Geisterfressenden Würgegrusel verfolgt? Das Gespenstchen hat zwar bisher nie von ihm gehört, doch im selben Augenblick, in dem es ihn in Gedanken erschafft, beginnt es sich vor ihm zu fürchten. Es zittert.

Der Mond geht auf. Weißes Mondlicht auf weißverschneiten Bäumen, schwarze Schatten, und in dieser weiß-schwarzen Welt ein einsames Nebelgeistchen.

„Vielleicht sollte ich meine Farbe wechseln. Das wird mich ablenken und ich grusele mich dann nicht mehr so.“

Es öffnet seinen Malkasten. Welchen Ton soll es wählen? Gold - nein, das ist etwas für ganz besonders festliche Anlässe. - Lila? Bei dieser Dunkelheit würde man es kaum von einem schwarzen Schatten unterscheiden können. Schließlich entscheidet das Gespenstchen sich für grasgrün. Der Bach ist noch nicht vereist; es schöpft ein wenig Wasser mit der hohlen Hand, löst die Farbe darin auf und trinkt. Nur schade, es hat keinen Spiegel, um sich darin zu betrachten. Meine spukenden Kollegen werden sich wundern, wenn ich so schick bei ihnen ankomme, denkt es stolz.

Die Gespenster wundern sich nicht nur, sie erschrecken fürchterlich. Dieser grasgrüne Geist, der über den weißen Schnee der Waldlichtung dahergeschwebt kommt, ist ihnen entsetzlich unheimlich. Sie jaulen laut auf, fliehen in die alten Gemäuer, jagen hin und her, suchen nach einem Versteck und wimmern herzzerreißend.

Und unsere kleine Spukgestalt? Geister haben bekanntlich kein Blut, das gefrieren kann, und keine Haare, die ihnen zu Berge stehen können, sonst wäre genau das passiert. Dieses fürchterliche Heulen und Winseln versetzen das Gespenst in Panik. Es eilt davon, zurück durch den dunklen Wald, wie von tausend Schatten gehetzt. Den Koffer mit der Taschenlampe und dem Farbkasten fest umklammernd stürzt es am Hof des Bauern Obersauer vorbei, durch die Straßen von Kleinmeindorf und reißt atemlos die Tür zur Wohnung des Nachtwächters auf. Dieser hockt recht einsam am Tisch und spielt allein Mensch-ärgere-dich-nicht. Wie ist er froh, als das Gespenst hereinkommt.

Später sitzen sie wieder beisammen und trinken Glühwein und Himbeersaft. Mützenkater hat vom Dach aus das Gespenst vorbeihetzen sehen und ist neugierig hinzugekommen; er nippt an einem Schälchen Milch. Von der ausgestandenen Angst sieht das Spuknebelchen kreideweiß erbleicht aus, die grasgrüne Farbe ist total verschwunden. Selbst das Erzählen seines Abenteuers lässt es noch zittern und schlottern.

„Wahrscheinlich waren es, wie du Nachtwächter auch bereits vermutet hast, die Geister von Ritter Klaus vom Großen Kloß und seinen Kumpanen. Doch am schlimmsten heulte der Geistergreifende Würgegrusel, der übelste Geselle von allen Unwesen.“

„Wer ist das?“ wollen seine beiden Freunde wissen.

„Ich habe ihn mir ausgedacht und seitdem gibt es ihn. Ihn muss man mehr fürchten als alle Gespenster zusammen, denn er ist ein Dämon. Dabei hätte ich mich so gerne umgeschaut, wenn mir nur nicht so gruselig gewesen wäre. Irgendwie sah es dort nämlich so vertraut aus. Plötzlich erinnerte ich mich an die Zeit, als die Burg noch nicht zerstört, als Ruine, dastand, sondern mächtig und stark den Feinden trotzte. Selbst das Innere des Gemäuers konnte ich mir vorstellen, hätte mühelos Rittersaal, Küche, Waffenkammer und Schlafgemächer gefunden. Vielleicht habe ich einst - vor drei- oder vierhundert Jahren, so genau weiß ich das nicht mehr - dort gelebt.“

„Bist du etwa der Ritter Klaus vom Großen Kloß?“, fragt Mützenkater. „Im Wald, das wären dann deine Kumpanen, die ihr Heulen zu deiner Begrüßung angestimmt haben.“

Jetzt ist das Gespenst entrüstet. „Glaubst du etwa, ich wäre so ein Bösewicht. Nein, ich irre nicht wegen irgendwelcher Untaten als Geist umher, sondern weil ich noch eine Aufgabe zu erfüllen habe. Aber welche?“ - Dann fällt ihm etwas Anderes ein: „Muss ich dir die Taschenlampe und den Malkasten zurückgeben?“, fragt es kleinlaut den Nachtwächter. „Es waren doch Abschiedsgeschenke und ich bin gar nicht lange fortgeblieben?“

„Du darfst sie selbstverständlich behalten“, sagt Stefan Sternenstaub.

Das tröstet den Geist ein wenig. „Einmal, irgendwann, gehe ich zurück zur Burgruine und dann bringe ich dir die Goldmünzen“, verspricht es.

„Lass nur, wer weiß, ob überhaupt welche da sind.“

Das Spuknebelchen atmet auf. Es hat nämlich gar keine Lust, noch einmal in den Wald mit den fransenarmigen Tannenriesen, dem Geisterfressenden Würgegrusel und den unheimlich jaulenden Gespenstern zurückzukehren.

Nächtliche Besuche bei Stefan Sternenstaub

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