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Antikythera: Das geheimnisvolle Gerät

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Wäre nicht vor ihrer Küste vor mehr als 2000 Jahren ein Schiff gesunken, kaum ein Menschen wüsste heute, wo die Insel Antikythera liegt. Es ist ein kleines Eiland zwischen Kythera und Kreta, auf dem knapp 40 Menschen leben, nur im Sommer, wenn die Touristen kommen, sind es mehr. Im Altertum gehörte die Insel zu den Rückzugsorten kilikischer Piraten, die einst sogar Caesar gefangen nahmen. Der allerdings rächte sich fürchterlich.

Die Bewohner ernähren sich unter anderem davon, nach Schwämmen zu tauchen – seit alters her eine begehrte Handelsware, so begehrt, dass es sich früher sogar lohnte, Helmtaucher auf den Meeresgrund zu schicken. Sie konnten größere Tiefen erreichen; im Sommer des Jahres 1900 stiegen sie, mit Bleigürteln beschwert, bis in 60 Meter Tiefe hinab. Von der bereits erwähnten Taucherkrankheit wusste man damals noch zu wenig, und selbst wenn die Schwammtaucher es gewusst hätten, hätten sie ihre Arbeit sicherlich trotzdem fortgesetzt. Denn sie wurden für jedes vom Meeresgrund geborgene Stück bezahlt. Es gab kaum andere Möglichkeiten in der Region, Geld zu verdienen.

Und bei einem dieser Tauchgänge vor Antikythera entdeckten die Männer schließlich ein Schiff voller griechischer Statuen. Wahrscheinlich sollten sie einst von Piräus nach Rom gebracht werden, als die Galeere um das Jahr 65 v. Chr. hier sank.

Die Taucher holten wie üblich alles an die Oberfläche, was Gewinn versprach: eine Statue aus Bronze und Alabaster, Amphoren und antike Gebrauchsgegenstände. Darunter war auch eine Statue, deren künstlerischen Wert die herbeigeeilten Wissenschaftler sofort erkannten. Sie zeigt einen gut aussehenden, muskulösen Jüngling und steht heute im Archäologischen Nationalmuseum in Athen. Die Taucher indes waren nicht archäologisch geschult, sie fertigten keinen Lageplan des Wracks an, sie vermaßen es nicht, ihr Sinn war nur darauf gerichtet, die Kunstschätze zu bergen. Alltagsgegenstände weckten kaum ihre Aufmerksamkeit. Die Taucheranzüge, Helme und Luftschläuche behinderten ihre Bewegungen. Felsformen, die ihnen im Weg waren, brachen sie los und ließen sie einfach in größere Tiefen fallen. Da ist es fast ein Wunder, dass sie einen rötlichbraunen Brocken mit an die Oberfläche brachten, der schließlich in das Magazin des Nationalmuseums wanderte. Nach der Bergung war er in mehrere Teile zerbrochen. Nach einem wertvollen Kunstgegenstand sah er eigentlich nicht aus, sondern eher nach einer modernen Maschine mit Skalen und Räderwerk.

Mehrere Jahre lag er unbeachtet im Magazin, bis der deutsche Philologe Albert Rehm in den Jahren 1905 und 1906 den inzwischen gereinigten Fund in Athen untersuchte und auf der Vorderseite den eingravierten Monatsnamen Pachon entdeckte. Das brachte ihn auf die Idee, der Mechanismus könne die relativen Positionen von Sonne, Mond und Planeten anzeigen. In den 30er Jahren entdeckte der griechische Admiral Ioannes Theophanidis auf der Vorderseite ein Stück Ringskala mit Gradeinteilung. Er hielt den rätselhaften Gegenstand für das Stück eines Astrolabiums, wie es jedem Seemann vertraut war. Doch dafür war der Mechanismus zu kompliziert.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begannen intensivere Untersuchungen. Man interessierte sich besonders für das Alter und die Herkunft des Schiffswracks. Jacques-Yves Cousteau trug zu den Erkenntnissen bei, indem er ein paar Stücke des Wracks hob und weitere Objekte fand. Die Bäume, aus denen das Schiff gebaut war, wurden im 3. oder 2. Jahrhundert v. Chr. gefällt, wie eine Radiokarbondatierung ergab. Den Holzkasten, der den geheimnisvollen Klumpen umgeben hatte, konnte man mit dieser damals noch neuen Methode leider nicht mehr untersuchen. Er war inzwischen verrottet. Im Jahr 1976 untersuchte Cousteau das Wrack noch einmal. Dabei fand er Münzen, die aus Pergamon und Ephesos stammten. Ihre Prägedaten unterstützten die bisherigen Erkenntnisse, dass das Schiff aus Kleinasien kam, und grenzten den Zeitraum seines Untergangs auf 70 bis 60 v. Chr. ein.

Der Wissenschaftshistoriker Derek de Solla Price beschäftigte sich von 1958 an mit dem Mechanismus, wobei er auf der Vorderseite weitere Bruchstücke von Inschriften entdeckte. Daraus rekonstruierte er eine doppelt skalierte Ringskala: außen als Datumsskala, innen als Tierkreisskala. Die darunter stehende Liste mit sich im Laufe des Jahres ändernden Auf- und Untergangszeiten ausgewählter Sterne ähnelt derjenigen am meisten, die der antike Astronom Geminos entwickelt hatte.

Geminos wirkte auf Rhodos als Astronom, Stoiker und Mathematiker. Er war Schüler des Poseidonios und schrieb für seine Zeit besonders umfassende Erkenntnisse über die Astronomie nieder. Die Wissenschaft schließt nicht aus, dass der Mechanismus von Antikythera tatsächlich von Geminos von Rhodos stammt. Er selbst erwähnt bereits einen Erdglobus, den Krates von Mallos entworfen hatte.

Price erkannte, dass sich auf der Rückseite des Mechanismus wenigstens zwei weitere größere Anzeigen über runden Zifferblättern befunden haben mussten, und schlussfolgerte, dass es dabei um „Zeit im fundamentalsten Sinne, gemessen durch die Bewegungen von Himmelskörpern über den Himmel“ gegangen sein muss. Den Mechanismus hielt er für so bedeutend, dass „ein völliges Umdenken nötig“ sei, „was die Geschichte der Technik“ angehe.

Um weiteren Aufschluss zu gewinnen, erreichte Price, dass der Mechanismus 1972 an seinem Aufbewahrungsort, dem Archäologischen Nationalmuseum in Athen, mit Röntgen- und Gammastrahlen untersucht wurde, um die Zahnradgetriebe im Inneren erkennen und beurteilen zu können. Obwohl mit dieser Aufnahmemethode nicht unterschieden werden konnte, in welcher Reihenfolge die mehrfach übereinanderliegenden Zahnräder angeordnet sind, gelang Price eine erste Rekonstruktion der Anzeigen.

Mittlerweile wurden mehrere Modelle gebaut und erprobt, mit deren Hilfe sich komplexe astronomische Vorgänge darstellen lassen, beispielsweise ein Kalender zur Vorhersage von Mond- und Sonnenfinsternissen und auch eine Art Terminplaner für die Wettbewerbe in den Zeiten zwischen den Olympischen Spielen. Doch sind noch längst nicht alle Fragen geklärt. Der „antike Computer“, dessen Präzision mehr als tausend Jahre lang unerreicht blieb, gibt den Forschern noch immer Rätsel auf, und sie können noch immer nicht alle seine Funktionen erklären.

Legendäre Schiffswracks

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