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a) Unwissenschaftlicher Standpunkt der bisherigen musikalischen Aesthetik

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|1| Die Zeit jener ästhetischen Systeme ist vorüber, welche das Schöne nur in Bezug auf die dadurch wachgerufenen »Empfindungen« betrachtet haben. Der Drang nach objectiver Erkenntniß der Dinge, soweit sie menschlicher Forschung vergönnt ist, mußte eine Methode stürzen, welche von der subjectiven Empfindung ausging, um nach einem Spaziergang über die Peripherie des untersuchten Phänomens wieder zur Empfindung zurückzugelangen. Kein Pfad führt ins Centrum der Dinge, allein jeder muß dahin gerichtet sein. Der Muth und die Fähigkeit, den Dingen selbst an den Leib zu rücken, zu untersuchen, was losgelöst von den tausendfältig wechselnden Eindrücken, die sie auf den Menschen üben, ihr Bleibendes, Objectives, wandellos Giltiges sei, – sie charakterisiren die moderne Wissenschaft in ihren verschiedensten Zweigen.

Diese objective Richtung konnte nicht ermangeln, sich auch der Erforschung des Schönen alsbald mitzutheilen. Die philosophische Behandlung der Aesthetik, welche auf metaphysischem Wege sich dem Wesen des Schönen zu nähern versucht und dessen letzte Elemente aufzeigt, ist ein Erwerb neuerer Zeit.

Sollte sich nun immerhin auch in Behandlung ästhetischer Fragen ein Umschwung in der Wissenschaft vorbereiten, welcher an der Stelle des metaphysischen Princips eine der inductiven naturwissenschaftlichen Methode verwandte Anschauung zu mächtigem Einfluß und wenigstens zeitlicher Oberhand verhälfe, – vor der Hand stehen die jüngsten Spitzen unsrer Wissenschaft noch unverdunkelt da und |2| behaupten für alle Zeit das unvergängliche Verdienst, die Herrschaft der unwissenschaftlichen Empfindungs-Aesthetik vernichtet, und das Schöne in seinen ureigenen, reinen Elementen durchforscht zu haben.

|24||2| Lagen einmal die Elemente des Schönen in ihrer Allgemeinheit vor, so war es an den Fachkundigen, die specifische Art zu erforschen, in welcher sich dieselben an den einzelnen Künsten verwirklichen und bestimmen.

Die ästhetischen Principe der Malerei, Architektur, Musik mußten gewonnen und Special-Aesthetiken entwickelt werden. Letztere sind freilich in ganz andrer Weise zu begründen, als durch ein bloßes Anpassen des allgemeinen Schönheitsbegriffs, weil dieser in jeder Kunst eine Reihe neuer Unterschiede eingeht. Es muß jede Kunst in ihren technischen Bestimmungen gekannt, will aus sich selbst begriffen und beurtheilt sein. Die Special-Aesthetiken sowie ihre praktischen Ausläufer, die Kunstkritiken, müssen, bei aller Verschiedenheit ihrer Standpunkte, sich trotzdem in der Einen unverlierbaren Ueberzeugung vereinigen, daß in ästhetischen Untersuchungen vorerst das schöne Object, und nicht das empfindende Subject zu erforschen sei. Sie müssen mit der älteren Anschauungsweise brechen, welche die Untersuchung lediglich mit Rücksicht – beinahe aus Rücksicht – für die dadurch hervorgerufenen Gefühle vornahm, und die Philosophie des Schönen als eine Tochter der Empfindung [αίσθησις] aus der Taufe hob.

Die objective Anschauung ist heutzutage nicht mehr ein blos wissenschaftlicher Erwerb, sondern ziemlich allgemein ins künstlerische Bewußtsein gedrungen. Der moderne Poet oder Maler überredet sich kaum, Rechenschaft von dem Schönen seiner Kunst gelegt zu haben, wenn er untersuchte, welche »Gefühle« dieses Landschaftsbild, jenes Lustspiel im Publicum heraufbeschwöre. Er sucht vielmehr in der eigenthümlichen Beschaffenheit des Kunstwerks selbst jene Elemente zu finden, welche es zu einem Schönen und gerade zu dieser bestimmten Art des Schönen stempeln. Die bloße Thatsache erweckten Wohlgefallens kann ihm nicht genügen: er wird der zwingenden Macht nachspüren, warum das Werk gefällt.

Die Tonkunst allein hat diesen wissenschaftlichen Standpunkt noch nicht zu erringen gewußt, und ist in ihrer Aesthetik hinter den |3| übrigen Künsten entschieden zurückgeblieben. Die »Empfindungen« treiben da den alten Spuk bei hellichtem Tage fort. InLeben und Literatur der Tonkunst wird das musikalisch Schöne durchweg von Seite seines subjectiven Eindrucks behandelt, und Bücher, Kritiken, Gespräche können täglich darthun, daß man übereinstimmend die Gefühle für die Basis erkennt, welche das |25|Ideal dieser Kunst trage, die Strahlen ihrer Wirkung concentrire und die Grenzen des Urtheils über Musik durch die ihrigen bezeichne.

Vom Musikalisch-Schönen

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